Wo dir niemand guten Tag sagt

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Wo dir niemand guten Tag sagt

Früher waren hier noch Wälder,
Lerchen schwirrten über Felder
und die Wege führten weit hinaus.
Heute sieht man nur Fassaden,
Leute wohnen eng wie Maden
und dahinter scheint die Welt schon aus.
Alle drei Minuten kommt die Straßenbahn.
Mancher wäre gern längst von hier weggefahrn.

Wo die Fahrscheinautomaten
übersprüht sind mit Sieg Heil!
und die Mädchen, die dort warten,
bieten ihre Körper feil,
wo dir niemand guten Tag sagt, außer der,
die verzweifelt tut, als ob sie achtzehn wär,

wo dir niemand guten Tag sagt,
weil kein Mensch den andern kennt,
wo man sich nachts nicht hinaus wagt,
weil kaum Licht im Fahrstuhl brennt,
wo Theater nur den Streit zu Hause meint,
findet nichts mehr statt, womit man Leben meint.

Bunte Blätter nähren Bilder,
Werbung treibt es immer wilder,
Irrsinn, der Begehrlichkeiten weckt.
Wie soll man die Flügel dehnen,
statt vorm Fernsehschirm zu gähnen,
bis man irgendwann die Waffen streckt?
Also hängt man vor der Glotze wie ein Stein,
setzt die letzte Hoffnung auf den Lottoschein.

Wo die Fahrscheinautomaten
übersprüht sind mit Sieg Heil!
und die Mädchen, die dort warten,
bieten ihre Körper feil,
wo dir niemand guten Tag sagt, außer der,
die verzweifelt tut, als ob sie achtzehn wär,

wo dir niemand guten Tag sagt,
weil kein Mensch den andern kennt,
wo man sich nachts nicht hinaus wagt,
weil kaum Licht im Fahrstuhl brennt,
wo Theater nur den Streit zu Hause meint,
findet nichts mehr statt, womit man Leben meint.
 
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Eine düstere Geschichte. "Findet nichts mehr statt, wo das Leben keimt", kam mir spontan in den Sinn als Zeilenreim.
 
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Ich wollte die letzte Zeile sowieso noch mal ändern. Schließlich war ich auch lange so ein Plattenbau-Kind. Und wir haben durchaus gelebt.
 
Ich wollte die letzte Zeile sowieso noch mal ändern. Schließlich war ich auch lange so ein Plattenbau-Kind. Und wir haben durchaus gelebt.
Geht hin zu meinem ersten Eindruck: plakativ, Oberfläche betrachtend.
Zweiter Eindruck: Das "man" stört mich. Als Lyrisches Ich sehe ich eine ältere Person, im ländlichen Raum aufgewachsen. Der würde ich so eine Sichtweise abkaufen und da ist es auch für mich okay, denn ich muss diese Sichtweise ja nicht teilen.

Ohne diese Person, das heißt als generelle, quasi objektive Beschreibung ist es mir zu romantisch verklärt: Moderne heisst, Menschlichkeit geht flöten, Kälte bleibt, Untergang des Abendlandes.

Als Großstadtpflanze sehe ich Unterschiede, aber keine Aufteilung in gut und böse, schwarz und weiß, heile Welt und Hölle.

x-Riff
 
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Ich habe, von der letzten Zeile ausgehend, spontan einen Song komponiert, der bräuchte aber viel weniger Zeilen. Schreibst du Texte mit musikalischem Hintergrund? Kannst du singen? Habe mir andere Texte von dir angeschaut, geht es dir um Songs? Audio irgendwo? Finde mich noch nicht zurecht, deshalb die Fragen. Klar, kann man auch pure Lyrik anstreben; ist nur Neugierde von mir.
 
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Meine Texte werden meistens vertont. Allein bei MOM (my own music) findest du unter "korgli" über 20 Stück. :)

Schick mir unbedingt deinen Song. Ich bin neugierig.

Hab die Refrain-Schlusszeile geändert in:

dort wird auch geliebt, gelacht, vor Glück geweint…
 
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Dunkel und bedrohlich, gilt für das Land genauso wie für die Stadt
Deinen Text finde ich sehr gut, den kann ich mir gut so in Richtung alte Black Sabbath zur Paranoid Zeit vorstellen a'la Iron Man
 
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Ein gelungener, dichter Blick und wie so oft: Stark geschrieben, lyrisch und inhaltlich.

Ich würde eventuell anders einsteigen. Die Stadtviertel, auf die Deine Beschreibung zutrifft, waren doch nicht vor kurzem unberührte Natur oder harmonisches Dorf - sie sind in meiner Wahrnehmung schon ziemlich lange das, was sie auch heute sind. Daher kann ich mir auch vorstellen, wenn die ersten drei Zeilen eher die Ausgangssituation noch etwas deutlicher umreißen.

Lang schon gibt's hier keine Träume
viel zu enge, kleine Räume
nur die Häuser wachsen hoch hinaus


...

Welche Schlusszeile besser ist - da schwanke ich. Mir gefällt eine optimistische Sicht normalerweise besser, hier fällt es mir schwer, ihr zur folgen.
 
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Lang schon gibt's hier keine Träume
viel zu enge, kleine Räume
nur die Häuser wachsen hoch hinaus
Hey! Gut! Trotzdem würde ich meins gern so lassen. Im Moment hänge ich noch dran. :)
Das versöhnliche Ende habe ich für mich privat geschrieben. Ich bin, wie schon erwähnt, ein Plattenbaukind. Aber vielleicht sollte ich den Schwenk anders vorbereiten. Er kommt sehr plötzlich.
Danke erst mal für deine Wortmeldung. Wie immer mit Sorgfalt und Genauigkeit. Machst dir echt Arbeit damit. :)
 
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Ich finde den Text wie das meiste von dir sprachlich sehr überzeugend, und die bedrückende Atmosphäre kommt total gut rüber (obwohl ich auch eine Stadtpflanze bin, die das momentane Leben auf dem Halb-Land nicht so mag).

Zwei Klitzekleinigkeiten stören mich:

Heute sieht man nur Fassaden,
Leute wohnen eng wie Maden
Erstens fände ich es wegen des Anschlusses besser, wenn die "Fassaden" in der zweiten Zeile kämen, und zweitens stolpere ich über das "Maden"-Bild. Das liegt vielleicht daran, dass das übliche Sprachbild im Deutschen bei engem Zusammenleben die Sardinen sind, und man die "Made" eher von der "Made im Speck" kennt, was ja in eine ganz andere Richtung geht. Als Alternativvorschlag ist mir gerade eingefallen "Heute sieht man nur die faden / trostlos-grauen Hausfassaden".

Ansonsten finde ich das ein rundes Ding, einen zu positiven Abschluss fände ich irritierend, aber eine kleine Abwandlung der letzten beiden Sätze im letzten Refrain wäre schon charmant.
 
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"Heute sieht man nur die faden / trostlos-grauen Hausfassaden"
Jaaa!!! Das geht! Danke!
Ich befasse mich morgen wieder damit. Heute will ich erst mal mein Buch zu Ende lesen. Aber danke,danke, danke!!!
 
Klasse Text! Tolle Bildsprache und absolut bodenständig und authentisch! Ich bin neugierig auf die musikalische Umsetzung.

Grüße
Blindschleicher
 
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Ich setze mich da ran. Dazu brauche ich aber volle künstlerische Freiheit, die Textidee bleibt erhalten, es wird aber gestrichen, editiert, verschoben, umformuliert. Auch eine Textwendung ins Positive würde ich als Komponist ausnahmsweise vermeiden. Wie weit dürfen Änderungen gehen, wenn man Fremdtexte umsetzt? Ich habe bislang immer selbst getextet. Gibst du Blankovollmacht? Selbst, wenn de facto im Ergebnis nur eine Strophe und manche Reime fehlen?
 
@Poppotov Ich meinerseits würde mir vorbehalten, noch einen 2. Komponisten heranzulassen, falls sich noch jemand meldet. Mehrfachvertonungen gab es bei mir schon einige, was ich jedes Mal sehr spannend fand. Wenn du damit leben kannst, hast du freie Hand. :)
 
Ich nehme mir zwei freie Hände, oder vier. Ich kenne das, wenn mehrere Musiker mitarbeiten. Das mag ich sehr! Wenn die Komposition fertig sein sollte: Wer spielt? Wer singt? Habe ich da ein Mitspracherecht? Irgendwie macht mich das neugierig. Was soll denn der Komponist exakt liefern? Auch das komplette Backing, wo noch die Vocals draufkommen?
 
Das machen "meine" Jungs immer alles selber. Da mische ich mich nicht ein. Aber wenn du willst, lass ich dir freie Hand und biete den Text sonst keinem weiter an. Was Spezielles hab ich damit nicht vor. Ausser, dass das fertige Lied bei www.recording.de ins Songvoting kommt und hoffentlich eine tolle Platzierung erreicht.
 
Das eine Tun, das andere nicht lassen! Du suchst einen Komponisten, Produzenten sowie Musiker und Sänger, die ein fertiges Audiofile abliefern, mit deutschem Text von dir. Für eine Veröffentlichung im Internet. Mein erster Ansatz war, eine Freude zu machen. Weil ich mich auch gerne freue.
Es ist schwer, 1000 Hörer zu finden. Ich weiß das. Sehr, sehr schwer. Mal schauen.
 
Ich bin gespannt, was daraus wird. Eine österreichische Band hat mal Texte von mir bearbeitet mit dem Ergebnis, dass ich kaum noch was verstanden habe. Da haben sie mir dann eine Übersetzung geschickt. ;) Hat aber Laune gemacht, weil alle mit echter Hingabe bei der Sache waren. 1000 Hörer hatte ich aber noch nie. Du? :)
 
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Hier mal der Text mit ein paar kleinen Änderungen:

Wo dir niemand guten Tag sagt

Früher waren hier noch Wälder,
Lerchen schwirrten über Felder
und die Wege führten weit hinaus.
Heute sieht man nur Fassaden,
Leute wohnen eng wie Maden
und dahinter scheint die Welt schon aus.
Alle drei Minuten kommt die Straßenbahn.
Mancher wäre gern längst von hier weggefahrn.

Wo die Fahrscheinautomaten
übersprüht sind mit Sieg Heil!
und die Mädchen, die dort warten,
bieten ihre Körper feil,
wo dir niemand guten Tag sagt, außer der,
die verzweifelt tut, als ob sie achtzehn wär…

Wo dir niemand guten Tag sagt,
weil kein Mensch den andern kennt,
wo man sich nachts nicht hinaus wagt,
weil kaum Licht im Fahrstuhl brennt,
wo Theater nur den Streit zu Hause meint,
dort sieht’s auch nach Regen aus, wenn Sonne scheint.

Lächerlich, die bunten Schilder;
Werbung treibt es immer wilder,
gaukelt vor, wie toll das Leben schmeckt.
Wie soll man die Flügel dehnen,
statt vorm Fernsehschirm zu gähnen?
Wer fragt hier, was Großes in dir steckt?
Also hängt man vor der Glotze wie ein Stein,
setzt die letzte Hoffnung auf den Lottoschein.

Wo die Fahrscheinautomaten
übersprüht sind mit Sieg Heil!
und die Mädchen, die dort warten,
bieten ihre Körper feil,
wo dir niemand guten Tag sagt, außer der,
die verzweifelt tut, als ob sie achtzehn wär…

Wo dir niemand guten Tag sagt,
weil kein Mensch den andern kennt,
wo man sich nachts nicht hinaus wagt,
weil kaum Licht im Fahrstuhl brennt,
wo Theater nur den Streit zu Hause meint,
dort sieht’s auch nach Regen aus, wenn Sonne scheint.
 
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