Pädagogischer Ansatz Improvisation

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shakerunner
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Hallo zusammen, ich habe eine Klavierschülerin, die bisher von Noten gespielt hat und die sich gerade zum ersten Mal ein wenig mit Akkorden und Improvisation beschäftigen möchte. Das Blöde ist, ich glaube, sie hat noch nicht so ganz das Verständnis dafür, was "Akkorde" und Tonleitern etc. eigentlich sind. Sie ist noch recht jung, beginnende Pubertät und ich möchte sie gerne gleich praktisch an die Sache heranführen. Habe mir überlegt, ihr beispielsweise erst einmal für die Rechte Hand die Melodie irgendeines Popstückes beizubringen und dass sie dann die drei, vier Akkorde, die sie dafür braucht (nicht über Tonika/Dom./Subdom./Tonikaparallele hinausgehend) mit der linken Hand in verschiedenen Umkehrungen dazu spielen soll. Eine weitere Idee war, ihr zusätzlich die Noten zu ein paar einfachen Melodien aufzuschreiben, mit Kästchen obendrüber, wo sie dann selbst herausfinden muss, an welcher Stelle welcher Akkord reingehört.
Haltet ihr sowas für didaktisch klug? Wie genau würdet ihr die Sache angehen, hat jemand Erfahrung mit Improvisationslehre für Beginner? Bzw. einen bestimmten Ansatz?

Viele Grüße
Shakerunner
 
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Ich nehme am Anfang häufig so eine Art Hit-the-Road-Jack-Groove:

||: Am G | F E :||
Links den Grundton auf 1 (als Halbe, Lang), Rechts den Akkord in Grundstellung auf 2 (kurz, fast Staccato), am Anfang ohne Septimen. Dann beim nächsten Akkord dasselbe auf 3 und 4, das ganze dann im Loop. Jetzt nehme ich meine Gitarre und improvisiere auf der Am-Bluestonleiter dazu (Swing!).

Im nächsten Schritt lernt der Schüler die Am-Bluestonleiter, und zwar zunächst in einer Lage: a c' d' es' e'. Fingersatz 12345. Damit ein bißchen herumspielen.

Jetzt spiele ich auf der Gitarre die Akkorde und der Schüler improvisiert nur mit der rechten Hand. Wenn das nach einer Weile einigermaßen klappt, rufe ich dazwischen: "Jetzt wieder Akkorde mit beiden Händen zwo drei vier", dann spielen wir zusammen die Akkorde und nach einer Weile improvisiere ich wieder. und dann immer so hin und her.

Nächster Schritt: neue Lage. e' g' a' c''. Fingersatz 1235.

Nächster Schritt: Lagenwechsel. In der zuerst genannten Lage tritt an die Stelle des 5. Fingers auf dem e der Daumen, und schon ist man in der anderen Lage.

Nächster Schritt: Die erste Lage eine Oktave höher.

Nächster Schritt: Linke Hand spielt Grundtöne dazu. A G F E (Das ist der schwierige Schritt.)

Nächster Schritt: Das Ganze einbauen in Martha Miers Just Struttin Along.

Statt der Gitarre kann man natürlich auch ein anderes Instrument nehmen.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Haltet ihr sowas für didaktisch klug? ...
Bzw. einen bestimmten Ansatz?
Ich würde es auch so ähnlich machen wie mcCoy, d.h. du begleitest, und die schülerin macht nichts anderes als nur zu improvisieren,
ich würde sogar mit nur einem akkord in einer tonart anfangen oder mit einer einfachen I IV V-folge o.ä.

Also nicht noch gleichzeitig etwas anderes verlangen, vor allem wenn ihr nicht so ganz klar ist, was akkorde und tonleitern eigentlich sind (wie du ja schreibst).
vom einfachen zum komplexen heisst, dass man erst mal irgendwas spielt, was man sich selbst ausdenkt.

das ist für viele radikal neu, und das ist oft ein grosses Problem. Was soll ich eigentlich spielen?
Ist das erst mal gegessen, kann man die andere hand, akkorde, akkordfolgen, umkehrungen etc. dazunehmen. Schritt für schritt.

was spräche auch dagegen? - ist die schülerin unterfordert und hat nach 3 minuten schon langweile, kann man ja jederzeit ne schippe drauflegen.
und zuhause üben kann sie genau dass dann eine ganze woche lang.
 
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Danke für eure Antworten!
 
...Improvisationslehre für Beginner? Bzw. einen bestimmten Ansatz?
Aus meinem Blickwinkel als Jazz-Amateur finde ich eine einfache Form und wenige Noten als Ausgangspunkt gut, damit sich die Aufregung bezüglich der "neuen Herausforderung" legen kann und der Spaß an der Sache sofort erlebbar wird. Die folgenden Klangbeispiele sollen lediglich einen ersten Eindruck der Stücke vermitteln, weil ein Schüler das "Real Book"-Jazz Repertoire meistens noch nicht kennt. Sie sind natürlich nicht als direkte Vorlage gedacht, denn mehr als das Thema wird sich davon auf absehbare Zeit von den meisten Schülern vermutlich nicht übernehmen lassen. Schon bald können aber vielleicht einzelne "Licks" herausgehört und in eigene Solos übernommen werden. Diese Strategie wird für das Improvisieren häufig empfohlen und wurde unter anderem von Clark Terry formuliert.


Einen praktischen Einstieg findet man z.B. mit dem C-Jam Blues von Duke Ellington.
Als Schüler kann man anhand dieses Themas als Erstes lernen, dass eine gute musikalische Wirkung selbst mit nur ein bis zwei Tönen möglich ist. Abgesehen von speziellen Arrangements ist eine einfache Blues-Form die Grundlage. In Stücken des klassischen Swing der 30er und 40er Jahre finden sich unzählige "Riffs", die als Bausteine zum Heraushören, Anpassen an harmonische Situationen und die eigene "Lick-Samlung" gut geeignet sind.

Inhalt der ersten Lektion könnte sein, die Wirkung einer rhythmischen Platzierung von Tönen zu erfahren. Das könnte man als ersten Übungsdialog am Instrument verwenden. Das Frage und Antwort-Schema ist der einfachen Blues-Form immanent, man könnte einem Schüler durch "vorspielen - nachspielen" und später "vorspielen - durch Variation antworten" als Frage & Antwort-Spiel in der Form erleichtern, sich auszuprobieren.

In den nächsten Unterrichtseinheiten könnte man nach und nach die Werkzeugkiste der Improvisation aufmachen, neben der rhythmischen Variationen von Tönen des Themas z.B. einfache oder evtl. zunehmend komplexere An- und Umspielungen von Akkordtönen. Für eine gute Tonvorstellung könnte man Phrasen auch zunächst (nach-)singen lassen, erst dann spielen und der Schüler soll beurteilen, wie weit sich beides deckt.

Nach der Konzentration auf Akkordtöne könnte es darum gehen, die Möglichkeiten mit Tonleitermaterial zu erweitern. Naheliegend wären der Dur- und Moll-Modus der Pentatonik und die Erweiterung zur Blues Scale (1, 2, [b3], 3, 5, 6, 1; 1, b3, 4, [b5], 5, b7, 1). Anschließend könnte man mit Material einer bluesgeeigneten diatonischen Skala arbeiten, am Beispiel C Jam Blues etwa durchgehend C dorisch improvisieren oder durchgehend C mixolydisch.

Die gewonnenen Erfahrungen in Improvisation könnte man dann auf Standards mit einfachen Akkordprogressionen übertragen lassen, z.b. Satin Doll.
Die Herangehensweise könnte wie beim Blues sein:
Frage-Antwort Interaktion von Lehrer und Schüler, Möglichkeiten mit Akkordtönen ausprobieren durch rhythmische Variationen sowie An- und Umspielungen, Pentatonik anwenden, mit Material der Tonika-Tonleiter spielen - soweit es geht...
Als neuen Lerninhalt könnte man dann den Bezug von Harmonien zu Akkordskalen einführen und einige der Möglichkeiten im Umgang mit Dominantseptakkorden erfahren lassen.
Als stilistische Erweiterung könnte man nun den Latin einführen (z.B. Song For My Father, Blue Bossa, The Jody Grind).

Ein weiteres Thema könnte anschließend Moll sein, z.B. Moll-Blues (z.B. Equinox, Mr. P.C.), Modalität (z.B. Impressions), Kennlernen der II - V in Moll: IIm7b5 - V7b9, (z.B. Peace).


Gruß Claus
 
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Da Improvisation ein sehr interessantes Thema ist, schreibe ich einfach noch mal drunter, auch wenn der letzte Beitrag vor zwei Jahren war. Vielleicht kann es ja noch jemand gebrauchen.

Ich habe Improvisation nie richtig "gelernt" sondern eher erfahren (außerhalb des Klavierunterrichts). Ich habe lange Zeit gerne Pfadfinderlieder gesungen, bei denen also nur die Akkorde drüber standen. Da findet sich schon ein Anfang des Improvisierens, da man sich ja entscheiden muss, wie man diese Akkorde genau umsetzt. Mein Ziel war immer, dass das Klavier die Gesamtstimmung des Liedes unterstützt und dadruch haben sich verschiedene Varianten ergeben, die ich auch heute noch nutze. Später, als meine Hände geübter waren, habe ich dann auch die Melodie in der rechten Hand mitgespielt (über den anderen Tönen, die die rechte Hand so hatte) und bald auch selbst erdachte Zweitstimmen. Irgendwann (extrem spät) habe ich dann auch kapiert, wie man Zusätze wie Sept und co anwendet und damit herumexperimentiert.

Dann habe ich natürlich irgendwann angefangen, Akkorde, die gut klingen, zusammenzubasteln und frei darüber zu singen, also wirklich zu improvisieren. Später bin ich dann auf Klangexperimente gestoßen (Was passiert, wenn ich einen Ton immer wieder wiederhole und darüber mich in Halbtonschritten bewege, wie wirken Quintparallelen, welche Töne ergeben ein Glockengeläut, etc.). Und dann habe ich verschiedene Auflösungen entwickelt (also die klassischen Auflösungen von Akkorden mit Dissonanzen noch mal für mich selbst herausgefunden) und eingeübt, so dass insgesamt mein "Improvisationsrepertoire" stetig wächst.

Das alles allerdings nie mit dem Ziel "improvisieren zu können" und auch nicht für Popimprovisation. Und es hat natürlich ewig gedauert und sich ganz langsam mit meinem Können am Klavier und anderen Instrumenten, mit meiner Beschäftigung mit Theorie und Musikgeschichte quasi ganz natürlich mitentwickelt.

Das ist natürlich für ein gezieltes Lernen und Lehren schwer umzusetzen, finde ich aber wesentlich natürlicher als Improvisation zu unterrichten, weil die Musik ja letztlich aus einem selbst kommen muss.
 

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