Wissenschaftliche Erkenntnisse über und für das Üben?

  • Ersteller murmichel
  • Erstellt am
murmichel
murmichel
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
26.04.24
Registriert
29.11.14
Beiträge
1.303
Kekse
5.116
Ort
Bonn
Meine Frage hat nicht unmittelbar mit Tasteninstrumenten zu tun, da ich aber selbst (wieder) Taster bin, stelle ich sie hier, weil ich keinen bessere Platz gefunden habe.

In meiner Kindheit und Jugend habe ich mir über das richtige Üben wenig Gedanken gemacht. Meine Lehrer wohl auch nicht, muss ich rückblickend feststellen. Entsprechend wenig ist dabei herausgekommen. Das liegt aber inzwischen alles fast 30 Jahre zurück und gut 25 Jahre lang habe ich ein Klavier nur ein paar Mal im Jahr angefasst. Vor knapp 3 Monaten habe ich wieder angefangen zu üben; seit Anfang des Jahres mit Lehrer.

Heute gehe ich mit meinem Üben etwas reflektierter um als damals. Beispielsweise habe ich bemerkt, dass ich gelegentlich, Passagen besser spielen kann, nachdem ich darüber geschlafen habe. Ja, ich habe sogar festgestellt, dass ich meine Zeit sinnvoller nutze, wenn ich mich auf schwierige Stellen fokussiere; wer hätte das gedacht?

Ich bin sicher, dass es einen großen Sack voll solcher "Volksweisheiten" gibt. Jeder, der ein Instrument spielt, kann vermutlich seine eigenen Anekdoten beitragen. Darum geht es mir aber gerade nicht! Ich wüsste gerne, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, etwa aus Psychologie und Hirnforschung, es zum Üben auf Musikinstrumenten gibt.

Dabei würde mir ein populärwissenschaftlicher Überblick schon genügen, obwohl es immer gut wäre, wenn auch auf die Originalquellen verwiesen würde. Ich habe bereits "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer gelesen und in "Psychology of Music" von Diana Deutsch gestöbert, dort aber nicht gefunden, was ich suche.
 
Eigenschaft
 
Beispielsweise habe ich bemerkt, dass ich gelegentlich, Passagen besser spielen kann, nachdem ich darüber geschlafen habe. Ja, ich habe sogar festgestellt, dass ich meine Zeit sinnvoller nutze, wenn ich mich auf schwierige Stellen fokussiere; wer hätte das gedacht?
google suchbegriff "reminiszenzeffekt"

Ich wüsste gerne, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse, etwa aus Psychologie und Hirnforschung, es zum Üben auf Musikinstrumenten gibt.
... Ich habe bereits "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer gelesen und in "Psychology of Music" von Diana Deutsch gestöbert, dort aber nicht gefunden, was ich suche.
schwer zu beantworten: was genau suchst du denn?
die antwort auf eine konkrete frage? oder die allumfassende antwort darauf, wie man lernt?

hier könnte man z.B. mal anfangen:
http://subjektorientiertermusikunterricht.com/forschung/
 
Zuletzt bearbeitet:
Die praktische Anwendung interessiert mich natürlich auch, wenn es eine wissenschaftlich fundierte Übemethode gäbe, dann würde ich gerne mehr darüber erfahren. Zunächst geht es mir aber darum, überhaupt eine Idee vom Stand der Forschung zu bekommen. Was ist bisher erforscht worden? Welche Forschungsschwerpunkte gibt es? Wie sehen die bisherigen Ergebnisse aus?
 
Hi,
hab nur mal kurz in der kostenlosen Leseprobe gestöbert und kann noch nicht beurteilen wie wissenschaftlich das ist bzw. obs wirklich gut ist, aber nur so als Tipp: INNER GAME MUSIK: Der Mozart in uns von Barry Green...
 

Das sieht schon recht gut aus, nachdem ich nach einigem Suchen auch ein Inhaltsverzeichnis gefunden habe. Was mir nicht so gut gefällt: Die letzte gründliche Überarbeitung ist anscheinend für die vorige Auflage von 2003 passiert. Oder die Leseprobe stammt aus der alten Auflage. Ich würde mir auch neben der Neurologie noch mehr Psychologie (in der empirisch-wissenschaftlichen Spielart) wünschen.

Wie dem auch sei, ich werde zusehen, dass ich das Buch in die Hände bekomme, würde mich darüberhinaus aber über weitere Vorschläge freuen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich habe das Buch nun und inzwischen dier ersten 40 Seiten gelesen. Ich bin positiv überrascht. Ja, so hatte ich mir die Darstellung erhofft.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
So, ich habe das Buch gelesen, wenn auch zum Ende hin deutlich weniger gründlich. Die Darstellung an sich ist schön, da bleibe ich bei meinem obigen Urteil.

Leider wird das Buch aber seinem Titel und Untertitel, "Die Kunst des Musizieren. Von den physiologischen Grundlagen zur Praxis", nicht gerecht. Ja, die Grundlagen sind drin, aber zur Praxis gibt es dann doch nur sehr wenig.
 
Ich lege noch mal nach, welche Fragen und Antworten, insbesondere zum Üben, ich im oben genannten Buch von Klöppel & Altenmüller vermisst habe.

Was beim Üben vor allem passiert, ist motorisches Lernen. Mir drängen sich deshalb Fragen auf, wie verschiedene Aktivitäten miteinander wechselwirken, negativ wie auch positiv, wenn jemand
  • in einem Zeitraum mehrere Stücke übt,
  • in kurzer Folge Tonleitern mit unterschiedlichen Fingersätzen übt,
  • verschiedene Instrumente übt oder spielt,
  • andere motorisch anspruchsvolle Fähigkeiten übt, etwa Tanzschritte oder Stricken.
 
Die Antwort auf deine Fragen kenne ich jetzt nicht, aber du könntest mal unter Sportwissenschaft und motorischen Lernen suchen.

Dieses Buch erscheint mir vielleicht passend, allerdings habe ich es nicht gelesen: "Aufmerksamkeit und motorisches Lernen" von Gabriele Wulf
 
Und jetzt hab ich's auch gelesen. Das war mal mehr, mal weniger spannend, für Musiker jedenfalls nicht essentiell. Ich denke eine treffende Zusammenfassung findet man auch im Gleichnis vom Tausendfüßler, der nicht mehr von der Stelle kommt, nachdem er anfängt, darüber nachzudenken, wie er seine Beine bewegt.

Gabriele Wulf fasst in dem Buch eine Reihe von Untersuchungen zusammen, in denen sie und andere Wissenschaftler erforscht haben, wie sich beim Erlernen einer neuen motorischen Fähigkeit die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auswirkt. Und zwar auf das erste Erlernen, das Behalten und das Übertragen auf andere/ähnliche Fähigkeiten. Die Forschung hat sich primär auf sportliche Tätigkeiten bezogen, Reha (bei Gleichgewichtsübungen) war auch dabei, an Verweise auf explizit musikalische Studien kann ich mich nicht mehr erinnern.

Ganz allgemein hat es sich als nachteilig herausgestellt, wenn die Versuchsteilnehmer beim Lernen oder Ausführen einer Tätigkeit die Aufmerksamkeit auf Vorgänge in ihrem Körper gerichtet haben ("interner Fokus"). Etwa wenn sie darauf achten den Arm zu strecken, das Gewicht auf einen Fuß zu verlagern, Hand ruhig halten.

Vorteilhaft ist dagegen, die Aufmerksamkeit auf das Ziel der Bewegung zu richten ("externer Fokus"). Etwa zwei Markierung nah beieinander halten, einen Ball in Drall versetzen.

Dabei muss der externe Fokus natürlich immer im Bereich dessen liegen, was für den Ausführenden mit seinen aktuellen Fähigkeiten erreichbar ist. Es ist ein edles Ziel, das Tennismatch gewinnen zu wollen, als Fokus ist es für die meisten aber ungeeignet. Ein Amateuer sollte sich eher auf das Ziel konzentrieren, den Ball dorthin zu schlagen, wo der Gegner nicht steht. Ein Anfänger könnte sich darauf ausrichten, den Ball in das richtige Feld zu schlagen. Bei beiden wird voraussichtlich, sagen jedenfalls die Studien, die Leistung schlechter, wenn sie anfangen, sich auf die Muskelspannung in ihrem Arm zu konzentrieren.
 
Ich habe mir aufgrund der Diskussion hier, das Buch "die Kunst des Musizierens" ebenfalls gekauft.
Mal sehen was ich daraus ziehen kann, ich werde es hier berichten.

Dirk
 
... Beispielsweise habe ich bemerkt, dass ich gelegentlich, Passagen besser spielen kann, nachdem ich darüber geschlafen habe. ...

Hilft vielleicht dem Thread-Ersteller nicht direkt, aber ich habe diese Erfahrung ebenfalls gemacht und das hat mich immer wieder fasziniert:

Abends arbeite ich intensiv an einer schwierigen Stelle, bzw. an einem ganzen neuen Stück. Dabei geht es noch recht ruckelig zu und es passieren einige Fehler. Nur wichtig ist, zu wissen wie es richtig gehört, also mindestens einmal jede Stelle richtig gespielt zu haben, wenn auch nur auszugsweise.
Dann direkt danach, oder bald drauf zu Bett gehen.
Am nächsten Tag wieder hinsetzen und voila: Das Stück läuft fließend durch.

Anfangs war ich immer sehr überrascht, mittlerweile setze ich diese "Technik" ganz bewusst ein, wenn ich neue Klavierstücke einstudiere - quasi "im Schlaf lernen".
Unser Hirn verarbeitet noch im Schlaf das gelernte und lernt dabei dazu. Aber ich bin weder Psychologe noch Hirnforscher, ich bin vielleicht eher Faul und nutze es um effizienter zu üben ;)
Ein sehr interessantes Thema ist es aber!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Gibt noch so ein paar Grundregeln (an die ich mich halte):

- Immer min. 5 Minuten an der Phrase oder Technik üben, damit diese auch ins Langzeitgedächtnis übergeht.
- Damit das nachträgliche "Lernen im Kopf/Schlaf" richtig gut funktioniert, min. 15-20 Minuten zuvor üben.
- Niemals eine Übungssession mit Fehlern oder fehlerbehafteten Stellen beenden. Diese wollen wir natürlich nicht durch das nachträgliche Lernen abspeichern.
- Zwischendurch auch mal 1 Tag komplett pausieren.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
...
- Immer min. 5 Minuten an der Phrase oder Technik üben, damit diese auch ins Langzeitgedächtnis übergeht.
[...]
- Niemals eine Übungssession mit Fehlern oder fehlerbehafteten Stellen beenden. Diese wollen wir natürlich nicht durch das nachträgliche Lernen abspeichern.
...

das kann ich voll und ganz bestätigen, danke für die Ergänzung.

Auch wenn man an einem Stück noch Schwierigkeiten mit der Koordination beider Hände hat, hilft es z.B. nicht beide Stimmen allein zu üben, man muss es schon mit beiden Händen zusammen üben.
Wenn man aber beide Stimmen allein 90% im Gedächtnis hat und nur das gemeinsame Spiel noch etwas mehr "holpert", dann funktioniert die Übungstechnik bei mir sehr erfolgreich.
Vielleicht sollte ich es deshalb nicht nennen "im Schlaf lernen", sondern "im Schlaf das gelernte vervollständigen".

Aber das sind natürlich nur meine/unsere persönliche/n Erfahrungen.
Ich denke, da müsste es doch Literatur oder Blogs o.ä. zu dem Thema geben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Exordium, kannst du für diese Grundregeln vielleicht auch wissenschaftliche Untersuchungen nennen, in denen sie bestätigt wurden?

Ich glaube sofort, dass die Regeln für dich und andere funktionieren und so ihren Platz in der "Musiker-Folklore" gefunden haben. Aber ob sie einer Überprüfung standhalten? Da die Regeln sehr spezifische Anweisungen enthalten, stellt sich (mir) unmittelbar die Frage, ob die Werte so richtig oder besonders gut sind.

Vielleicht ist je ja viel besser, wenn man bis 1 Stunde vor dem Schlafen gehen übt, nicht etwa bis 15 Minuten davor. Vielleicht macht es gar nichts, wenn man eine Übesitzung mit Fehlern beendet; man hat es nur nie herausgefunden, weil man sich nie getraut hat, das zu tun.

Was ich damit sagen will: Vermutlich sind deine Regeln ein guter Ausgangspunkt, aber sie kommen nicht in die Nähe von wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Diese "Erkenntnisse" stammen teils aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Arbeiten / Publikationen und Studien und selbst da basierte vieles noch auf theoretischen Annahmen. Diese Forschung steckt ja noch sozusagen in den Kinderschuhen. Ich werde mich jetzt aber nicht mehr auf die Suche der Quelle(n) machen, nur um das oben geschriebene zu untermauern bzw. mich rechtfertigen zu müssen. Diese Dinge daraus habe ich mir gemerkt und zum Teil auf meine Übungsstrategie mit übertragen. Ob das nun jemandem nutzt oder er es anwenden/versuchen will, ist mir Jacke wie Hose.

Gerade die Sache mit der Lernkurve und das "Aftermath" Lernen wurde durch unterschiedliche Messungen und Studien der Hirnaktivitäten, bzw. am Lernprozess beteiligten Hirnregionen untersucht.
Der Höchstwert (gemittelt) für die Zeit/Lernkurve ohne Pause lag bei ~ 45Min. Weniger ist nicht so schlimm, man hat halt freie Kapazität nicht genutzt. Darüber bleibt dann halt immer weniger zusätzlich hängen.
Die effektivste Dauer einer Übungssitzung ist aber für jeden individuell und sie schwankte zwischen 20 Min. und 1h.

Beim Lernen in der Ruhephase / Schlaf wurden bis zu 17 Min. nach Ende der Übungssitzung nachträglich noch hohe Aktivität der betroffenen Gehirnregionen festgestellt. Die Länge und Itensität richtete sich nach der Dauer der Übung und auch nach dem Inhalt.

Wie gesagt: Dies stammt aus diversen Vorträgen, Veröffentlichungen und anderen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema "Musizieren / Lernen / Üben". Letztendlich soll das Spielen (und Üben) natürlich auch Spass machen und nicht an irgendwelche wissenschaftliche Regelwerke geknüpft sein. Wenn man ein paar elementare Dinge beachtet, wird man garantiert nicht viel langsamer sein, als jemand der seinen persönlichen Trainingsplan akribisch einhält.

Alles nur meine Meinung! :)
 
@Exordium: Ich will dich gar nicht dazu drängen, dass du dich für deine Übestrategien rechtfertigst. Ich bezweifle auch nicht, dass sie für dich und vielleicht andere funktionieren. Sehr schön! Ich kann auch überlegen, ob mir etwas davon für mein eigenes Üben sinnvoll erscheint.

So, wie du schreibst, kann es sogar sein, dass es für alle diese Strategien sogar wissenschaftlich fundierte Gründe gibt. Das wäre noch schöner. Am schönsten aber hätte ich es gefunden, wenn ich diese Gründe selbst hätte nachlesen können. Was aber wiederum auch nicht heißen soll, dass du für mich die Recherche erledigen sollst ;-)
 
Ich habe mir Deinen Ausgangspost nochmal genauer angesehen und ich denke ich habe damals aus fast den gleichen Gründen nach diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen gesucht. Ich kann Dir allerdings auch versichern, dass Du nach der zweiten oder dritten Publikation mehr oder weniger feststellen musst, dass es einfach kein massgeschneidertes Konzept dazu gibt. Ich habe für mich das behalten, das mir am sinnvollsten erschien. Ich selbst möchte keinesfalls einem sturen 100% x-Punkte Plan folgen, noch alles falsch machen. Es darf aber effizient sein und vor allem es soll Spass machen! Ich schau später mal nach, ob ich noch ein paar der Veröffentlichungen bzw. Links finde. Versprechen tu ich aber nichts.
 

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben