Test: JBC und Metcal Lötstationen

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RaumKlang
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Nachdem mich Carl wieder daran erinnern musste, dass es mittlerweile einen leichten Fortschritt in der Löttechnik gibt, habe ich mir dann doch endlich mal ein bisschen Zeit genommen, um Metcal/OKi PS-800, JBC BT-1BA und DI2860 zu testen.

Ergebnis vorab: Neben mir steht eine JBC DI2860 mit T245A Griffel als Ersatz für die bisher genutzte Ersa Analog 60.


Hintergründe

Neben den im Hobby- und semiprofessionellen Bereich oft gesehenen Stationen von Ersa (Analog 60/80) und Weller (WS 51/81) gibt es noch eine Reihe weiterer interesannter Lötgeräte, die zwar nicht mehr als billig zu bezeichnen sind, aber durchaus gewisse Vorteile besitzen - insbesondere bei häufiger Anwendung.

Meine bisher verwendete Analog 60 hat jahrelang gute Dienste geleistet, benötigt aber insbesondere bei bleifreien Loten recht hohe Temperaturen, um flüssiges Löten zu ermöglichen.
Durch die indirekt geheizte Spitze mit verhältnismäßig hoher Masse dauert es ein wenig, bis die Station nachheizt - in der Zeit ist die Spitzentemperatur allerdings bereits so weit gefallen, dass keine brauchbaren Lötstellen mehr entstehen.
Abhilfe lässt sich nur durch Erhöhung der Temperatur schaffen, was einerseits für manche Bauteile (und auch Boards) durchaus kritisch sein kann, andererseits den Spitzenverschleiß unnötig erhöht und Flussmittel zu schnell verdampfen lässt, was sich wiederum in einer schlechteren Qualität der Lötstellen niederschlägt.
Hinzu kommt, dass die Analog 60 keinen Standby-Modus kennt, d.h. die Spitze ist, sofern die Station eingeschaltet ist, immer auf eingestellter Betriebstemperatur.
In der Fertigung kein Thema - im Servicebereich, wo zwischen zwei Löststellen schon mal 5-10 Minuten vergehen können, aber eher nicht so schön, weil bei den für bleifrei benötigten hohen Temperaturen die Spitzen schnell verzundern und verschleißen. Die häufige Reinigung, die dadurch nötig wird, verlängert die Standzeit auch nicht gerade.
Abhilfe bisher: Temperatur vor längeren Pausen manuell runterdrehen und damit leben, dass es 10-20 Sekunden dauert, bevor man wieder löten kann. Aus Faulheit und Bequemlichkeit, "brennt" die Station aber auch schon mal ein paar Stunden lustig vor sich hin :-/

Weller hat prinzipiell in dem Bereich die gleichen Probleme, hier kommt aber noch ein deutlich komplizierterer Spitzenwechsel dazu.
Bei der Analog 60 muß man zum Spitzenwechsel eine (dann heiße) Feder mittels Schraubendreher oder Zange anheben und die Spitze mit einer Zange vom Griffel ziehen. Die neue Spitze wird auf- und die Feder wieder in die passende Bohrung an der Spitze eingesetzt, damit sie nicht abrutscht. Wie oft ich mir dabei schon die Pfoten verbrannt habe...
Zum Spitzenwechsel braucht es Werkzeug und der Wechsel ist während des Betriebes kaum sinnvoll machbar, da er einfach zu lange dauert (selbst Geübte kommen nicht unter 30-60 Sekunden hin).
Resultat: Man lötet (obwohl man es besser weiß) oft mit einer zu kleinen/unpassenden Spitze und verschenkt so mögliche Übertragungsfläche. Alternativ versucht man mit einer zu großen Spitze an engen Ecken zu frickeln und verbrät dabei die halbe Platine.


Wie es besser geht...

...zeigen z.B. OKi/Metcal und JBC. Das ist definitiv kein Spielzeug mehr. Beide Hersteller liefern Stationen der absoluten Profiklasse mit einigen sehr schönen Merkmalen, die das Leben deutlich erleichtern.

Sowohl OKi als auch JBC verfügen über automatische Standby-Schaltungen, welche beim Ablegen des Griffels im Ständer die Spitzentemperatur reduzieren und damit die Standzeit der Spitzen deutlich erhöhen.
Alle drei Stationen (PS-800 von OKi, BT-1BA und DI2860 von JBC) besitzen recht schmale und kurze Griffel mit einem gegenüber der Analog 60 deutlich geringerem Abstand zwischen Handstück und Spitze, was ein deutlich entspannteres und exakteres Arbeiten ermöglicht.
Ebenso haben alle drei Modelle sehr kurze Anheizzeiten im Bereich weniger Sekunden. JBC ist hier fühlbar schneller als OKi:

Primärer Unterschied ist die Regelung und Heizung.
OKi/Metcal arbeitet mit indirekt geheizten Spitzen, d.h. eigentliche Spitze und Heizelement sind zwei Teile. JBC hingegen vereint Heizung, Sensor und Spitze in einem gemeinsamen Teil, das auch als ganzes getauscht wird.
Vorteil bei JBC ist hier ganz klar die extremst kurze Anheizzeit (von kalt bis Betriebstemperatur <5 Sekunden!) und die extrem schnelle Regelung ohne große Überschwinger.
Zum Test habe ich eine 2,5mm Spitze bei 330°C in kaltes Wasser getaucht. Dabei sinkt die Spitzentemperatur auf gerade mal 310°C ab und wird bei diesem Wert stabil gehalten. Nimmt man die Spitze aus dem Wasser, steigt die Temperatur sofort wieder an, dabei gibt es einen kurzen (2-3 Sekunden) Überschwinger auf 340°C, was ich mehr als akzeptabel finde.
Versuchsweise habe ich die gleiche Spitze mal an einen mittelgroßen Kupferkühlkörper gehalten und vesucht, dort ein Kabel anzulöten: Temperatur konstant bei 330°C!

Metcal/OKi regelt die Spitzentemperatur über die Curie-Temperatur der Spitzenlegierung. Das funktioniert ebenso prima, allerdings ist die Anheizzeit etwas länger als bei JBC und die Temperatur lässt sich nur durch Verwendung einer anderen Spitze ändern. In der Industrie hat das sicherlich Vorteile, weil die Löter die Station in keinem Fall zu heiß betreiben können. Für meine Anwendung ist das JBC-System besser geeignet, weil ich sowohl bleihaltig als auch bleifrei verarbeiten muß und dafür nicht die Spitzen wechseln will.
Das ist übrigens auch der Grund für die DI2860: Hier lassen sich im Menü bis zu 4 Temperaturniveaus einstellen, die dann im Betrieb über die +/- Tasten angewählt werden können.
Aktuell arbeite ich mit 250°C für Blei und 270 bzw. 310°C für bleifrei. Für bleifrei brauchte ich an der Analog 60 bisher mindestens 400, eher 420°C.

Ein weiterer Grund für die DI2860: Der Ablageständer ist von der eigentlichen Station getrennt, was insbesondere im Service an größeren Pulten Vorteile bringt, weil man nicht die ganze Station an die passende Stelle bringen muß. Außerdem ist hier die Neigung der Griffelablage flacher (ca. 45°), während der Griffel im Halter der BT-1BA fast senkrecht steht, was für mich eher unangenehm ist.
Der Halter bei Metcal ist noch etwas flacher, damit lässt es sich auch sehr angenehm arbeiten.


Spitzenwechsel

Am Kabel des OKi-Griffels ist ein Gummilappen befestigt, mit dem man die Spitze vom Heizelement ziehen und im Ständer ablegen kann. Geht schnell und einfach, allerdings sollte man aufpassen, dass man die Spitze nicht senkrecht auf den Lappen drückt, sonst gibts Brandblasen an der Hand :-/

Das JBC-System ist für meine Begriffe genial: Spitze mit dem kleinen Kragen in den Abzieher am Ständer setzen und am Griffel ziehen, spitze raus. Gleichzeitig erkennt die Station den Spitzenwechsel (Kontakt der Spitze mit dem Metall des Abziehers) und schaltet die Heizung ab. Die gezogene Spitze kann im Abzieher verbleiben, der Platz für zwei Spitzen bietet. Griffel auf neue Spitze aufsetzen, aus der Halterung nehmen und im passenden Loch (für den 245er Griffel das mittlere) am Ständer in den Griffel drücken. Keine 5 Sekunden später kann man weiterlöten.
Das geht so schnell, dass man damit eigentlich immer zur passenden Spitze wechseln kann, ohne viel Zeit zu verlieren.


Standby

Metcal schaltet die Heizung beim Einsetzen des Griffels in den Halter sofort ab (magnetisch), vor dem Weiterlöten muß man etwa 5 Sekunden warten, bis die Spitze wieder heiß genug ist.
Bei JBC kann man die Standby-Zeit einstellen. Bei mir steht sie aktuell auf 0, d.h. die Heizung wird sofort abgeschaltet, sobald der Metallrand des Griffels den Ständer berührt. Ebenso lässt sich die Standby-Temperatur einstellen (bei mir aktuell 160°C). Von da braucht es keine 2 Sekunden bis die Spitze wieder auf Arbeitstemperatur ist.
Ebenso einstellbar ist bei JBC die Zeit bis zum "Winterschlaf". Das ist eine extrem praktische Sache, vor allem im Service. Hier aktuell 20 Minuten. Bleibt der Griffel solange im Ständer, schaltet die Station von Sleep auf Hibernation, die Heizung also komplett ab. Nie wieder eine eingeschaltete Lötstation über Nacht in der Werkstatt vergessen - herrlich!
Aus dem Winterschlaf braucht es etwa 5 Sekunden bis zur eingestellten Temperatur und der Winterschlaf wird sofort beendet, wenn der Griffel aus dem Ständer genommen wird.


Gehäuse

Die JBC-Gehäuse bestehen zum Teil aus gespritztem Kunststoff, die DI2860 besitzt dazu noch einen Ständer aus massivem Metallguss. Die ganze Station ist extrem schwer. Vorteil: Zum Spitzenwechsel muß man da nichts festhalten, weil es sonst vom Tisch abheben würde und das ganze Ding besitzt die feenhafte Anmutung eines Leopard II :)
Der Griffel wiegt übrigens gerade mal 25g.
Am Ablageständer der DI2860 lassen sich insgesamt 7 Spitzen ablegen:
Zwei im Abzieher (für häufig gebrauchte Sachen wie 1mm Bleistift und 2.5mm Meißel), 3 weitere in Federklemmen über dem Abzieher, nochmal zwei in Sacklöchern hinter den Federklemmen.
Im Abzieher muß man sich merken, wo welche Spitze steckt, in den Federklemmen und den Löchern sieht man es auf Anhieb. Nachteil bei den Löchern: Die Spitzen müssen da von Hand abgelegt werden, weil es logischerweise dort keinen Abzieher gibt und die Spitzen dort auf dem Kopf stehen müssen. Das ist aber vor allem für IC-Auslötsätze sehr gut geeignet, die braucht man ja doch eher selten.


Metcal hat Gehäuse und Ständer aus Kunststoff, so wirklich road-tauglich scheint mir das nicht zu sein. Die Basisstation wiegt gefühlte 200g und ich reiße sie ständig vom Tisch, weil sie so leicht ist.
Auch hier gibt es Ablagemöglichkeiten für verschiedene Spitzen - die müssen aber alle (3) mit dem Kopf nach oben hinten in den Ständer gestellt werden, dessen Rückseite dummerweise verdeckt ist.
Der Grund warum Metcal so leicht ist: Die Stationen arbeiten mit Hochfrequenz, brauchen also keinen dicken Trafo und ein "künstlich" schweres Gehäuse hat man sich eben auch gespart.


Fazit

Die BT-1BA hätte es auch getan. Allerdings konnte ich die DI2860 für nur ein paar Euro mehr bekommen, weil es sich dabei um ein Auslaufmodell handelt (die neuen Gehäuse und Ständer sehen etwas anders aus, technisch ist das gleich geblieben, ebenso wie die Griffel).
Die Vorteile (mehr Ablagemöglichkeiten für Spitzen, von der Station getrennter Ständer mit flacherem Ablagewinkel, programmierbare Temperaturen...) der DI2860 wiegen das locker wieder auf und ich gehe mal davon aus, dass sie mindestens genau so lange leben wird wie die Analog 60 bisher.

Warum nicht Metcal? Die festen Temperaturen in Abhängigkeit von der verwendeten Spitze, höhere Kosten für weitere Spitzen, geringere Auswahl an Spitzenformen, bessere Ergonomie des JBC-Griffels und die längere Anheizzeit sind wohl ausreichend :)

Jedem der regelmäßig viel löten muß oder will, kann ich JBC nur allerwärmstens empfehlen - die haben ihre Hausaufgaben gemacht und bieten ein in meinen Augen perfektes Lötsystem für höchste Ansprüche.
Für den Hobbyisten sicherlich auch eine Bereicherung, da dürfte aber die Hobbykasse oft einen Strich durch die Rechnung machen, obwohl ich nur jedem Wünschen kann, mit so einer Station löten zu dürfen :)
 
Eigenschaft
 
Auch bei ERSA hat sich ja einiges getan. Die neuen Lötstationen der i-CON Reihe bieten all diese Möglichkeiten ja auch
die Raumklang beschrieben hat und sogar noch mehr.
Noch dazu aus heimischer Fertigung und noch dazu zu konkurrenzfähigen Preisen.
Das Zubehör ist sowieso günstiger bei ERSA.
Also wer schaut und vergleicht findet auch Alternativen.
 
ERSA hat sich tatsächlich im Laufe der Zeit als sehr namenhafter Hersteller etabliert. Ich selbst benutzte die Ersa RDS 80 und bin hochzufrieden damit. Aber auch Weller Lötstation halten über Jahrzehnte und machen einen erstklassigen Job. Um auf oldies Alternativen einzugehen: Lötstation Test 2015
Hier kann man schnell und einfach die verschiedenen Lötstationen vergleichen. Vielleicht hilft das dem ein oder anderen sich besser entscheiden zu können.

Ich wünsche euch allen weiterhin viel Spaß am Löten :D
 

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