[Review] Art & Lutherie Ami Steel

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Moin,

man liest, auch hier im Forum, so gelegentlich etwas über diese Gitarre, aber Produktreviews sind doch recht selten, zumal auf deutsch. Daher mein Entschluss, doch mal eine zu schreiben.

How the story began:
Geliebäugelt hatte ich mit der AMI schon vor einigen Jahren mal, konnte mich aber letztlich nicht entscheiden. Jetzt war es mal wieder soweit, dass ich eine gut transportable Reisegitarre suchte, die aber nicht wie eine solche klingen sollte. Die Martin Backpacker habe ich verkauft, weil mich zwar die Kompaktheit, aber letztlich weder die Bespielbarkeit noch der Sound so richtig überzeugen konnten, und die Framus Junior, die ich letztes Jahr in die Staaten mitgenommen hatte, habe ich letztlich entnervt in einem Thrift Store der Heilsarmee irgendwo in Colorado abgegeben, weil sie einfach nur nervte.

Da die Recherchen im Netz und das Ausprobieren der gelegentlich und vereinzelt in Läden auftauchenden "Kleingitarren" mich schließlich mehr verwirrt hat, als es zur Wahrheitsfindung beitrug, bin ich schließlich ins Fränkische zu einem von Deutschlands großen Vollsortimentern gefahren und habe mindestens folgende Klampfen ausgetestet:
  • Baby Taylor Spruce
  • Big Baby (zu groß, da kann man auch gleich eine Folk kaufen)
  • Little Martin mit HPL-Korpus und -Decke
  • Takamine G Mini
  • Yamaha JR-1
  • Einen ganzen Haufen 3/4 Konzertgitarren verschiedenster Preisklassen
  • Die Ami Steel Cedar, die's dann schließlich auch geworden ist.

a+l-ami-000.jpg


Mein allgemeines Fazit:
  • Massivdecke rockt, gerade auch in dieser Größenklasse. Die Yamaha als einzige Steelstring mit laminierter Decke fiel eigentlich sofort raus, für mein Ohr auch die Little Martin aus HPL, obwohl die durchaus Freunde hat.
  • verkürzte Mensuren sind für mich kritisch: Punkte für die Big Baby und die Ami,
  • mir fällt's leichter, Musik für Nylon auf einer (passenden) Steelstring zu spielen als umgekehrt. Nennt mich verrückt.

Mein vorweggenommenes Testfazit:
Die Ami ragte aus dem Testfeld für meine Begriffe deutlich heraus. Irgend wie war sie die einzige außer der Big Baby Taylor, die nicht "klein" klang. Will sagen, im direkten Vergleich klangen die anderen alle - zugegebenermaßen in unterschiedlichem Maße - nach Zigarrenkiste. Mag sein, dass die Ami verglichen mit, sagen wir mal, einer Gibson Hummingbird auch ein klein wenig nach Zigarrenkiste klingt, aber das ist im Angesicht von Größe, Einsatzzweck und Preis zu vernachlässigen.
Ich würde sagen, dass die Kanadier mit dieser Gitarre irgendwie alles richtig gemacht haben.

a+l-ami-002.jpg


Jetzt aber mal zu den Fakten:

Features und Verarbeitung:
  • Massive Decke aus Zeder, Zargen und Boden aus dreischichtig laminierter Wildkirsche.
  • Hals aus Silberblattahorn mit angeschäfteter Kopfplatte. Ordentliche gekapselte Mechaniken ohne Namensaufdruck. Hals-Korpus-Übergang am 12. Bund.
  • Alle bisher genannten Hölzer wurden in Kanada geschlagen und verarbeitet. Auch nicht schlecht.
  • Griffbrett und Steg aus Palisander (das sind die 5% in dem Werbespruch "95% Canadian wood").
  • Sattel und (sehr sorgfältig kompensierte) Stegeinlage aus Tusq. Bridgepins aus Plastik (ich konnte nicht anders, ich habe sie durch Palisanderpins ersetzt, vor allem der Optik wegen und weil sie sowieso rumlagen).

a+l-ami-005.jpg


  • Ein Gurtknopf ist dran, für den zweiten am Halsfuß liegt eine Bauanleitung bei (der Godin-Halsfuß ist eine ziemlich ausgetüftelte Angelegenheit, man sollte nicht einfach blindlings reinbohren). Ich finde, die Gitarre lässt sich auch sehr gut tragen, wenn man den Gurt an der Kopfplatte festbindet, obwohl ich das bei größeren Gitarren nicht leiden mag.
  • Die Schalllochrosette ist ein aufgeklebtes, dreidimensionales Plastikteil. Einige mögen das als Fingerablage, habe ich gelesen. Ich fand, diese Rosette passt nicht zu dieser sehr "holzigen" Gitarre und habe sie entfernt (geht einfach und rückstandsfrei ohne Werkzeug oder Chemie.
  • Die Gitarre ist ab Werk mit sehr ordentlichen Phosphor-Bronze Saiten (.12-.54) bespannt und optimal eingestellt.
  • Die Griffbrettkanten sind leicht gefast, keine vorstehenden Bünde etc., sehr smoothes Spielgefühl. Die Sattelbreite ist 44 mm.
  • Der Lack ist extrem dünn. Ob er ewig mackenfrei bleibt, zumal auf einer Zederndecke, wissen die Götter, aber ein paar kleine Macken kann diese Gitarre auch ab, sie ist keine sissy. Gut für'n Sound ist das allemal. Ein (einfaches, weißes Plastik-) Binding gibt es nur an der Decke, nicht am Boden.
Für meine Zwecke wichtig: die Gitarre ist trotz normaler Mensur nur unwesentlich größer als die Little Martin oder Baby Taylor. Der mitgelieferte Gigbag ist gut gepolstert und kräftig verarbeitet und dürfte normalerweise auch beim Airport- und Kabinenpersonal keinerlei Anstoß erregen. Verglichen mit einem normalgroßen Gitarrenkoffer würde man fast auf eine Bratsche tippen :D.

a+l-ami-001.jpg


Bespielbarkeit:
Erste Sahne. Die Saiten liegen schön flach, aber schnarrfrei. Werkseinstellung wie erwähnt super, Intonation einwandfrei in allen Lagen, der Hals hat genau das richtige relief (damit das so bleibt und für den, dem's so doch nicht passt, steht ein 2-Wege-Trussrod zur Verfügung).

Die Sattelbreite von 1.72" / 44 mm ist ein Kompromiss, dem ein oder andern Picker mag das zu schmal sein. Ich komme gut zurecht, obwohl ich sonst auch viel auf einer Konzertgitarre mit 51-mm-Sattel unterwegs bin. Der Griffbrettradius beträgt nach meiner Haushaltsmessung mit einer StewMac-Schablone 15". Der Saitenabstand zur Decke am Steg ist Flattop-Durchschnitt.

Sound:
Wie erwähnt klingt diese Gitarre überhaupt nicht nach Kompromiss. Klar ist der Korpus klein, die Bässe knallen nicht so wie bei einer fetten Dreadnaught, aber der Sound ist ausgewogen. Kräftig in den Mitten, mit silbrigen Höhen und definierten Bässen. Macht enorm Spaß, man hat Schwierigkeiten, die Gitarre wieder aus der Hand zu legen.

Die Gitarre ist wegen des kleinen Korpus natürlich nicht die lauteste. Für akustisch-kammermusikalisches ist die Laustärke optimal, Songbegleitung geht auch dann gut, wenn man nicht die lauteste Stimme hat (ohne dass man am nächsten Morgen nur noch krächzt), und zuhause im Wohnzimmer oder unterwegs im Hotel möchte man's ja vielleicht auch nicht zu laut haben. Gerade bis zu dieser mittleren Lautstärke ist auch die Dynamik sehr nuanciert. Haut man wie ein Irrer mit dem Plektrum auf die Klampfe ein, verliert der Sound doch einiges von seiner Durchsichtigkeit, die Gitarre macht dann langsam zu (und wird noch nicht mal wirklich laut). Parlor-Gitarren heißen halt nicht umsonst so (Parlor=Salon).

Wer die Lautstärke anders, also elektrisch erzeugen will, ist in seinen Optionen etwas eingeschränkt: Das Schalloch ist zu klein für gängige Magnetpickups, das Griffbrett ist am Ende etwas verrundet, so dass sich auch ein Nanomag wohl eher schlecht ankleben lässt. Also bleiben wohl nur Mikro, Transducer oder Steg-Piezo. Ab Werk gibt es die Gitarre nicht elektrifiziert.

Fazit:
Das Gesamtpaket ist schon beeindruckend, ja erstaunlich, zumal die Ami in Nordamerika gebaut ist und neu unter dreihundert Euro kostet. Wie gesagt, die haben alles richtig gemacht. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass diese Gitarre auch noch einfach gut aussieht? Schlicht, unpätentiös, gut.

Wer eine Gitarre zum Mitnehmen, fürs Wohnzimmer, fürs Lagerfeuer und/oder für die gepflegte Hausmusik von Barock bis Delta Blues sucht: klare Kaufempfehlung.

Wer eine mittelgroße Kneipe am Abend des WM-Endspiels unverstärkt beschallen möchte, sollte vielleicht doch anderswo gucken.

Lobeshymnen, Korrekturen, Zweifel an meinem Verstand und ähnliches bitte möglichst hier im Thread.

Take care,
NW
 
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Eine schöne, informative Review, danke Noah!
Die A & L erfreut sich ja recht großer Beliebtheit, und ich dachte auch immer dran, eine zu bestellen, bis mir diese Texanerin dazwischengeraten ist. Jaja, so geht es halt manchmal zu im Leben....
 
Klingt doof die Frage,aber ich kenn mich damit jetzt nich soo aus,kanns sein das das Griffbrett so eins ist wie bei einer klassischen Gitarre?
Aufjedenfall schönes Review,wusste garnicht das es Western Gitarren gibt,die so aussehen wie eine klassische.
 
Sehr, sehr schönes Review, toll gemacht. :great:
@Lumix: Nor,ale Konzertgitarren haben eine Griffbrettbreite von 52mm, diese hier nur 44mm.
 
Klingt doof die Frage,aber ich kenn mich damit jetzt nich soo aus,kanns sein das das Griffbrett so eins ist wie bei einer klassischen Gitarre?
Aufjedenfall schönes Review,wusste garnicht das es Western Gitarren gibt,die so aussehen wie eine klassische.

Nun ja, eine klassische Gitte sieht noch ein wenig anders aus. Sie hat normalerweise keine Bridgepins, und der Stimmkopf ist so konstruiert, dass man durchgucken kann ;)
Eine Konzertgitarre hat meist auch noch ein wenig rundlichere Formen.

Diese kleinen Steelstrings nennt man Folk Gitarren, und sie werden von recht vielen Marken angeboten. Früher nannte man so etwas eine Parlor Gitarre, und dann gibt es auch noch Little Jumbos, die dann tatsächlich etwas runder gebaut sind....
 
Hi tolles Review! Habe die Ami auch mal gehabt, tolle Bespielbarkeit, echt super, hat jetzt eine Freundin, die sich in die kleine verliebt hatte.

Eine Anmerkung allerdings:
Die Mensur ist zwar nicht so stark verkürzt wie bei machen 3/4 oder Reisegitarren, hat aber mit den kanadischen 63 cm (beim gesamten Godin-Klan oft zu finden: Art Lutherie, Seagull, Simon Patrick) doch eine etwas verkürzte Mensur gegenüber dem 65 cm Standard.

Ich mag personlich die 63 cm Variante sehr gern, finde es steigert den Spielkomfot enorm ohne dass es sich allzu sehr auf die Dynamik auswirkt. Bei open tunings mit D tiefe Saite kann es dann allerdings doch schnell schrammeln.
Ich find die Ami ist ne klasse kleine Gitarre.
Kleine Gitarren und auch (leicht) kürzere Mensuren sind im Steelstring-bereich find ich (in guter Qualität) noch selten. Bei klassischen Gitarren wird viel stärker darauf geachtet, dass das Instrument auch zum Körper passt und doch in allen Größen auch richtig gute Qualität zu finden ist.
 

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