wer singt noch deutsche Volkslieder?

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Kennt eigentlich jemand den Film "Sound of Heimat" ?
Das ist eine aktuelle Sicht von außen auf das deutsche Volkslied - von einem Neuseeländer.
Kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen!
 
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Wobei die Hitlerjugend eher nicht die alten Volkslieder sang, sondern vorwiegend Propagandalieder im strammen Marschtakt. Die ebenso kurzbehosten Wandervögel der 1910er bis '30er Jahre stimmten hingegen gerne Volkslieder zu Klampfe und Zupfgeige an. Sie wurden allerdings von den Nazis als "links" eingestuft und kurzerhand verboten.

Das Volkslied als Ausdruck von Nationalgefühl finde ich hingegen nicht so repräsentativ - es ist doch eher eine Art "Heimatverbundenheit" die da zum Ausdrucke kommt. Mehr die Menschen, Städte, Dörfer, Felder und Wälder als das Strammstehen, Salutieren und Fahnenschwenken.
Der berüchtigte Westerwald ist doch auch ganz unpollitisch:evil: es geht nur um Natur und stramme Buben und Mädels.
Meine Heimatliebe zu Wald und Flur, vor 30, 40 Jahren konnte sich nicht in Liedern ausdrücken, sondern in Gedanken von Natur und Umweltschutz.
"Heimatlieder " suchte ich eher im politischen Bereich. Von der Waldeck https://de.wikipedia.org/wiki/Burg-Waldeck-Festivals kamen Heinund Oss Peter Roland, Hannes Wader ,die haben die ganz alten "Volkslieder" von der 1848er Revolution ausgegraben. Diese Lieder gaben mir damals Heimatgefühl,unter Adenauermief und Nazis gab es auch gute deutsche Tradition. Das ist auch Heimat.
 
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Na, stimmt - das politische Volkslied ist durchaus existent, wenn auch in der Unterzahl. Im deutschen Liederhort von Ludwig Erk (1856) wurde auch, in preußischer Gesinnung(?), nichts Pazifistisches oder Revolutionäres aufgenommen. Als Definition für Volkslied gilt (galt) (?) das Kriterium, dass Verfasser und "Komponist" unbekannt sind - das trifft wohl auf die Protestlieder nur bedingt zu(?).

Ich meinte auch nicht primär Verkärtes "O wie schön ist's im Westerwald"-Gesinge, sondern das Mitfühlende in den Liedern. Trauer, Schmerz und Elend sind da ebenso zu finden wie Naturbilder - das setzt sich beim Hören mit einem Selber, mit dem eigenen oder eines Bekannten Schicksales in Beziehung, und erzeugt auch so ein Gefühl von Heimat/Vertrautheit.
 
Meine Definition von Volkslied ist, dass der Sänger glaubt der Verfasser sei unbekannt.:D
Die alten Lieder und Märchensammler haben leider alles (für mich als Teenager) interessantes wegzensiert, den Sex und die Auflehnung:bad:

Natürlich gab es in meiner Jugend noch alte Sozis, die Brüder zur Sooonne... sangen. Aber die waren uninteressant. Das politische Volkslied wurde aus dem Papiersarg exhumiert. Es war lange vergessen. Kein Wandervogel sang jemals

O König von Preußen,
du großer Potentat,
ich bin deines Dienstes
so überflüssig satt.
Was fangen wir nur an
in diesem Jammertal,
allwo ist nichts zu finden
als lauter Not und Qual.
Und kommt das Frühjahr an,
da ist die große Hitz',
da muß man exerzier'n,
daß eim der Buckel schwitzt.
Da muß man exerzier'n
vom Morgen bis Mittag,
und das verfluchte Leben
das währt den ganzen Tag.
Vom Exerzieren weg
geht's wieder auf die wacht,
kein Teufel tut nicht frag'n,
ob man gefressen hat.
Kein Branntwein in der Flaschen,
kein weißes Brot dabei;
ein schlechtes Tabakrauchen,
das ist er Zeitvertreib.
Ihr Herren, nehmt's nicht Wunder,
wann einer desertiert,
wir werden wie die Hunde
mit Schlägen strapleziert;
und bringen sie uns wieder,
sie henken uns nicht auf,
das Kriegsrecht wird gesprochen:
Der Kerl muß Gassen lauf!
Und wann wir Gassen laufen,
so spielet man uns auf
mit Waldhorn und Trompeten,
da geht es tapfer drauf;
da werden wir gehauen
von einem Musketier,
der eine hat's Bedauern,
der andre gönnt es mir.
Und werden wir dann alt,
wo wenden wir uns hin?
Die Gesundheit ist verloren,
die Kräfte sind dahin!
Und endlich wird es heißen:
Ein Vogel und kein Nest!
Geh', Alter, nimm den Schnappsack,
bist auch Soldat gewest!


Das haben die Liederjahns, der Waader.... aus dem :
Der grosse Steinitz. Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten Gebundene Ausgabe – 1979

von Wolfgang Steinitz

Aus der DDR. Ein Buch mit zuviel Ideologie,aber trotzdem toll mit Noten.:great:
 
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Grüss Euch!

Ich möchte eine Hilfe von jemand, der die süddeutsche Mundart kennt.
Jetzt schreibe ich eine Note von das Lied "Über'n Laurenziberg".
Ich habe eine Variante von Niederösterreich auf die Webseite www.volksmusik.cc gefunden.
http://www.volksmusik.cc/lieder/uebernlaurenziberg.htm (Gresten/NÖ):

"Übern Laurenziberg ... kemman die schön Mentscha her, ...
Mentscha wia d'Naglstöck, ... tanzn wia die Reh und Böck, ...
Wann wo a Musi is, ... bin i dabei ganz gwiss, ..."

Aber es ist wenig zu singen.
Im youtube gibt es mehrere Aufnahmen-Versionen (steirische und bayrische), ich fand 3 bessere:
(Hias Mayer)
(Franzl Lang)
(Tegernseer Zwoagsang)
Alle haben mehrere verschiedene Textstrophen, aber ich kann keine genau verstehen.
Kann jemand irgendwelchen abschreiben?

Danke!
Peter
 
Kennt eigentlich jemand den Film "Sound of Heimat" ?
Das ist eine aktuelle Sicht von außen auf das deutsche Volkslied - von einem Neuseeländer.
Kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen!
Die Doku ist klasse und sehr aufschlussreich, weil darin dieser unbelastete Blick eines Außenstehenden neue Perspektiven aufzeigt.
Sehr bezeichnend war die Story der norddeutschen Band, die in Irland irischen Folk gespielt hat und die Zuhörer dann meinten:
"Schön, wie ihr uns unsere irischen Lieder vorsingt, aber singt doch auch mal was von eurem deutschen Liedgut!" - ziemlich abwegige die Idee ;-)
 
Die Doku ist klasse und sehr aufschlussreich, weil darin dieser unbelastete Blick eines Außenstehenden neue Perspektiven aufzeigt.
Sehr bezeichnend war die Story der norddeutschen Band, die in Irland irischen Folk gespielt hat und die Zuhörer dann meinten:
"Schön, wie ihr uns unsere irischen Lieder vorsingt, aber singt doch auch mal was von eurem deutschen Liedgut!" - ziemlich abwegige die Idee ;-)

ich kenne das, bin jahrelang selbst durch Irland gereist, mit Instrumenten. In Irish Folk waren wir perfekt, wir konnten auch auf jeder Session mit spielen. Wenn aber die Frage kam, nach deutschen Volksliedern, war hängen im Schacht.

Mittlerweile hätte ich da keine Probleme mehr. Ich singe deutsche Volkslieder (unter anderem).
 
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Also, meine Ausgangsfrage ging ja eher dahin, wie man diese Musik weitertragen kann. Nix gegen Alte, aber die (gerade im Heim) tragen die Musik nicht mehr weiter, sondern nehmen sie mit ins Grab. Und gerade dieses Weitergeben ist den Iren ja gut gelungen. Da nehmen alle Teil - Alt und Jung. Hier stößt man bei den Jungen auf Ablehnung und Vorurteile.

Auf die Frage wollte ich noch kurz eingehen. Im Kindegarten und in Grundschulen werden auch Volkslieder gesungen. Auch wenn die Erzieher oft die interessanten Strophen (Sex, Auflehnung etc) weglassen - sofern sie die Doppeldeutigkeit durchblicken :evil:
Dort sind komlizierte zweistimmigkeiten allerdings eher nicht so gefragt - Kinder lieben es einfach und harmonisch. Erzieher auch :rolleyes:
 
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Einfach und harmonisch - deshalb sind es ja Volkslieder weil sie leicht von vielen zu bewältigen sind.
Ich sing mit meinen 2 Kindern Volks- und Kinderlieder und es macht ihnen Spaß (Cajon und Trommeln spielen die Zwei
gern dazu). Aber wenn mein Sohn, dann im Vergleich die aktuelle Musik im Radio hört mit den coolen Sounds - dann ist
die Begeisterung für diese moderne Musik schon größer, auch wenn er damit mehr zum musikalischen Konsumenten als
zum Akteur wird.
Ich mach mir keine Illusionen - die Volkslieder werden bald Kinderkram sein für meine Kinder. Aber vielleicht kann ich ihnen
einen kleinen Schatz mitgeben von dem sie später ein mal profitieren können. Das Lied, was meine Uroma immer mit mir singen
musste "Es klappert die Mühle", übe ich gerade mit meinem Sechsjährigen für eine Märchenaufführung.
 
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Das ist toll, deine Kinder können dann später entscheiden ob sie weiter Musik machen wollen und auf deinen Volksliedern aufbauen, oder nicht.Vielleicht entwickeln sie ja einen ganz neuer Volksliedpunk :D

Viele großen soul und Bluesmusiker haben im Kirchenchor angefangen:great:
und das war gut so, auch wenn sie später eher Teufelsmisik machten:evil:
Kinder haben leider oft einen schlechten Geschmack, aber das kann sich ändern
 
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meine kleine kann noch immer nicht genug von "ich hol mir eine leiter" kriegen - auch wenn das wohl bald von der weihnachtsbäckerei abgelöst wird. Ist das auch schon Volkslied? singt ja jeder (in nem gewissen alter)
 
Mein 4-jähriger Enkel singt auch Volkslieder. Und zwar mit bedacht ...
neulich habe ich mit ihm sonntags morgens Brötchen geholt. Wegen einer Baustelle musste ich auf dem Heimweg den Ort auf geteerten Feldwegen umfahren. Und kaum waren wir zwischen den ersten Streuobstwiesen mit Blick auf den dahinter liegenden Äckern, schon tönte es aus dem Kindersitz: "Im Märzen der Bauer die Rösse einspannt ..."

Da geht das Opa- und Misikerherz auf! Nicht bloß unverstandenes Nachgeplappere sinnentleert vorgemachter Tradition, sondern ein Auge und ein Ohr für den innigen Bezug zwischen Musik und elementarem Leben! Wenn er in gleicher weise an alle Musikgenres herangeht, die ihm noch begegnen werden, kann mein Enkel noch ein richtiger Musiker weren - oder zumindest ein bewusster Zuhörer mit Urteilskraft.

Cheers,
Jed
 
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Na ja, im November Frühlingslieder … :-D
 
Aktuell werden wohl die meisten Volkslieder gesungen (Weihnachten) -> aufholen, was man ganze Jahr nicht geschafft hat ;-)
 
Die glücklichen Iren wurden hier ja schon öfter beneidet.
Ich erinnere mich, dass es vor 40-50 Jahren eine Singtradition auch in deutschen Kneipen gab. Z.B.im Schwarzwald, wo Touris und Einheimische tranken wie in Irland. Dort spielte dann öfter mal ein Einheimischer auf der Zieharmonika.
An den Schneewalzer kann ich mich noch erinnern. Wir Jungen mochten das damals nicht und es waren ja auch eher normierte Industrieprodukte, die man sang, wie eben den Schneewalzer.
Aber es gab daneben auch noch (richtige?) Volksmusik, die da gesungen wurde.
Es waren vertonte schlüpfrige Zoten.
Die gab es damals nicht in Büchern. sie wurden wohl mündlich weitergegeben und immer verändert und angepasst.
 
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die einzige möglichkeit Möglichkeit (Volks)Musik weiter zu tragen ist nach meiner Erfahrung singen und spielen.
Zum Beispiel so:
 
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@diatoner die beiden Herren mit ihren Instrumenten kommen mir bekannt vor :)
 


Hier eine Antwort vom alten Degenhart auf die Frage warum keine Volkslieder mehr gesungen werden.
Aber vielleicht hat er mit den Schmuddelkindern selbst ein neues Volkslied geschaffen


Wo sind eure Lieder,



eure alten Lieder?
fragen die aus anderen Ländern,
wenn man um Kamine sitzt,
mattgetanzt und leergesprochen
und das high-life Spiel ausschwitzt.

Ja, wo sind die Lieder,
unsre alten Lieder?
Nicht für'n Heller oder Batzen
mag Feinsliebchen barfuß zieh'n,
und kein schriller Schrei nach Norden
will aus meiner Kehle flieh'n.

Tot sind uns're Lieder,
uns're alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie verklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft.
 
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käptnc
  • Gelöscht von peter55
  • Grund: OT
Als ich kürzlich noch einmal auf dieses Thema stieß, gingen mir dazu so einige Gedanken durch den Kopf. Einen Teil habe ich mal niedergeschrieben.


Voraussetzungen, um deutsche Volkslieder weiterzugeben
Was sind denn deutsche Volkslieder?

Ob und wie (bzw. wie erfolgreich) man Volkslieder im Kreis von Kindern und Jugendlichen weitergeben kann, hängt meines Erachtens einerseits unter anderem davon ab, welchen Bezug man selbst zu Liedern dieser (?) Art hat und andererseits davon, ob man es hinbekommt, die Schüler durch die Schaffung einer motivierenden Atmosphäre auf den Geschmack zu bringen.
Das Fragezeichen setze ich, weil deutsche Volkslieder ganz unterschiedlich sein können; "dieser Art" ist somit nicht eindeutig. Ich neige inzwischen dazu, eher von deutschsprachigen Volksliedern zu sprechen und interessiere mich für eine differenzierte Angabe der Herkunft. Die Herkunftsangaben weisen unter Umständen auf Herkunftsgebiete hin, die heute gar nicht mehr zu Deutschland gehören. (Schlesien, Böhmen ...)
Ob ein Lied bei Kindern und Jugendlichen Erfolg hat, hängt meiner Erfahrung nach zuallererst davon ab, wie man sie präsentiert, ob sie in die Situation passen, ob die Schüler, Gruppenmitglieder oder ... etwas mit dem Text anfangen können und ob sie die Musik packt. Letzteres hängt meiner Erfahrung nach mehr von der "Verpackung" als vom Lied selbst ab. Ist die Situation "stimmig" (in welchem Sinne auch immer), bestehen gute Chancen, dass er Funke überspringt.
Somit liegt es also vor allem an Eltern und (Musik-)Erzieher/-Lehrer, welches Liedgut neben den von den Medien präsentieren "Mainstreams" bei der jungen Generation im doppelten Sinne ankommt und weniger am einzelnen Lied selbst. Wie Eltern, Erzieher und Lehrer die Auswahl treffen oder mit welcher Überzeugung(skraft) diese selbst "solche" Lieder singen, hängt wiederum zumindest zum Teil von der persönlichen Beziehung zu dieser Musik ab.
Das gilt meiner Meinung nach für Lieder jeglicher Art und Herkunft.


Mein eigener Bezug zu traditionellem Liedgut
Wie dieser wohl dazu beiträgt, dass ich "solche" Lieder gerne singe? Naja, ich singe noch lange nicht jedes beliebige Lied gerne. Manche sprechen mich an, andere nicht. Und solange ich mich nicht an ein Pflichtprogramm halten muss, wähle ich die Lieder für den Unterricht aus, die nicht nur zum "Stoff" passen, sondern die ich auch mag.

Ein Blick zurück:
Meine Kindheit war in musikalischer Hinsicht geprägt vom Gesang der Mutter und ihrer Geschwister. So lernte ich viele Lieder kennen, von denen ich viele zunächst auf der Mundharmonika, später zum Teil auch auf Blockflöte und Klavier spielte. Ob das nun Volkslieder waren, interessierte mich damals nicht. Diese Frage stellte sich mir erst viel später. Da entdeckte ich dann bei der Beschäftigung mit den Quellen, dass ein Teil des zunächst gefühlsmäßig als Volkslieder eingeordneten Repertoires nur teilweise traditionelles Volksgut war.

Aber was ist denn eigentlich "Volksgut"?
Für mein Verständnis ist es ein in den Köpfen verankertes Wissen, das von Generation zu Generation nicht selten mündlich weitergegeben wurde; ein Wissen, Erfahrungs- oder Kulturschatz, der irgendwo mal einen Anfang hatte, dann irgendwann von einem Sammler niedergeschrieben/notiert wurde, dessen Weiterentwicklung dadurch gewissermaßen "eingefroren" wurde, dessen Urheber teils vergessen teils mit überliefert wurden ... Das niedergeschriebene Liedgut überdauerte in Bibliotheksarchiven Jahrhunderte; unabhängig davon, ob es aktiv gepflegt wurde, oder nicht. Doch das, die schriftliche Überlieferung, machte diese Lieder nicht zu Volksliedern, sondern ihre Verbreitung und Beliebtheit. So gesehen entstehen eigentlich immer wieder neue Volkslieder, Lieder, die von vielen Menschen aufgegriffen und gerne mitgesungen werden. Volksgut ist eigentlich etwas, das allen gehört. Sobald aber Autoren Rechte an einem Text oder einer Melodie besitzen, kann das Lied kein "Volksgut" mehr sein. Das aber scheint eines der Kriterien bei der offiziellen Definition von "Volkslied" zu sein: https://de.wikipedia.org/wiki/Volkslied .


"Meine" Volkslieder

Beim fröhlichen Miteinander sangen wir in erster Linie Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winterlieder, fröhliche Wanderlieder, Morgenlieder, Kinderlieder, ... und abends bestand das Gute-Nacht-Gebet überwiegend aus verschiedenen Abend-, Wiegen- und Segensliedern.
Auch der "Gemeindegesang" hinterließ prägende Erinnerungen. Wobei es für mich "den" Gemeindegesang nicht gab, weil mir schon als Kind auffiel, wie unterschiedlich in den verschiedenen Gemeinden gesungen wurde, die ich bei Besuchen von Mitgliedern der Großfamilie, Umzug und damit verbundenem Wechsel der Gemeindezugehörigkeit erlebte.
Singen in der Schule gab es für mich auch. Ich erinnere sogar zwei Lieder, die wir in der "Volksschule" (Hoch auf dem gelben Wagen / Mich brennt's in meinen Reiseschuh'n) sangen. Ich mochte sie wegen der im Text vermittelten Bilder und auch wegen der fröhlichen Melodien. Vom Repertoire des Gymnasial-Schulchores blieb mir am besten "Im Schatten des Waldes ..." in Erinnerung. Dieses Stück habe ich heute noch im Ohr. Ob in diesem Chor auch Volkslieder gesungen wurden, kann ich nicht erinnern. Das passte nicht ins Repertoire. Das Singen in der Schule spielte für mich damals eine eher untergeordnete Rolle, weil es woanders, vor allem in der Familie, viel intensiver gepflegt wurde.
In der Zeit, in der wir alle 2 Wochen mit unserem Vater mehrere Stunden Autofahrt durchhalten mussten, wurde unser Repertoire um ein paar Lieder erweitert, die ihm aus seiner "Kommisszeit" in Erinnerung waren. Da schmetterten wir dann "Ein Heller und ein Batzen", "Schwarzbraun ist die Haselnuss", "Die blauen Dragoner", diverse Wanderlieder und was uns sonst noch alles so einfiel. So wurde uns nicht langweilig und wir hatten viel Spaß.
Schallplatten besaßen wir nur ganz wenige und die hatten auf unser Liederrepertoire keinen Einfluss. Radio hören war zu flüchtig, als dass ich dadurch Lieder gelernt hätte. Aber Liederbücher mit Noten waren für mich ganz wichtig und letztlich auch die entscheidende Motivation, neben Mundharmonika, Blockflöte und Klavier im Alter von etwa 14 oder 15 Jahren zur Gitarre zu greifen und mir die wichtigsten Griffe, Schlag- und Zupftechniken anzueignen.
Alles in allem war und ist Singen für mich hauptsächlich mit einem positiven Lebensgefühl verbunden. Daraus resultiert die eigene Freude am Singen und diese ist meines Erachtens der Schlüssel zur erfolgreichen Weitergabe von Liedgut.

Aus welchem Kulturkreis oder von wem (Komponist, Texter) ein Lied kommt, ist für mich in der Regel kein Auswahlkriterium. Dadurch ist das von mir gepflegte Liedgut ist kunterbunt gemischt.

Wenn mir ein Lied musikalisch zusagt, bin ich auf Herkunft und Kontext besonders neugierig. Sagt mir der Text nicht zu, singe ich ihn nicht. Mag ich aber die Melodie, spiele ich sie nur instrumental oder unterlege sie mit einem neuen Text. :whistle:


Es gab und gibt für mich unterschiedliche Arten des Singens:
- das Mitträllern einer zur aktuellen Stimmung passenden Melodie (ohne Text)
- situationsbezogenes Singen (eine Situation löst warum auch immer die Erinnerung an einen Liedtext und dieser wie ein Dominoeffekt die Erinnerung an eine Melodie aus, die ich dann in der Regel vollständig erinnere, während vom Text vieles aus der Erinnerung verschwunden ist)
- ein Liederbuch durchblättern
. entweder beim Überfliegen der Texte und Noten an jede Menge Lieder erinnert werden, die dann mehr oder weniger intensiv den Drang, sie zu singen auslösen (meine Nichte nannte mich mal "lebende Djukebox" :rolleyes: :rofl:)
. oder neugierig werden auf Unbekanntes (weil bisher immer überblättert)​
- gezielt zusammengestelltes Liedprogramm (je nach Programm können sowohl Texte als auch musikalische Form das ausschlaggebende Auswahlkriterium sein)
- Chorsingen (deutsche Volkslieder als pathetisch vorgetragener Chorsatz mag ich nicht)​
... Gedankensprünge ...
Damals wie heute wurde und wird das Liedgut der Kinder und Jugendlichen vom aktiven (populären ?) Liedgut geprägt, also von dem, was man wiederholt hört und mitsingt. Dazu gehören unter anderem die Melodien und Texte der (Kinder-/Jugend-/etc-)Liedermacher einer jeden Generation. Spätestens ab den 1970ger Jahren spielten dabei die Medien eine zunehmend wichtigere Rolle. Mit entsprechender Auswirkung auf das Repertoire der "Musikkonsumenten". Welchen Platz da alte, überlieferte, deutschsprachige Volkslieder hatten und haben, ist bei jedem unterschiedlich und hängt davon ab, wie sehr sich das Umfeld der Kinder und Jugendlichen unabhängig von Musikkonserven für Lieder jedweder Art interessiert und attraktiv 'rüber bringt.

Ich betrachte den Melodienschatz der Volkslieder auch gerne losgelöst von den damit verknüpften Texten. Der Melodienschatz ist so vielseitig, dass er auch im Instrumentalunterricht interessant sein kann. Früher habe ich das ganz unbedarft macht, ohne den Kontext zu beachten, in dem ein Lied ursprünglich stand oder irgendwann hinein gebracht wurde. Später war ich dann manches Mal überrascht, mit welchen Botschaften oder belastenden Erinnerungen manche Lieder verknüpft sein können.

Aus meiner Studienzeit blieb unter anderem der Satz hängen "Ein Lied darf keine Lüge sein!"
Derjenige, der ihn uns immer wieder sagte, sprach aus bitterer Erfahrung. Das will ich aber nicht thematisieren.
Sein Ziel war es, uns zu einer kritischen Liedauswahl für den Unterricht anzuhalten, uns immer wieder daran zu erinnern, dass Texte Botschaften beinhalten und auch vermitteln können. Und wer sich mit der Botschaft eines Liedes nicht identifizieren kann, sollte es besser nicht singen und auch nicht weitergeben/vermitteln/unterrichten. Und wenn man ein Lied weiterzugeben gedenkt, sollte man auch stets bedenken, ob die Zielgruppe es "ehrlich" singen kann. So wetterte er wiederholt gegen gedankenloses Mitträllern und gemahnte kritisches Durchdenken der Texte. Das hat meinen Umgang mit Liedgut jedweder Art sehr verändert. Während meiner Unterrichtsvorbereitung ist der Textinhalt eines Liedes stets der erste "Grobfilter", der über das grundsätzliche "geht - geht nicht" entscheidet.


Beantwortung der im Threadtitel gestellten Frage: Wer singt noch deutsche Volkslieder?
Ich. Sofern sie mir gefallen. Es ist keine gezielte Brauchtums- oder Traditionspflege. "Meine" Lieder sind Teil eines bunt gemischten Repertoires, das dann zum Einsatz kommt, wenn es passt.
Im Laufe der Jahrzehnte habe ich eine Sammlung diverser Liederbücher zusammengetragen; Erbstücke, Fundstücke, neu oder antiquarisch gekauft, geschenkt bekommen ... mit teilweise x-fach wiederholten Inhalten, zum Teil aber auch für mich Überraschendes und/oder nie Gesehenes, geschweige denn Gehörtes. Auch "Der Große Steinitz" ist darunter, "Großes Deutsches Liederbuch" (Naumann & Goebel), Weber-Kellermann "Das Buch der Kinderlieder" (Schott; mit zeitgeschichtlichen Betrachtungen), "Die Lieder des Zupfgeigenhansels", Pahlen "Es tönen die Lieder" (Goldmann), usw. usw. Schulliederbücher, Mundorgel, Songbuch ... zwei Bücher aus der Serie "Tongers Taschenbuchalbum" (könnten knapp 100 Jahre alt sein) ... hin und wieder nehme ich mir die Zeit, darin zu schmökern ... immer wieder spannend.

Meine Schüler finden viele Melodien von Volksliedern in meinen Sammlungen, die ich für Mundharmonika, Ocarina und Akkordzither herausgebe. Wir sprechen auch zwischendurch über die Texte, singen diese Lieder aber selten, weil wir ja auf den Instrumenten spielen. Aber so wird ihnen wenigstens der Melodienschatz nahe gebracht. :)

Grüße
Lisa
 
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