Aspekte der Tonalität

Zuerst einmal zu den Differenztönen: Völlig richtig, Maler, ich habe mich bei der sept. kl. Terz vertan, der Differenzton liegt tatsächlich 2 Oktaven und eine Quinte unter dem Grundton (ist mir heute morgen auch direkt nach dem Aufwachen aufgefallen, aber da war's schon zu spät ^^). Und ja, die Naturseptime findet man relativ leicht durch den Differenzton eine Quarte unter dem Grundton, der Umweg über das Kehrintervall wäre relativ unsinnig.

So, dann lese ich mir erst mal in Ruhe die weiteren Kommentare durch. ;)
 
Da würde mich natürlich interessieren, welche Aspekte Du als eher willkürlich bezeichnen würdest und was Deiner Ansicht nach eine andere Musikkultur völlig anders gemacht hätte.
Da wären z.B.
  • Oktavgleichheit (gibt es z.B. in der arabischen Musik und bei Vogelgesängen nicht)
  • Unser Grundtondenken
  • Terzstapelung als primäres Akkordkonstruktionsprinzip
  • Diatonik (heptatonische Skalen, Intervalle (z.B. "Terz") werden dadurch definiert wie viele Töne dazwischen liegen)
  • Klare Trennung von Konsonanz / Dissonanz
  • Tonika-Drei- oder Vierklang am Schluss
  • Erwartung bzgl. der "Auflösung" / Fortführung von Akkorden
  • Verbote von Quintparallelen, Vermeidung von übermäßigen Sekunden etc.
  • Nicht-Miteinbeziehung der Partialtöne über dem 5-ten

Ich denke allerdings es ist reine Spekulation, was davon nun wie willkürlich ist, und halte es für produktiver sich Gedanken darüber zu machen, welche Alternativen es gibt, und sich mit diesen zu beschäftigen.

Durch das einstimmige Spielen von Tonleitern kann man m.E. nicht zuverlässig auf deren Konsonanz schließen. Auch wollen wir wohl nicht nur die Konsonanz der Töne zur einem einzigen Akkord betrachten (septimaler C9 (4:5:6:7:9)). Die entstehende Musik soll abwechslungsreich sein.

Folgendes wäre für mich die Nagelprobe, bei der Beurteilung, welche Skala konsonanter ist:

Die Komposition eines vierstimmigen Chorals und einer dreistimmigen Fuge mit der "heptatonische 7-limit Skala". Vergleich des Ergebnisses im Hinblick auf die Konsonanz mit ähnlichen Kompositionen, welche die Dur-Tonleiter verwenden.
Dass man so eine Frage nicht durch das bloße Spielen einer Tonleiter beantworten kann, denke ich auch. Inwiefern diese Skala abwechslungreich ist ist wieder eine andere Frage, mir ging es hier erst einmal lediglich um die Konsonanz. Eine Fuge ist eine sehr spezielle Form, die auf unser Musikdenken und Tonsystem ausgelegt ist (z.B. Diatonik, Kontrapunkt) - ich weiß nicht ob das so sinnvoll wäre. Ein Choral wäre dafür sicher eine sehr interessante Anwendung, werde ich sicher mal ausprobieren wenn ich für mikrotonale Musik etwas besser geeignete Kompositionswerkzeuge habe.

Wie schon früher erwähnt, fehlen bei der "heptatonische 7-limit Skala" (12et) wichtige konsonante Intervalle, insbesondere ist die Quart zum Grundton nicht vorhanden, dafür aber drei Tritoni (A-D#, C#-G, D#-A). Ich denke, das mehrstimmige kompositorische Ergebnis kann nicht so konsonant klingen wie eines, das mit einer Dur-Tonleiter entsteht.

Die Umsetzung im 200et klänge wohl konsonanter. Um es abschätzen zu können, müßt man alle Intervalle dieser Skala auflisten, mit den (angenäherten) kleinzahligen Frequenzverhältnissen.

Ich vermute, daß auch hier die Dur-Tonleiter von den konsonanten Intervallen her überlegen ist.
Der Tritonus taucht nur an zwei Stellen auf, wenn man die Kehrintervalle ignoriert (D#-A) - also einmal öfter als in Dur - hier (in 200et) allerdings als Teil einer konsonanten Ober- und Untertonstruktur (kein sept. A7 oder Am7b5 ohne Tritonus). Ich denke, man muss die Intervalle auch im Kontext der Akkordstruktur betrachten. Die 12et-Umsetzung ist natürlich nicht so konsonant, und ich habe sie mit Absicht beigefügt, damit man sieht wie wichtig die Temperierung bei einer solchen Skala ist.

Ich hab' mir mal die Mühe gemacht, die einzelnen Intervallvorkommen zu zählen; war ganz schön aufwändig, hoffe das stimmt so (zumindest bin ich auf 21 Intervalle gekommen, das sollte theoretisch also passen). Zuerst noch mal die Skala in unterschiedlichen Darstellungen:

5-limit-Notation: A B B#\\ C#\ D#\ E Fx\\ A (\ entspr. syntonischem Komma, in 200et mit 24 Cent angenähert)
7-limit-Notation: A B C- C#\ Eb/- E G- A (- entspr. Leipziger Komma, Annäherung durch 24 Cent*)
Stufen in 200et: 0 34 45 64 98 117 162
In Cent (x6): 0 204 270 384 588 702 972

* 30 Cent wäre etwas genauer, aber 24 Cent ermöglicht die praktische Gleichsetzung von dem syntonischem, Leipziger und pyth. Komma.

Die Intervalle selbst:

3:2, Quinte: 3 (A E, E B, C- G-)
9:8, gr. Ganzton: 2 (A B, C#\ D#\)
5:4, gr. Terz: 3 (A C#\, Eb/- G-, B D#\), -2.3 Cent
6:5, kl. Terz: 2 (C#\ E, C- Eb/-), +2.3 Cent
10:9, kl. Ganzton: 1 (B C#\), -2.3 Cent
16:15, kl. Sekunde: 2 (B#\\ C#\, D#\ E), +2.3 Cent
7:4, Naturseptim: 1 (A G-), +3.2 Cent
7:5, verm. Quinte: 2 (A Eb/-, C#\ G-), +5.5 Cent
7:6, sept. kl. Terz: 2 (A C-, E G-), +3.2 Cent
9:7, sept. gr. Terz: 2 (C- E, G- B), -3.2 Cent
28:27, sept. 3telton: 1 (B C-), +3.2 Cent

Ich habe hier die Abweichung der Quinten vernachlässigt, da diese in 200et sehr klein ist (etwa 0.045 Cent), im schlimmsten Fall dürften wenige Werte bis etwa 0.2 Cent daneben liegen.

Bei der reinen Dur-Stimmung (C D E\ F G A\ B\ C) hat man:

3:2, Quinte: 5
40:27, Wolfsquinte: 1 (D A\), -21.5 Cent (3:2)
45:32, überm. Quarte: 1 (F B), +7.7 Cent (7:5)
5:4, gr. Terz: 3
6:5, kl. Terz: 3
32:27, pyth. kl. Terz: 1 (D F), -21.5 Cent (6:5)
9:8, gr. Ganzton: 3 (C D, F G, A\ B\)
10:9, kl. Ganzton: 2 (D E\, G A\)
16:15, kl. Sekunde: 2

Insgesamt hat man sehr konsonante Intervalle, besonders die hohe Zahl an Quinten fällt auf. Dafür gibt es die Wolfsquinte, die pyth. kleine Terz, und der (angenäherte) Huygen'sche Tritonus liegt an der "falschen" Stelle, so dass der verminderte Dreiklang und der Dominant-Septakkord nicht sonderlich konsonant sind. Man kann die "Fehler" austemperieren (12et, mitteltönig), womit man allerdings relativ starke Abweichungen in Kauf nehmen muss, was sich je nach Instrumentenklang unterschiedlich bemerkbar macht. In der reinen Stimmung kann man durch flexible Intonation den dissonanteren Intervallen manchmal aus dem Weg gehen, was aber oft nicht möglich ist (bei der Kadenz C Dm G C z.B. muss man immer Kompromisse eingehen).

P.S.: Entschuldige dass ich noch immer nicht dazu gekommen bin, den Thread zur Notation von mikrotonaler Musik aufzumachen, ich weiß auch noch nicht wann ich dazu komme...
 
HëllRÆZØR;4730361 schrieb:
Da wären z.B.

  • Oktavgleichheit (gibt es z.B. in der arabischen Musik und bei Vogelgesängen nicht)
  • Unser Grundtondenken
  • Terzstapelung als primäres Akkordkonstruktionsprinzip
  • Diatonik (heptatonische Skalen, Intervalle (z.B. "Terz") werden dadurch definiert wie viele Töne dazwischen liegen)
  • Klare Trennung von Konsonanz / Dissonanz
  • Tonika-Drei- oder Vierklang am Schluss
  • Erwartung bzgl. der "Auflösung" / Fortführung von Akkorden
  • Verbote von Quintparallelen, Vermeidung von übermäßigen Sekunden etc.
  • Nicht-Miteinbeziehung der Partialtöne über dem 5-ten

Ich meinte natürlich eine Kultur, die im Begriffe wäre, eine mehrstimmige Harmonik zu entwickeln. Egal, hier meine Kommentare:

* Oktavgleichheit: Ohne die kommt eine (mehrstimmige) Harmonik wohl nicht aus. Schon Tiere erkennen die Oktavidentität. Die traditionelle arabische Musik ist nicht mehrstimmig, sondern einstimmig orientiert.
So gerne ich schöne Vogelgesänge höre: Musik ist das für mich nicht, eher Klangdekoration. Musik könnte es werden, wenn ein Komponist aus diesem Klangmaterial etwas aussagekräftiges gestaltet.

* Unser Grundtondenken: Das ergibt sich m.E. automatisch, wenn Töne mehrstimmig angeordnet werden. Je mehr die vertikale Struktur der Naturtonreihe ähnelt, desto stärker wird ein Grundton empfunden, weil es unserem Erfahrungsschatz mit harmonischen Schwingern entspricht. (im wesentlichen nicht kulturabhängig)

* Terzstapelung als primäres Akkordkonstruktionsprinzip: Ist das wichtigste Prinzip, weil sich die Naturtöne bis zum siebten Teilton als Stapel von Terzen anordnen lassen. Die Stapelung höherer Naturtöne - sind zwar keine Terzen mehr - könnte man aber auch als Akkorde sehen und sie bilden bekanntlich den Grundton als Residualton. (im wesentlichen nicht kulturabhängig)
Die Stapelung von temperierten Sekunden führt kaum zu einer Grundtonempfindung (der Naturtonreihe zu unähnlich).

* Diatonik (heptatonische Skalen, Intervalle): Ein sehr ökonomisches Prinzip. Das Tonmaterial wir auf die wichtigsten, konsonantesten Möglichkeiten beschränkt (Dissonanzen gibt es gratis dazu). Harmonische Mehrstimmigkeit läßt sich damit optimal realisieren. Pentatonik wäre auch möglich, doch viel weniger interessant, da weitaus weniger Möglichkeiten. Für einfachere Kulturen (auch Kinder) geeignet.

* Klare Trennung von Konsonanz / Dissonanz: So klar ist die Trennung nicht, was z.B. früher die Quart und die Terz anbelangt. Heute kleine und große Septim (Jazz). Hängt wohl stark von der kulturellen Entwicklungsstufe ab, bzw. inwieweit die Mehrstimmigkeit entwickelt ist. Das kann dazu führen, daß einfachere Dissonanzen schließlich als konsonant empfunden werden.

* Tonika-Drei- oder Vierklang am Schluss: Der prinzipielle Aufbau von Stücken aus Literatur, Theater, Film und Musik "Ruhe - Unruhe - Ruhe" ist ziemlich kulturunabhängig.

* Erwartung bzgl. der "Auflösung" / Fortführung von Akkorden: Ich denke es ist ziemlich kulturunabhängig, daß Menschen ein Ende eher mit Ruhe verbinden. Sie hören auch gerne eher eine strukturierte Fortführung als eine unstrukturierte.

* Verbote von Quintparallelen: Ergibt sich, wenn auf die Erkennbarkeit der verschiedenen Stimmen großen Wert gelegt wird, bzw. eine auffallende Leere (durch Verschmelzen zweier Stimmen) nicht gewünscht wird. Ergebnis einer Hochkultur der Mehrstimmigkeit.

* Nicht-Miteinbeziehung der Partialtöne über dem 5-ten: Die Partialtöne 6, 8, 9, 10, 12 usw. werden einbezogen (insbes. Bläser). Du meinst wohl die 7, 11, 13 usw.. Das macht wohl kaum eine Kultur, weil den meisten das übrige Tonmaterial ausreicht. Doch in der westlichen Kultur werden sie ja teilweise schon einbezogen. Hängt stark von der kulturellen Entwicklungsstufe ab. Ich werde in diese Richtung etwas experimentieren. Allerdings gibt es noch andere Dimensionen, in die sich Musik entwickeln kann.

HëllRÆZØR;4730361 schrieb:
Eine Fuge ist eine sehr spezielle Form, die auf unser Musikdenken und Tonsystem ausgelegt ist (z.B. Diatonik, Kontrapunkt)...

So speziell nun auch wieder nicht. Allerdings hat nur die "westliche" Kultur eine hochentwickelte Mehrstimmigkeit geschaffen. Fugen werden bis in die heutige Zeit geschrieben. Noch spezieller wäre ein Kanon und noch spezieller ein Proportionskanon (hier engl. Wikipedia). Hier sind zwei in zeitlich sehr großem Abstand:

Johannes Ockeghem: Missa Prolationum (vor 1500)

Arvo Pärt: Cantus In Memoriam Benjamin Britten (1977)

Zwei Meisterwerke der mehrstimmigen Komposition im Abstand von ca. 500 Jahren!

HëllRÆZØR;4730361 schrieb:
Ich hab' mir mal die Mühe gemacht, die einzelnen Intervallvorkommen zu zählen; war ganz schön aufwändig...

Danke für die Arbeit! Eine gute Grundlage, die ich mir noch genauer anschauen werde. Man sieht, daß Dur zwei Quinten mehr hat und eine große Terz mehr. Das sind für eine harmonische Mehrstimmigkeit wichtige Intervalle. Richtig, man kann mit der temperierten Stimmung arbeiten, insbesondere wenn Intervalle verwendet werden sollen, in der "reinen" Stimmung zu unrein sind. Es kommt i.d.R. nicht auf die absolute Reinheit der Stimmung an, temperiert reicht meist. Bei der Melodieführung sehe ich einen weiteren Nachteil der "heptatonischen 7-limit Skala" durch Schritte in der Tonleiter, die über den Ganzton hinaus gehen. Dadurch kann der Melodiefluss nicht so kontinuierlich wirken, wie bei der üblichen Hepatatonik.
Dennoch kann man ausprobieren, was alles mit der "heptatonische 7-limit Skala" möglich ist. Originell ist es auf jeden Fall und kann man sicher auf interessante Ergebnisse kommen.

(Kein Problem wegen der Notation von mikrotonaler Musik. Das hat bei mir vorläufig keine Priorität. Vorrang haben andere musikalischen und technischen Dinge. Wenn mal ein Ergebnis vorliegt, kann man das auch mit Grafiken notieren falls überhaupt notwendig.)

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meinte natürlich eine Kultur, die im Begriffe wäre, eine mehrstimmige Harmonik zu entwickeln.
Das meinte ich auch, aber vielleicht habe ich mich hier und da etwas ungenau ausgedrückt.

* Oktavgleichheit: Ohne die kommt eine (mehrstimmige) Harmonik wohl nicht aus. Schon Tiere erkennen die Oktavidentität. Die traditionelle arabische Musik ist nicht mehrstimmig, sondern einstimmig orientiert.
So gerne ich schöne Vogelgesänge höre: Musik ist das für mich nicht, eher Klangdekoration. Musik könnte es werden, wenn ein Komponist aus diesem Klangmaterial etwas aussagekräftiges gestaltet.
Ich meinte damit z.B., dass man Skalen verwendet, die über 2 Oktaven gehen, und in beiden Oktaven nicht notwendigerweise die selben Töne vorkommen. Oder dass man zwischen einem Akkord mit Quinte und Oktave, und einem Akkord mit Oktave und Duodezime unterscheidet. Weiterhin wäre es denkbar, dass man das Kehrintervall einer Quinte aufwärts als Quinte abwärts definiert, während man die Quarte lediglich als Ergänzung der Quinte zur Oktave betrachtet (so wie man eine kleine Terz als Ergänzung der großen Terz zur Quinte betrachten kann). Daran, dass die Oktave das konsonanteste Intervall nach der Prime ist würde sich natürlich nichts ändern.

* Unser Grundtondenken: Das ergibt sich m.E. automatisch, wenn Töne mehrstimmig angeordnet werden. Je mehr die vertikale Struktur der Naturtonreihe ähnelt, desto stärker wird ein Grundton empfunden, weil es unserem Erfahrungsschatz mit harmonischen Schwingern entspricht. (im wesentlichen nicht kulturabhängig)
Bei Akkordstrukturen, die der Obertonreihe ähneln macht unser Grundtondenken natürlich Sinn, da der Mensch automatisch den Grundton einer Obertonreihe wahrnimmt. Auch denke ich ist es sinnvoll, dass man bei einem C-Dur-Akkord mit Quarte im Bass dennoch C als Grundton betrachtet.

Ich sehe allerdings keine vernünftige akustische oder physiologische Erklärung, warum man bei einem Moll-Dreiklang den tiefsten Ton als Grundton wahrnehmen sollte, das Selbe mit einem m7, m7b5 oder °7. Wenn ein Akkord sich nur schwer aus der Obertonreihe ableiten lässt, ist es dann nicht besser, ihn als Zusammenklang ohne festen Grundton zu betrachten? Und wenn man einen festen Grundton wählt, sollte es nicht der Ton sein, der zu allen Akkordtönen im konsonantesten Verhältnis steht?

Ich schließe nicht aus, dass es vernünftige Gründe geben könnte den tiefsten Akkordon immer als Grundton zu betrachten, aber ich bin da relativ skeptisch.

* Terzstapelung als primäres Akkordkonstruktionsprinzip: Ist das wichtigste Prinzip, weil sich die Naturtöne bis zum siebten Teilton als Stapel von Terzen anordnen lassen. Die Stapelung höherer Naturtöne - sind zwar keine Terzen mehr - könnte man aber auch als Akkorde sehen und sie bilden bekanntlich den Grundton als Residualton. (im wesentlichen nicht kulturabhängig)
Die Stapelung von temperierten Sekunden führt kaum zu einer Grundtonempfindung (der Naturtonreihe zu unähnlich).
Es mag sein, dass es viele konsonante Akkorde gibt die auf Terzstapelung beruhen, aber letztendlich sollten die Gründe harmonischer Natur sein. Einen Tritonus 10:7 teilt man z.B. besser in die Intervalle 7:8 und 4:5 (= 8:10) auf (sept. Ganzton und gr. Terz), oder in 7:9 und 9:10 (sept. gr. Terz und kl. Ganzton), eine Einteilung in 2 Intervalle, die ungefähr einer kleinen Terz entsprechen wäre hier dissonanter. Und wenn man bei Tonleitern nur gelernt hat, Akkorde über Terzstapelung zu bilden, dann gute Nacht wenn die Diatonik verlassen wird, oder schon beim Zigeuner-Moll-System...

* Diatonik (heptatonische Skalen, Intervalle): Ein sehr ökonomisches Prinzip. Das Tonmaterial wir auf die wichtigsten, konsonantesten Möglichkeiten beschränkt (Dissonanzen gibt es gratis dazu). Harmonische Mehrstimmigkeit läßt sich damit optimal realisieren. Pentatonik wäre auch möglich, doch viel weniger interessant, da weitaus weniger Möglichkeiten. Für einfachere Kulturen (auch Kinder) geeignet.
Bei den Griechen hatte der enharmonische Tetrachord eine besondere Bedeutung, Blues-Leitern haben chromatische Zwischentöne und sind besonders beliebt bei Anfängern, Tonleitern mit 6 oder 8 Tönen (letzteres vor allem mit mikrotonalen Intervallen) wären denkbar - ich finde es alles andere als offensichtlich, dass man beim Tonsystem automatisch auf eine Diatonik kommen sollte.

Auf der anderen Seite ist es schon interessant, dass die Griechen dank ihres Tetrachorddenkens auf Heptatoniken kamen (was soweit ich weiß in der arabischen Musik übernommen wurde), auch bei den Indern findet man viele Heptatoniken (wobei ich da allerdings kein Experte bin), auch die Japanische Musik kennt scheinbar so etwas wie einen "Trichord" (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Tetrachord ). Und alle diese Kulturen haben sich soweit ich weiß auch mit dem Quintenzirkel (oder zumindest mit Quint- / Quartstapelung) beschäftigt. Ob es der typische Anfang eines Tonsystems ist, dass man erst einmal die Oktave in eine Quart und eine Quint einteilt, und die sich ergebenden Quarten in einen Tetrachord (oder Trichord)? Ich denke darüber kann man nur spekulieren, aber ich finde es ist zumindest ein interessanter Gedanke.

* Klare Trennung von Konsonanz / Dissonanz: So klar ist die Trennung nicht, was z.B. früher die Quart und die Terz anbelangt. Heute kleine und große Septim (Jazz). Hängt wohl stark von der kulturellen Entwicklungsstufe ab, bzw. inwieweit die Mehrstimmigkeit entwickelt ist. Das kann dazu führen, daß einfachere Dissonanzen schließlich als konsonant empfunden werden.
Stimmt, insbesondere in modernen Jazz-Harmonielehren ist man da recht offen. Ich wusste nicht genau auf welche Harmonielehre du dich beziehst.

* Tonika-Drei- oder Vierklang am Schluss: Der prinzipielle Aufbau von Stücken aus Literatur, Theater, Film und Musik "Ruhe - Unruhe - Ruhe" ist ziemlich kulturunabhängig.
Es ging mir weniger um die Tonika, sondern eher um den Drei- oder Vierklang - wie gesagt, eine leere Oktave oder Quint wäre z.B. auch möglich. Nichtsdestoweniger gibt es aber auch genügend moderne Stücke die nicht auf der Tonika enden, kommt halt darauf an, wie "harmonisch" die Musik sein soll.

* Erwartung bzgl. der "Auflösung" / Fortführung von Akkorden: Ich denke es ist ziemlich kulturunabhängig, daß Menschen ein Ende eher mit Ruhe verbinden. Sie hören auch gerne eher eine strukturierte Fortführung als eine unstrukturierte.
Es ging mir eher darum, dass man z.B. bei einem Dom7 damit rechnet, dass daraufhin ein Quintfall folgt. Ich wollte einfach damit ausdrücken, dass es in einer anderen Musikkultur weniger vorhersehbar sein könnte, wie es weitergeht, oder dass man einfach andere Hörerwartungen hat; oder dass z.B. ein sus2 oder Dom7 als Konsonanz gilt, und nicht auflösungsbedürftig ist.

* Verbote von Quintparallelen: Ergibt sich, wenn auf die Erkennbarkeit der verschiedenen Stimmen großen Wert gelegt wird, bzw. eine auffallende Leere (durch Verschmelzen zweier Stimmen) nicht gewünscht wird. Ergebnis einer Hochkultur der Mehrstimmigkeit.
Nichtsdestoweniger kann der Effekt von Quintparallelen auch vom Komponisten erwünscht sein, und da sind mir die Harmonielehren ein wenig zu dogmatisch.

* Nicht-Miteinbeziehung der Partialtöne über dem 5-ten: Die Partialtöne 6, 8, 9, 10, 12 usw. werden einbezogen (insbes. Bläser). Du meinst wohl die 7, 11, 13 usw.. Das macht wohl kaum eine Kultur, weil den meisten das übrige Tonmaterial ausreicht. Doch in der westlichen Kultur werden sie ja teilweise schon einbezogen. Hängt stark von der kulturellen Entwicklungsstufe ab. Ich werde in diese Richtung etwas experimentieren. Allerdings gibt es noch andere Dimensionen, in die sich Musik entwickeln kann.
Ja, genau, ich meinte die primen Partialtöne über dem 5ten. Bei den alten Griechen ist man mindestens bis zum 13. Teilton gegangen, in der arabischen Musik vermute ich zumindest stark, dass die höheren Partialtöne eine Rolle spiel(t)en, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. In der indischen Musik ging man soweit ich weiß bis zum 5. Partialton, in China und Japan spielten spielten vor allem Quinten und Quarten eine große Rolle, ob weitere Obertöne in manchen Musikstilen verwendet wurden weiß ich nicht. Weißt du da mehr? Auch interessant wäre es zu wissen, welche Kulturen welche beeinflusst haben.

Nichtsdestoweniger ist eine Harmonik, die nur auf Oktave und Quinte beruht entweder sehr einfach, oder nicht sonderlich konsonant, und wenn man schon bis zum 5. Partialton geht um eine komplexere / konsonantere Harmonik zu bewirken, warum nicht direkt bis zum 7., oder evtl. noch weiter gehen?

So speziell nun auch wieder nicht. Allerdings hat nur die "westliche" Kultur eine hochentwickelte Mehrstimmigkeit geschaffen. Fugen werden bis in die heutige Zeit geschrieben.
Ich habe da immer noch so meine Zweifel, ob eine Fuge bei einer Skala mit unregelmäßigen Intervallschritten so sinnvoll wäre, allerdings weiß ich nicht genau, unter welchen Regeln du dir das genau vorstellst, die eingehalten werden müssen.

Wie auch immer, ich werde mich jedenfalls erst einmal mit grundlegenderen Aspekten des Tonsystems beschäftigen, statt direkt mit einer Fuge anzufangen. ;)

Danke für die Arbeit! Eine gute Grundlage, die ich mir noch genauer anschauen werde. Man sieht, daß Dur zwei Quinten mehr hat und eine große Terz mehr. Das sind für eine harmonische Mehrstimmigkeit wichtige Intervalle. Richtig, man kann mit der temperierten Stimmung arbeiten, insbesondere wenn Intervalle verwendet werden sollen, in der "reinen" Stimmung zu unrein sind. Es kommt i.d.R. nicht auf die absolute Reinheit der Stimmung an, temperiert reicht meist. Bei der Melodieführung sehe ich einen weiteren Nachteil der "heptatonischen 7-limit Skala" durch Schritte in der Tonleiter, die über den Ganzton hinaus gehen. Dadurch kann der Melodiefluss nicht so kontinuierlich wirken, wie bei der üblichen Hepatatonik.
Dennoch kann man ausprobieren, was alles mit der "heptatonische 7-limit Skala" möglich ist. Originell ist es auf jeden Fall und kann man sicher auf interessante Ergebnisse kommen.
Die Anzahl der großen Terzen ist gleich, meintest du vielleicht die kleinen Terzen? Ich denke wie gesagt immer noch, dass eine bloße Aufzählung der Intervalle nicht viel bringt. Bei der 7-limit-Skala dürfte die große Terz B D#\ für die Akkordstruktur wohl weniger relevant sein, die sept. kl. Terz E G- dagegen wesentlich mehr, da der Akkord E G- B gut eine Dominant-ähnliche Funktion einnehmen könnte. Der große Schritt zwischen E und G- steht einer gleichmäßigen Melodik tatsächlich im Weg. Auf der anderen Seite könnte so eine Art Spannung entstehen, so dass der Hörer nur darauf wartet dass man die "Lücke" füllt, was man direkt mit einer Modulation in eine Dominant- oder in eine Art Paralleltonart verbinden könnte, wodurch an einer anderen Stelle wieder eine Lücke entsteht.

Naja, dazu müsste ich mir allerdings erst mal einige Gedanken machen, zu den Möglichkeiten kann ich im Moment noch relativ wenig sagen...

...ach ja, und meckert ruhig wenn ich wieder zu weit vom (neuen) Thema abdrifte, ich verliere mich schnell in Details. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ich meinte damit z.B., dass man Skalen verwendet, die über 2 Oktaven gehen, und in beiden Oktaven nicht notwendigerweise die selben Töne vorkommen.

Das dürfte nur in Tonleitern vorkommen, mit denen einstimmige Musik gemacht wird, wie z.B. die altgriechische (keine Oktavidentität, sondern Quintidentität) oder der arabischen (Okatve hat anderen Notennamen und anderen Charakter).

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ich sehe allerdings keine vernünftige akustische oder physiologische Erklärung, warum man bei einem Moll-Dreiklang den tiefsten Ton als Grundton wahrnehmen sollte, das Selbe mit einem m7, m7b5 oder °7. Wenn ein Akkord sich nur schwer aus der Obertonreihe ableiten lässt, ist es dann nicht besser, ihn als Zusammenklang ohne festen Grundton zu betrachten? Und wenn man einen festen Grundton wählt, sollte es nicht der Ton sein, der zu allen Akkordtönen im konsonantesten Verhältnis steht?

Gut, nehmen wir einmal den Moll-Akkord, der sich nur schwer aus der Obertonreihe herleiten läßt bzw. zum passenden Grundton gar nicht.

Ich würde eher von der musikalischen Empfindung ausgehen, die auch bei Moll einen Grundton lokalisiert und versuchen das zu erklären. Die Grundtonempfindung mag schwächer sein als bei einem Dur-Akkord, doch sie ist m.E. ganz eindeutig.

Momentan erkläre ich mir das mit einer Ähnlichkeit zum Dur-Akkord. Letzterer ist ja in der Obertonreihe vorhanden. Moll weicht etwas davon ab, aber nicht in beliebiger Weise, sondern in einer, die ebenfalls Stabilität erzeugt, eine etwas geringere. Die Stabilität erhält der Moll-Akkord wohl dadurch, daß er aus den gleichen Intervallen mit kleinen ganzahligen Frequenzverhältnissen aufgebaut ist (kleine Terz, große Terz), wie der Dur-Akord. Also ein herausragender Fall von Harmonie, bedingt durch die einfachen Zahlenverhältnisse 6:5 und 5:4, welche sich in der Summe zu 3:2 ergänzen. Die umgekehrte Terz-Anordnung läßt ihn nicht ganz so harmonisch erscheinen, denn durch unsere alltägliche Erfahrung der Obertonreihe (insbes. menschl. Stimme) wird er nicht bestätigt. Da er mit dieser nicht so gut harmoniert erscheint leicht "getrübt".
Die Argumentation mit dem "tiefsten Ton" kann ich nicht nachvollziehen, denn bei einem Dreiklang (z.B. Dur oder Moll) können wir alle Oktavierungen über den gesamten Hörbereich gleichzeitig erklingen lassen und empfinden dennoch einen dieser drei Tönen als den wichtigsten - den Grundton.
Die Grundtonerfahrung allgemein ist für mich auch ganz plausibel aus unseren Hörerfahungen ableitbar. Der Dur-Akkord läßt sich als sehr wichtigen Ausschnitt aus der Obertonreihe betrachten, welcher wir täglich ausgesetzt sind. (Die menschliche Stimme ist ein harmonischer Schwinger.)
Selbst wenn der Grundton der Obertonreihe durch technische Mittel weggelassen wird, so empfinden wir ihn dennoch. Wir hören dann z.B. "Bässe" in einem kleinen Lautsprecher, obwohl sie objektiv aus physikalischen Gründen (Wellenlänge) gar nicht vorhanden sein können. Warum hören wir sie dennoch? Weil wir aufgrund unserer Erfahrung ein bekanntes Muster erkennen und automatisch ergänzen. Hier optische Analogien dafür, daß wir leicht zu bereits gelernten Mustern ergänzen:
(Muster nicht mehr abrufbar.)

Wir hören von "unten nach oben". Warum? Weil der Grundton die Frequenzen der Obertöne bestimmt (Vielfaches vom Grundton).

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Es mag sein, dass es viele konsonante Akkorde gibt die auf Terzstapelung beruhen, aber letztendlich sollten die Gründe harmonischer Natur sein.

Sie sind harmonischer Natur! Die konsonanten Akkorde kann man aus 5:4 und 6:5 herleiten. Auch 7:6 würde ich dazuzählen. Jedenfalls ist der Septakkord mit Naturseptim konsonanter als der mit gleichstufiger Septim. Letztere kann auch als ungenaues Abbild des ersteren angesehen werden, wenn der Septakkord als konsonant betrachtet wird. Ungenau, bedingt durch die Dominanz der Hepatatonik/Dodekatonik. Letztere hat große praktische Vorteile und von daher eine Berechtigung.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Bei den Griechen hatte der enharmonische Tetrachord eine besondere Bedeutung, Blues-Leitern haben chromatische Zwischentöne und sind besonders beliebt bei Anfängern, Tonleitern mit 6 oder 8 Tönen (letzteres vor allem mit mikrotonalen Intervallen) wären denkbar - ich finde es alles andere als offensichtlich, dass man beim Tonsystem automatisch auf eine Diatonik kommen sollte.

Griechen, Blues-Tonleitern, Tonleitern mit 6 oder 8 Tönen... Das ist m.E. alles Material, mit dem man melodisch dominierte, gar einstimmige Musik macht. Sucht man ein Tonsystem, mit dem man hochentwickelt harmonisch mehrstimmig komponieren möchte, wird man automatisch auf das diatonische System stoßen.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ob es der typische Anfang eines Tonsystems ist, dass man erst einmal die Oktave in eine Quart und eine Quint einteilt, und die sich ergebenden Quarten in einen Tetrachord (oder Trichord)? Ich denke darüber kann man nur spekulieren, aber ich finde es ist zumindest ein interessanter Gedanke.

Ich denke die musikalische Entwicklung ist durch parallele Entwicklungslinien gekennzeichnet, nicht durch ein strenges Nacheinander. Am Anfang würde ich eher die Melodie (und Rhythmus) sehen. Später fand man, daß bestimmte Tönen ein besonderes Verhältnis zu anderen haben - ein harmonisches. Vielleicht lag den Griechen die Quint aus melodischen Gründen näher als die Oktav? Sie bezeichneten die Quinten mit dem gleichen Namen, nicht die Oktaven, was sich auch bei uns bis in das Mittelalter hielt.
Jedenfalls entdeckt irgendwann jede Kultur die harmonischen Verhältnise, wenn sie sich weit genug entwickeln kann. Unsere Kultur schlug die Richtung einer hochentwickelten Mehrstimmigkeit ein. Deshalb spielt das diatonische System bei uns die dominierende Rolle, vor allem Dur. Andere Kulturen entwickelten eine ausgefeilte Melodik mit allerlei Tonleitern oder entwickelten eine differenzierte Rhythmik.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ich wusste nicht genau auf welche Harmonielehre du dich beziehst.

Im Prinzip auf alle. Das Phänomen der Harmonie ist so vielschichtig, daß ein einzelnes Buch, ein einzelner Mensch oder eine einzenle Kultur nicht alle Teilaspkete erfassen können. Wertvolle oder zumindest bemerkenswerte Erkenntnisse lassen sich aus vielen Ansätzen gewinnen.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ich wollte einfach damit ausdrücken, dass es in einer anderen Musikkultur weniger vorhersehbar sein könnte, wie es weitergeht, oder dass man einfach andere Hörerwartungen hat;...

Ich denke das Spiel mit Erwartung und Enttäuschung/Erfüllung wird in jeder Kultur gespielt. Es zählt wohl zu den stärksten Ausdrucksmitteln. Wird allerdings eine musikalische Struktur zum Klischee, funktioniert das Spiel nicht mehr so gut. Deshalb muß man immer wieder einmal etwas Neues erfinden, um die Musik interessant zu gestalten. Allerdings gibt es auch musikalische Kräfte, die so stark sind, daß man sich ihnen auch nach 1000 Mal hören nicht entziehen kann. Oder es reicht eine bestimmte Veränderung, durch die etwas altbekanntes in neuem Kontext erscheint und die Kräfte wirken, als ob man sie zum ersten Mal erlebt hätte.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Nichtsdestoweniger kann der Effekt von Quintparallelen auch vom Komponisten erwünscht sein, und da sind mir die Harmonielehren ein wenig zu dogmatisch.

Klar kann der Effekt erwünscht sein. Es sind dann aber Kompositionen, die sich nicht dem Prinzip verpflichtet fühlen, daß alle Stimmen als solche gut erkennbar sein sollen.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Bei den alten Griechen ist man mindestens bis zum 13. Teilton gegangen...In der indischen Musik ging man soweit ich weiß bis zum 5. Partialton...
... ob weitere Obertöne in manchen Musikstilen verwendet wurden weiß ich nicht. Weißt du da mehr?

Was die alten Kulturen angeht, so ist es da meist schwer, entsprechende schriftliche oder andere Belege zu finden. Wie sieht der Beleg für die Verwendung des 13. Teiltons bei den Griechen aus? Waren das vielleicht nur Experimente der Pythagoreer, die keinen Eingang in die musikalische Praxis Eingang fanden?
Die Verwendung von Obertönen in der Musik dürfte man am ehesten da finden, wo sie durch entsprechende Techniken begünstigt wird. Also, z. B. die Oberton-Gesangstechnik oder Instrumente, welche die Obertöne gut spielbar machen.

Die Oberton-Gesangstechnik hat Tradition in Asien, Europa, Nordamerika und Südafrika.

Hier wird eine Obertonleiter bis zum 16. Teilton gesungen.

Man kann daran sehr schön sehen, daß die Menschen aller Kulturen durch die menschliche Stimme eigentlich ständig mit Akkorden "bombardiert" werden - denen der Obertonreihe. Eine Veränderung der Räume in der Mundhöhle wirkt als Filter, der dann die einzelnen Töne im Obertongesang direkt wahrnehmbar werden läßt.

Hier ein mongolischer Meister: http://www.youtube.com/watch#!v=0M3YFK3sJ54&feature=related

Einfache, diatonisch orientierte Melodien erhalten ihr Durchschlagskraft bis heute, wohl weil sie in das Muster der Obertonreihe hineinpassen. Hier ein Beispiel, in dem die breit akzeptierte offizielle "Europäische Hymne" ("Ode an die Freude" von Beethoven) allein mit den Obertönen eines einzigen Grundtons gesungen wird.

Bei den Instrumenten sind schon früh z.B. Luren aus Bronze bekannt, auf denen hohe Obertönen leicht zu spielen sind.

Auch Langflöten sind lange bekannt, auf denen bestimmt auch höhere Naturtöne gespielt wurden. Die Chinesen hatten Langflöten (z.B. Xiao). Die Fujara, eine 170cm grosse, slowakische Hirtenflöte spielt heute noch eine gewisse Rolle.

Didgeridoos aus Nordaustralien sind ungefähr seit 2500-3000 Jahre nachweisbar.

Doch warum in die Ferne schweifen?

In alten Alphornmelodien, wie auch in den Melodien für Naturtrompeten, kommt dieser Ton (11. Naturton) jedoch ganz selbstverständlich vor, ebenso in modernen Kompositionen. In traditionellen Alphornstücken des 20. Jahrhunderts wird er aber vermieden. Dieselben Ausführungen gelten für den 13. Naturton!
Quelle: http://www.alphornmusik.de/ALPHORN/alphorn.html
HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Ich habe da immer noch so meine Zweifel, ob eine Fuge bei einer Skala mit unregelmäßigen Intervallschritten so sinnvoll wäre, allerdings weiß ich nicht genau, unter welchen Regeln du dir das genau vorstellst, die eingehalten werden müssen.

Die Zweifel habe ich auch, was die Tonschritte anbelangt, die größer als eine Sekunde sind. Als Regeln stelle ich mir nur vor, daß in einer Fuge, die einzelnen Stimmen gut erkennbar sind und daß das Stück harmonisch klingt. Dux und Comes sollen selbstverständlich nacheinander in allen Stimmen auftauchen. Interessant soll das Stück natürlich auch sein. Aber das läßt sich nicht einfach in Regeln fassen.

HëllRÆZØR;4731053 schrieb:
Die Anzahl der großen Terzen ist gleich, meintest du vielleicht die kleinen Terzen? Ich denke wie gesagt immer noch, dass eine bloße Aufzählung der Intervalle nicht viel bringt.

Richtig, ich meinte die kleinen Terzen, Entschuldigung. Naja, die Aufzählung der Intervalle ist schon ein gewisses Maß für die konsonanten Möglichkeiten. Versuche einmal mit der Ganztonleiter oder auch nur im lokrischen Modus eine harmonisch klingende Fuge zu schreiben.

Viele Grüße

Klaus
 
Das dürfte nur in Tonleitern vorkommen, mit denen einstimmige Musik gemacht wird, wie z.B. die altgriechische (keine Oktavidentität, sondern Quintidentität) oder der arabischen (Okatve hat anderen Notennamen und anderen Charakter).
Bei den alten Griechen gab es keine "Quintidentität" - wenn ein Ton vorkam, hieß das noch längst nicht, dass man jeden Ton, der über eine oder mehrere Quinten mit diesem verwandt ist spielen darf (das wäre zumindest die analoge Bedeutung zur Oktavgleichheit).

Ich denke auch du unterschätzt das Potential des altgriechischen Musikdenkens für die Mehrstimmigkeit enorm. Wenn dort etwas wichtig war, dann das Intervallverhältnis der Töne zueinander. Insbesondere bei der Kombination der Tetrachorde miteinander achtete man darauf, dass im Gesamten konsonante Intervalle entstanden.

Übrigens, eine nette Anekdote: Ich habe mal versucht, einer Mitbewohnerin von mir die Lage der Töne auf der Gitarre zu erklären. Ich sagte, dass der Ton auf dem 5. Bund der E-Saite identisch mit der leeren A-Saite sei, und sie meinte darauf: "Aber der klingt doch völlig anders", womit sie auf den unterschiedlichen Klangcharakter der beiden Saiten anspielte. Und wenn es für einen Laien noch nicht einmal selbstverständlich ist, dass zwei gleichhohe Töne auf einem einzelnen Instrument "gleich" sind, dann ist Oktavgleichheit erst recht nichts selbstverständliches.

Man achte auch bei diesem Lied darauf, wie das bloße Ändern der Oktavlage (durch Übersteuern oder Anwenden irgendwelcher Filter; ich bin da kein Experte) bewirken kann, dass man eine recht abwechslungsreiche Melodik wahrnimmt. Auch ein gutes Beispiel, wo keine Oktavgleichheit gilt ist die Obertonreihe.

Oktavgleichheit ist ein sehr praktisches Werkzeug zur Strukturierung von Tonmaterial zwecks übersichtlicher Betrachtung, aber man kann sie nicht prinzipiell voraussetzen.

Die Argumentation mit dem "tiefsten Ton" kann ich nicht nachvollziehen, denn bei einem Dreiklang (z.B. Dur oder Moll) können wir alle Oktavierungen über den gesamten Hörbereich gleichzeitig erklingen lassen und empfinden dennoch einen dieser drei Tönen als den wichtigsten - den Grundton.
Bei einem Moll-Dreiklang empfinde ich die Quinte als wichtigsten Ton, wobei ich die Prime zumindest als ähnlich wichtig empfinde. Und ich denke nicht, dass sich das durch Oktavverdopplungen über den Hörbereich ändern würde. Bist du sicher, dass jeder von Natur aus so empfindet, oder wurde uns das vielleicht nur durch die Musikerziehung und über entsprechende Kompositionen so mitgegeben? Ein kleines Gedankenexperiment: Nimm beim Moll-Dreiklang jeweils einen Ton weg, und schau welches Intervall übrig bleibt. Sollte es nicht so sein, dass beim Entfernen des unwichtigsten Tons das konsonanteste Intervall übrig bleibt, und beim Entfernen des wichtigsten Tons das am wenigsten konsonante Intervall?

Dass ich denke, dass man bei Strukturen, die der Obertonreihe ähnlich sind den Grundton der Obertonreihe als Grundton wahrnimmt hatte ich ja auch schon erwähnt, ich denke da sind sich auch die meisten einig.

Deine Anhänge kann ich aus irgendeinem Grund nicht öffnen.

Wir hören von "unten nach oben". Warum? Weil der Grundton die Frequenzen der Obertöne bestimmt (Vielfaches vom Grundton).
Die alten Griechen hörten da scheinbar anders, sie fingen beim höchsten Ton an und sangen abwärts. Das sollte uns zumindest zum Nachdenken bewegen, ob Musik bei weiter entwickelten Kulturen tatsächlich unweigerlich so aussehen muss wie bei uns.

Sie sind harmonischer Natur! Die konsonanten Akkorde kann man aus 5:4 und 6:5 herleiten. Auch 7:6 würde ich dazuzählen. Jedenfalls ist der Septakkord mit Naturseptim konsonanter als der mit gleichstufiger Septim. Letztere kann auch als ungenaues Abbild des ersteren angesehen werden, wenn der Septakkord als konsonant betrachtet wird. Ungenau, bedingt durch die Dominanz der Hepatatonik/Dodekatonik. Letztere hat große praktische Vorteile und von daher eine Berechtigung.
Auch besonders dissonante Akkorde kann man aus Terzen "herleiten". Ein Quint-Non-Akkord dagegen dürfte ähnlich konsonant wie ein Dur- oder Moll-Dreiklang sein, und lässt sich nicht aus Terzstapelung herleiten. Auch kommt man durch Terzstapelung vom Dur-Dreiklang erst auf den maj7, und dann auf den 9/maj7, umgekehrt (add9 -> 9/maj7) wäre die für die Konsonanz sinnvollere Reihenfolge. Natürlich hat man bei Terzstapelung eine hohe Trefferquote, was Konsonanzen anbelangt, aber eben keine so hohe wie z.B. Überlegungen zu den sich ergebenden Intervallverhältnissen, und der Ähnlichkeit zur Struktur der ersten Obertöne. Ich sage ja nicht, dass Terzstapelung unsinnig ist, nur dass es auch andere ähnlich sinnvolle (und möglicher Weise sinnvollere) Verfahren zur Akkordkonstruktion gibt. Insbesondere wenn man auf eine konsonante Oktavlage bei Akkorden viel Wert legt, reicht Terzstapelung alleine nicht mehr aus.

Griechen, Blues-Tonleitern, Tonleitern mit 6 oder 8 Tönen... Das ist m.E. alles Material, mit dem man melodisch dominierte, gar einstimmige Musik macht. Sucht man ein Tonsystem, mit dem man hochentwickelt harmonisch mehrstimmig komponieren möchte, wird man automatisch auf das diatonische System stoßen.
Zuerst einmal: Die Griechen haben die Grundlagen für unser Tonsystem gelegt, und - wie bereits erwähnt - viel Wert auf konsonante Verhältnisse zwischen den Tönen gelegt. Warum sollten ihre Tonsysteme dann für harmonische Mehrstimmigkeit nicht geeignet sein? Auch erweitern melodische Zwischentöne die harmonischen Möglichkeiten, deswegen weiß ich auch nicht wo da das Problem liegen soll.

Im Prinzip auf alle. Das Phänomen der Harmonie ist so vielschichtig, daß ein einzelnes Buch, ein einzelner Mensch oder eine einzenle Kultur nicht alle Teilaspkete erfassen können. Wertvolle oder zumindest bemerkenswerte Erkenntnisse lassen sich aus vielen Ansätzen gewinnen.
Ich schätze du meinst sicher alle Harmonielehren, die relativ verbreitet sind, und einen bedeutenden Einfluss haben; ansonsten müsste ich annehmen, dass du Martin Vogels "Die Lehre von den Tonbeziehungen" mit einbeziehst (ich zähle das jetzt einfach mal als Harmonielehre), und dann müssten wir einige Punkte hier gar nicht mehr diskutieren...

Was die alten Kulturen angeht, so ist es da meist schwer, entsprechende schriftliche oder andere Belege zu finden. Wie sieht der Beleg für die Verwendung des 13. Teiltons bei den Griechen aus? Waren das vielleicht nur Experimente der Pythagoreer, die keinen Eingang in die musikalische Praxis Eingang fanden?
Die Verwendung von Obertönen in der Musik dürfte man am ehesten da finden, wo sie durch entsprechende Techniken begünstigt wird. Also, z. B. die Oberton-Gesangstechnik oder Instrumente, welche die Obertöne gut spielbar machen.
Das Tonsystem der alten Griechen baute im Wesentlichen(!) darauf aus, dass man die Oktave in Quarte und Quinte eingeteilt hat (die "festen" Töne), und in die beiden Quarten wiederum je einen Tetrachord eingefügt hat, der durch die beiden inneren Töne (die "beweglichen" Töne) definiert ist. Und bei den Tetrachorden kam es ziehmlich häufig vor, dass die Töne in Verhältnissen zueinander standen, die den Primfaktor 7 enthielten, manchmal auch höher. Primfaktoren fon 11 oder 13 waren bei den frühen Aulos-Modi häufiger anzutreffen, bei dem späteren auf Tetrachorden basierenden Tonsystem aber relativ selten, wenn ich mich nicht täusche.

Die Zweifel habe ich auch, was die Tonschritte anbelangt, die größer als eine Sekunde sind. Als Regeln stelle ich mir nur vor, daß in einer Fuge, die einzelnen Stimmen gut erkennbar sind und daß das Stück harmonisch klingt. Dux und Comes sollen selbstverständlich nacheinander in allen Stimmen auftauchen. Interessant soll das Stück natürlich auch sein. Aber das läßt sich nicht einfach in Regeln fassen.
Naja, eine reale Beantwortung des Themas im Comes sollte möglich sein, und führt dann (fast) unweigerlich zu einer Modulation. Eine tonale Beantwortung würde wegen der nicht diatonischen Struktur relativ sinnlos sein, der Comes hätte also wahrscheinlich stets die selbe Gestalt. Die Harmonik wäre nicht mehr durch die Regeln des Kontrapunkts bestimmt, da Konsonanz und Dissonanz hier fließend sind, da wäre es dann evtl. Ansichtssache, und teilweise auch eine Frage der Hörgewohnheiten, ob es harmonisch klingt.

Naja, die Aufzählung der Intervalle ist schon ein gewisses Maß für die konsonanten Möglichkeiten. Versuche einmal mit der Ganztonleiter oder auch nur im lokrischen Modus eine harmonisch klingende Fuge zu schreiben.
Klar, es hat schon eine gewisse Relevanz. Die Analogie zu Lokrisch passt hier allerdings nicht ganz, da man auf die selben Intervalle wie bei der Dur-Leiter kommt, wenn man die Intervalle zwischen den Tönen betrachtet, aber ich weiß schon was du meinst.

Grüße
 
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HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Bei den alten Griechen gab es keine "Quintidentität" - wenn ein Ton vorkam, hieß das noch längst nicht, dass man jeden Ton, der über eine oder mehrere Quinten mit diesem verwandt ist spielen darf (das wäre zumindest die analoge Bedeutung zur Oktavgleichheit).

Tatsache ist, daß die alten Griechen in absteigenden Tetrachorden dachten und die Quinten mit dem gleichen Notennamen bezeichneten und nicht etwa die Oktave. Eine mehrstimmige Musik der alten Griechen kenne ich nicht. Ich vermute auch, daß der Tonraum ihrer musikalischen Praxis viel kleiner als unserer war und auch deshalb eine Oktavidentität weniger nahe lag.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Ich denke auch du unterschätzt das Potential des altgriechischen Musikdenkens für die Mehrstimmigkeit enorm. Wenn dort etwas wichtig war, dann das Intervallverhältnis der Töne zueinander.

Warum sollte ich das Potential des altgriechischen Musikdenkens für die Mehrstimmigkeit enorm unterschätzen, wenn man im Mittelalter vom griechischen Musikdenken ausging, es aber verließ, als die Mehrstimmigkeit zunehmend Bedeutung erlangte? Wenn das altgriechische Tonsystem so geeignet wäre, hätte man keinen Grund gehabt, das Tonsystem zu verlassen.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Und wenn es für einen Laien noch nicht einmal selbstverständlich ist, dass zwei gleichhohe Töne auf einem einzelnen Instrument "gleich" sind, dann ist Oktavgleichheit erst recht nichts selbstverständliches.

Das was Deine Mitbewohnerin gehört hat ist ja nicht "gleich" im wörtlichen Sinne. Der Klang, sprich, das Teiltonspektrum, ist unterschiedlich. Der Ausdruck "Oktavidentität" ist selbstverständlich nicht im mathematisch exaktem Sinne zu verstehen. "Oktavidentität" meint ja nicht, daß die Töne im Oktavabstand die gleiche Frequenz haben, sondern, daß ihr Charakter gleich ist (gleiches Chroma oder gleiche Tonigkeit). Eine Folge der "Oktavidentität" besteht darin, daß die Oktaven, selbst von Menschen mit absolutem Gehör, schon mal verwechselt werden.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
...wie das bloße Ändern der Oktavlage ... bewirken kann, dass man eine recht abwechslungsreiche Melodik wahrnimmt.

Es wäre natürlich verfehlt, anzunehmen, es käme in einer Melodie nicht auf die Oktavlage an. Man nehme eine beliebige einfache Melodie. Ändert man alle zwei Töne die Oktavlage, (bei möglichst geringen Sprüngen zum vorangegangenen Ton) so ist es sehr schwer, die urprüngliche Melodie wiederzuerkennen. Grund: Die Kontur wird verändert.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Oktavgleichheit ist ein sehr praktisches Werkzeug zur Strukturierung von Tonmaterial zwecks übersichtlicher Betrachtung...

Und diese Ökonomie in der "Datenverarbeitung" des Gehirns ist selbst bei Tieren anatomisch nachweisbar: http://www.neuroscience-of-music.se/ger7.htm

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Bei einem Moll-Dreiklang empfinde ich die Quinte als wichtigsten Ton, wobei ich die Prime zumindest als ähnlich wichtig empfinde. Und ich denke nicht, dass sich das durch Oktavverdopplungen über den Hörbereich ändern würde. Bist du sicher, dass jeder von Natur aus so empfindet, oder wurde uns das vielleicht nur durch die Musikerziehung und über entsprechende Kompositionen so mitgegeben?

Für mich ist im Moll-Akkord eindeutig der Grundton der wichtigste und nicht die Quinte darüber. Wird z.B. die Quinte verdoppelt, so empfinde ich den Akkord eindeutig als instabiler, den mit verdoppeltem Grundton als stabiler.
Natürlich spielt die eigene Musikerfahrung allgemein eine große Rolle. Ich strebe allerdings nicht das Ziel an, eine "absolute" Musik konstruieren zu wollen. Nach meinem Verständnis hat Musik auch einen Sprachcharakter, hat etwas mit Botschaft und Bedeutung zu tun. Ich würde es als einen großen Mangel betrachten, diese Bezüge zu kappen. Allerdings interessiere ich mich eher für eine Musik, die sich an allgemeingültigen Sprachen orientiert, anstatt an Sprachen, die zu sehr in das spezielle, kryptische gehen. Von daher betrachte ich es als günstig, wenn Musik Universalien berücksichtigt.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Ein kleines Gedankenexperiment: Nimm beim Moll-Dreiklang jeweils einen Ton weg, und schau welches Intervall übrig bleibt. Sollte es nicht so sein, dass beim Entfernen des unwichtigsten Tons das konsonanteste Intervall übrig bleibt, und beim Entfernen des wichtigsten Tons das am wenigsten konsonante Intervall?

Ist zwar ein netter Gedanke, doch er wird wohl dem Empfinden i.a. nicht gerecht. Dein Gedanke rührt wohl von der "Untertonreihe" her. Diese spielt aber in der der Hörerfahrung des Menschen, ganz im Gegensatz zur "Obertonreihe" keine wesentliche Rolle.

Zitat von klaus111
Wir hören von "unten nach oben". Warum? Weil der Grundton die Frequenzen der Obertöne bestimmt (Vielfaches vom Grundton).
HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Die alten Griechen hörten da scheinbar anders, sie fingen beim höchsten Ton an und sangen abwärts. Das sollte uns zumindest zum Nachdenken bewegen, ob Musik bei weiter entwickelten Kulturen tatsächlich unweigerlich so aussehen muss wie bei uns.

Das ist etwas völlig anderes. Ich meinte nicht das melodische Denken, sondern die Zuordnung eines Grundtones in einem harmonischen Spektrum, wenn dieser selbst entfernt wird. Man "hört" ihn trotzdem.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Auch besonders dissonante Akkorde kann man aus Terzen "herleiten".

Man kann vieles... und sich auch fragen wie plausibel und begründet es ist.
Ich bezog mich mit meinen Ausführungen nur auf die Herleitung der wichtigsten Akkorde: Dur, Moll, Septakkord.
Maj7, 9/maj7, auch mit 11 bzw. 13 würde ich eher aus der Addition von Dur und Moll-Akkorden herleiten.
Den Septakkord möchte ich aber keinesfalls nur aus der Naturseptim herleiten. Für bedeutender halte ich die Herleitung der Septim aus dem Grundton der Subdominanten. Doch wenn ein Septakkord nicht aufgelöst werden soll, inbesondere am Ende eines Stückes, da könnte dem Septakkord mit Naturseptime am ehesten eine Bedeutung zukommen.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Ich schätze du meinst sicher alle Harmonielehren, die relativ verbreitet sind, und einen bedeutenden Einfluss haben; ansonsten müsste ich annehmen, dass du Martin Vogels "Die Lehre von den Tonbeziehungen" mit einbeziehst (ich zähle das jetzt einfach mal als Harmonielehre), und dann müssten wir einige Punkte hier gar nicht mehr diskutieren..

Auch aus Vogels Buch erhoffe ich mir bemerkenswerte Erkenntnisse. Ich werde es mir demnächst anschauen. Allerdings möchte ich nicht alle Gedanken übernehmen, die in "Harmonielehren" verbreitet werden. Da ist oft auch vieles dabei, was esoterisch anmutet und in denen Teilaspekte überbetont werden.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Primfaktoren fon 11 oder 13 waren bei den frühen Aulos-Modi häufiger anzutreffen, bei dem späteren auf Tetrachorden basierenden Tonsystem aber relativ selten, wenn ich mich nicht täusche.

Was muß ich hier lesen:

Bei den sogenannten Aulos-Modi handelt es sich um modale Tonleitern. Ihre Relevanz für den antiken griechischen Aulos wird allerdings heute nicht mehr vertreten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Aulos-Modus
Gibt es doch keinen Beleg dafür, daß die alten Griechen den 11. und 13. Teilton in ihre praktische Musik einbezogen haben?

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
... da wäre es dann evtl. Ansichtssache, und teilweise auch eine Frage der Hörgewohnheiten, ob es harmonisch klingt.

Ich vermute, es gibt zu wenig Leute, die sich an solche Fugen gewöhnen wollen.

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Die Analogie zu Lokrisch passt hier allerdings nicht ganz, da man auf die selben Intervalle wie bei der Dur-Leiter kommt, wenn man die Intervalle zwischen den Tönen betrachtet, aber ich weiß schon was du meinst.

Lokrisch habe ich ganz bewußt gewählt, um zu zeigen, daß selbst bei Verwendung des gleichen Tonmaterials wie in Dur, die harmonischen Möglichkeiten massiv eingeschränkt werden, wenn der Grundton nicht stimmt.

Viele Grüße

Klaus
 
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Eine mehrstimmige Musik der alten Griechen kenne ich nicht.
Aber die einstimmige? Ich hab's Seikilos-Epitaph noch nie hören dürfen. Du?

Lokrisch habe ich ganz bewußt gewählt, um zu zeigen, daß selbst bei Verwendung des gleichen Tonmaterials wie in Dur, die harmonischen Möglichkeiten massiv eingeschränkt werden, wenn der Grundton nicht stimmt.
Lokrisch ist bekanntlich ein Kirchenton, der nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt wurde und nie ein praktische Rolle gespielt hat. 'Falsch' ist da ja auch nicht der Grundton, sondern die Quinte.

Im übrigen kann man Dur-Moll-Tonalität nicht auf Kirchentöne abbilden; das sind zwei verschiedene Dinge: das eine nur einstimmig zwischen Finalis und Rezitationston unterscheidend, das andere kadenzierend, was unweigerlich die Einführung zusätzlicher Leittöne erfordert, nämlich
DUR-MOLL-TONALITÄT ETABLIERT.

Perotins Organa können man gerade auf der reinen Quinte als Grundklang herumreiten und kennen noch keine wirklich geordnete Mehrstimmigkeit. Die wird erst möglich, als man allmählich die Wirkung kadenzierender Schlußklauseln entdeckt und allmählich in harmonischen Kategorien statt in linearen denkt und die Folge Dissonanz - Konsonanz durch zusätzliche, die Kirchentonarten erweiternde Leittöne als Prinzip einsetzt. Es sollte bis zum Barock dauern, bis der Übergang vom rein melodischen Denken zu harmonisch-melodischen vollzogen war. Aber der Übergang ist natürlich fließend und vollzog sich mehr oder weniger unbewußt schon vorher. Seit er sich vollzog, begann das, was man abendländische Kunstmusik nennt.
Um ähnliches mit einem ganz anderen Tonsystem zu erschaffen, müßte wahrscheinlich ein ganz Großer kommen. Und wahrscheinlich bräuchte er dafür ein paar weitere Jahrhunderte, falls es denn möglich sein sollte.
 
Aber die einstimmige? Ich hab's Seikilos-Epitaph noch nie hören dürfen. Du?

Bei youtube kann man einige Interpretationen hören oder auch eine bei Wikipedia.

Lokrisch ist bekanntlich ein Kirchenton, der nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt wurde und nie ein praktische Rolle gespielt hat.

So ist es und aus gutem Grund.

'Falsch' ist da ja auch nicht der Grundton, sondern die Quinte.

Kann man natürlich auch so betrachten. Ich ging eben von unserer hepatatonischen Skala aus und wählte den ungünstigsten "falschen" Ton als Bezugspunkt (Grundton).

Im übrigen kann man Dur-Moll-Tonalität nicht auf Kirchentöne abbilden;...

So ist es. Hier ging es allgemein um den Gedanken, daß nur ganz bestimmte Tonleitern geeignet sind, eine harmonisch klingende interessante mehrstimmige Musik zu komponieren.
Ich denke, da dürfte die "heptatonische 7-limit Skala" im Vergleich zu Dur unterlegen sein.

Perotins Organa können man gerade auf der reinen Quinte als Grundklang herumreiten und kennen noch keine wirklich geordnete Mehrstimmigkeit.

Verwandte Probleme befürchte ich auch bei der "heptatonische 7-limit Skala" (im 12et: A B C C# D# E G A). Was nützt es, wenn ein Septakkord mit 4:5:6:7 sehr konsonant angenähert werden kann (200et), aber eben nur einer. Das könnte dann zu einer starken Zentrierung der Musik führen, zu einem "herunmreiten" auf diesem Akkord. Weitere Nachteile durch weniger konsonante und mehr dissonante Intervalle kommen hinzu. Außerdem noch unmelodiöse Tonsprünge.
Im 12et-System haben wir hingegen drei Dur-Akkorde und drei Moll-Akkorde, sechs sehr konsonate Akkorde, die zudem noch korrespondieren (Parallelität). Das sind außerordentlich günstige Voraussetzungen für eine interessante harmonische Mehrstimmigkeit.

Um ähnliches mit einem ganz anderen Tonsystem zu erschaffen, müßte wahrscheinlich ein ganz Großer kommen. Und wahrscheinlich bräuchte er dafür ein paar weitere Jahrhunderte, falls es denn möglich sein sollte.

Das Dur-Moll-System sehe ich als Endpunkt eines jahrhundertelangen Selektionsprozesses. Mit ihm ist eine harmonische, man kann auch sagen "wunderschöne", hochkultivierte mehrstimmige Musik möglich. Mit anderen Tonsystemen kann ähnliches wohl prinzipiell nicht geschaffen werden; an den ganz Großen glaube ich nicht.

Eher kann das jetzige System noch komplexer mehrstimmig genutzt werden und möglicherweise durch andere Töne erweitert werden. Bei letzterem droht allerdings, die Übersichtlichkeit, Erfassbarkeit zu leiden. Sieben Töne sind da schon günstig und wenn moduliert wird, packen wir das auch noch gut und kommen auf das 12-Ton-System.

Die Musik mit anderen Tonsystemen muß wohl anderen Prinzipien folgen, die eine dissonantere Mehrstimmigkeit zur Folge haben. Da kann sicher auch etwas interessantes herauskommen.

Viele Grüße

Klaus
 
Es ging mir nicht darum zu behaupten, dass die alten Griechen eine harmonische Mehrstimmigkeit gehabt hätten. Von dem was man meist hört soll es eine Einstimmigkeit gewesen sein, allerdings sind aus der damaligen Zeit nur wenige Dokumente bekannt, weswegen wir meines Wissens nach nicht viel über die Musik der alten Griechen wissen. Mein Punkt war, dass sich ihr Tonsystem m.E.n. vermutlich gut für mehrstimmige Musik eignen würde. Es ging übrigens über mehrere Oktaven, wobei es keine absolute, aber zumindest eine tendenzielle Oktavgleichheit gab. Die Tetrachorde des Archytas enthielten z.B. die für die Mehrstimmigkeit wichtige große Terz 5:4, die kleine Terz 6:5 und weitere (7-limit) harmonische Intervalle, wovon sich manche erst bei geschickter Kombination der Tetrachorde ergaben. Im späteren historischen Verlauf der europäischen Musik hat sich dann im Wesentlichen der diatonische Tetrachord durchgesetzt, der sich durch Umsetzung mit pythagoreischen Intervallen zwar für Einstimmigkeit eignete (-> Gregorianik), die harmonische Mehrstimmigkeit dagegen musste warten bis man die reinstimmigen Terzen wiederentdeckt hatte.

Wie ich bereits schrieb, kamen die Primfaktoren 11, 13 in den frühen Aulos-Modi vor, waren aber in den späteren Tonsystemen der alten Griechen nicht mehr so relevant (falls der 13. überhaupt vorkam).

Ich müsste mich zu dem Thema bei Gelegenheit auch noch mal besser informieren, habe leider keine Literatur zu dem Thema hier bei mir zu Hause.


Ich denke, bei der "Oktavgleichheit" (oder besser: Oktaväquivalenz) sind wir uns beide einig, dass sie eine wichtige Bedeutung hat. Nichtsdestoweniger wird sie in manchem Kontext als selbstverständlich angenommen, in dem sie m.M.n. längst nicht selbstverständlich ist - darauf wollte ich i.W. hinaus.

Für mich ist im Moll-Akkord eindeutig der Grundton der wichtigste und nicht die Quinte darüber. Wird z.B. die Quinte verdoppelt, so empfinde ich den Akkord eindeutig als instabiler, den mit verdoppeltem Grundton als stabiler.
Natürlich spielt die eigene Musikerfahrung allgemein eine große Rolle. Ich strebe allerdings nicht das Ziel an, eine "absolute" Musik konstruieren zu wollen. Nach meinem Verständnis hat Musik auch einen Sprachcharakter, hat etwas mit Botschaft und Bedeutung zu tun. Ich würde es als einen großen Mangel betrachten, diese Bezüge zu kappen. Allerdings interessiere ich mich eher für eine Musik, die sich an allgemeingültigen Sprachen orientiert, anstatt an Sprachen, die zu sehr in das spezielle, kryptische gehen. Von daher betrachte ich es als günstig, wenn Musik Universalien berücksichtigt.
Tut mir Leid, aber hier kann ich die Überleitung nicht ganz nachvollziehen. Die sprichst hier ein paar Aspekte an, die dir an der Musik wichtig sind, oder die Musik nicht haben sollte, ohne sie in einen direkten, expliziten Bezug zum Thema Moll-Dreiklang und Grundtondenken zu setzen. Wo werden Bezüge gekappt? Welche Sprachen gehen ins kryptische? Und was hat das jetzt mit der Oktaväquivalenz (-> link) zu tun?

Ist zwar ein netter Gedanke, doch er wird wohl dem Empfinden i.a. nicht gerecht. Dein Gedanke rührt wohl von der "Untertonreihe" her. Diese spielt aber in der der Hörerfahrung des Menschen, ganz im Gegensatz zur "Obertonreihe" keine wesentliche Rolle.
Mein Modell vom Dur- und vom Moll-Dreiklang sieht in etwa folgendermaßen aus: Die Prime des Dur-Dreiklangs lässt sich als (Stellvertreter vom) Grundton der gemeinsamen Obertonreihe aller Akkordtöne interpretieren - also nichts revolutionär Neues hier. Analog lässt sich die Quinte des Moll-Dreiklangs (wie du bereits richtig vermutest) als (Stellvertreter vom) Referenzton (also Ausgangston) der gemeinsamen Untertonreihe aller Akkordtöne betrachten - nennen wir ihn im Folgenden (wie auch von Martin Vogel vorgeschlagen) Referenzton des Moll-Dreiklangs.

Eine Untertonreihe ist dabei eine Reihe von den Tönen f, f/2, f/3, f/4, f/5 ..., wobei f der Referenzton der Reihe ist, und (zusammen mit seinen Obertönen) in jeder Obertonreihe der anderen Töne vorkommt: f ist der 2. Partialton von f/2, der 3. Partialton von f/3 usw. Anders als bei der Obertonreihe hat man also nicht einen Grundton, zu dem die anderen Töne Obertöne sind, sondern einen Oberton (-> den Referenzton), zu dem die anderen Töne Grundtöne sind. Auf den Moll-Dreiklang bezogen: Prime und Terz sind Grundtöne, der Referenzton (die Quinte) ist Stellvertreter eines gemeinsamen Obertons beider Grundtöne, und somit der Ton, der die anderen beiden Töne besonders harmonisch verknüpft - und deshalb m.M.n. der wichtigste Ton des Moll-Dreiklangs, auch wenn er nicht (oder nicht so gut) als Grundton der Intervalle zu den anderen Tönen aufgefasst werden kann.

Dabei ist mir die "Herleitung"(?) aus der Untertonreihe allerdings nicht wichtig, ich finde nur dass man so die Beziehung der Akkordtöne zueinander sehr gut veranschaulichen kann: Beim Moll-Dreiklang verschmelzen eben nicht alle Töne in einer einzigen Obertonreihe, es ist mehr so dass Prime und Terz klanglich nebeneinander stehen, und durch die Quinte zu einem dennoch konsonanten Klang vereinigt werden. Und eben wegen diesem Umstand, dass es hier nicht einen einzigen Grundton gibt, sondern dass es sich um einen sehr vielfarbigen Klang handelt besitzt der Moll Dreiklang auch nicht die selbe "Stabilität", die der Dur-Dreiklang besitzt - das liegt eben nicht in seiner Natur. Wenn man aber schon Stabilität anstrebt, dann m.M.n. besser dort wo die Intervalle konsonant verknüpft werden, und nicht so, dass sich das Zerrbild einer Obertonstruktur mit tiefalterierter Terz ergibt (z.B. C' C G c eb g c'). Zumindest, wenn man Konsonanz anstrebt, heißt das...

Es ist mir allerdings nicht so wichtig, dass du (oder sonst wer) mit meiner Ansicht übereinstimmt. Letztendlich geht es mir nur darum, dass "unser" Grundtondenken nichts selbstverständliches ist, und dass in einer anderen hochentwickelten Musikkultur auch z.B. etwas in der Art möglich wäre, so wie ich es hier beschrieben habe.


Man kann vieles... und sich auch fragen wie plausibel und begründet es ist.
Ich bezog mich mit meinen Ausführungen nur auf die Herleitung der wichtigsten Akkorde: Dur, Moll, Septakkord.
Maj7, 9/maj7, auch mit 11 bzw. 13 würde ich eher aus der Addition von Dur und Moll-Akkorden herleiten.
Den Septakkord möchte ich aber keinesfalls nur aus der Naturseptim herleiten. Für bedeutender halte ich die Herleitung der Septim aus dem Grundton der Subdominanten. Doch wenn ein Septakkord nicht aufgelöst werden soll, inbesondere am Ende eines Stückes, da könnte dem Septakkord mit Naturseptime am ehesten eine Bedeutung zukommen.
Die Herleitung der Septim eines V7 von dem Grundton der Subdominante ist innerhalb der Dur-Tonalität natürlich sinnvoll. Es ist aber eine tonale / funktionale Ableitung, und keine harmonische - und führt im Vergleich zu einem septimalen Dom7 4:5:6:7 zu einem weniger konsonanten Ergebnis.

Auch aus Vogels Buch erhoffe ich mir bemerkenswerte Erkenntnisse. Ich werde es mir demnächst anschauen. Allerdings möchte ich nicht alle Gedanken übernehmen, die in "Harmonielehren" verbreitet werden. Da ist oft auch vieles dabei, was esoterisch anmutet und in denen Teilaspekte überbetont werden.
Völlig meine Meinung - ich habe noch kein musiktheoretisches Buch gelesen, bei dem ich dem Author in jedem Punkt zustimmen würde.

Lokrisch habe ich ganz bewußt gewählt, um zu zeigen, daß selbst bei Verwendung des gleichen Tonmaterials wie in Dur, die harmonischen Möglichkeiten massiv eingeschränkt werden, wenn der Grundton nicht stimmt.
... was ich irgendwie nicht ganz im Kontext einordnen konnte, in dem du zeigen wolltest, dass die Aufzählung der Intervalle, so wie wir sie bei den Skalensystemen vorgenommen haben, eine gewisse Relevanz für die konsonanten Möglichkeiten hat. Genau das war ja auch mein Argument: Dass man nicht nur die Intervalle für sich betrachten sollte, sondern im Kontext. Lokrisch wird übrigens etwas weniger dissonant, wenn man abwärts denkt; dann gibt es z.B. eine Unterquinte, und eine (große) Unterterz. Das hat dann allerdings nicht mehr viel mit dem zu tun, was man i.A. unter Lokrisch versteht, und man würde in unserer Musikkultur wahrscheinlich eher von Phrygisch mit stark betonter Quinte und merkwürdiger Melodik sprechen. :rolleyes:
 
Hmm, die Untertonreihe ist ein Theoretikum. Was hörbar ist, sind allerdings Differenztöne, die eine quasi virtuelle Obertonreihe bilden. Und die sind nur hörbar, wenn mindestens zwei Töne mit eigenen Obertonreihen erklingen. Eine Untertonreihe eines einzelnen Tons kann es nicht geben, denn aus eben dem Grund, daß sich z.B. auf einer Saite keine längere Wellenlänge ausbilden kann als die Saitenlänge, bilden sich nur Obertöne und keine Untertöne aus, nämlich nur Wellenlängen, die als vollständige stehende Wellen zur Saitenlänge passen. Die Untertonreihe ist also eine nette Idee, aber physikalischer Blödsinn.
Man muß auf dieses an den Haaren herbeigezogene und aus Verliebtheit in Symmetrien erwachsene Theoretikum aber auch gar nicht zurückgreifen, um Dreiklänge zu erklären. Der Zusammenhang ist doch viel trivialer:
Konsonant sind Terz (=Sexte) und Quarte (=Quinte), Sekunde (=Septime) ist dissonant (das kann man anhand des Zusammenklingens zweier Obertonreihen und daraus entstehender Schwebungen und Differenztönen nicht 'beweisen', aber immerhin plausibilisieren). Zur Bildung dreistimmiger konsonanter Klänge bleiben deswegen nur wenige Möglichkeiten, und die einzig konsonanten unter ihnen lassen sich immer zu einer Terzschichtung umkehren. Um das herauszufinden, muß man sich ja nur ans Klavier setzen und es ausprobieren, muß also weder Obertonreihe noch Unterreihe bemühen und muß nicht einen spekulativen Dur-Moll-Dualismus proklamieren, der obendrein jeder Hörerfahrung widerspricht, die auch den Molldreiklang nicht von oben nach unten hört und auch in Moll einen eindeutigen Grundton wahrnimmt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Maler: Ich stimme mit Deinen Ausführungen weitgehend überein, denke aber, daß HëllRÆZØR nicht ganz einen gleichberechtigten Dur-Moll-Dualismus vertritt.

HëllRÆZØR;4738851 schrieb:
... alten Griechen... Mein Punkt war, dass sich ihr Tonsystem m.E.n. vermutlich gut für mehrstimmige Musik eignen würde.

Mein Punkt ist der, daß es sich weniger gut eignet als die Tonsysteme, die man später entwickelte und aus denen eine Hochkultur der Mehrstimmigkeit entstand (Terz als konsonant betrachtet, Dur-Moll-System). Genaugenommen, wäre immer anzugeben, welches Tonsystem der Griechen gemeint ist. Ich bezog mich auf die bekannteste, die pythagoreische Stimmung, welche bis in das Mittelalter allgemeingültig war.

Ich bezog mich nicht auf Systeme, die z.T. viel später in Griechenland erfunden wurden und bei denen die reine Terz eine Rolle spielt (Archytas, insbesondere "Didymos der Musiker").

Ein hochkultivierte mehrstimmige harmonische Musik ist m.E. nur möglich, wennn neben der Quint auch die Terz als konsonant betrachtet wird (Prim und Oktav sowieso).
Es handelt sich dabei um die ersten Töne der Naturtonreihe, die eben auch am stärksten harmonieren.

Durch Kombination dieser konsonanten Intervalle kommt man unweigerlich auf unser diatonisches System und auf Dur.
Man gehe von einem Grundton aus, nehme das konsonanteste Intervall welches einen neuen Ton bilden kann, die Quint nach oben und nach unten und errichte auf diesen neuen Grundtönen die Dur-Terz und die Quint.

Man erhält die Töne der Dur-Tonleiter und die optimal möglichen konsonaten Tonbeziehungen. Durch geeignete Stimmungen kann man den jeweils besten Kompromiß eingehen, der daraus erwächst, daß Oktav, Quint und Terz so verändert werden müssen, daß ein geringer Tonvorrat (7 bzw. 12) ausreicht.

Dieses diatonische Tonsystem ist bezüglich der Konsonanzen unter Verwendung einer geringstmöglichen Anzahl von Tönen unschlagbar, denn es läßt sich ja direkt aus den Konsonanzen ableiten.

Eine Erweiterung durch den nächsten Ton der Naturtonreihe, die Naturseptim, wäre theoretisch denkbar. Führt man diese jedoch so konsequent in das Tonsystem ein, wie die Terz, so wird es sehr kompliziert durch die Vielzahl der neuen Töne, die entstehen, wenn man die Naturseptim mit sich selbst und mit Terz und Quint bzw. deren Stapelungen kombiniert. Man könnte sich aber Gedanken darüber machen, inwiefern ein solches System zu vereinfachen wäre.

Immerhin klingen folgende Dreiklänge mit der Naturseptim (g-) noch recht konsonant:

a c# g-
a e g-

Dies, obwohl mit c# g- ein Tritonus entsteht. Dieser ist jedoch vergleichweise konsonant (5:7, Huygens' Tritonus).

Der Vierklang a c# e g-, klingt ebenfalls recht konsonant.

Man kann den Einsatz der kleinen Septim als konsonante Tonika im Blues und die Naturseptime als "blue note" vielleicht als Tendenzen sehen, die Naturseptim in die Musik einzuführen.

Eine scharfe Dissonanz entsteht aber z.B. mit der Moll-Terz. (Das soll natürlich kein Argument gegen Moll im allgemeinen sein.)

Wahrscheinlich kann die Naturseptim nur sehr behutsam in harmonsicher Musik eingesetzt werden.

Hier ein Hörbeispiel, in dem nacheinander in reiner Stimmung gespielt werden:

a c# e
a c e
a c# g-
a e g-
a c# e g-
a c g-
a c# g-


Verwendet wurde der Sägezahn, der alle harmonischen Obertöne enthält.

In einem weiteren Hörbeispiel soll untersucht werden, inwiefern Deine Meinung stimmt:

HëllRÆZØR;4732510 schrieb:
Ein Quint-Non-Akkord dagegen dürfte ähnlich konsonant wie ein Dur- oder Moll-Dreiklang sein...

Der Quint-Non-Akkord a e h ist in diesem Hörbeispiel wohl eindeutig dissonanter als der Dreiklang a e c#. Der erste kann zum zweiten aufgelöst werden, aber nicht umgekehrt. Im Beispiel wurde Sägezahn und reine Stimmung verwendet.

Deine Meinung basiert möglicherweise auf der Verwendung der temperierten Stimmung, möglicherweise noch auf Wiedergabe mit Verzerrer.

Unter diesen Bedingungen tauchen beim Dur-Dreiklang a e c# schnelle Schwebungen der temperierten Terz auf, die besonders bei Verzerrung störend wirken können. Die langsam schwebenden Quinten im Quint-Non-Akkord wirken vergleichsweise angenehm. Im Hörbeispiel wird gespielt:

a e h
a e c#
e h
e c#

Nun bei verzerrter Wiedergabe, zunächst in reiner Stimmung, dann in temperierter.

a e h
g# e h
a e c#

Die Schwebungen kommen jetzt besonders zum Tragen.

Genug für heute. Ich gehe ein anderes Mal auf weitere Aspekte ein.

Viele Grüße

Klaus
 

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