Daumenposition der Greifhand

raytsh
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Ich hatte in zwei anderen Threads hier gelesen, dass immer noch die "klassische" Daumenhaltung der Greifhand propagiert wird. Ich halte das für höchst fragwürdig.

Klassische Haltung:

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Nur weil die Haltung bei einer Konzertgitarre, wohlgemerkt im Sitzen, schon seit jeher der Standard ist, heißt das nicht, dass man es uneingeschränkt auch heute noch, und vor allem nicht für E-Gitarre, welche nicht selten auch im Stehen gespielt wird, empfehlen kann. Ich will das nicht pauschal ablehnen, und es ist auch nicht so, dass die Haltung immer starr sein sollte. Sie sollte hingegen flexibel sein zu dem, was gespielt wird.

Aber ich bin der Meinung die generelle "Ziel" Position, welche man immer mal wieder versucht einzunehmen, sollte NICHT die klassische sein. Das ganze muss man etwas differenziert betrachten denn was genau man spielt, bzw. über wieviele Bünde es geht während die Position fest bleibt, und ob man Sitzen oder im Stehen spielt.

Wenn man die Gitarre im Stehen so hoch am Gurt hat, dass sie, relativ zum Oberkörper und den Armen, so platziert ist wie im Sitzen in der Klassischen Haltung, dann relativiert sich das wieder etwas. Viele haben die Gitarre aber weit tiefer hängen. Auch ist das vor allem in den tiefen Lagen, Bund 1-6 ca. von großer Relevanz. Also dort, wo die Hand weiter weg vom Körper ist.

(Die Schlaghand wird übrigens auch stark abgeknickt bei viele, wenn sie die Gitarren in den Knien hängen haben, aber das nur nebenbei.)

Ich empfehle daher eine Daumenposition wie hier einzunehmen:





Oder auch:

Bildschirmfoto2018-05-03um15.35.49.png


Die Position mit dem Daumen in Richtung Kopfplatte ist wesentlich besser für das Handgelenk und um CTS vorzubeugen als die "klassische" Haltung mit dem Daumen parallel zum Verkauf der Bünde (orthogonal zum Hals). Denn letzteres führt häufiger zu einem abgeknickten Handgelenk.

Auch wenn der Daumen über den Hals hinausschaut, kann dass das Abknicken des Handlgelenks unterbinden wie hier:

Bildschirmfoto2018-05-03um15.35.59.png


Bei Single Note Runs über viele Bünde oder allg. weiter "Spreads" muss der Daumen auch mal in die klassische Position und das Handgelenk ist dann relativ stark abgeknickt, aber eben nicht dauerhaft. Immer die klassische Position des Daumens als Ziel zu haben, begünstigt aber ungesunde Handhaltung. Bei Powerchords hingegen sollte der Daumen meiner Meinung nach IMMER in Richtung der Kopfplatte zeigen. Ich versuche die Haltung so häufig wie möglich einzunehmen.

Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Ich habe von der klassischen Daumenposition nach 2-3 Jahren CTS bekommen, musste ein Jahr pausieren und letztendlich operiert werden, wonach ich komplett von null wieder begonnen habe. Die Beschwerden sind damit auch nicht gänzlich weg. Aber den Daumen schräg und mehr in Richtung er Kopfplatte zu haben, hat meine Beschwerden sehr gemindert.

Generell will ich damit sagen: Die Greifposition sollte so sein, dass das Handgelenk so wenig und so selten wie möglich abknickt. Dabei spielt die Position der Gitarre/des Halses relativ zum Körper (im Sitzen und im Stehen) sowie was genau man spielt eine Rolle. Um das Ziel zu erreichen sind viele verschiedene Positionen tauglich.

Die Position des Daumens ist auch nicht der einzige Faktor, welche für die Haltung des Handgelenks verantwortlich ist. Wie lang die Finger sind, wie sehr man sie spreizen kann, wie weit sie vom Griffbrett weg sind sind auch Faktoren. Generell will man aber möglichst viele Saiten zusätzlich dämpfen beim Spielen, insbesondere mit viel Gain. Bei klassischer Gitarre ist das weniger relevant.

Aber vor allem die klassische führt schnell zu schlechter Haltung.

Probiert das einfach mal aus. Lasst die Finger auf den Saiten z.B. Powerchord mit Grundton am 2. Bund tiefste Saite (oder andere tiefe Lagen) und bewegt nur den Daumen von der klassischen Haltung in die, wo der Daumen mittig hinten auf dem Hals ist, aber in Richtung Kopfplatte zeigt.

Hier noch ein paar Beispiele:

Gute Haltung:

Bildschirmfoto2018-05-03um15.24.28.png


Grenzwertig:

Bildschirmfoto2018-05-03um15.24.45.png


Schlechte Haltung:

Bildschirmfoto2018-05-03um15.25.31.png


Und ja, hier ist einiges an "extended range" dabei. Und ja, diese Haltung nimmt man vllt. nicht dauerhaft an. Aber das Problem besteht genau so bei 6-Saitern oder bei 4-Saiter Bässen.


Danke fürs lesen. :)
 
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Ich hab selbst mehrere Jahre klassische Gitarre gelernt - wobei ich mich gar nicht erinnern kann, dass die Daumenhaltung da so ein großes Thema war. Wahrscheinlich hat sie sich quasi automatisch aus der klassischen Haltung im Spiel ergeben.
Heute halte ich das recht pragmatisch - der Daumen ist so, wie es sich gerade ergibt. Kann "klassisch" sein, kann über den Rand des Griffbretts gelegt sein oder eben auch in Richtung Kopfplatte zeigend.
Ist in meinen Augen auch nicht so wichtig, solang die Greifhand einigermassen locker bleibt.
 
Da kann ich @stoffl.s nur beipflichten. Mein Daumen wandert ziemlich durch die Gegend, je nachdem was und wie ich spiele. Ich könnte gar nicht sagen, was da "optimal" ist, das ergibt sich irgendwie.

Klar: als Anfänger sollte mal schon lernen, eine entspannte und ermüdungsfreie Haltung einzunehmen und dann auch darauf achten. Aber irgendwann ist es dann auch egal, dann achtet man nicht mehr speziell darauf.
 
Wie gesagt, ich hab eigentlich nie wirklich auf die Daumenhaltung geachtet. Und eigentlich auch nicht wirklich auf die Greifhand, das hat sich einfach ergeben. Klar merk ich einen Unterschied, ob ich sitzend spiel - und da ist noch mal ein Unterschied ob in klassischer Haltung oder anders - oder im stehen, wo die Gitarre etwas tiefer hängt. Hab sie aber nicht ganz tief, wie viele andere, denn da kann ich auch nicht mehr spielen...
 
Es ist absolut richtig, dass nicht die ganze Zeit eine feste Haltung eingenommen wird oder werden sollte. Wie schon gesagt würde ich das abhängig davon machen was und in welcher Position gespielt wird. Ich habe, abgesehen davon das man überall zu hören bekam "Daumen, Mitte Hals, ca. gegenüber dem Mittelfinger, orthogonal zum Halsverlauf", mir auch die erste Zeit keine weiteren Gedanken gemacht. Bis eben Beschwerden auftraten. Und seit dem habe ich mir darüber Gedanken gemacht und versucht eine "allgemeine Empfehlung" zu finden, bei welcher die wenigsten Probleme auf treten.

Klar, wenn man noch keine Problem hat - fein, good for you. :) Jede Anatomie ist anders, jeder Hals, Griffbrett usw. bringen anderen Randbedingungen mit sich. Wenn aber eben sowas wie CTS einmal vorliegt, dann ist das nicht so einfach loszuwerden. Es sei denn, man spielt dann halt mal 6 Monate nicht, und wer will das schon. Daher: Vorsorge und differenzierte Empfehlung, insbesondere für Anfänger, die sich vllt. noch keine bestimmte Techniken angewöhnt haben.

Mir geht es nicht darum einer festen Haltung die ganze Zeit blind zu folgen, sondern um eine grobe Richtlinie zu welcher man immer dann, wenn es sich anbietet, zurück kehrt.
 
Hmmm, das ist so eine Diskussion, die IMO schnell zu nichts führen wird. Das eine „Dogma“ durch ein anderes zu ersetzen, ist immer Stoff für hitzige Diskussionen.
Das erinnert mich stark an die „Lehren“ der Sitzergonomie an Büroarbeitsplätzen, wo mit dem Geodreieck Bürostuhl, Schreibtisch, Tastatur und Bildschirm vermessen und ausgerichtet wurden und wehe, wenn jemand den Monitor auf ein selbstgebasteltes Podest gestellt hat....
Heute ist man da zum Glück etwas weiter und hat erkannt, dass jede Zwangshaltung irgendwann schädlich ist und man deshalb „bewegtes“ Arbeiten propagiert. Sitzen, stehen, flezen, Beine auf den Tisch und sich zwischendurch auch mal dehnen...

Das sehe ich beim Gitarrenspiel genauso. Für unterschiedliche Stilistiken/Aufgaben sind unterschiedliche Haltungen mehr oder weniger gut geeignet. Wer Legato mir Riesen Intervallen übt, wird nicht umhin kommen, sich einer „klassischen“ Haltung anzunähern. Wenn ich aber den Daumen nutzen möchte, um beim Akkord Schruppen die Tiefe E-Saite zu greifen oder zu dämpfen, nehme ich eine andere Haltung ein. Beides ist richtig und erfüllt einen Sinn.
Wenn mich nun der Ehrgeiz packt und ich 12h am Stück Gitarre üben will, dann ist es IMO wichtiger für die Gesundheit, die Einheiten zeitlich zu begrenzen und vorallem selbst ein biomechanisches Gespür zu entwickeln, womit fühle ich mich wohl und womit nicht.
 
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Ich hab ja schon kurz mit @raytsh mich in einem anderen Thread ausgetauscht.

Ich denke am wichtigsten ist locker zu bleiben. Egal welche Haltung gespielt wird, da jede Haltung vor und Nachteile hat, aber wer krampft der macht immer etwas falsch.

Wenn ich also krampfe und unnötig anspanne teils Muskeln die ich überhaupt gar nicht brauche, dann ist Zeit sich einzugestehen, dass man die Geschwindigkeit reduzieren muss oder etwas leichteres spielen muss. Gerade wenn Bewegungen oft wiederholt werden entzündet sich gern was, wenn man dann noch mit übermäßig viel Stress übt.
 
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