Hohner Konservatorium vor dem Aus? Trossinger Appell

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Da die Stadt Trossingen als Träger des Konservatoriums einen Aufnahmestopp für neue Studierende erwirkt hat, kommen schwere Zeiten auf die Traditionseinrichtung zu. Hintergrundinformationen und eine Petition zur Rücknahme des Stopps finden sich dort:
https://www.dhv-ev.de/trossinger-appell/
 
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Guten Tag,

es tut mir im Herzen weh solche Nachrichten zu lesen. Hmm, man sollte meinen, dass so etwas in einem viel fortgeschritteneren Deutschland nicht passieren könnte. Es ist traurig.

Gruß, Vladimir
 
Vielen Dank für die Info, @Wil_Riker. Ich würde mich über weitere Hintergrundinformationen freuen. Zeitungsartikel stehen nicht zur Verfügung, obwohl die Entscheidung über Trossingen hinaus Bedeutung hat. Was weiß man? Wo kann man was dazu nachlesen?
 
Wil, ich bin etwas näher dran, ich habe mit Lehrern und Studenten der Hochschule zu tun, aber vom Kons wusste ich nichts. Die Artikel, für die man zahlen muss, habe ich gesehen, konnte sie wie du aber nicht öffnen.

Ich denke, man muss Menschen mobilisieren. Dafür braucht es die Presse, weil man Menschen informieren muss. Wer das Kons schließt, schließt mit der Geschichte Trossingens ab. Das ist das Horn, das man blasen muss. Es geht nicht nur um die Ausbildung von Leuten, die gut Akkordeon spielen können und Orchester dirigieren. Unterschriftenlisten des Harmonikaverbandes reichen auch nicht aus. Das Kons hält sich zu diesem Thema ziemlich bedeckt, wenn man die Homepage anguckt. Nix Insta, nix Twitter, nix Youtube. Wie soll da ein Gesinnungswandel eintreten? Ich kann das zwar nachvollziehen nach dem Motto: Wir wollen die Hand nicht vergraulen, die uns füttert, aber letztlich braucht man hier politisches Geschick der Führung des Kons. Stillhalten und Schweigen hilft nichts. Ich hab gerade einen Studenten der Hochschule gefragt. Er wusste NICHTS, obwohl er jeden Tag mehrmals am Kons vorbei läuft.
 
Hallo.
nach meinem ersten bisschen emotionalen Beitrag Nr. 2 kam ich endlich dazu, die betreffenden Texte zu lesen. Daher wird dieser Beitrag von mir sehr sachlich sein. Ich entschuldige mich im Voraus für meine Offenheit und Direktheit, aber ich schreibe aufgrund meiner eigenen Erfahrung aus einem Land, das während seiner Transformation viele Male mit solchen Ereignissen konfrontiert war.

Die Ursachen der aktuellen Situation:
Es ist nichts Ungewöhnliches passiert. Es gab eine Kombination aus mehreren Effekten, die hier seit mehreren Jahrzehnten vorhanden sind:
  • ein Rückgang der Geburtenrate und der damit verbundene Rückgang der Kinder, die sich für ein Akkordeonstudium interessieren (wobei die Zahl der Schulen jedoch auf dem Niveau der „goldenen Zeiten“ bleibt)
  • Der Rückgang des Interesses am Akkordeon in den letzten Jahrzehnten als solches und über alle Generationen hinweg (obwohl es in den letzten Jahren Anzeichen einer Erholung gibt)
  • der Zusammenbruch der ursprünglichen Grundlagen des Konzepts dieser Schule (es gibt kein starkes, prosperierendes Unternehmen mehr, das Träger ist und mit seinem Erfolg auch Beweis für die Sinnhaftigkeit des Bestehens der Schule ist…)
Lösungen:
  • die Versorgung einer ausreichenden Zahl von Schülern sicherzustellen, die den Bestand dieser Schule weiterhin sinnvoll machen
  • und da der Studentenpool in Deutschland wohl zur Neige geht, müssen sie im Ausland gesucht werden (OT: so haben es zum Beispiel einige unserer (slowakischen) Universitäten gemacht: für Studenten aus dem Westen ist das Studium bei gleicher Qualität billiger, für Studenten aus der arabischen Welt ist es schön, ein Diplom einer europäischen Universität zu haben OT-off)
  • eine neue innovative Studium-Kombination "Akkordeon +" erstellen (d.h. die Schnittmenge des Akkordeons mit modernen Entwicklungen, Digitalisierung, technischer Entwicklung und dergleichen…)
Risiken:
Wenn man das Konzept liest: Konzept für einen Neustart Hohner-Konservatorium hat man ein Gefühl des Staunens. Weil sie von Menschen geschrieben werden, die in ihrer geschlossenen Welt, in ihrer geschlossenen Blase leben. Alle Pläne müssen im Gesamtzusammenhang der ganzen Welt der Musik gemacht werden und nicht nur der Welt des Akkordeons und der Akkordeonorchester. Anderen Musikern betrifft und interessiert es nicht und sie sind daher auch nicht daran interessiert zu helfen.

Ich würde wie folgt vorgehen:
SWOT-
Analyse
Interne Analyse
Stärken (Strengths)Schwächen (Weaknesses)
Externe
Analyse
Chancen
(Opportunities)
  • Internationalisierung der Schule
  • neue Schnittstellen des Akkordeons mit der Technologie in der Musik
Durch Internationalisierung die Schule wieder attraktiv für deutsche Studierende machen
Risiken
(Threats)
Die aktuelle Struktur des Lehrkörpers maximal nutzen, um die Qualität in einer Krisenzeit aufrechtzuerhalten und Kontinuität aufzubauenDurch die Zusammenarbeit mit neuen Technologiepartnern den schmerzlichen Verlust des technologischen Backgrounds der Firma Hohner eliminieren.

Die Schule existiert heute eigentlich nur noch aus Trägheit und gelebter Tradition. Jetzt hat der Wecker geklingelt. Wenn keiner aufwacht, ist die Schule zu Ende.

Solch eine unbedeutende Meinung eines unbedeutenden slowakischen Amateurakkordeonisten.

Gruß, Vladimir
 
Grund: Anführungszeichen, Grammatik
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die Versorgung einer ausreichenden Zahl von Schülern sicherzustellen
Alle Pläne müssen im Gesamtzusammenhang der ganzen Welt der Musik gemacht werden und nicht nur der Welt des Akkordeons und der Akkordeonorchester.
Genau @Akkordeonengel. Super Analyse.

Wenn man sich dann konkret umguckt, reibt man sich die Augen. An der Musikhochschule Trossingen gibt es viele asiatische Studenten, Europäer sind in den klassischen Hauptfächern (Klavier, Geige etc.) in der Minderheit. Weißt Du viele Lehramtsstudenten im neuen Semester in Trossingen anfangen? - ZWEI.😯 Die Erstie-Party nächste Woche wäre ziemlich überschaubar, wenn nicht auch die anderen Musik-Studis zum Umtrunk kommen würden. Aber das kann ja nur gut tun: :prost:

Ich folgere, dass es auch ein generelles Problem gibt - ein Desinteresse an musikpädagogischen Studiengängen, das sich nicht nur durch die zurückgehende Anzahl an Geburten erklären lässt. Der Versorgung an Musiklehrern in den kommenden 10 Jahren ist damit gefährdet.
 
Genau @Akkordeonengel. Super Analyse.
der Meinung schließe ich mich an! Der Trend ist seit Jahren da und nicht zu übersehen.

... und ich muss aufpassen, dass bei mir das rationale Denken nicht von emotionaler Sympathie und persönlichen Erinnerungen, welche mich mit dem Hohner Kons verbinden , überdeckt wird.

Denn man darf nicht vergessen, dass in Trossingen ja wie schon geschrieben nicht nur das Hohner Konservatorium existiert, sondern auch noch gleichzeitig die Musikhochschule ebenfalls in Trossingen ist... das ist ein ziemlicher Luxus: zwei Musikakademien im gleichen Ort... und an beiden wird Akkordeon unterichtet!

Weitere detailliertere Kenntisse, bzw.. nähere Informationen und belastbare Fakten zur Sachlage habe ich allerdings auch nicht. Deshalb bin ich vorsichtig mit meinem Urteil, weil ich für mich die Sachlage nicht wirklich überblicke.
 
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zwei Musikakademien im gleichen Ort... und an beiden wird Akkordeon unterichtet!
An der Hochschule unterrichtet der dafür abgestellte Professor so weit ich weiß 7 Akkordeonstudenten in Vollzeit. Die Information ist älter, ca. ein Jahr und stammt von einem Studenten. Ich weiß nicht, wie belastungsfähig sie ist. Auf jeden Fall wird klar, welchen Stellenwert das Instrument genießt. Im Vollzeitstudium Klavier finden sich viel mehr Studenten, meistens Asiaten. Deutsche Studenten können sich beim Bewerbungsverfahren nur schwer durchsetzen. Das Niveau ist unglaublich. Die Asiaten sind viel besser, einige haben schon einen Abschluss von einer anderen Hochschule.
 
Hallo zusammen,

es ist keine Frage, dass die globalen Umgebungsbedingungen ("Kernproblem") in unserer westlichen Welt für Musiker ganz allgemein sowie deren Bildungs- und Ausbildungsstätten im Besonderen herausfordernd sind. Und das schlägt auf kleine Einrichtungen wie das Hohner Konservatorium unmittelbar durch.

Man könnte hierüber lange wehklagen, solches Tun wird aber nichts an der Wertschätzung, oder soll ich sagen Geringschätzung, von Bildung und Kultur durch die leistungsorientierten westlichen Gesellschaften ändern. Wenig tröstlich ist, dass der resultierende Erosionsprozess in Deutschland noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in vielen anderen Ländern. Ebensowenig hilfreich ist der Hinweis, dass Leistung im Bereich Bildung und Kultur schwer zu messen ist. Leistung darf und sollte hier nicht mit Umsatz im betriebswirtschaftlichen Sinne gleichgesetzt werden.

Am Konservatorium selbst haben sich aber aus meiner Sicht gravierende Fehlentwicklungen oder Versäumnisse angehäuft:

1. Kooperationen mit anderen Hochschulen wurden eingekürzt oder gar beendet. Das betrifft die Lehre aber auch die Vernetzung und Verzahnung des Lehrpersonals. Kooperation und Austausch untereinander ist essentiell im Hochschulwesen, sie weiten das eigene Angebot und stärken die eigene Reputation. Kooperationen sind fraglos herausfordernd, und dieser Herausforderung müssen sich das Management und die Lehrenden einer höheren Bildungseinrichtung bzw. Hochschule stellen. Insbesondere die Wiederaufnahme bzw. die verstärkte Zusammenarbeit mit der staatlichen Musikhochschule in Trossingen wäre eine Chance für das Konservatorium. Solche Zusammenarbeiten beruhen auf persönlichen Kontakten, die gepflegt werden müssen.

2. Das Konservatorium ist nach meinem Eindruck in der Vergangenheit immer weniger unter eigener Fahne in die Öffentlichkeit gegangen. Eigene Konzertauftritte des studentischen Orchesters außerhalb von Trossingen sind mir nicht bekannt. Dirigate, Konzerte oder Konzertbeiträge von Dozenten des Konservatoriums gibt es zahlreich, sie müssten aber unter der Flagge des Konservatoriums laufen. Selbiges trifft auch für Fortbildungen zu, die durch die Lehrenden in ganz Deutschland und im Ausland abgehalten werden. Durch entsprechende Dienstvereinbarungen müsste das doch zu regeln sein.

3. Fortbildung ist ein wichtiges Geschäftsfeld für Hochschulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen. Anregende Summer-Schools oder Vergleichbares, z.B. "Akkordeon grenzenlos" in der Osterwoche, mit denen Amateure und Berufspraktiker angesprochen werden, wurden nicht mehr gepflegt und scheinen eingeschlafen zu sein. Neue Formate und neue Zeitfenster, z.B. Konzentration auf ein Wochenende, könnten getestet werden ebenso wie kommerzielle Konzerte großer Namen im Konzerthaus in Verbindung mit Workshops am Konservatorium durch ebendiese. Durch Letzteres würde zur Schärfung des Profils von Trossingen als Stadt der Musik beigetragen, was man im Gemeinderat sicher gerne zur Kenntnis nähme.

4. Die Internet-Präsenz des Konservatoriums ist kümmerlich. Das zu verbessern ist eine originäre Management-Aufgabe. Die heranwachsende Generation wird durch herkömmliche Medienarbeit nicht mehr ausreichend erreicht.

5. Mit dem DHV muss eine klare Absprache getroffen werden, welche Art Fortbildung vom DHV und welche vom Konservatorium geleistet werden soll. Ein Fortbildungsprofil des Konservatoriums fehlt.


Aufrufe, wie jetzt vom DHV geschehen, tun gut und sind sicher hilfreich, sie wirken aber im Wesentlichen in die Akkordeongemeinde hinein. Das Konservatorium muss selbst die Kraft aufbringen, einen Weg in die Zukunft aufzuzeigen, einen neuen Geschäftsplan zu entwickeln. Ich stelle mir vor, dass viele Externe und Ehemalige mitwirken werden, wenn ihre Mithilfe erwünscht ist.

Die jetzige Situation ist eine Chance für das Konservatorium, sich neu zu erfinden. Dann wird der Studentenzulauf wieder zunehmen, dann wird auch die Stadt Trossingen ihr Alleinstellungsmerkmal als Akkordeonstadt weiter hegen und sich vielleicht eine neue Förderstruktur aufbauen lassen.

Meint

morino47
 
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Die jetzige Situation ist eine Chance für das Konservatorium, sich neu zu erfinden. Dann wird der Studentenzulauf wieder zunehmen
Super Beitrag oben, @morino47. Gefällt mir. Ich denke auch über den Studentenzulauf nach. Mir fällt ein, dass es an gewöhnlichen Hochschulen etwa auch das Seniorenstudium gibt. Die Baby-Boomer Jahrgänge, die oft noch mit dem Akkordeon vertraut sind, gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Da stellt sich mir die Frage, ob nicht der ein oder andere Lust hätte, an seinen Akkordeon-Kenntnissen anzuknüpfen und sie z.B. am Hohner-Konservatorium weiterzuentwickeln.

Das ist eine Perspektive, die m.E. zu wenig diskutiert wird. Die Bürgermeisterin blickt auf ihre Kasse, aus der sie pro Jahr 100000 EUR für das Kons löhnen muss und sagt: "Dafür kann ich zwei Kindergartengruppen einrichten." Außerdem verweist man auf die wichtige Aufgabe musikalischer Bildung - und meint damit die Versorgung von Akkordeonorchestern oder Lehrern für Kinder und Jugendliche. Die Wenigsten haben Senioren im Blick.
 
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Hallo zusammen.
Ich bin froh, dass das Thema in unserem erlauchten unabhängigen Kreis thematisiert wird.
Als direkt Betroffener, der dort seit 2018 berufsbegleitend studiert, habe ich natürlich die ganzen Wandlungen der letzten Jahre miterlebt.
Ich möchte natürlich nicht zu sehr ins Detail gehen, nur soviel:
Es hat sich ,zufällig oder nicht, seit dem Leitungswechsel und dem nicht vorhersehbaren Corona-Cut, der die Tendenz noch verstärkte, viel am Kons-Alltag verändert.
Subjektiv betrachtet aus der Sicht derer, die die Änderungen mitbekamen, zum Ungünstigen hin. (Gezielte Abschiebung von beliebten Dozenten, Abschaffung von Gasthörern, die eine große Bereicherung und angenehme Belebung der Community darstellten, Abschaffung von Akkordeon Grenzenlos noch vor den Coronabeschränkungen, Einführen neuer Dozenten und Fächer u.a. aus dem Umfeld der neuen Leitung, Andererseits gab es auch Vereinfachungen hinsichtlich Prüfungswesen, aber auch Aufstockung von Unterrichtsstunden, die reiner Füllstoff waren, um weiter staatlich gefördert zu bleiben)

Alles in Allem könnte man sagen, dass diese in kurzer Zeit geschehenen Ereignisse, egal wie sie gemeint waren, einen bitteren Beigeschmack bei allen Beteiligten erschufen. Und die ohnehin allgemein schwere Zeit, in der Vereine schrumpften, Künstler im Allgemeinen drohten zu verarmen, tat ihr Übriges on top.
Wie ich las, ist die Kritik an der ehemaligen Leitung ohnehin eintönig verlautet worden, insofern es da wohl Konsens.

Und das sind nur die internen und kurzzeitigen Effekte.
Schaut man das Ganze von außen und global an, dann ist klar, das auch bei einem funktionierenden System ein Absacken mehr oder weniger droht, wenn nicht entsprechend gekümmert und organisiert wird.
Man kann nicht mehr von einem Selbstläufer sprechen, wenn es heißt: Komm nach Trossingen, lerne Akkordeon "an der Quelle" ...

Dazu ist sowohl von dem Namensgeber (Hohner) selbst, noch von dem Kons in den letzten Jahren zu wenig passiert. und alleine von ruhmreicher Vergangenheit lebt es sich nicht lange. Das ist ja überall so.

Grüßle!
__________________________________________
Ein wenig OT sei von mir noch vermerkt, dass ich die gesamte Entwicklung vom Akkordeon als Instrument bei uns ein wenig missglückt finde.
Das Image des Akkordeons bessert sich so gut wie gar nicht. Wenn mal (in der Masse) wer Akkordeon spielt oder gespielt hat, dann ist derjenige zu 99% Orchester-Rechthand-Noten-Abspieler. Nur wenige von der Gesamtzahl an Akkordeonspielern interessiert sich für die Möglichkeiten des Instruments allgemein.
Schaue ich mich in einem Orchester um, gibt es von 20 Spieler max. 1-3, die in der Lage sind, irgend ein Stück in der Probenpause einfach mal runterzuspielen. Wer auswendig spielen kann, ist in der Regel ein Exot - nicht unter Musikern generell! sondern speziell innerhalb der Masse von Akkordeonspielern.
Wenn mal Akkordeon gespielt wird, dann sind zumindest in unserem Land Schlager aus den 1930ern bis 40 bei Senioren gefragt. Der durchschnittliche Bürger steckt das Instrument auch in genau solch eine Sparte.
Ich hab zweimal in einer Kneipe gespielt, einmal 1997 und einmal 2019. Im ersteren Fall musste ich aufhören, weil die Kunden ständig altes deutsches Liedgut zum Mitsingen hören wollten. Im zweiten Fall handelte es sich um eine Jazz-Bar, bei dem der Inhaber überhaupt nicht davon ausging, dass ein Akkordeon überhaupt jazztauglich ist :D
Das wäre mit Klavier oder Klarinette / Geige (mit dazu gespieltem Background) z.B. nie passiert.

Und das alles, OBWOHL ! - und ich habe es ja jahrelang erlebt- es ja absolut ausgezeichnete Ausbildungen auf höchstem Niveau gibt. und das schon lange.
Was wurde gemacht? Das Akkordeon wurde hyperinflationär auf einfachstem Niveau in der Masse verbreitet, mit Höhepunkt 60er/70er Jahre und/oder traditionell in Form von Orchestern in dörflicher/kleinstädtischer Manier seit etwa 30er/40er Jahre zelebriert. (Was vom Sozialen her wunderschön ist!)
Und irgendwie haben wir es verpasst oder nie gewollt, dass das Akkordeon zumindest halbwegs mit einer "Ernsthaftigkeit" unterrichtet und gespielt wird wie das bei den meisten anderen Instrumenten der Fall ist. (Kein Klavierspieler übt einhändig für ein Klavierorchester - Akkordeon tun das ... ich sag mal min 95%)
 
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Dein OT-Anhang ist nicht OT, sondern beschreibt den Kern des Problems. Hohner hat mit den Akkordeon(Harmonika)orchestern den Umsatz hochgetrieben und den Qualitätsstandard runter.
Die heutigen Probleme des Kons sind unter anderem auf ein Image-Problem zurückzuführen das dadurch wesentlich geprägt wurde. Als Niederdeutscher habe ich nur wenige Akkordeonorchester erlebt( wärend Aufenthalten in südlichen Gefilden) und es war jedesmal grausam.
 
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Super Beitrag oben, @morino47. Gefällt mir. Ich denke auch über den Studentenzulauf nach. Mir fällt ein, dass es an gewöhnlichen Hochschulen etwa auch das Seniorenstudium gibt. Die Baby-Boomer Jahrgänge, die oft noch mit dem Akkordeon vertraut sind, gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Da stellt sich mir die Frage, ob nicht der ein oder andere Lust hätte, an seinen Akkordeon-Kenntnissen anzuknüpfen und sie z.B. am Hohner-Konservatorium weiterzuentwickeln.

Das ist eine Perspektive, die m.E. zu wenig diskutiert wird. Die Bürgermeisterin blickt auf ihre Kasse, aus der sie pro Jahr 100000 EUR für das Kons löhnen muss und sagt: "Dafür kann ich zwei Kindergartengruppen einrichten." Außerdem verweist man auf die wichtige Aufgabe musikalischer Bildung - und meint damit die Versorgung von Akkordeonorchestern oder Lehrern für Kinder und Jugendliche. Die Wenigsten haben Senioren im Blick.
Lieber @Bernnt

Genau diese "Seniorenförderung" ist ja der eigentliche Zweck der berufsbegleitenden Ausbildung! Schon immer gewesen und auch aktuell.
Die meisten, die diesen Studiengang besuchen (der jetzt auch von dem ungünstigen Freitag/Samstag auf Samstag/Sonntag geändert wird) sind zwischen 40 und 60 Jahre alt und haben oftmals die Absicht, einfach ihr Hobby zu intensivieren und auf eine solide Basis zu stellen.
Das wird auch ausdrücklich so intern kommuniziert.
Insofern habe ich auch immer empfohlen, sich das als ambitionierter Seniorspieler mal anzuschauen. Als ich anfing, besuchte ich den Unterricht einige Monate vorher für ein ganzes Wochenende als Gast und war hin und weg von der angenehmen familiären Atmosphäre dort.
Genau das wurde durch die vorübergehende neue Leitung ab Mitte 2019 in den Grundfesten zerstört. Die Location wurde umgestaltet, essenzielle Fächer wie Basic-Jazz und die damit zusammenhängenden Jazz-Kombo wurde samt Dozent ersatzlos gestrichen, die Gemeinschaft wurde durch Rausschmiss der zahlreichen Gasthörer über Nacht mal eben auf einen Schlag halbiert (das Kons-Orchester war mal so voll, dass man kaum Platz hatte zum mitspielen :) - nun sind wir ..... FÜNF O:redface:
Ich bin mir sicher, dass das alles reparabel ist, bloß ist es ja so, dass ein Abstieg immer viel schneller geht als ein Aufstieg grundsätzlich.
Und jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, soll ein Neuanfang gestoppt und damit das Kons mit den letzten aktuellen Studierenden begraben werden?
Das live mitzuerleben ist tatsächlich traurig.
 
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Mir fällt ein, dass es an gewöhnlichen Hochschulen etwa auch das Seniorenstudium gibt. Die Baby-Boomer Jahrgänge, die oft noch mit dem Akkordeon vertraut sind, gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Da stellt sich mir die Frage, ob nicht der ein oder andere Lust hätte, an seinen Akkordeon-Kenntnissen anzuknüpfen und sie z.B. am Hohner-Konservatorium weiterzuentwickeln.

Ich wäre mit Eintritt in den Ruhestand für ein Seniorenangebot aufgeschlossen gewesen. Im Studienangebot des Kons war für mich damals nichts Passendes dabei. Als Plan B habe ich mir dann privaten Unterricht gesucht. Das hat zwar Vorteile gegenüber einem wie auch immer gearteten Studienangebot, aber auch Nachteile.

Bei einem Teilzeit-Studienangebot muss das Kons eben immer im Hinterkopf bedenken, dass Trossingen geografisch ungünstig liegt. Hat man denn schon mal überlegt, dieses Manko dadurch auszugleichen, dass das Kons die Präsenzphasen eines solchen Studienangebots an Wochenenden in einer der großen Städte wie z.B. Karlsruhe, Stuttgart, Mannheim in Räumen einer dortigen Jugendmusikschule abhält? Das könnte für mobile, aber auch zeit- und umweltbewusste Senioren attraktiv sein.
 
Genau das wurde durch die vorübergehende neue Leitung ab Mitte 2019 in den Grundfesten zerstört. Die Location wurde umgestaltet, essenzielle Fächer wie Basic-Jazz und die damit zusammenhängenden Jazz-Kombo wurde samt Dozent ersatzlos gestrichen, die Gemeinschaft wurde durch Rausschmiss der zahlreichen Gasthörer über Nacht mal eben auf einen Schlag halbiert
WAS? Was sollte denn das? Das ist aus meiner Sicht unklug, weil schwer umkehrbar. So eine Entscheidung mindert Einnahmequellen. Außerdem passt es überhaupt nicht in die Zeit. Mein erster Arbeitgeber hat bewusst ausscheidende Kolleginnen gegen entsprechendes Salär an Projekte gesetzt, die von den aktiven aus den verschiedensten Gründen nicht zu stemmen waren. Außerdem zerstört so ein Beschluss Netzwerke, die aber eine Hochschule oder auch ein Unternehmen braucht, um festzustellen, was gebraucht wird, was geht und wie man sich dementsprechend weiterentwickeln muss. Und langfristig geht die Zahl der Studierenden weiter zurück. So ein Vorgehen lässt mich ratlos zurück. Wer beschließt so etwas? Wer genehmigt so etwas? Sind Lohn-, Heiz- und Mietkosten jetzt die Managmentfaktoren schlechthin? Wenn es soweit gekommen ist: Avanti Dilettanti!

Schade für mich, denn ich hatte vor, nach meinem Berufsleben in Trossingen vorbei zu gucken. Es hörte sich so gut an: ein bisschen Jazz, ein bisschen Barock, ein bisschen Ensemble, bei bisschen Musiktheorie. Jetzt bleibt mir wohl nur der Weg, den @morino47 beschreitet bei allen Nachteilen - weniger Kontakte, weniger Bildungsangebote. Schade. Schade. Schade.
 
Mir war gar nicht bewusst, dass es in Trossingen auch ein Angebot für Senioren gab. Auch ich bin den Weg des Privatunterrichts gegangen, gottseidank mit einem hervorragenden Lehrer, der unter anderem in Dortmund und auch Paris studiert hatte. Austausch mit mehr Gleichgesinnten kommt halt zu kurz.
 
Ich habe das Kons in der Vor-Corona-Zeit als "Anhang" ;) eine Weile mitbekommen und auch schon an "Akkordeon grenzenlos" teilgenommen (in dessen Rahmen ich bei einem hervorragenden Workshop den Einstieg mit der Steirischen Harmonika geschafft habe :)). Mich persönlich hätte maximal die Hälfte des regulären Studienangebots angesprochen - die andere Hälfte wäre mir zu altbacken bzw. "im eigenen Saft geschmort" gewesen. Man kann lange darüber philosophieren, ob danach ein Konservatoriumsleiter ohne entsprechenden Instrumentenbezug eine geschickte Besetzung gewesen ist, um das Ruder herumzureißen. Letztendlich schade, wenn eine so traditionsreiche Einrichtung mit bekannten/renommierten Dozenten (und auch Studierenden) aus vielerlei Gründen in schweres Fahrwasser geraten ist...
 
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