Lyrisches Ich (Autor vs. fiktiver Erzähler)

  • Ersteller backonstage
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Hi @Jongleur und @FerdinandK
in Euren beiden letzten posts äußert Ihr Gedanken, mit denen ich gut mitgehen kann.
Sofern sie aber damit zu tun haben, warum das Texte Schreiben für die Schreibenden so wichtig sind und was da in den Schreibenden passiert, hat das nichts mit der Wirkung auf ein Publikum zu tun. Man muss ja seine Texte nicht veröffentlichen. Es gibt auch Tagebücher etc.

Hier geht es aber um die Wirkung auf das Publikum mit der Kernfrage, ob das Publikum versteht, was der oder die Schreibende sagen will und was die Schreibenden dafür tun können, dass sie nicht missverstanden werden. Und das passiert nur, wenn ich als Schreibender meine Texte in der Öffentlichkeit präsentiere.

ES IST NICHT DIE AUFGABE DES KÜNSTLERS DIE INTERPRETATION SICHERZUSTELLEN!
So wie der Satz formuliert ist, kann man nur JA sagen. Das hat aber eher damit zu tun, dass NICHTS AUF DIESER WELT das sicherstellen kann - und also die Kunstschaffenden auch nicht.
Ich würde die Verantwortlichkeit (und um die geht es mir hier) so beschreiben:
Wer veröffentlicht, übernimmt auch Verantwortung dafür, wie das ankommt.

Verantwortlichkeit heißt nicht absolute Sicherheit übernehmen, sondern sich mit dieser Frage auseinandersetzen, was mit meinem songtext durch die Veröffentlichung passiert bzw. passieren kann und so weit wie möglich dafür zu sorgen, dass er seine intendierte Wirkung entfaltet (und nicht missverstanden oder missbraucht wird).
Ein ironischer, (gesellschafts-)kritischer, tabuverletzender oder provozierender songtext soll ja aufwühlen, verunsichern, zu Debatten anregen etc. Das soll ja seine Wirkung sein. In dem Fall würde es diese Wirkung mindern, wenn eine Erklärung etc. mitgeliefert wird, dass das ja alles gar nicht so gemeint ist etc. Und dann muss ich auch davon ausgehen, dass zumindest ein Teil der Wirkung bei mir als Autor landet. Wie ich mich dann dazu verhalte - dazu kann (und sollte) ich mir ebenfalls vorher Gedanken zu machen. Das schließt mögliche Pseudonyme, das bewußte Schaffen einer Kunstfigur etc. ein.

Ich persönlich habe einen Text (von dem ich sehr überzeugt bin), den ich nicht so ohne weiteres veröffentlichen werde, weil er missverstanden werden, vom falschen Lager beklatscht, gefeiert und als eigene Hymne vereinnahmt werden kann. Er ist aus Sicht eines selbstüberzeugten religiösen Fundamentalisten geschrieben, der in dem Aufruf zur Gewalt gipfelt, diese gutheißt und in dem der Autor sich als Werkzeug und Schwert Gottes sieht. Der Text entstand kurz vor 9/11 und kann seitdem nicht mehr ohne den Kontext von 9/11 rezipiert werden.
Ich müsste ihn umschreiben oder in einen eindeutigen Kontext (z.B. mit Video, Vor- oder Nachspann, erklärenden Worten etc.) gestellt werden - und auch da wäre fraglich, ob nicht der song selbst oder Teile davon (z.B. der Refrain) davon losgelöst kursiert und genau die gegenteilige Wirkung befeuert - nämlich als Aufruf zur Gewalt als von Gott gebilligt oder befohlen.

Ein recht neuer Kontext stellen hierbei die sozialen Medien dar, die es genau ermöglichen, songs in einen neuen Kontext zu stellen und dann zu vervielfältigen.
Kunstschaffende auf der Bühne und in direktem Kontakt mit dem Publikum - daher auch die Rückfrage an den threadersteller - können für diesen Kontext sorgen. Dort ist der künstlerische Vortrag eh ganz anders eingebettet. In soziale Medien wie youtube kann bzw. muss man damit rechnen, dass sie in Kreisen kursieren und eventuell verändert werden, die man nicht mehr beeinflussen kann.

Das ist zweifellos sehr komplex und ich würde keine Forderung aufstellen, die versucht, alle möglichen Folgen etc. vorherzusehen und sozusagen unschädlich zu machen. Das geht nicht.
Dennoch bleibt die Verantwortung der Schreibenden, der seine Werke veröffentlicht, aus meiner Sicht bestehen und ist aufrecht zu erhalten. Genau so, wie man eben auch zu jeder eigenen Handlung und Position stehen können muss, Kant und so.

Ich setze hier mal einen Punkt, sonst wird das leicht uferlos ...
Interessant ist es allemal.

Vielleicht eins noch zum Zeitgeist: Jeder Zeitgeist ist dominant - sonst wäre er keiner! Blasen hat es immer gegeben und schon Tucholsky pflegte sein Publikum zu fragen, ob es wirklich so dumm sei, wie der Verleger es ihm immer wieder sage (das wird nicht verstanden ...) - und zur Zeiten der Fackel von Karl Kraus war es auch schon so und hundert Jahre vorher auch. Tucholsky: https://www.abipur.de/gedichte/analyse/274-an-das-publikum-tucholsky.html
Natürlich ändern sich die Zeiten und damit die Möglichkeiten - da sehe ich heutzutage in erster Linie die sozialen Medien (welche es auch erlauben, die früher üblichen gatekeeper Verleger etc. quasi aushebeln) und eine paradoxe Öffentlichkeit, in der - demokratisch, demokratisch - irgendwie immer alles gesagt können müssen dürfen soll (oder so ähnlich) und gleichzeitig verschiedene freiwillige Polizistenvereinigungen (in Anlehnung an die Jazzpolizei) für die Eingemeindung in den alles überragenden gesellschaftlichen Konsens stellt und sozusagen permanent Leitplanken dessen, was gesagt werden darf und soll, aufstellt.

x-Riff
 
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Ja, plötzlich übernimmt das Publikum die Rolle der Sittenwächter, der Moralisten und der Zensur. Meist ein Publikum, was sich kaum für dich interessiert, solange du dir keinen "Fehler" erlaubst.

Und das Fazit: Künstler machen sich Gedanken, wie sie sich von ihrem Stoff distanzieren können. Oder sie schreiben unverfängliche Texte..

Ein Dilemma.

...
 
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Will ich die Interpretation kontrollieren will ich das Publikum kontrollieren, das will ich keinesfalls. Will ich meine Gedanken/Bilder bestmöglich in Worte fassen, ja, aber mehr geht nicht, es unterliegt schlicht nicht meiner Kontrolle und das darf es auch gar nicht, diesen Platz, diesen Raum muss ich lassen (wenn ich keine Propaganda/Verordnungen schreiben möchte). Es ist ein Problem, dass Künstler gerade jetzt sich einer freiwilligen Selbstzensur unterwerfen weil sie meinen, ja, das kann ich jetzt nicht schreiben/singen/sagen/tun, in vorauseilendem Gehorsam.
Fragen, Diskussion kann nicht "unschädlich" gemacht werden sie muss zugelassen werden.
Was ihr in euren Ohren hört, das ruft von den Hausdächern!
Wenn Bach und Mozart wüssten wo überall ihre Themen verwendet werden ... wäre es ihnen egal, weil diese wussten, dass Kunst ein Dialog ist, einen Dialog auslösen soll. Ein Thema hier wird (und soll) dort verändert werden.

Wenn nur das gesagt, gesungen und gespielt wird was opportun ist, wo bleibt die Errungenschaft? Wenn ich niemanden mehr aufregen darf, wie kann ich den Beton der Ignoranz, der Selbstgerechtigkeit aufbrechen?

Es gibt dann noch die doppelte Umkehrung (als Stilmittel) ich spreche aus was ich denke, alle klatschen und jubeln weil sie davon überzeugt sind dass es ironisch gemeint ist, dabei ... .
Es gibt viele Songs die in einem anderen "Geist" verfasst wurden, sich aber durch die Veränderung der Zeit einer neuen Interpretation erfreuen, diese Freiheit der Interpretation will ich mir keinesfalls nehmen lassen.

Das Urheberrecht verwendet als Zement, ist eine Zutat, die Selbstunterwerfung der Kunst sind die Steine aus dem der Beton der Kontrolle geformt wird. Getrocknet von den Wassern des "kritischen" Publikums, das selbst den Klotz am Bein aus eben diesem Beton für sich selbst formt. Sklaven welche sich selbst die Fesseln anlegen.
 
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Wenn nur das gesagt, gesungen und gespielt wird was opportun ist, wo bleibt die Errungenschaft?

Das Problem liegt ja oft gar nicht am Künstler, die sind ja hart im Nehmen, sondern an verängstigten Redakteuren und Intendanten, die nichts mehr fürchten als einen Shitstorm. Dabei ist dieser Mob eigentlich recht überschaubar. Er wirkt nur größer und lauter.
 
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Hi @Jongleur und @FerdinandK
in Euren beiden letzten posts äußert Ihr Gedanken, mit denen ich gut mitgehen kann.
Sofern sie aber damit zu tun haben, warum das Texte Schreiben für die Schreibenden so wichtig sind und was da in den Schreibenden passiert, hat das nichts mit der Wirkung auf ein Publikum zu tun. Man muss ja seine Texte nicht veröffentlichen. Es gibt auch Tagebücher etc.
:gruebel:

Das hat man von seiner Bescheidenheit: ich habe nachträglich gelöscht, dass ich meine Erfahrungen, ob und wie meine Texte ankommen, vor allem im Kontakt mit hunderten Künstlern und Produzenten sammeln musste , für die ich bisher schrieb. Etwa 60% der Texte wurden quasi „First Take“ veröffentlicht, an den anderen musste ich mehr oder weniger feilen. Und dann gab es ja auch noch die formulierungsfreudigen Journalisten…!

Einige Kritiken haben mich echt vorwärts gebracht. Andere Änderungen fielen mit recht leicht. Aber mit dem Jahren und Jahrzehnten musste ich immer wieder bei meinen Idealen Zuflucht suchen, um nicht endgültig zu verbittern unter so vielen Narzissten in der Musikindustrie. Siehe auch @antipasti über mir.

Das Publikum? Dessen Beifall und Kaufbereitschaft hat mich immer wieder getröstet! Das Publikum ist das geringste Problem!!!
 
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@Jongleur
aus der Sicht des Autors von songtexten für andere sieht es natürlich so aus, dass man nicht direkt Kontakt zum Publikum hat, sondern mit diversen Akteuren dazwischen, die in diesen Prozeß eingreifen und nicht selten zum Leidwesen des Autors - siehe das Gedicht von Tucholsky, das ja nun auch schon 90 Jahre auf dem Buckel hat und bezweifelt, dass die Beteuerung der Akteure dazwischen, das "sei dem Publikum nicht zumutbar" und "dem Geschäft abträglich" wirklich stimmen und eher vermutet, dass es an deren Ängstlichkeit oder Voreingenommenheit liegt, Einfluss nehmen zu wollen.

Die Konstellation ist halt bei jeder/m anders ... aber dass der ganze Bereich Kultur sich seit ein paar Jahrhunderten zwischen dem Zwang, sich als Ware verdingen zu müssen, und den Fördertöpfen von diversen, zumeist staatlichen, öffentlich-rechtlichen oder stiftungsmäßigen Institutionen bewegt, gehört halt zu den Rahmenbedingungen dazu. Und da wiederum mischen die sozialen Medien dieses Geschehen seit etwa zwanzig Jahren gehörig auf - mit ambivalenten Effekten. Ob die Abhängigkeit von einem Fürsten oder Privatsponsor oder für die Kirche, wie dies jahrhundertelang das Geschehen bestimmte, nun unbedingt vorteilhafter ist, wage ich persönlich zu bezweifeln und mag daher nur bedingt meine Stimme in den Chor zeitgemäßer Klagen einbringen ...

Aufmerksam verfolgte ich allerdings in letzter Zeit Artikel und Interviews von Menschen, die ab den sechziger Jahren aufwärts bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten waren und über die dort herrschenden Freiheiten (heutigen Zeiten gegenüber) ins Schwärmen gerieten: wo der Rockpalast oder Radio Bremen Neuland erkunden durfte und Biolek dafür sorgte, dass Monty Python in Deutschland bekannt wurde - mitsamt ihrer oft gar nicht so subtile Kritik an englischen Institutionen der damaligen Zeit wie das Militär, der Kirche, Ministerien oder der BBC, ihrer Anarchie und geballten Verhohnepiepelung des guten Geschmacks wie eherner Humorgesetze wie der, dass an das Ende jeden Sketches zwingend eine punchline gehöre ...

Es mag schon etwas Rückblickssentimentalität mit dabei sein, aber wohl auch ein paar Prisen Wahrheit.
Der Mut zu Außergewöhnlichem gehört nicht zu den Kerntugenden öffentlich-rechtlicher Kulturverwaltung und -förderung ...
Auch das prägt den Zeitgeist.

And now to something completely different.

x-Riff
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Ja, plötzlich übernimmt das Publikum die Rolle der Sittenwächter, der Moralisten und der Zensur. Meist ein Publikum, was sich kaum für dich interessiert, solange du dir keinen "Fehler" erlaubst.

Und das Fazit: Künstler machen sich Gedanken, wie sie sich von ihrem Stoff distanzieren können. Oder sie schreiben unverfängliche Texte..

Ein Dilemma.

...
Ich glaube, dass die vorausholende Selbstzensur wirklich ein Thema ist.
Allerdings eines, wo die Nase der Autor*innen gar nicht so weit weg ist ... was dann mitunter schon auch ein bißchen unangenehm sein könnte.

x-Riff
 
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Wenn nur das gesagt, gesungen und gespielt wird was opportun ist, wo bleibt die Errungenschaft? Wenn ich niemanden mehr aufregen darf, wie kann ich den Beton der Ignoranz, der Selbstgerechtigkeit aufbrechen?
An allem, was Du sagst, ist viel dran - verdammt viel dran.

Zwei Stimmen in mir - neben den anderen, die zu- und einstimmen - möchten sich allerdings ebenfalls zu Wort melden:
  • Das (politische) Kabarret etc. hat seit mindestens 60 Jahren einen festen Platz, auch in den öffentlich-rechtlichen.
    Dass dort viel unterbunden wird, mag ich nicht glauben. Die Selbstzweifel, welche die dort Tätigen früher oder später zwangsläufig kommen, dergestalt, dass sie vielleicht Teil einer bestätigenden - oder doch mehr oder weniger wirkungsschwachen - Blase sind und auch ihren systemstabilisierenden Charakter haben, werden schon ebenfalls seit Jahrzehnten geäußert. Und das hat meines Erachtens weniger mit Opportunität zu tun als mit ... ja, was eigentlich?
    Sprach nicht schon Heine, dass die Freiheitslieder die Kehlen so wunderbar würzen, dass das Feierabendbier um so besser schmeckt
  • Vielleicht geht es weniger `darum, dass "man" nicht so darf, wie man möchte, sondern eher darum, dass es angesichts der allgemeinen Reizüberflutung immer drastischerer Reize bedarf oder bedürfte, um ein paar ordentliche Reaktionen hervorzurufen, geschweige denn ein System oder die Selbstgerechtigkeit und Ignoranz ins Wanken zu bringen?
    Während der Planet vom Patienten an die Wand gefahren wird, zuckt dieser kaum noch, wenn der Kulturdefibrillator kunstgerecht angesetzt wird ...
Ach man sollte ein Lied darüber schreiben - wenn es nicht schon so viele gute Lieder darüber gäbe.

Nicht, dass ich Kultur nicht schätzte und von ihrer Wirkung überzeugt wäre - aber vielleicht werden die entscheidenden Schlachten auf anderen Spielfeldern geschlagen ... was vielleicht auch ein bißchen an dem Selbstwertgefühl der dort Tätigen kratzen könnte ...

x-Riff
 
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Nur zur Sicherheit: Ich meinte hier natürlich nicht das "echte" Publikum, was sich mit dem Werk auseinandersetzt, sondern das "falsche", was dich nur anhand deiner (vermeintlichen) Fehler wahrnimmt.
Oops, ich liebe vor allem das Publikum, welches kommt, um sich zu .,. amüsieren.

Demgegenüber trifft man sich mit den Kollegen, um beim Wettlauf um die Krone möglichst unter den Besten zu sein. Da geht es scheinbar weniger um ein Vergnügen, sondern eher um die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Und da ist es scheinbar wohltuender, sich um die Schwachstellen der anderen zu kümmern, statt um die eigenen.
aus der Sicht des Autors von songtexten für andere sieht es natürlich so aus, dass man nicht direkt Kontakt zum Publikum hat, sondern mit diversen Akteuren dazwischen, die in diesen Prozeß eingreifen und nicht selten zum Leidwesen des Autors -…
Lieber @x-Riff , ich gehe natürlich sehr gern und regelmäßig in die Konzerte meine Interpreten. Warum sollte ich mir diese abschließenden positiven Erlebnisse ersparen? Da gibt es einerseits den Beifall als Gradmesser- und andererseits wollen immer einige der Fans mal mit dem Texter reden, der ja gewöhnlich nicht im Rampenlicht steht. Nein, vom Publikum droht mE keine Gefahr, sich die Freude am ambitionierten Schreiben verderben zu lassen.
 
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Nein, vom Publikum droht mE keine Gefahr, sich die Freude am ambitionierten Schreiben verderben zu lassen.
Von einer Gefahr, die vom Publikum ausgeht, habe ich auch dort nicht geschrieben, sondern von denen, die sich zwischen Autor und Publikum befinden ...

Nicht umsonst gab es immer Bestrebungen von Kunstschaffenden, eigene Verlage oder Vertriebe zu gründen und unabhängige Finanzierungswege zu finden, um in dieser ganzen Kette den Grad der Selbstbestimmung zu erhöhen und mehr vom Kuchen abzubekommen.
Finde grade ziemlich interessant und gleichzeitig desillusionierend, was gerade bei den sozialen Medien und den dortigen Plattformen abläuft, spotify und co. Was die Urheberrechte angeht, sind meiner Einschätzung nach einige Vorteile errungen worden, was den Teil vom Kuchen angeht, sieht es weniger gut aus und dass die Plattformen direkt in fertig gemasterte songs eingreifen, um sie den (angeblichen) Kundenbedürfnissen und Endgerätevorlieben anzupassen, finde ich auch nicht gerade prickelnd.

x-Riff
 
Lieber @x-Riff , du schreibst
Hi @Jongleur und @FerdinandK
in Euren beiden letzten posts äußert Ihr Gedanken, mit denen ich gut mitgehen kann.
Sofern sie aber damit zu tun haben, warum das Texte Schreiben für die Schreibenden so wichtig sind und was da in den Schreibenden passiert, hat das nichts mit der Wirkung auf ein Publikum zu tun. Man muss ja seine Texte nicht veröffentlichen. Es gibt auch Tagebücher etc.
Aus meiner Sicht ist das zu statisch gedacht! Jede negative Kritik hinterlässt merklich Spuren im Gehirn. Egal ob die Kritik von der Familie, Freunden, Kollegen oder Fremden stammt. Ich schreibe täglich unveröffentlichte Texte. Und dabei fallen mir regelmäßig alte Kritiken ein. Oft prüfe ich, ob ich in der Zwischenzeit eine konstruktive Lösung gefunden habe - oder ärgere mich erneut über die dämlische Kritik. :dizzy:

Letztlich ähneln negative Kritiken einer Verweigerung von Respekt - und jeder hat seine eigene Methoden, in dem Zusammenhang Blockaden zu vermeiden. Mich jedenfalls treiben sie letztlich an neue Strände…!!!

Finde grade ziemlich interessant und gleichzeitig desillusionierend, was gerade bei den sozialen Medien und den dortigen Plattformen abläuft, spotify und co. Was die Urheberrechte angeht, sind meiner Einschätzung nach einige Vorteile errungen worden, was den Teil vom Kuchen angeht, sieht es weniger gut aus und dass die Plattformen direkt in fertig gemasterte songs eingreifen, um sie den (angeblichen) Kundenbedürfnissen und Endgerätevorlieben anzupassen, finde ich auch nicht gerade prickelnd.

Auch in diesem Punkt denke ich anders. Natürlich bereitet mir diese Monopolisierung ebenfalls Kopfzerbrechen. Aber beispielsweise die 30-Sekundenregel von Spotify ist auch eine Herausforderung!!! Während in deutschen Klassik einst endlos lange Balladen geschrieben wurden, gab es zur selben Zeit in Japan schon das dreizeilige HAIKU, welches ich wesentlich spannender finde. Ich bin froh, dass ich seit Jahren Haikus schreibe. Spotify treibt mich dieser schönen Gedichtform quasi in die Arme….!

Fazit: Negative Kritik kann krank …. aber auch mobil machen! Ich kenne beide Phasen!
 
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Kommunizieren bedeutet sich schärfen, sich reiben, sich korrigieren um so insgesamt ein kleines Stücken Erkenntnis zu bekommen. Kommunikation in Wort, Schrift, Bild, Skulptur ist ebenso davon betroffen. Der erste Kritiker ist immer der Künstler selbst, danach geht es hinaus in die Welt, und die Welt darf/soll reagieren, sonst bleibt auch der Künstler / der Schaffende allein mit sich und seinen Gedanken.

Zur Reizüberflutung möchte ich anmerken, dass üblicherweise die Kunst immer einen Weg findet. Gibt es zu viel "bling-bling" wird es jemand "ganz ohne" versuchen und wenn die Zeit reif ist, wird es auch beachtet werden.
 
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Was für ein spannender Thread! Und wie weit er weg von der Ausgangsfrage geführt hat :)

Um es einmal dahin zurückzuführen und einen neuen Antwortvorschlag hinzuzufügen:
Ich glaube auch, dass sich @backonstage keine allzu großen Sorgen machen sollte, ob die Hörerschaft richtig erkennt, ob er den Text als Person oder als Kunstfigut meint - das wird fast immer deutlich.
- bei einem Song mit politischem Inhalt wird es idR auch als Haltung der Interpreten gewertet - und in den meisten Fällen wird das auch passen. Protestsongs kommen eben eher von den Protestlern etc.
- bei einem Liebeslied wird es das Publikum oft gar nicht interessieren - es berührt sie und sie nehmen das Lied für sich und ihre eigenen Gefühle
- bei den nonsense / Comedy-Texten spielt das auch keine Rolle ... wenn man den Nippel durch die Lasche ziehen muss, zum Beispiel
- wenn eine Band aus der Sicht eines Massenmörders singt, wird wiederum im Normalfall klar sein, dass hier LI und Interpret nicht deckungsgleich sein werden.
Bleiben also gar nicht so viele Songtexte, wo es kritisch wird mit dem Abgleich LI vs. Künstler. Auf der Bühne kann dann eine passende Ansage helfen, von der Konserve ggf. ein Hinweis im Booklet (gut, wird auf Spotify schwierig). Im superseltenen Extremfall - wie bei X-Riffs Beispiel - bleibt dann ein Text ggf. sogar unveröffentlicht.
 
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Was für ein spannender Thread! Und wie weit er weg von der Ausgangsfrage geführt hat
Was war denn dMn die Ausgangsfrage?

Ich habe entsprechende Fragen an den TE gestellt und dieser hat 1x sehr sachlich geantwortet. Leider gab es keine weiteren Antworten.
Um es einmal dahin zurückzuführen….
Worauf konkret?
Meine Songs sind fast alle auf Englisch
Aus meiner Sicht ist es unrealistisch, bei einem deutschen Publikum davon auszugehen, dass es sich kritisch oder gar kontrovers mit englischsprachigen Songs auseinander setzt. Ich wurde und werde in Deutschland nach Aufführungen häufig auf eigene deutsche Texte angesprochen, aber bisher noch nie auf eigene Songs mit englischen Texten.
 
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Wie gelingt es, dass die Hörerschaft bei jedem Song weiß, ob die Band den Text auch als eigenes Statement meint oder ob das LI eine andere Ansicht vertritt?

So hatte ich die Ausgangsfrage verstanden, lieber @Jongleur

Mit diesem Verständnis wird vielleicht klar, dass ich den Thread so spannend finde - eben weil die Frage viel breiter, tiefgründiger ausgelotet worden ist. Dadurch hab ich dann eine Antwort auf die etwas profanere Frage vermisst - und den Versuch gestartet, sie mit meiner Sicht zu beantworten.

Zu den englischsprachigen Songs für eine deutsche Zuhörerschaft: Vermutlich gibt's da beides. Die Sing-a-longs, die halt so durchlaufen und dann Lieder, bei denen auch der Text in Deutschland gehört wird. Sunday bloody Sunday hat vermutlich mehr Menschen auch inhaltlich erreicht als Brother Louie.
 
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Mich würde mal interessieren, wie da so eure Erfahrungen sind, sowohl als Songwriter als auch als Rezipient. Habt ihr da bestimmte Tricks, wie ihr euch subtil von der Figur distanziert... oder ist euch das generell komplett egal, und jeder Song ist ein Kunstwerk für sich und es kümmert euch nicht, obman euch (als Autor) missversteht und irgendwelche Sichtweisen andichtet. Und man könnte die Songs unabhängig voneinander einfach bunt mischen? (Klar, wenn man genügend Material hat, könnte man auch jeweils ein Konzept-Album daraus machen... aber das ist ja nicht bei jeder einzelnen Songidee gleich der Fall)

Ich würde unterscheiden ;-)
Mein Hauptgedanke ist, ja, Kunst ist Kunst und da passt es nicht, übergeordnete Kriterien wie Eindeutigkeit oder Unmissverständlichkeit festzulegen.
Das ist aber nur eine Sicht der Dinge, ich nenn es mal die künstlerische Sichtweise.

In der Realität wird dagegen niemand ganz frei davon sein zu überlegen, welche (negativen) Folgen das eigene Tun haben kann. Missverstanden werden weil LI != Autor ist dabei aber nur eins von ganz vielen Themen.

Die Kunst für dich und alle anderen besteht nun darin, irgendwo dazwischen den eigenen Weg zu finden.

Und zum Handwerklichen, wie kann man sich distanzieren von dem, was man sagt?
Durch bestimmte Stilmittel, Ironie, Übertreibung, die Wahl von Argumenten oder Beispielen, die sich entlarven, selbst widersprechen, etc.

Bunt mischen?
Es gibt bei Sängern, Künstlern, Bands alle möglichen Varianten, wie thematisch/stilistisch eng oder weit sie sind. Die eine Regel für alle gibt es nicht.
Aber gleichzeitig ist das auch nicht willkürlich, sondern muss dazu passen, wie der Künstler rüberkommen und wie er unterhalten will.
 
Zu den englischsprachigen Songs für eine deutsche Zuhörerschaft: Vermutlich gibt's da beides. Die Sing-a-longs, die halt so durchlaufen und dann Lieder, bei denen auch der Text in Deutschland gehört wird. Sunday bloody Sunday hat vermutlich mehr Menschen auch inhaltlich erreicht als Brother Louie.
Habt ihr da bestimmte Tricks, wie ihr euch subtil von der Figur distanziert... oder ist euch das generell komplett egal, und jeder Song ist ein Kunstwerk für sich und es kümmert euch nicht, obman euch (als Autor) missversteht und irgendwelche Sichtweisen andichte
Lieber @Frank_de_Blijen, es geht hier mE nicht darum, zu diskutieren, ob und wie intensiv ein deutsches Publikum englischsprachige Texte versteht, sondern der TE geht davon aus, dass ein deutsches Publikum kontrovers auf einen englischen Text reagieren könnte. Das glaube ich aus kognitiven Gründen nicht. ich glaube nicht, dass ein deutsches Publikum jemals auf einen besungenen Konflikt in einem fremden Land heftig reagiert, es sei denn, die Musik ist begeisternd!

ODER es ginge um politisch bedingte Todesopfer unter der eigenen Bevölkerung. Die gab es in den letzten Jahren tatsächlich. Aber mir sind leider keine Songtexte bekannt, die entsprechende Aufmerksamkeit erlangten. Ob das auf die Medien oder die Selbstzensur deutschsprachiger AutorInnen zurück zu führen ist, weiß ich nicht.

Aber ich würde niemals über ermordete oder gefallenen Deutsche auf Englisch schreiben, wenn ich bei einem deutschen Publikum Aufmerksamkeit wecken will!.

Aus meiner Sicht geht es in der Frage des TEs um die Überwindung von Selbstzensur. Als ostdeutscher Autor habe ich mir diesem Problem sehr intensive Erfahrungen gemacht. So entstand der stark metaphorisierende Sprachsstil des Ostrocks, der selbst für Ausnahmeerscheinungen wie RENFT typisch war. Westdeutsche Kollegen benannten diesen Stil gern etwas verächtlich als „durch die Blume Gesagtes“ . Was mich immer ärgerlich machte, weil es blind für jeweiligen Realitäten war und ist. Mich verwunderte es jedenfalls keinesfalls, wie indirekt aktuell die künstlerische Sprache unserer Stars im Zusammenhang mit Politik und Corona klingt.

Ich habe viele Autoren näher kennengelernt, die als politische Dichter gelten und würde sagen, dass die meisten bereits im persönlichen Umgang auffallend verbindlich waren und sind. Aus meiner Sicht entstehen provozierende Texte aus einer Mischung aus Charakter, Talent und Durchhaltevermögen. Es macht wenig Sinn, fremde Tricks zu analysieren, wenn sich der eigene Charakter bereits davor fürchtet, in den eigenen 4 Wänden etwas Provokantes aufzuschreiben!!
 
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Missverstanden werden weil LI != Autor ist dabei aber nur eins von ganz vielen Themen.

Stimmt. Mir fällt da die Band MIA ein, der 2003 mit dem Lied "Was es ist" nationalistisches Gedankengut vorgeworfen wurde. Die Band wurde von der Kritik (auch aus dem eigenen linken Lager) in der Luft zerrissen.

In diesem Fall war es nicht mal ein Missverständnis. Tatsächlich hatte die Band eine Art erotisch angehauchtes Liebeslied an ihr Land verfasst. Es war einfach schlechtes Timing, denn drei Jahre später, nach der WM 2006, war es plötzlich total hip, die eigene Nation abzufeiern und mit Schwarz-Rot-Güldenen Fahnen zu wedeln.

Soll heißen: Wenn den Kritikern etwas gerade nicht gefällt oder etwas gerade nicht in den Zeitgeist passt, hast du das gar nicht mehr in der Hand, egal LI oder nicht. Gesagt ist gesagt.

...
 
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Aus meiner Erfahrung erlaubt Kunst viel mehr als möglich, weil Kunst neue Möglichkeiten findet. Es gibt Propagandawerke aus der Hochblüte des Stalinismus (Bilder) in welchen der Künstler seine Kritik eingebracht hat (bewusst, unbewusst oder nur durch einen Widerspruch mit sich) aber nur der Rezipient erkennt diese wenn er sie auch finden will. Der Künstler kann abstrahieren, transponieren, spiegeln, einen Widerspruch aufzeigen, ... aber das funktioniert nur, wenn der Rezipient das auch erkennen möchte, andernfalls ist das einfach unsichtbar (die Neuronen blenden das einfach aus).

Die Kunst ist so viel mehr als nur Ja und Nein, it is able to unlock the next level.

Die Kunst findet Möglichkeiten und die Wahrheit einen Weg. Idealerweise findet die Kunst Möglichkeiten um der Wahrheit den Weg zu bereiten.
 
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