Mein Qualitätsreview zum Harley Benton PJ-74 VW Vintage

Uhu Stick
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Da ja im Netz immer wieder die große Preisgüte von Harley Benton gelobt wird, hab ich für unsere Gitarrenschüler 2 der günstigsten Harley Benton Akustikgitarren und einen „mittelpreisigen“ HB Bass als Leihinstrumente gekauft.

Hiermit möchte ich mal meine Eindrücke wiedergeben was ich nach mehreren Monaten Spielen davon halte, insbesondere in Hinblick auf die oftmals gelobte Qualität.

Dies ist das Review des Harley Benton PJ-74 VW Vintage Basses, der am 9.10.23 195€ (inkl. Tasche, 179€ alleine) gekostet hat und damit preislich im Mittelfeld der HB Bässe steht.

Lobenswert ist (wie bei den beiden Gitarren) die Lackierarbeit. Die ist gut und nicht von einem Bass aus der u1000€ Region zu unterscheiden. Ob sich Harley Benton das dadurch erkauft, dass eine dicke Polyurethanschicht drauf ist? Kann sein.

Die Stimmstabilität ist für mein Empfinden nicht hervorragend aber auch fern von schlecht. Wenn ich ne Stunde spiele, muss ich schon mal 10ct nachstimmen. Wobei ich aber auch nicht weiß, ob die Stimmstabilität bei Bässen grundsätzlich etwas schlechter als bei (E-)Gitarren ist. Außerdem springt die Nadel gerne sprunghaft hin und her. Bei meinem Yamaha TRBX 504 ist das weniger ausgeprägt.

Der Hals ist für mich als Gitarrist von der Sorte halbierter Baseballschläger. Und auch für Bassverhältnisse ist der Hals recht dick (21,75 mm am 1. Bund, ohne Bundstäbchen). Das Halsfinish ist nicht von satinartigem Feeling, sondern eher durchsichtig deckend lackiert. Ich finde es fühlt sich ein bisschen speckig an, aber das würde ich (noch) nicht als Qualitätsmanko, sondern Eigenart des Lacks ansehen. Ich persönlich finde den Bass innerhalb seiner Specs gut spielbar. Die Halsdicke ist Geschmackssache.

Überstehende Bünde gibt es nicht. Die Verrundungsarbeit kommt sogar an meinen Yamaha ran, der das dreifache kostet. Raue Bünde wie bei den Gitarren sind hier kein Thema. Das Amaranth-Griffbrett ist natürlich in Sachen Feeling eine Stufe unterhalb von Palisander und 2 unter Ebenholz. Es hat einige sehr grobe Poren. Aber ok, es ist ein 200€ Bass. Und so häufig kommt man ja auch nicht damit in Kontakt. Ergo nichts, was ich grob kritisieren kann.

Was dagegen sehr kritisierenswert ist, ist der Sattel. Hier seht ihr was dabei rauskommt, wenn man 4 Monate die Werksaiten drauf hat, und dann einen 130er Saitensatz drauf packt. Okay, ich habe die Kerben wie man sieht nicht aufgefeilt. Die 130er Saiten lagen nicht in den Sattelkerben (sondern lagen auf den Rändern auf). Das Schwarze und diese Ausfransung da, kommen aber vom Werkssaitensatz. Der Sattel ist einfach zu weich. Für mich ist das sehr enttäuschend und selbst 179€ nicht angemessen. Da kommen die u200€ zum Durchschein.

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Wenn es interessiert, wie der Sattel im Neuzustand aussieht, siehe:

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Ansonsten kann ich mich qualitativ (noch) nicht über die Mechanik und Haptik beschweren. Noch ist nichts abgegrabbelt, verschlissen, verfärbt, korrodiert, etc. Bundreinheit ist wie sie soll.

Falls jemand nach der 6. Bund Problematik fragt: Ja, die ist ganz leicht vorhanden. Aber wirklich nur ganz leicht. Die leere G Saite kippt beim Werkssaitensatz leider sehr schnell in einen Oberton. Stratitis sollte ausscheiden. Das passiert nämlich auch bei möglichst weit runtergeschraubten Pickups. Wobei „möglichst weit“ hier gar nicht mal so viel ist, denn die Pickups lassen sich leider nur ein paar mm runtersetzen, bevor der Widerstand des Moosgummis unten drunter zu hoch wird. Ansonsten hab ich keine Dead Spots gefunden.

Abgesehen davon, finde ich den Klang aber voll gut. So gut, dass der garantiert später auf Aufnahmen von mir landen wird und mich tatsächlich dazu bewogen hat, mir einen anderen PJ-74 privat zu kaufen. Der trifft die Sparte „Klingt nicht übelst höhenreich, geht aber auch im Mix nicht unter.“ Für modernen low verzerrten Metalbass genau richtig. Weil ich nun zwei mal den Bass hier stehen habe, und sich beide exakt gleich anhören, gehe ich davon aus, dass das kein zufälliger Volltreffer in Sachen Sound war. Inwiefern für den Klang der Verstärker und Speaker eine viel wichtigere Rolle spielt, muss hier jeder für sich selbst wissen. Klangmäßig macht der imo auf jedenfall meinem TRBX Konkurrenz und liegt noch vor einem Marcus Miller V3, den ich mal hatte.

Mich würde klanglich hierbei mal ein Blindtest interessieren, denn ich denke man könnte den Preisunterschied zu einem (deutlich) teurerem Bass nicht raushören. Aus diesem Grund habe ich den unten verlinkten Blindtest erstellt.

Übrigens: Der eine PJ-74 wiegt 3,866 kg, der andere 4,490 kg. (Ja, meine Küchenwage ist sich sicher.)


Mein Plädoyer
Im Gegensatz zu den beiden u100€ Gitarren stimmt hier nicht nur das Preis/Leistungsverhältnis, sondern die allgemeine Wertigkeit des Instruments. Mit Ausnahme der Sattelsache. Davon abgesehen, muss man von der Haptik und Verarbeitung schon ne größere Stange zusätzlich auf den Tresen legen, bevor man die nächsthöhere Qualitätsstufe merkt. Verglichen mit dem Yamaha merke ich jedenfalls nicht, dass der Yamaha 3 mal mehr kostet.

Für all diejenigen, die einfach nur nen Bass haben wollen, der, bis auf die Sattelsache, keine ernst zu nehmenden Qualitätsmängel hat, sage ich: Glückwunsch, es reichen heutzutage 200€, um zumindest technisch einen völlig okayen Bass zu erwerben. (Spielerspezifische Ansprüche an einen Bass sind spielerspezifisch.)

Holz, Pickups und Klang liegen imo bereits vollständig innerhalb der Geschmackssache. All diejenigen die das anzweifeln, und natürlich alle anderen auch, lade ich herzlich ein den Blindtest zu machen um mir zu sagen, welches der teurere (oder günstigere) Bass ist.

Also
Spielbarkeit: Ja. (Der Hals ist natürlich sehr dick, aber das ist kein Qualitätsmerkmal und nicht vom Preis abhängig)
Würde ich ihn mir privat kaufen? – Ja. Und nicht nur das, ich habe ihn bereits als Zweitinstrument gekauft.

Für die Gitarren-Reviews siehe: https://www.musiker-board.de/thread...akustikgitarren-delta-blues-o-d-120nt.749925/

Mich würde es noch freuen, wenn ihr an meinem Blindtest teilnehmen würdet, um meine Hypothese, dass man den Preisunterschied nicht erkennen kann, zu bestätigen oder zu entkräften.

Danke und viele Grüße:hat:
 
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Tolles Review, genau wie die Berichte zur Gitarre und deine kernigen Bass-Test-Soundbeispiele:great:. Vielen Dank.

Dass man einen schwarzen Plastesattel nun unbedingt auf Grund der Optik beige lackieren muss, verstehe ich nicht. Es gibt keine Farbe, die bei Saitenwechseln dauerhaft hält und ob dat kleine Ding nu beige oder weiß oder schwarz wäre....geschenkt. Ist ja zum Glück nur eine Kleinigkeit.

Der Bass macht aber auf Grund des glaubhaften Berichts einen guten Eindruck. Insbesondere der dicke Hals wäre mir wichtig; hat mein Preci auch. Super Haptik, keinerlei Probleme mit Deadspots und alle Töne gleich; also gleich ausgewogen natürlich.
 
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Die Detailaufnahmen sind ja gut, aber trotzdem wäre das eine oder andere "Ganzkörperbild bei einem Review schon schön, damit auch der Nicht-Fachmann einen Eindruck hat, um was für ein Instrument es sich handelt.

Auch das Review insgesamt finde ich sehr gelungen. Allerdings sind halt so relative Aussagen wie "Lackierarbeit. Die ist gut und nicht von einem Bass aus der u1000€ Region zu unterscheiden" nicht wirklich einzuordnen, weil "Bass aus der u1000€ Region" kein determiniertes Maß ist ;) . Solche Angaben und auch Angaben basierend halt auf persönlichem Geschmack können schwer nachvollzogen werden.

Aber, wie geschrieben, gut gemacht und danke :prost:
 
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weil "Bass aus der u1000€ Region" kein determiniertes Maß ist ;)

Doch, ein Bass, der weniger als 100 Euro kostet. Das ist durchaus determiniert, aber ein Zirkelschluss, denn das tut dieser ja auch. ;)
 

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