Wie entscheide ich ob große oder kleine Nonen und Tredezimen (9 und 13) in einen Akkord gehören

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DoctorGradus
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Hallo,

meine Frage ist denke ich im weitesten Sinne eine Frage der Harmonisierung. Vielleicht fange ich mal an kurz zu erklären wie ich 4-Klänge verstehen (Jazz bzw. Latin Umfeld), ich denke dann wird meine Frage etwas klarer.


In der Stufentheorie schichtet man auf den Grundton der jeweiligen Stufe Terzen auf, und erhält dann 4-klänge, etwa für eine Harmonik in der Tonart C-Dur, erhält man C-E-G-B♮, also Cmaj7 mit großer Septim, für C Moll erhielte man C-E♭-G-B♭ (also Cm7 mit kleiner Septim).


Nun gibt es Akkorde mit Nonen (mi9 bzw maj9) und Tredezimen (mi13 bzw. maj13). Meine Frage ist, ob man im Normalfall auch anhand des Tonvorats der Grundtonleiter entscheiden kann ob eine große oder kleine None, bzw. eine große oder kleine Tredezime eine geeignete Erweiterung ist. Oder ob man das Schema was für Vierklänge funktioniert so nicht weiterführen kann.
 
Eigenschaft
 
Akkorde mit Nonen (mi9 bzw maj9) und Tredezimen (mi13 bzw. maj13)
mi9 und maj9 hat nichts mit kleiner, großer (bzw. "normaler") oder übermäßiger None zu tun, sondern mit Moll und Dur:

mi = Moll
maj = Dur mit großer Septime

1. Regel: 9 enthält 7
2. Regel: 13 enthält 9 und 7

=> Cmi9 = C-Moll mit kleiner Septime und "normaler" None
Cmaj9 = C-Dur mit großer Septime und "normaler" None

Will man die 7 nicht dabei haben, schreibt man z.B. Cmi add9 (d.h. C-Moll mit hinzugefügter None).

Akkordsymbole:
- für kleine None: b9
- für große (bzw. "normale") None: 9
- für übermäßige None: #9
- für große (bzw. "normale") Tredezime: 13
- für kleine Tredezime: b13 (veraltet, aber immer wieder anzutreffen: #5)

b9 und #9 sowie b13 treten üblicherweise im Dominantklang auf. Die 7 muß dabei im Akkordsymbol ausdrücklich enthalten sein (anders als bei der "normalen" 9 und "normalen" 13, s.o.).
Beispiele: C7(b9) oder C7(#9).

Häufig tauchen sie im der Mollkadenz (II V I) auf. Z.B.:
| Dm7(b5) | G7(#9 b13) | Cm9 | % |

Im Mollakkord taucht die b9 äußerst selten bis fast nie auf und bezeichnet in diesem seltenen Falle den phrygischen Modus.

Da könnte man jetzt noch eine Weile weiterdozieren ... :D

Viele Grüße,
McCoy
 
Meine Frage ist, ob man im Normalfall auch anhand des Tonvorats entscheiden kann

Ja, das Verwenden der leitereigenen Töne (Diantonik) ist der Normalfall für Erweiterungen.

Die nichtdiatonischen sind Spannungsnoten (Tensions). #5 und b9 drängen immer zur baldigen Auflösung in die Subdominante. #9 in Dur und die diatonische 11 (bzw. sus4) drängten ursprünglich ebenfalls zur baldigen Auflösung, werden aber durch Hörgewohneitsveränderungen in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch als stabile Basisakkorde in Kompositionen verwendet. #9 ist vor allem durch Jimi Hendrix populär geworden, sus4/7 als Grundakkorde hört man z.B. bei manchen Stücken von Larry Carlton. #5 und b9 hört man standardmäßig im Jazz - alle diatonischen Erweiterungen sowieso.

Und wie Mc Coy schon schrieb, in der Regel ist die b7 bei allen nichtdiatonischen Erweiterungen obligatorisch.
 
Meine Frage ist, ob man im Normalfall auch anhand des Tonvorats der Grundtonleiter entscheiden kann...
Kommt darauf an, was Du unter der "Grundtonleiter" verstehst... :D
Du findest die Antwort in der Akkordskalentheorie, die schon seit Jahrzehnten als übliche Jazz Theorie verwendet wird.

Akkorde werden darin als zusammenfassender Ausdruck der dazugehörigen Skala gesehen.
Skalen sind daher der ausformulierte Ausdruck dazugehöriger Akkorde. Akkorde und die dazugehörigen Skalen sind also fest verbunden und ineinander überführbar.
Wahrscheinlich kennst Du diese Betrachtungsweise anhand der Stufenakkorde in Dur und der dazugehörigen Akkordskalen
C E G B Ionisch (B=dt. H)
D F A C Dorisch
E G B D Phrygisch
F A C E Lydisch
G B D F Mixolydisch
A C E G Äolisch
B D F A Lokrisch

Zum Begriff "Grundtonart", wie Du das vermutlich aus der Kadenz II V I in Dur ableitest:
| Dm7 ./. | G7 ./. | Cmaj7 ./. | ./. ./. |
Kadenzformel IIm7 V7 Imaj7 = Stufenakkorde von C Dur
Akkordtöne Vierklang D F A C | G B D F | C E G B |
Akkordskalen Dorisch ./. | Mixolydisch ./. | Ionisch ./. |
Das Tonmaterial für die gesamte Akkordverbindung und alle vorleigenden Akkordskalen ist die C Dur Tonleiter
C D E F G A B C

Nun machen einzelne Suffixe wie "b9" eine harmonische Bestimmung schwierig, weil sie bei verschiedenen Akkorden/Akkordskalen vorkommen können.

Für mehr Klarheit sorgt es, wenn man sich einen harmonischen Zusammenhang anschaut, wie ihn das Beispiel von @McCoy bietet.
Häufig tauchen sie in der Mollkadenz (II V I) auf. Z.B.:
| Dm7(b5) | G7(#9 b13) | Cm9 | % |

Das Bestimmen wie in der Dur Kadenz funktionert hier aber anders, denn im einer Mollkadenz liegen Akkordskalen aus unterschiedlichen harmonischen Bezügen vor:
Dm7(b5) ist ein halbverminderter Akkord
D F Ab C, Akkordskala D Eb F G Ab Bb C D
Das ist ist lokrisch, die Akkordskala des 7. Modus in Dur
Das Akkordymbol kann auch für lokrisch#2 stehen, die Akkordskala des 6. Modus von Melodisch Moll
D E F G Ab Bb C D
Die Wahl der Skala wie der Akkorderweiterungen richtet sich nach der Melodie und dem angestrebten Stil.

G7(#9b13) ist ein alterierter Dominantsept-Akkord - außer den bestimmenden Tönen Grundton, Durterz und Dominantseptime liegen alle Töne alteriert vor.
Bei Jamey Aebersold heißt die alterierte Skala Diminished Whole Tone, weil die ersten Töne der verminderten Tonleiter (Typ Halbton-Ganztonfolge) entsprechen und der weiteren der Ganztonleiter
Jamey Aebersold Jazz Handbook (PDF)
G B D F Ab Eb oder als Stufenbezeichnungen 1 3 5 b7 b9 b13 (b13 ist enharmonisch #5)
Akkordskala G Ab Bb B C D Eb F G, als Stufenbezeichnungen 1 b9 #9 3 b5 b6 b7 8/1
G Ab Bb B Db Eb F G (mit den üblichen enharmonischen Verwechslungen)
Das ist die Akkordskala des 7. Modus von Melodisch Moll über Ab Mel. Moll
Ab Bb B Db Eb F G Ab

Cm9 ist Mollseptakkord C Eb G Bb D, als Akkordskala C D Eb F G Ab Bb C
Das ist die Akkordskale des 6. Modus von Dur, also C Äolisch

Die Akkordskalen der zitierten Mollkadenz sind damit Lokrisch ./. | Alteriert (MM7) ./. | Äolisch ./. |

Aus den Molltonleitern lassen sich weitere Dominantseptakkorde ableiten
C Mel Moll C D Eb F G A B C,
G7(b13) Akkordskala ist der 5. Modus von Melodisch Moll G A B C D Eb F G
D Mel Moll D E F G A B C# D
G7(#11) Akkordskala ist der 4. Modus von Melodisch Moll G A B C# D E F G
Diese Akkordskala wird in den USA Acoustic Scale, Lydian b7 bzw. Lydian Dominant oder - deutschsprachig - auch Mixolydisch #11 bzw. kurz Mixo #11 genannt.

C Harm Moll C D Eb F G Ab B C
G7(b9) Akkordskala ist der 5. Modus von Harmonisch Moll (HM5)
G Ab B C D Eb F G

Gruß Claus
 
Nun gibt es Akkorde mit Nonen (mi9 bzw maj9) und Tredezimen (mi13 bzw. maj13). Meine Frage ist, ob man im Normalfall auch anhand des Tonvorats der Grundtonleiter entscheiden kann ob eine große oder kleine None, bzw. eine große oder kleine Tredezime eine geeignete Erweiterung ist. Oder ob man das Schema was für Vierklänge funktioniert so nicht weiterführen kann.
Ja, im Normalfall entscheidet man anhand des Tonvorats der Grundtonart.
Beim Zuordnen von Tensions (Akkorderweiterungen) fallen jeweils die unter den Tisch, die sich einen Halbton über ihrem darunterliegenden Akkordton befinden (-> Bildung von b9 Intervall).
Ausnahme bildet hier die Tb9 bei Dominanten.
Ein conditional avoid gilt bei der Tb13. Sie kann bei Dominanten nur gespielt werden, wenn die daruntwer liegende Quinte nicht im Voicing gespielt wird.

Wenn man diesen Regeln folgt, kristallisiert sich Folgendes heraus:
Dominanten mit Tb13 lösen sich nach Moll auf.
Dominanten mit T13 lösen sich nach Dur auf.
Das sind die natürlichen Auflösungstendenzen.

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Diese Antworten sind natürlich alle rein technischer und theoretischer Natur. Vielleicht reicht dir das ja im Moment auch erst mal.

In der Anwendung muss man sich aber auch mit den sogenannten Voicings beschäftigen.
D.h.: wie ordne ich die Akkordtöne an. Welche Kombinationen sind üblich, klingen gut, u.s.w.
Denn das ist es, was man im Endeffekt spielt.

Das hängt dann natürlich auch vom Instrument ab. Auf dem Klavier kann man ohne Probleme 8tönige Voicings mit allen Tensions spielen (wenn man das will). Auf der Gitarre sieht das z.B. ganz anders aus.
 

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