Mein Weg zur Leadsängerin

poor but loud
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Ich habe vor Kurzem einen Thread betreffend die Frage, ob man Gesangsunterricht braucht, entdeckt. Die Problematik des Themas hat mich ermuntert, einen Schwank aus meiner dritten Jugend zum Besten zu geben. Ich weiß, das hört sich lustig an, aber der Hintergrund ist bierernst und bietet Anlass zu einer eindringlichen Warnung.

Mit meiner Stimme habe ich etwas Pech gehabt. Die Stimmbänder müssten für eine Frau ungewöhnlich wuchtig sein, und vor 10 Jahren schaffte ich es noch nicht einmal, mit einem halbwegs angenehmen Timbre in Zimmerlautstärke zu sprechen, ohne meine Stimmbänder zu überanstrengen. Ich ging also zu einer Logopädin und nahm vor rund 3 Jahren noch ein paar weitere Stunden in Anspruch, weil mir das Ergebnis noch nicht reichte und ich beim Singen stark abfiel. Da ich es nicht schaffte, meinen Wunschtitel zu singen, riet sie mir, einfach mal irgendeinen Titel in dieser Tonlage mit irgendeinem Timbre zu singen, um meinen Tonumfang in diese Gefilde auszudehnen. Ich schrieb dann schließlich eine leicht auswendig zu lernende Parodie auf ein mir nur vage bekanntes Chanson, bekam es ganz gut hin und übte später in Eigenregie weiter. Da wir ohne Mikrofon arbeiteten und ich meine Stimme wie durch eine Telefonverbindung hörte, merkte ich lange Zeit kaum einen Fortschritt. Innerhalb der letzten 12 Monate reifte dann aber die Einschätzung: "Okay, ich bin halt keine gute Sängerin, aber zur Notbesetzung reicht es." Im Mai des Jahres bekam ich dann Lust, es doch mal als Leadsängerin zu versuchen. Unterstützt wurde dieses Ansinnen von einer weiteren Amateurmusikerin, die ich damals kennen lernte, die ebenfalls ohne Band war und möglichst wenig selbst singen wollte.

Nun standen Equipment-Käufe an, und beim Streifzug durch die Musikgeschäfte stellte sich heraus, dass meine Stimme viel schöner klang, als ich sie selbst hörte. Ich lernte alle möglichen Rock- und Metal-Nummern auswendig und sang sie mit steigendem Selbstbewusstsein und steigender Lautstärke auf der Arbeit, auf dem Weg vom und zum Bus, an der Haltestelle und sogar im fahrenden Bus. Das bekomme ich ohne Abdriften der Tonart und mit einem Timbre hin, das mehrheitlich als recht schön empfunden wird. Außerhalb meiner besten Oktave klingt es aber nicht mehr so gut, was ich immer als leider untherapierbare Eigenheit meiner Stimme abtat, Motto: Eine Kontraaltistin ist halt keine Mezzosopranistin.

Nun bewarb ich mich bei einer Band als Leadsängerin. Der Backgroundsänger erkannte sofort mein Potential als Leadsängerin, machte mir aber auch unmissverständlich klar, dass die beklagte Eigenheit meiner Stimme viel mit mangelhafter Technik zu tun hat und dass ich beim lauten Absingen von Tönen in dieser Tonlage sogar Gefahr laufe, meine Stimme zu verlieren. Da das Konzept der Band mit Leadsängerin und Backgroundsänger schon eine ganze Weile besteht, der Mann weiterhin als Instrumentalist gebraucht wird und somit keine Konkurrenzsituation zwischen ihm und mir gegeben ist, darf man seine Stellungnahme als ehrlich einstufen.

Ich werde also Gesangsunterricht nehmen und kann nur jedem raten, im Zweifelsfall nicht auf der Fortsetzung des autodidaktischen Vorgehens zu bestehen. Fragt lieber drei versierte Sänger zuviel als einen zuwenig, ob Ihr alles richtig macht oder ob es Dinge gibt, die dringend geändert werden müssen. Oder nehmt eine Gesangsstunde. Sobald Ihr Zweifel an Eurer Technik habt oder Eure Stimmen stark anstrengen müsst, solltet Ihr das mit jemandem klären, der etwas von richtiger Gesangstechnik versteht.
 
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Ich denke du hast mit deiner bewegten und spannenden Geschichte einen eigenen Thread verdient! Ich lagere das Thema aus. Gerne bescheid geben, wenn du einen anderen Threadtitel möchtest! :great:
 
Ich denke du hast mit deiner bewegten und spannenden Geschichte einen eigenen Thread verdient!
Wow, was ich alles verdient habe! o_O Mir geht es aber weniger um meinen persönlichen Weg zur Leadsängerin als um einen Hinweis, der mich jetzt vor einem folgenschweren Fehler bewahrt. Der Sänger, der mich vor dem Verlust meiner Stimme gewarnt hat, kennt eine weitere Sängerin, der genau das passiert ist, weil sie unbedingt als Naturtalent mit schönem Timbre durchgehen wollte, trotz diesbezüglicher Warnung auf Gesangsunterricht verzichtete und sich schließlich mit ihrer "Augen zu und durch"-Technik die Seele aus dem Leib und die Stimmbänder kaputt schrie. Ich denke, der jüngste "Gesangsunterricht oder nicht"-Thread hat einen Hinweis in dieser Richtung verdient, damit nicht noch mehr Leute einen Leichtsinn praktizieren, den sie später bitter bereuen.
 
Ich hatte früher, wenn immer sich die Gelegenheit bot und eine singende Frau in meiner Nähe war, "Record" gedrückt. Die Aufnahmen sind alle noch da und man kann in jedem Song exakt erkennen, wo jeweils die Stärken und Schwächen liegen.
Gesangsunterricht war eigentlich fĂĽr keine ein Thema. Es sei denn, sie selbst unterrichtete.
Später sangen mit mir auch Frauen, die ich persönlich nie sah (ferne Länder). Auch da hört man jede Qualität sofort in den existierenden Recordings.
Die "besten" Sängerinnen sind die mit vielschichtiger Lebenserfahrung. Sie können mit Musikern produktiv und unaufgeregt, effektiv arbeiten.
 
Na dann viel Erfolg!

Das mit der Robustheit der Stimme ist so eine individuelle Sache. Viel geht ja auch individuell, im Sinne von "man muss sich einfach spüren und auf seinen Körper hören" - aber ich glaub auch, dass ist so eine "je fortgeschrittener, umso besser kann man das einschätzen"-Sache (ich bin gesanglich auch erst am Anfang), von daher ist dein Rat glaube ich eben für Leute in eben deiner Situation umso wichtiger.

Ich musste bei deiner Story an folgende Geschichte denken:
Ich hatte auch Mal ein paar Stunden bei einer GL, die mir erzählt hat, dass sie als Jugendliche sich auf vollkommen falschen Rat (du singst immer so schön laut! Weiter so)im Chor als Alt kaputt gesungen hat, als ganz junge Erwachsene dann an die richtige GL geriet, die ihr Mal ein halbes Jahr quasi Singverbot auferlegt hat, dann schlussendlich doch klassischen Gesang studiert hat und mit erholter Stimme und korrekter Technik dann als (lyrischer) Sopran abgeschlossen hat - mit eben genau der "Stimmgewalt", die man eben braucht um über ein ganzes Orchester drüber zu singen.

Das dürfte sich lt ihrer Aussage aber so gerade noch ausgegangen sein, vermutlich 1J länger unter den Bedingungen und sie hätte diesen Weg niemals einschlagen können, da sieht man schon, was falsche Technik einerseits verunmöglicht, andererseits auch schlicht kaputt machen kann.

LG
 
Gesangsunterricht war eigentlich fĂĽr keine ein Thema.
Nun ja, ich wurde mit einem Jungenkörper geboren und habe drei Jahrzehnte nach dem Stimmbruch mit der medizinischen Transition begonnen. Die Stimmbänder bleiben dabei relativ lang, so dass man quasi ein zweites Mal sprechen lernen muss. Einfach nur höher zu sprechen strengt sehr an, vom Timbre ganz zu schweigen. Das bekommt man nur mit Logopädie in den Griff. Selbst Zimmerlautstärke war für mich zunächst eine Herausforderung. Ich kann jetzt vom a bis zum g#' oder a' entspannt und mit einem ziemlich ansprechenden Timbre singen. Das g# klingt gerade noch schön, das g auffallend schlecht, aber bis zum f# oder f herab werden die Töne sauber getroffen. Ab dem a#' klingt es ebenfalls weniger feminin und wird überdies anstrengender, und ab dem f" kann ich nur noch quieken. Die Registerwechsel machen sich bei mir stärker und störender bemerkbar als bei fast allen anderen singenden Personen, und, was das Schlimme ist, im oberen Bereich gehen sie offenbar auch noch mit einer falschen Technik einher. Im Vergleich zu dem, was andere Personen mit meiner Vorgeschichte z. T. zustandebringen, klingt die Mittellage zwar geradezu sagenhaft, aber was nützt mir das in der Band, wenn ich mir bei den hohen Tönen einen abbreche?
 

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