[Grundwissen] Kathodenvergiftung durch langen Standby-Betrieb

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Nachdem hier immer wieder gefragt bzw angezweifelt wird, ob/dass der Betrieb der Röhren ohne Anodenspannung (Standby) den Röhren schadet, habe ich mal ein bisschen gesucht und bin bei der RCA fündig geworden.

Quelle: RCA - Electron Tube Design (1962)

Wer mit dem Begriff "RCA" nichts anfangen kann oder diese Quelle anzweifeln möchte, den verweise ich mal auf diese Seite: http://de.wikipedia.org/wiki/Radio_Corporation_of_America#Die_Vorgeschichte_zu_RCA

Das aber nur am Rande.

Die folgenden Informationen sind etwas komplex, aber für die, die sich dafür interessieren, sicher interessant...und sie zeigen außerdem, dass die Sache nicht so einfach ist, wie man immer meint. So eine Röhre hat mit einer Glühbirne so ziemlich garnix zu tun :)

sleeping_sickness_001.gif


sleeping_sickness_002.gif


MfG Stephan
 
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Da ich definitiv dafür nicht der Experte bin, dafür benutzte ich Amps die einen solchen Standby Schalter haben.

Ich habe öfters von dir gelesen das die meisten Herstellen keinen richtigen Standby hinbekommen, das aber möglich wäre (?) Irgendwie sowas. Vielleicht kannst du mir das nochmal näher erläutern? Ich wäre dir dankbar. Falls das nicht von dir stammt entschuldige ich mich ich möchte natürlich nichts anhängen was du niemals gesagt hast.

Aber dann wirft sich mir eine Frage auf, oder sogar mehrere. In welchen Amps ist, wenn das oben genannte zutrifft, ist ein "richtiger" Standby, und wie sollte man mit einem solchen Standby umgehen der im längeren Betrieb schadet? Vor dem spielen wie man's immer gesagt bekommt kurz im Standby lassen und dann losspielen oder gleich volle fahrt?


Gruß
Benjamin
 
Hallo Benjamin!

Ich habe öfters von dir gelesen das die meisten Herstellen keinen richtigen Standby hinbekommen, das aber möglich wäre (?) Irgendwie sowas. Vielleicht kannst du mir das nochmal näher erläutern? Ich wäre dir dankbar. Falls das nicht von dir stammt entschuldige ich mich ich möchte natürlich nichts anhängen was du niemals gesagt hast.

Ja die Aussage war von mir. "Richtige" Standbys haben meines Wissens nur Philips und auch andere Firmen in alten ELA-Endstufen benutzt, weil diese 24/7 gelaufen sind und nur bei Bedarf vom Standby in den Betriebsmodus umgeschaltet wurden. Im Gitarrenbereich meine ich sowas bei manchen ENGLs gesehen zu haben, bin mir aber nicht sicher.

Aber dann wirft sich mir eine Frage auf, oder sogar mehrere. In welchen Amps ist, wenn das oben genannte zutrifft, ist ein "richtiger" Standby, und wie sollte man mit einem solchen Standby umgehen der im längeren Betrieb schadet? Vor dem spielen wie man's immer gesagt bekommt kurz im Standby lassen und dann losspielen oder gleich volle fahrt?

Als Einschaltverzögerung kann man den Standby schon benutzen und auch für kurze Spielpausen, aber an sich würde ich ihn nur als Einschaltverzögerung benutzen, also zum Vorheizen und sonst garnicht. Es schadet aber nicht, wenn man mal ein paar Minuten auf Standby schaltet...nur dauerhaft sollte man es eben nicht machen.

MfG Stephan
 
"Sleeping sickness"

Grandios! Wie poetisch...:rolleyes:

Und wir "Krauts" nennen es schlicht und langweilig "Kathodenvergiftung".:redface:


Ich bin schon ganz froh um das Wissen um diese Zwischenschicht. Früher habe ich meine Amps gerne mal ab Soundcheck bis zur eigentlichen Mucke um Mitternacht etliche Stunden im Standby brutzeln lassen. Aua aua.....

Ist der Leistungsverlust eigentlich abhängig von Röhrentyp und/oder Hersteller? Eventuell Richtwerte pi mal Daumen?

Also, "die KT66 von Tungsol macht 200 Stunden im Standby, dann Nirvana", oder so?

Onestone, könntest Du nochmal kurz erläutern, was es mit dem "Freibrennen" auf sich hatte? Hatte das auch was mit der Zwischenschicht zu tun oder ging es da ausschließlich um Verschmutzungen der Gitter?


Greetz,

Olli
 
Interessant. Aber interpretiere ich das richtig das dem Effekt vorgebeugt werden kann in dem der Amp einfach mit geringem Stromfluss betrieben wird welcher dann einfach in einem Lastwiderstand Verbraten wird? Tritt der Effekt auch auf wenn der Amp über längere Zeit nur mit geringer Lautstärke verwendet wird?

Rockin' Daddy,
Also so wie ich das verstanden habe "Reinigen" sich die Röhren wieder sobald genug Strom fliesst. Das Problem ist nur wenn zu Lange keine Elektronen mehr fliessen kann und die Schicht so dick wird das der Elektronenfluss behindert wird.

Gruss,
Jonas
 
Ist der Leistungsverlust eigentlich abhängig von Röhrentyp und/oder Hersteller? Eventuell Richtwerte pi mal Daumen?

Also, "die KT66 von Tungsol macht 200 Stunden im Standby, dann Nirvana", oder so?

Sie ist sicher abhängig vom Hersteller und vom Röhrentyp, denn einerseits verbauen die Hersteller unterschiedliche Kathodenmaterialien (Mischung der Kathodenpaste) und andererseits gibt es auch spezielle Materialien für spezielle Röhren, die eben teils lange Zeit ohne Kathodenstrom betrieben werden müssen (Relaisröhren für Computer usw).

Richtwerte kann ich dir aber nicht geben.

Onestone, könntest Du nochmal kurz erläutern, was es mit dem "Freibrennen" auf sich hatte? Hatte das auch was mit der Zwischenschicht zu tun oder ging es da ausschließlich um Verschmutzungen der Gitter?

Die Gitter (beim g1 ist das besonders relevant...) kann man freibrennen, ja, und auch die Kathode kann man wieder aktivieren. Frage mich nicht nach den genauen chemischen Vorgängen, aber ich weiß, dass beides funktioniert :)

Interessant. Aber interpretiere ich das richtig das dem Effekt vorgebeugt werden kann in dem der Amp einfach mit geringem Stromfluss betrieben wird welcher dann einfach in einem Lastwiderstand Verbraten wird? Tritt der Effekt auch auf wenn der Amp über längere Zeit nur mit geringer Lautstärke verwendet wird?

Dazu braucht es keinen Lastwiderstand. Es würde reichen, wenn man einfach den Ruhestrom absenkt, denn besonders bei Endröhren würde das die Alterung vermindern und somit wirklich das tun, was der Standby tun soll...die Röhren schonen.

Elektrisch gesehen "verbrät" man auch keinen Strom sondern Leistung und die sollte eigentlich nur in der Röhre selbst anfallen. Bei Kathodenbias natürlich aber auch im Kathodenwiderstand...aber das ist eine andere Baustelle.

Wann der Effekt auftritt, das steht in den Seiten aus dem Buch da oben...lies mal nach :)
Problematisch ist praktisch nur das anodenstromlose Beheizen, d.h. kein Strom. Beim leise spielen fließt bereits ein immenser Ruhestrom, von daher wirst du da nichts merken.

Rockin' Daddy,
Also so wie ich das verstanden habe "Reinigen" sich die Röhren wieder sobald genug Strom fliesst. Das Problem ist nur wenn zu Lange keine Elektronen mehr fliessen kann und die Schicht so dick wird das der Elektronenfluss behindert wird.

Die Problematik ist, dass man in normalen Gitarrenverstärkern die Röhren nicht so pervers überlasten kann, dass die Schicht effektiv wieder entfernt wird (Nein, auch ein Plexi auf Vollgas schafft das nicht :D). Das geht mit einem Regeneriergerät, aber man sollte es nur mit Splitterschutz um die Röhre machen, denn das kann ekelhaft werden, wenn die Röhre das Spiel nicht mitspielt :bad:

MfG Stephan
 
Das geht mit einem Regeneriergerät, aber man sollte es nur mit Splitterschutz um die Röhre machen, denn das kann ekelhaft werden, wenn die Röhre das Spiel nicht mitspielt :bad:
Röhren sprengen, tönt ja nach einem richtigen Spass. Ist ja fast wie mit LiPo? Akkus du man mit Stromstössen wieder zum Leben erwecken kann. Mit einer Chance auf Feuerwerk. :D

Danke,
Jonas
 
also was ist zu tun, anstatt den amp stundenlang im standby zu betreiben? kaltstart geht auch nicht!
 
Also so wie ich das verstanden habe "Reinigen" sich die Röhren wieder sobald genug Strom fliesst...

Wie OneStone schon zutreffend geschrieben hatte, schafft das kein Amp von seinen Betriebsspannungen und Strömen her, die Kathoden wieder sauber zu bekommen.

Zum Röhren regenerieren braucht man eine Vorrichtung, wo man die Heizspannung der Röhre auch mal bis auf 8...9V erhöhen kann. Die an der Anode anliegende Spannung muss gar nicht extrem hoch sein und 250V würden hier durchaus genügen...

... aber dann braucht man noch gut Erfahrung damit und ein flinkes Händchen.

Vorgehensweise:

- Röhre satt überheizen, also so auf 8...9V einstellen.
- nach 1-2 Minuten Anodenspannung (+ Schirmgitterspannung, sonst passiert nix!) anlegen und mit relativ 'normalem' Strom der Anode ein Aufheizen auf ihre gesunde Betriebstemperatur ermöglichen (Fingerprobe wie beim Bügeleisen geht hier leider nicht :D)
- und nun gib Gas! Meint, dreh das Bias runter bzw. den Kathodenwiderstand kleiner, sodass massig Kathodenstrom fliesst - so viel, dass die Röhre richtig schön orangerote Bäckchen bekommt, was bei einer EL34 irgendwo je nach Anodenspannung so um die 100...130mA liegt und reguliere diesen Zustand mit dem 'Gasdrehgriff' (Bias) für 20-30 Sekunden im Bereich über Rotglut, aber unter Gelbglut.
- halte dabei stets das Schirmgitter im Auge - und sofern dessen Farbe über rotorange hinausgeht breche ab und erhöhe den Schirmgitter-Vorwiderstand. Idealerweise hast du hierzu ein 5K/25W Drahtpoti in deiner Vorrichtung vorgesehen.

Ausschalten - Röhre abkühlen lassen - auf's Röhrenprüfgerät stecken und Ruhestrom nach Datenblatt messen/kontrollieren.

Wenn du Pech hast, kannst du die Röhre trotz all dem Stress nun dennoch in die Tonne treten - das weiss man immer erst 'hinterher' ;)

Und wie Stephan ebenso bereits schrieb - immer das Einweckglas als Splitterschutz über die Röhre unter Elektroschock-Behandlung stülpen...

... es sei denn, du würdest selbst mit dem Sehvermögen eines Stevie Wonder dennoch weiterhin gut Gitarre spielen und dein Leben meistern können :cool:

Larry
 
also stundenlang im normalen betrieb ohne gitarre am amp?

Moin,
das lässt die Röhren "nur" unnötig altern.
Ich würde dem ganzen nicht einen zu großen Stellenwer zumessen, Röhren sind robust. Einfach bei Spielpausen >10min den Amp ausschalten und bei Zeiten darunter Standby oder Ausschalten.
Wer wirklich meint er muss den Verstärker umbedingt ne Stunde im Standby lassen der hat auch die Kohle den Röhrenwechsel häufiger durchzuführen.

ps: Das ganze als Grundwissen auszulegen ist etwas anmaßend, man muss ja nicht wissen, wie sein Amp funktioniert, sondern wie man ihn benutzt.

Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:
ps: Das ganze als Grundwissen auszulegen ist etwas anmaßend...
Deiner These stehen sowohl die Anzahl als auch die damit verbundene beeindruckende Ratlosigkeit der Röhrenampgemeinde diametral gegenüber. ;)
 
ps: Das ganze als Grundwissen auszulegen ist etwas anmaßend, man muss ja nicht wissen, wie sein Amp funktioniert, sondern wie man ihn benutzt.

Wenn man aber behauptet, man wisse, wozu der Schalter da ist - und das tun die meisten, die behaupten, sie wüssten, wie man mit dem Schalter "richtig" umgeht - der sollte diese Zusammenhänge wissen.

Klar ist es nicht für jeden gleich relevant - wenn man beispielsweise einen Amp ohne Standbyschalter hat oder baut, bei dem der Amp den Standby selber managt bzw die Einschaltreihenfolge, dann ist diese Info für den Endanwender irrelevant. Aber diese Amps sind eben Mangelware - ich kenne keinen außer meinen :D.

MfG Stephan
 
ach wie gut das meine alten Orange Overdrives kein Standby haben... :D
 
ps: Das ganze als Grundwissen auszulegen ist etwas anmaßend, man muss ja nicht wissen, wie sein Amp funktioniert, sondern wie man ihn benutzt.

:)
Da hast Du prinzipiell recht. Natürlich muß man über die Funktionsweise nicht zwingend Plan haben, wenn's einen nicht interessiert.
Nur darf man sich dann nicht beschweren, wenn der geschulte Techniker für eben solche Arbeiten (Reparatur/Service) entsprechend Pinunsen nimmt.

Gibt ja auch Leute, denen die Funktion ihres Autos ein komplettes Rätsel ist und trotzdem damit fahren. Aber dann freut sich Freund Werkstatt eben über diese Unwissenheit und die damit entstandenen Fehler.
Andersherum....klar hätte man wissen können, daß "Kupplungsreiten" (permanent den Fuß auf dem Kupplungspedal lassen) das Ausrücklager und die Torsionsfedern in entsprechend kurzer Zeit schlachtet. Andererseits hätte man mit dem Wissen auch einfach mal eben 1000 Euro sparen können.
So darf es sich jeder aussuchen, inwieweit er mit der Materie vertraut ist um Bedienungsfehler auszuschließen.


Greetz,

Oliver
 
:)
Da hast Du prinzipiell recht. Natürlich muß man über die Funktionsweise nicht zwingend Plan haben, wenn's einen nicht interessiert.

Ja, aber dann soll man die Klappe halten und wenn irgendwas nicht stimmt das Ding ohne zu murren zum Techniker bringen, weil man sich zuvor entschieden hat, dass man davon keine Ahnung haben will.

:)Gibt ja auch Leute, denen die Funktion ihres Autos ein komplettes Rätsel ist und trotzdem damit fahren. Aber dann freut sich Freund Werkstatt eben über diese Unwissenheit und die damit entstandenen Fehler.
Andersherum....klar hätte man wissen können, daß "Kupplungsreiten" (permanent den Fuß auf dem Kupplungspedal lassen) das Ausrücklager und die Torsionsfedern in entsprechend kurzer Zeit schlachtet. Andererseits hätte man mit dem Wissen auch einfach mal eben 1000 Euro sparen können.

Auch wenn man nicht weiß, was Torsionsfedern sind und was ein Ausrücklager ist (ich kann mir unter den Begriffen was vorstellen, auch wenn das beim Motorrad oft ein bisschen anders aufgebaut ist...) sollte alleine schon die grundlegende Sache, dass eine Kupplung eine Baugruppe ist, bei der zwei (mehrere...ja) Flächen aufeinander reiben einen dazu bringen zu verstehen, dass es schlecht ist, wenn es permanent reibt. Sieht man an Ampeln immer recht schön, wenns ein bisschen bergauf geht. Vor-zurück-vor-zurück... Die Leute sind dann auch die, die fluchen, warum die Kupplungen schon nach 50000km runter sind. Wir sind bei 155000km/250000km und die gehen noch.

Was ich damit sagen will: Das Wissen spart auf die Zeit gesehen (!) verdammt viel Geld. Auch beim Gitarrenamp.

So darf es sich jeder aussuchen, inwieweit er mit der Materie vertraut ist um Bedienungsfehler auszuschließen.

Ich ändere das mal ein bisschen ab:

So darf es sich jeder aussuchen, inwieweit er mit der Materie vertraut sein will um Bedienungsfehler ausschließen zu können.
Wer wenig weiß, zahlt viel. Und andersherum. Klar muss man sich deswegen nicht ein komplettes Messlabor zulegen, aber ein bisschen Grundwissen und ein normaler Werkzeugkasten hilft ungemein. Soll ja Leute geben, die zum Kette spannen beim Motorrad in die Werkstatt fahren :gruebel::confused:

MfG Stephan
 
Soll ja Leute geben, die zum Kette spannen beim Motorrad in die Werkstatt fahren :gruebel::confused:

... um dort dann gesagt zu bekommen, dass dieses Motorrad Kardanantrieb hat :D

Erinnert mich an den Porschefahrer (911-er), der den Tankwart bat, doch mal den Kühlwasserstand seines Wagens zu kontrollieren :gruebel:

Larry
 
Kunde in der Autowerkstatt: "Ich brauche einen neuen Ölmessstab, der alte reicht nicht mehr bis zum Öl." :eek:
 

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