Das Herrenberg-Urteil und seine Folgen für die Musikschullandschaft (Das Ende der Honorarkräfte?)

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Das Problem war hier nicht der zeitliche Umfang der Tätigkeit, sondern der Umfang der Eingliederung in den Betrieb der Musikschule.
Einerseits versteht man die Abgrenzung zur Scheinselbständigkeit. Da muss es irgendwie feste Kriterien geben.
Andererseits hat es sich halt so eingebürgert - und viel teurer darf es für die Schüler eigentlich nicht werden. Schwierig.

"Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen"



Demnach müssten Lehrer-/innen an einer Musikschule wohl fast alle angestellt werden.
Eine Honorarkraft in der Musikschule hat kein eigenes Unternehmerrisiko, keine eigene Betriebsstätte (wie auch). Die zeitliche Gestaltung der Arbeitszeit hängt ja an den Raumplänen. Ob das Argument zieht, dass man individuell mit den Eltern/Schülern die Unterrichtszeit ausmacht?
 
Nein, zieht nicht. Ich habe vorhin nochmal die deutsche Rentenversicherung angerufen und nach aktuellem Stand, aufgrund dieses Urteils, müssten die Lehrkräfte eigentlich in eigenen Räumlichkeiten unterrichten. Oder Verträge mit den Schüler:innen selber abschließen.

Ich wüsste aktuell nicht mal ob das Argument zieht, wenn sich mehrere Lehrkräfte die einen Raum gemeinsam mieten, weil sie dann ja immer noch bedingt abhängig von der Raumbelegung der anderen sein könnten.

Aber mal ehrlich: wie realistisch ist es, dass sich Lehrer für viel Geld (im Rhein-Main-Gebiet aktuell um die 350-650€ für 30qm) einen eigenen Raum mieten, wenn sie ggf nur 1-2 Tage unterrichten? Und wie sollen das Leute handhaben, die an unterschiedlichen Standorten arbeiten?

Also ich bleibe leider dabei: werden diese neuen Richtlinien so angewandt, war es das insgesamt für Honorarkräfte. Und zwar nicht nur im Musikbereich.
 
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wie realistisch ist es, dass sich Lehrer für viel Geld [...] einen eigenen Raum mieten [...]?
Bei privaten Musikschulen könnten die Musikschulinhaber die Räume an die Lehrer stundenweise vermieten. :gruebel:

Viele Grüße,
McCoy
 
Bei privaten Musikschulen könnten die Musikschulinhaber die Räume an die Lehrer stundenweise vermieten. :gruebel:

Viele Grüße,
McCoy
Du wirst lachen (oder weinen), aber nein, geht nicht. Denn dann wären sie - Trommelwirbel - wieder weisungsgebunden und in der Organisationsstruktur integriert, weil sie an die freien Zeiten im Raum gebunden wären und sich mit der Schule über die Kapazitäten absprechen müssten.
Das spräche nach neuen Maßstäben wieder für ein abhängiges Arbeiteverhältnis. Es sei denn, die Schule gibt die Vertragsmodalitäten komplett an die Lehrkräfte ab.

Zumal die Schule dann gewerbliche Vermieterin wäre und damit umsatzsteuerpflichtig. Hab ich die letzten Tage alles durchgekaut.
 
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Das wäre dann wieder typisch. An sich ist es ja gut gemeint, dass abhängig Beschäftigte auch angestellt werden sollen und nicht ewig als Scheinselbständige geführt werden.

Was wird aber rauskommen?
Dass die Musikschule die Leute dauerhaft anstellt, kann man ja vergessen. Man gibt sich also viel Mühe, die Regeln zu umgehen - der krasse Fall wäre, dass der Lehrer sich in der Musikschule "einmietet" und mit den Eltern selbst einen Vertrag abschließt.

Ich habe solche Dinge leider schon mehrfach erlebt. Die Situation der Leute verbessert sich nicht, es werden keine Dauerverträge gemacht - aber die Bürokratie wächst für alle Beteiligten.

Wird es dadurch besser? Kann ich mir nicht vorstellen. Was passiert zB, wenn ein Lehrer krank ist, weggeht?


In meiner Kindheit hatte ich richtig guten Musikschulunterricht. Hauptfach, einmal pro Woche 45 min Musiklehre, und 45 min Chor. Bei entsprechender Leistung irgendwann eine kostenlose Zusatzstunde, also 90 min Unterricht. Es gab Zusatzangebote wie Kompositionsunterricht, Liedspiel. Es gab halbjährliche Klassenvorspiele, Teilnahme an Wettbewerben, alles von der Musikschule organisiert.
Heute müssen sich die Eltern kümmern, damit das Kind vernünftigen Unterricht bekommt. Vielleicht kommt es mir nur so vor, vielleicht hatte ich damals nur Glück mit meinen Lehrern? Fakt ist, dass durch solche Urteile wohl nichts an der Qualität oder Quantität des Unterrichts besser wird.


aber nein, geht nicht. Denn dann wären sie - Trommelwirbel - wieder zeitgebunden, weil sie an die freien Zeiten im Raum gebunden wären und sich mit der Schule über die Kapazitäten absprechen müssten.
Das kann glaube ich nicht so ausgelegt werden. Jeder, der einen Raum geteilt mietet, ist an zeitliche Absprachen gebunden - aber nicht weisungsgebunden.
In dem Moment, wo Du den Raum mietest, wäre das deine "eigene Betriebsstätte". Würde mich wundern, wenn das anders wäre.

Dann dürfte aber inhaltlich auch keine Weisung von Seiten der Musikschule erfolgen. Lehrplan usw. müsste alles freiwillig sein.


Zumal die Schule dann gewerbliche Vermieterin wäre und damit umsatzsteuerpflichtig
Das wird dann wohl so kommen.

Ich vermute, da werden wir grade nicht die einzigen sein, wo die Köpfe heißlaufen.

Vielleicht gibt es irgendwann auch ein Musikschulgesetz, was Ausnahmeregelungen ermöglicht.
 
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Das kann glaube ich nicht so ausgelegt werden. Jeder, der einen Raum geteilt mietet, ist an zeitliche Absprachen gebunden - aber nicht weisungsgebunden.
In dem Moment, wo Du den Raum mietest, wäre das deine "eigene Betriebsstätte". Würde mich wundern, wenn das anders wäre.

Dann dürfte aber inhaltlich auch keine Weisung von Seiten der Musikschule erfolgen. Lehrplan usw. müsste alles freiwillig sein.



Das wird dann wohl so kommen.

Ich vermute, da werden wir grade nicht die einzigen sein, wo die Köpfe heißlaufen.

Vielleicht gibt es irgendwann auch ein Musikschulgesetz, was Ausnahmeregelungen ermöglicht.
Das ist halt die Frage. Die DRV konnte mir das mit der Untervermietung von Proberäumen leider nicht genau beantworten. Da wird eben im Einzelfall und in der Gesamtbetrachtung entschieden.

Aber so wie ich das verstehe zählt es eben als Weisung, wenn man nicht frei über den Raum verfügen kann, solange er zumindest von der Musikschule an mehrere Lehrer vermietet wird. Eben weil man sich dann im Rahmen der MS absprechen muss wann der Raum verfügbar ist. Klingt für mich auch maximal absurd, aber so scheint es jetzt grade zu sein.

Wie es jetzt z.B. aussieht, wenn man sich einen externen Raum teilt, weiß ich nicht.
Dann wäre zumindest das unternehmerische Risiko der Lehrkräfte gegeben.

Aber um herauszufinden ob das reicht, müsste man eben genau das tun, dann prüfen lassen - und wenn man Pech hat reicht das trotzdem noch nicht. Dann steht man da, hat einen enormen bürokratischen Aufwand betrieben, die Lehrkräfte sich in Unkosten gestürzt und man müsste trotzdem irgendwie umsatteln.

Alles sehr unbefriedigend grade.

Ich gehe davon aus, dass hier sehr schnell geklagt wird, grade von den großen Franchises. Aber vielleicht auch von einzelnen Schulen, die ansonsten eben dicht machen können.

Wie gesagt: ich finde es im Grundsatz absolut sinnvoll und wichtig, den Beruf zu stärken, sicher zu gestalten und natürlich auch Sozial- und Altersvorsorge nicht auf die Lehrkräfte abzuwälzen, sofern sie eben fest im Schulalltag integriert sind.

Dass man sehr vielen Freelancern so aber ihre Flexibilität nimmt und einfach viele Umstände nicht berücksichtigt, ist eben maximal unglücklich.
 
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Aber so wie ich das verstehe zählt es eben als Weisung, wenn man nicht frei über den Raum verfügen kann, solange er zumindest von der Musikschule an mehrere Lehrer vermietet wird. Eben weil man sich dann im Rahmen der MS absprechen muss wann der Raum verfügbar ist. Klingt für mich auch maximal absurd, aber so scheint es jetzt grade zu sein.
Das würde dann auch für andere Co-Working Spaces gelten und scheint mir auch unsinnig ...

Ich miete mir doch den Raum dann für bestimmte Zeiten. In den Zeiten, die ich gemietet habe, kann ich auch darüber verfügen. In den anderen logischerweise nicht.

Aber so blöde, wie solche Sachen manchmal ausgelegt werden, kann man gar nicht denken ;)
 
vielleicht sollte man sich mal Gedanken machen über die Organisationsform - was wäre wenn...
...wenn sich die Musiklehrer nicht als Schule mit Chef, sondern als Genossenschaft aufstellen.
Ok, große Fluktuation führt ins Chaos, weil man dann einen Notar dauerbeschäftigen müßte, aber für 3-4-5 Musiklehrer, die miteinanden können und dauerhaft zusammenarbeiten wollen wäre das vielleicht ein Modell?
 
Das geht bei einer kleinen Truppe sicher, ob nun Genossenschaft, GmbH, Ltd ... da müsste man mal die Vor- und Nachteile der Gesellschaftsformen gegenüberstellen.
Für eine größére Musikschule, zB. städtische, ist das wohl eher unrealistisch.

Es gibt aber ja schon auch Kriterien, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen würden, zB. dass eine Lehrerin individuell Stunden verlegen kann, wenn sie mal Konzert o.ä. hat, ohne Rücksprache mit der Musikschule (im Urteil ging das nur nach Rücksprache mit der MS); dass sie in ihrer Unterrichtsgestaltung frei ist; dass sie nicht an Sitzungen u.ä. teilnehmen muss, dass sie eigenes Lehrmaterial mitbringt (Noten, Instrument, Metronom usw.); dass sie selbst den Stundenplan mit den Schülern erstellt (im Urteil erfolgte das durch die MS).

Andererseits steht in der Begründung

Eine selbstständige Tätigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn bei ihrer Verrichtung eine Weisungsfreiheit vorhanden ist, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet

Die Beigeladene (die Lehrerin) unterhielt auch keine eigene betriebliche Organisation, hatte keine unternehmerischen Chancen und war keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt. Vielmehr lag die gesamte Organisation des Musikschulbetriebs in den Händen der Klägerin (= der Musikschule).

Die Beigeladene hatte weder die Möglichkeit, eigene Schüler zu akquirieren und auf eigene Rechnung zu unterrichten noch konnte sie die geschuldete Lehrtätigkeit durch Dritte erbringen lassen.

Selbstständige Musiker und Musik Lehrende verwirklichen ihre unternehmerischen Chancen und Risiken vor allem durch eigene Kundenbeziehungen, durch ihr Können und ihren Ruf. Die Beziehungen zu den Schülern unterhielt und gestaltete aber allein die Klägerin.

... womit das Gericht durchaus auch recht hat ...

Übrigens ging es Ärzten ähnlich.
Ärzte konnten bis zum Sommer 2019 und einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes ebenfalls Honorarverträge abschließen und somit als Honorarärzte tätig werden. Gemäß neuer Rechtsprechung jedoch gelten Honorarärzte nicht länger als Selbstständige und unterliegen somit der Sozialversicherungspflicht. Ärzte können daher fortan keine Honorarverträge mit Kliniken mehr abschließen.


Ich gehe davon aus, dass hier sehr schnell geklagt wird, grade von den großen Franchises.
Hm, gegen was sollen die klagen? Da müssten sie erstmal vom FA / Sozialkasse angeschrieben werden, dass sie ihre Leute abhängig beschäftigen. So weit ist es glaube ich noch nicht.
Ob hier eine Feststellungsklage geht, da reichen meine juristischen Erfahrungen nicht aus.


Btw, das Urteil ist doch von 2022.
Wieso ist da in der Zwischenzeit nichts passiert? Oder gab es ähnliche Fälle?
 
Btw, das Urteil ist doch von 2022.
Wieso ist da in der Zwischenzeit nichts passiert? Oder gab es ähnliche Fälle?
Da passiert bestimmt was, es dauert halt.
Wenn Du Dir den zeitlichen Ablauf im Urteil mal ansiehst, es geht um den Zeitraum 2014/2015, die Widerspruchsentscheidung ist aus 2015. das Urteil vom Sozialgericht aus 2017 und das vorliegende Berufungsurteil aus 2022.
Wenn die Entscheidung jetzt umgesetzt wird, dann können wir mit den ersten Urteilen in etwa 6- 8 Jahren rechnen, wenn es denn eine Klage einmal soweit schafft. Falls nicht der Gesetzgeber ein Einsehen hat, und vorher eine gesetzliche Regelung schafft.
 
Danke für Eure Einschätzungen!
Sollte die Revision beim Bundessozialgericht abgewiesen werden (wann ist eigentlich die Verhandlung?) , wäre das Urteil ja rechtskräftig und für sehr viele Musikschulen ein riesiges finanzielles Problem wegen der zu erwartenden Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge. Andererseits aber auch als "Musterurteil" für viele Honorarlehrkräfte auch eine gute Aussicht auf eine erfolgreiche Klage zur Festanstellung bzw. für Nachzahlungen aus den Beschäftigungszeiten als Honorarlehrkraft, oder sehe ich da was falsch... ?
 
Danke für Eure Einschätzungen!
Sollte die Revision beim Bundessozialgericht abgewiesen werden (wann ist eigentlich die Verhandlung?) , wäre das Urteil ja rechtskräftig und für sehr viele Musikschulen ein riesiges finanzielles Problem wegen der zu erwartenden Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge. Andererseits aber auch als "Musterurteil" für viele Honorarlehrkräfte auch eine gute Aussicht auf eine erfolgreiche Klage zur Festanstellung bzw. für Nachzahlungen aus den Beschäftigungszeiten als Honorarlehrkraft, oder sehe ich da was falsch... ?
Welche Revision meinst du? Achtung beim googeln, es gibt aktuell einen anderen Fall mit der gleichnamigen Headline (Herrenberg-Urteil), der in Revision ist, aber da geht’s um ein Gewaltverbrechen.

Der Fall aus 2022 meine ich durch und damit eigentlich auch bindend - und ja, das hat massive Auswirkungen auf die Finanzierung der Schulen, städtisch wie privat.

Ein Bekannter hat mir vorhin von der ersten Schule mit ein paar Dutzend Lehrern berichtet, die wohl dicht macht.
 
Soviel ich von meiner Musikschule aktuell in einer Konferenz erfahren habe, ist das Urteil aus 2022: Stadt Herrenberg. /. Deutsche Rentenversicherung (der Fall der Klavier-und Keyboardlehrerin) zur Zeit noch in einem Revisionsverfahren vor einem Bundesgericht und soll zeitnah abschließend entschieden werden...
 
Soviel ich von meiner Musikschule aktuell in einer Konferenz erfahren habe, ist das Urteil aus 2022: Stadt Herrenberg. /. Deutsche Rentenversicherung (der Fall der Klavier-und Keyboardlehrerin) zur Zeit noch in einem Revisionsverfahren vor einem Bundesgericht und soll zeitnah abschließend entschieden werden...
Sicher? Ich meine dass das Urteil 2022 schon das Ergebnis der Revision der Lehrerin war. Schau mal den Verlauf des Verfahrens durch, das wurde auf der ersten Seite in diesem Thread verlinkt.
 
Ich meine dass das Urteil 2022 schon das Ergebnis der Revision der Lehrerin war.
Ja, das ist bereits die Revisionsentscheidung.

Vielleicht noch interessant für das Verständnis, der Terminbericht.

Daraus wird klarer, dass der Streit zwischen der Rentenversicherung und der Kommune geführt wurde, die betroffene Musiklehrerin hat als Beigeladene zur Rentenversicherung "gehalten", um zu einer Einstufung ihrer Tätigkeit als "sozialversicherungspflichtig" zu kommen.
 
Erste Folgen sieht man nun z.B. hier. Im Endeffekt trifft das ein, was ich schon vermutet und befürchtet habe - die wohlhabenden Städte und Kommunen werden sich die Mehrkosten leisten und eben auf Festanstellungen wechseln. Ich schätze, die Mehrkosten haben am Ende die Schüler sowie die Lehrer in Form von Gehaltseinbußen zu tragen (dass sie dafür deutlich besseren Arbeitsschutz, bezahlten Urlaub etc. haben sollte man natürlich nicht verschweigen. Ob aber unterm Strich dann mehr Geld auf dem Konto landet als vorher hängt vom Einzelfall ab). Alle übrigen Kommunen werden die Lehrer schlichtweg entlassen.

Ich gehe nicht davon aus, dass die entlassenen Lehrkräfte 1:1 weitermachen und ein gleichwertiges Unterrichtsangebot schaffen können; vielmehr gehe ich eher davon aus, dass sich viele umorientieren und die Kapazitäten für Musikunterricht verloren gehen werden.
Und das in Zeiten, in denen Söders Anti-Gender-Grünen-Klima-Windrad-Veggie-Regierung Symbolpolitik betreibt und als Reaktion auf PISA meint, kreative Unterrichtsfächer wie Musik und Kunst wegstreichen zu müssen.

Also wenn ihr mich fragt, geht das für die musikalische Bildung grade in eine ganz gefährliche Richtung.


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Die Möglichkeit, Honorarkräfte zu beschäftigen, besteht sicherlich auch weiterhin. Nur müssen eben die Kriterien eingehalten werden, siehe Urteil.

Ansonsten finde ich, die Sache hat zwei Seiten. Wenn Lehrerinnen oder Lehrer über viele Jahre immer nur als Honorarkraft angestellt werden ohne die Absicherungen eines Arbeitsvertrags (Urlaub, Krank usw.), ist das auch nicht in Ordnung. Dafür müsste dann aber ganz klar eine Förderung kommen, damit jeder sich den Unterricht leisten kann.

Andere werden vielleicht auf Privatunterricht umstellen, der nur von einer Musikschulartigen Einrichtung vermittelt wird, ähnlich wie eine Zimmervermittlung in einem Kurort. Das wären dann "amerikanische Verhältnisse" -- und wieder mal eine "gut gemeinte" Regelung; die schlägt am Ende ins Gegenteil um, weil alle aus praktischen Gründen vermeiden, sich daran halten zu müssen.
 
Die Möglichkeit, Honorarkräfte zu beschäftigen, besteht sicherlich auch weiterhin. Nur müssen eben die Kriterien eingehalten werden, siehe Urteil.
Aber das ist doch grade der Knackpunkt. Diese Kriterien sind so eben für die meisten nicht einzuhalten, das kann ich dir so aus erster Hand und nach Austausch mit sicherlich 15 Musikschulleitungen sagen.

Ich glaube kaum, dass die Musikschule Trier mal eben ohne mit der Wimper zu zucken die Hälfte des Personals und damit einen Großteil des Schülerstamms gehen lässt. Das war sicher keine leichte Entscheidung, aber nach Prüfung der neuen Umstände vermutlich die einzige Lösung.
 
Aber das ist doch grade der Knackpunkt. Diese Kriterien sind so eben für die meisten nicht einzuhalten
Ja, so wie es jetzt läuft, sind sie nicht einzuhalten, das ist klar.
Das wäre sicher auch in anderen Branchen eine Scheinselbständigkeit.

Vielleicht wäre es angebracht, dass der VdM das zentral klärt. Wenn ich in dem Artikel lese, dass jede Musikschule das anders einschätzt, liegen ja auf jeden Fall welche falsch.

Offensichtlich gibt es aber auch Musikschulen, die Ihre Lehrer jetzt fest einstellen
 
Zuletzt bearbeitet:
So sehr ich den Ärger der tatsächlich oder möglicherweise von Kündigung betroffenen KollegInnen verstehe und mit ihnen mitfühle, sehe ich doch nicht das Urteil als problematisch oder gar skandalös an, sondern für mich liegen die Probleme bzw. hier passt für mich wirklich "der Skandal" im Vorfeld in der Vergangenheit. Das Urteil hat diesen Skandal jetzt nur endgültig ans Licht gezerrt.

Es geht einfach nicht an, dass vor allem Musikschulen in öffentlicher Trägerschaft ihr Angebot auf der Basis von Tagelöhnerei wie ich es nenne und fast schon prekär zu nennenden Arbeitsverhältnissen aufstellen. Musikschulen sind Teil einer wichtigen und notwendigen Bildungslandschaft, auch wenn sie nicht zu den Pflichteinrichtungen gehört wie die Allgemeinbildenden Schulen (deren musische Bereiche nicht selten kaum über Minimalversorgung hinaus geht).
Die Angestellten mit billigen Honorarverträgen abzuspeisen ist doppelt beleidigend: Es beleidigt die MusiklehrerInnen, die qua Ausbildung, Studium und persönlichem Engagement in der Regel sehr wenn nicht hochqualifiziert sind. Es beleidigt dazu auch die Wertschätzung der Bildung an sich gegenüber. Beides ist den betreffenden Trägern offensichtlich kaum mehr wert als Almosen. DAS ist der Skandal!

Dabei ist die Einstufung eines angestellten Musikschullehrers nach TVÖD E09B nicht mehr als eine mittlere Gehaltsstufe im öffentlichen Dienst. Für Ingenieure mit abgeschlossenem Studium ist das ein übliches Einstiegsgehalt. Mit den üblichen mehr oder weniger regelmäßigen Aufstiegsmöglichkeiten die es vergleichbar für MusikschullehrerInnen auch nicht gibt (Fachbereichsleitung und Leitung ausgenommen, aber das sind nur ein paar wenige Stellen in einer Musikschule, Fachbereichsleitung auch meist nur ab einer gewissen Größe).
Nicht selten hat der qualifizierte Unterricht für die meisten ProfimusikerInnen auch meist schon im Grundschulalter begonnen und er geht sowieso immer parallel zur Schule weiter, die es regelmäßig nicht leistet, selbst auf die Theorie- und Gehörbildungs-Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Auch das muss nahezu immer parallel zum Schulunterricht geleistet werden. Von angehenden Ingenieuren habe ich noch nie vergleichbares gehört (bitte nicht als Ingenieur-Bashing interpretieren, hier geht es mir nur darum aufzuzeigen, wie aufwändig schon alleine die Vorbereitung auf ein Musikstudium ist).

Nebenbei gesagt gibt es keine andere Einrichtung der öffentlichen Hand, die auch nur ansatzweise so viel vom Etat selber erwirtschaftet wie Musikschulen. Bei uns geht der Deckungsgrad in Richtung 40%. Ich kenne auch keine andere Einrichtung innerhalb einer Verwaltung, die in einem nennenswerten Umfang Honorarkräfte beschäftigt - wenn überhaupt. Allgemein sind Angestellten- und Beamtenverhältnisse üblich.

Bei einer privat betriebenen Musikschule sind betriebswirtschaftliche Bedingungen und Überlegungen gewiss unabdingbar, bei einer öffentlichen Musikschule im Sinne einer Bildungseinrichtung ist betriebswirtschaftliches Denken als vornehmliche Grundlage des Betriebs aber unangebracht. Als Bildungseinrichtung darf und muss sei ein Zuschussbetrieb sein (jedenfalls was den Unterricht und die Angebote für Kinder und Jugendliche angeht). Jede x-beliebige Schule ist eine 100%-tiger "Zuschussbetrieb"!

Wie die Vertragsverhältnisse und Vergütungen an einer öffentlichen Musikschule zu gestalten sind, liegt alleine in der Verantwortung der Politik!
Und ich sehe es so, dass dieses Urteil nun endgültig den Ball zurück in die Politik geworfen hat. Nun müssen die kommunalen Parlamente der bisher "geizigen" Kommunen endgültig Farbe bekennen, was ihnen die musikalische Bildung wert ist.
Ich weiß zur Genüge, dass Musikschulen "freiwillige Leistungen" der öffentlichen Hand sind - diese Phrase habe ich von dem ersten und (leider) sehr langjährigen Kulturdezernenten den ich erleben durfte wieder und wieder gehört - es klingt immer noch nach bei mir wie eine Drohung. Allerdings gab es nur eine kurze Phase unter einem unfähigen (und erfreulicherweise geschassten) Chef, wo bei uns neu eingestellte KollegInnen nur einen Honorarvertrag bekamen. Diese Praxis wurde unter dem Nachfolger des unfähigen Chefs (und nicht zuletzt einem neuen Dezernenten) immerhin ganz schnell abgeschafft.

Um es klar zu sagen: WIR Musikschullehrer und Musikschullehrerinnen sind nicht diejenigen, die irgendeine Kommune in Deutschland in den Ruin getrieben haben oder treiben werden. Wenn die Zahlungs-"faulen" Musikschulen nun ihre Honorarverträge auf TVÖD-verträge umstellen, mag sich der Deckungsgrad von meinetwegen 60% auf 40% absenken. Im Vergleich zu vielen anderen Ausgaben einer Kommune sind das immer noch kaum mehr als Peanuts.
Aber den betreffenden KollegInnen gibt das in jeder Hinsicht mehr finanzielle Spielräume und Sicherheit im Leben, vor allem auch, wenn sie eine Familie zu versorgen haben. Und nicht zuletzt auch mehr Anerkennung.
 
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