Dur-Moll-System nur Gewohnheitsfrage?

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Salüt!
Mich treibt gerade folgende Frage um:

Sind die Assoziationen, Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" zu empfinden kulturell bedingt oder "natürlich"?

Und ist das Dur-Moll-System für Menschen, die nur das ihrer Kultur eigene Tonsystem kennen, ebenso ungewohnt und schwer zugänglich wie einem Menschen mit westlichen Hörgewohnheiten "fremde" Tonsysteme, wie z.B. die der Gamelan-Musik?

Andere Kulturen der Welt werden mit der westlichen Musik konfrontiert und nehmen sie auf, siehe z.B. die Begeisterung in Japan für die großen europäische Komponisten. Musik anderer Kulturen erhält meist höchstens in der sogenannten "Weltmusik" in stark verwestlicher Form Aufmerksamkeit in Europa. Ist das der westlichen Ignoranz oder vielleicht doch einer "Ursprünglichkeit" vom Dur-Moll-System zu verdanken, die kulturübergreifender funktioniert?

Mich würde mal interessieren, ob es dazu irgendwelche Studien oder (wissenschaftliche?) Erklärungsansätze gibt. Der Stellenwert, den die Musik generell in der Gesellschaft hat spielt dabei bestimmt auch eine Rolle.


Bin mir eigentlich sicher, das sich jemand diese Fragen schon mal so oder so ähnlich gestellt hat und darauf auch schon Antworten gegeben hat - vielleicht weiß ja jemand hier was darüber. ;)

SchöGrü
Lennart
 
Eigenschaft
 
Sind die Assoziationen, Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" zu empfinden kulturell bedingt oder "natürlich"?

Also ich denke, dass das auch mit der "Epoche" zu tun hat.
Schließlich war Dur nicht immer gleich fröhlich und Moll nicht immer gleich traurig, was man schon an den wörtlichen Bedeutungen der Wörter erkennen kann.:
Dur von lat. "durus" --> hart
Moll von lat. "mollis" --> weich
jedenfalls soweit ich mich noch an mein Latein erinnern kann...:D

Von daher denke ich schon, dass zumindest ein Teil auch gewöhnungssache ist.
Mit irgendwelchen Studien kann ich jetzt aber leider nicht dienen, hoffe aber trotzdem etwas geholfen zu haben...;)
 
Salüt!
Mich treibt gerade folgende Frage um:

Sind die Assoziationen, Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" zu empfinden kulturell bedingt oder "natürlich"?

Bei den Assoziationen in derlei Schubladen zu denken halte ich für problematisch. In Moll und in Dur steckt mehr als nur "fröhlich" und "traurig". Es gibt je nach Musik soviel feine Abstufungen und auch ein umgedrehtes Verständnis ist möglich: Es gibt genügend Stücke in Dur mit sehr melancholischem Charakter, Moll Stücke mit beschwingtem Charakter, etc.
 
Schließlich war Dur nicht immer gleich fröhlich und Moll nicht immer gleich traurig, was man schon an den wörtlichen Bedeutungen der Wörter erkennen kann.:
Dur von lat. "durus" --> hart
Moll von lat. "mollis" --> weich

Mit einer wörtlichen Ableitung sollte man in diesem Fall vorsichtig sein, denn dahinter steckt eine ganz andere Geschichte:
Die Ausdrücke Dur und Moll entstammen dem Erscheinungsbild der verschiedenen Zeichen, die einst zur Unterscheidung der benachbarten Töne B und H vor die Notenköpfe gesetzt wurden.
...
Die Assoziation der Tongeschlechter mit Charakteristika wie "hart" (= Dur) und "weich" (= Moll) kam erst sehr viel später mit dem Verschwinden der Kirchentonarten und der Manifestation des Dur-Moll-Systems auf, hat sich aber in der Musiklehre verfestigt und wird selbst in etymologischen Wörterbüchern immer noch vertreten.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Dur
Sind die Assoziationen, Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" zu empfinden kulturell bedingt oder "natürlich"?
...
Mich würde mal interessieren, ob es dazu irgendwelche Studien oder (wissenschaftliche?) Erklärungsansätze gibt.

Als erste grobe Einteilung mag man die Charakterisierung von Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" gelten lassen. Natürlich spielen für solche Stimmungen auch andere Faktoren eine bedeutende Rolle, wie z.B. Tempo und Melodieführung. Dadurch kann beispielsweise ein Dur-Stück auch sehr traurig wirken.

Wissenschaftlich läßt sich feststellen: Der Dur-Akkord ist deutlich konsonanter als der Moll-Akkord. In den Obertönen eines Grundtones ist nämlich der Dur-Akkord enthalten, als 4., 5. und 6. Teilton.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Naturtonreihe

Die Moll-Terz zum Grundton taucht hingegen nicht in der Naturtonreihe auf. Die Obertöne der Mollterz reiben sich mit Obertönen des Grundtones, in dem ja z.B. die Dur-Terz enthalten ist (Dissonanz einer kleinen Sekund). Diese Reibungen lassen den Moll-Akkord "trüber" erscheinen. Der Effekt kann für den Ausdruck einer traurigen Stimmung verwendet werden. Die hohe Harmonie des Dur-Akkordes hingegen unterstützt gut positive Gefühle wie Fröhlichkeit, Freude, Jubel, Glanz, Harmonie etc..

Der Vergleich mit anderen Kulturen, gar der Gamelan-Musik, ist kaum möglich, da hier meist kein Dur-Moll-System verwendet wird, sondern andere Tonsysteme.

Viele Grüße
Klaus
 
Sind die Assoziationen, Dur als "fröhlich" und Moll als "traurig" zu empfinden kulturell bedingt oder "natürlich"?

Kulturell bedingt, IMHO. Selbst wenn es akustische Grundlagen gibt, die den Durakkord als naheliegend nachweisen, ist es doch immer das ästhetische Empfinden, das über die Verwendung entscheidet. Und das ist hochgradig kulturell unterschiedlich.

Und ist das Dur-Moll-System für Menschen, die nur das ihrer Kultur eigene Tonsystem kennen, ebenso ungewohnt und schwer zugänglich wie einem Menschen mit westlichen Hörgewohnheiten "fremde" Tonsysteme, wie z.B. die der Gamelan-Musik?

Ja, so ist es.

Andere Kulturen der Welt werden mit der westlichen Musik konfrontiert und nehmen sie auf, siehe z.B. die Begeisterung in Japan für die großen europäische Komponisten.

Das ist ein wenig zu kurz gegriffen. Die abendländische Kunstmusik hat in ganz Ostasien einen sehr hohen Stellenwert und kommt dort auf vielfältige Arten und Weisen vor. Du darfst nicht denken, daß ein japanisches Kind nur mit japanischer Musik aufwächst und dementsprechend irgendwann mit westlicher Musik "konfrontiert" wird. Westliche Musik ist ganz stark durch die Medien präsent und gilt als Hochkultur. Einer Hochkultur wird gern ... naja, nachgefolgt/nachgeeifert/hinterhergelaufen...je nachdem. Japanische Kinder wachsen durchaus auch mit westlicher Musik auf.

Diese Tendenz gilt weltweit, denn die abendländische Kunst- und Popularmusik dominiert über andere Musikkulturen. Das ist in vielen Fällen sicher nicht gut, aber soweit ich das beurteilen kann, liegen die Fakten so.

Musik anderer Kulturen erhält meist höchstens in der sogenannten "Weltmusik" in stark verwestlicher Form Aufmerksamkeit in Europa. Ist das der westlichen Ignoranz oder vielleicht doch einer "Ursprünglichkeit" vom Dur-Moll-System zu verdanken, die kulturübergreifender funktioniert?

Wenn die Dur-/Moll-geprägte Tonalität im Menschen angelegt wäre, hätten alle Musikkulturen diese Tonalität. Dem ist nicht so. Tonalität ist keine anthropologische Tatsache. Daher können wir westliche geprägten Hörer ja auch trotzdem nicht-tonale Musik anderer Kulturen hören und sie interessant finden. Sie spricht uns oft nicht emotional an, weil uns der notwendige kulturelle Hintergrund fehlt. Das ist aber nicht notwendigerweise Ignoranz, nur Unverständnis.

Mich würde mal interessieren, ob es dazu irgendwelche Studien oder (wissenschaftliche?) Erklärungsansätze gibt. Der Stellenwert, den die Musik generell in der Gesellschaft hat spielt dabei bestimmt auch eine Rolle.

Innerhalb der Systematischen Musikwissenschaft gibt es durchaus die Musikanthropologie, die sich damit befasst, welche musikalischen Verhaltensweisen im Menschen angelegt sind und welche nicht. IMHO ist aber Tonalität und tonales Hören ein so komplexer Gegenstand, daß man besser erst mal mit musikalischer Mustererkennung im interkulturellen Vergleich anfangen sollte. Tonalität würde ich als einen Spezialfall musikalischer Muster auffassen.

Harald
 
Dur-Moll-System nur Gewohnheitsfrage?

"Nur" Gewohnheitsfrage würde ich nicht sagen. Man muß allerdings bedenken, daß das Dur-Moll-System das Resultat einer sehr langen musikalischen Entwicklung in Europa darstellt.

Erst nach 1500, im Rahmen der Entwicklung einer mehrstimmigen Instrumentalmusik entstand das Dur-Moll-System aus den Kirchentonarten. Es ist für eine hoch entwicklete harmonische Mehrstimmigkeit sehr gut geeignet, Und genau durch diese zeichnet sich die Musik unseres Kulturkreises besonders aus.

Bei anderen Kulturen lag der Schwerpunkt auf anderen Gebieten.
In Afrika (südlich der Sahara) insbesondere auf der Rhythmik.
In Arabien hingegen basiert die Musik sehr auf der Melodik: Ihre Nuancen haben eine große Bedeutung, z.B. hier gut zu hören, bei der "Improvisation über das Wort "ah" im "HIGAZ"-Modus" ab 2:35.

Das subsaharische Afrika zeichnet sich durch eine besondere musikalische Vielfalt aus.
Es werden allerlei Tonsysteme verwendet, pentatonische, heptatonische, die ganz unterschiedlich gestimmt sind: u.a. gleichstufig, ungleichstufig, mit reiner Quart und Quint oder mit etwas tieferer Quart und etwas höherer Quint.

Mit einem Dur-Moll-System hat wohl keines dieser Tonsysteme etwas zu tun. Eher sind noch die Töne des Dur-Dreiklangs gehäuft. Auch werden mitunter die Töne 4 bis 9 der Naturtonreihe verwendet (incl. Naturseptim).
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Tonsysteme_im_subsaharischen_Afrika

Eine bestimmte afrikanische Kultur entwickelte eine polyphone Musik, mit einer Komplexität, die in unserem Kulturkreis erst im 14.Jahrhundert erreicht wurde:
die der Pygmäen
Die Pygmäen verstehen sich mit einer derartigen Selbstverständlichkeit als Kollektiv, daß ihre Sprache noch nicht einmal ein Wort für `Familie´ kennt. Stattdessen übernimmt der Begriff des `Lagers´ die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese Denkweise spiegelt sich auch in ihrer Musik wieder, da es darin keine Solisten und keine Hierarchie gibt.
Quelle
bemerkenswerte Beispiele:

Girls's "Hut Song":
http://www.youtube.com/watch?v=lAGZRr7ycuM

mehrstimmiges Jodeln:
http://www.youtube.com/watch?v=HRVPieyKv8M
http://www.youtube.com/watch?v=tHZe8mtqa3I

anderer Stil, doch lebendig und aus vollem Herzen:
http://www.youtube.com/watch?v=MUcBscuFPEM

Warum habe ich das Beispiel der Pygmäen gebracht?

Ich finde, es wird deutlich, daß es bei einer mehrstimmigen Musik ganz nahe liegt, die konsonanten Intervalle zu bevorzugen und auch eine Tonleiter, die das gut ermöglicht.

Bei den Pygmäen höre ich oft anhemitonische Pentatonik. Leitmelodien bestehen oft aus vier Tönen mit Quintverwandtschaft (z.B. c, d, f, g). (Eine gleichstufige Penta- oder Heptatonik wäre für eine harmonische Mehrstimmigkeit wohl eher ungünstig.)

Möchte man die Oktave in sieben möglichst konsonante Schritte unterteilen, kommt man auf die bei uns verbreitete heptatonische Tonleiter. Am konsonantesten ist die Dur-Tonleiter.
Konsonante Dreiklänge innerhalb einer Oktave gibt es in dieser heptatonischen Tonleiter nur zwei: Dur und Moll.
Das sind wohl wichtige Gründe für die Entwicklung des Dur-Moll-Systems.

Hinter diesem Tonsystem steckt also eine gewisse Zwangsläufigkeit. Wird eine harmonische Mehrstimmigkeit angestrebt, so zeigen sich in der Folge die entsprechenden natürlichen Grundlagen. Dieses Streben selbst ist allerdings kulturell bedingt. Andere Kulturen hatten musikalisch andere Ziele.

Musikkulturen, die sich weniger auf harmonische Schwinger (Gesang, Saiten, Luftsäulen) stützen, sondern auf unharmonische, zweidimensionale Schwinger (z.B. Metallplatten, Glocken, Gongs) haben eher "unharmonische" Tonsysteme und die entsprechende Musik entwickelt. Als Beispiel kann die komplexe Gamelan-Musik dienen, für unsere Ohren (und die Nervenzellen dahinter) schwerer zu erfassen.

Harmonische Tonbeziehungen sind jedoch für alle Menschen eine Grunderfahrung, die uns bereits vor der Geburt prägt. Denn die Stimme (der Mutter) ist sehr obertonreich und wir lernen, daß die gleichzeitig erklingenen harmonischen Teiltöne zusammengehören. Die Stimme wird als Klang wahrgenommen.

Vielleicht wird deshalb eine harmonisch ausgerichtete Musik, wenn sie nicht zu komplex ist, universeller erfasst als eine unharmonische. Bei der Musik der Pygmäen haben wir das Gefühl, daß sie bedeutungsvoll und vergleichsweise vertraut erscheint. Die Gamelan-Musik klingt da schon fremdartiger.

Viele Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Einen reinstimmigen Dur-Dreiklang empfinde ich als ruhig / entspannend, die Wirkung des Moll-Dreiklangs dagegen finde ich schwer zu fassen - er ist bunter, "undefinierter", ein wenig mystisch, und erweckt ein Gefühl der Neugier in mir.

"Traurig" wirkt Moll vor allem, wenn man die Dominante verdurt, oder die Akkordtöne entsprechend verdoppelt (z.B. C' C G c eb), und am Besten noch ein obertonreiches Instrument wie eine Orgel verwendet (die Register richtig setzen nicht vergessen!), so dass es besonders starke Reibungen der Obertöne gibt. Nicht dass ich etwas gegen diese Art von Musikpraxis hätte, es geht mir nur darum, dass es Unterschiede zwischen Moll und Moll gibt. ;)

Zum Charakter des Dur-Dreiklangs passt recht gut die große Sekunde, vielleicht noch die große Septime, die weiteren Intervalle der Dur-Tonleiter (Quarte, große Sexte) dagegen haben m.M.n. nicht mehr so viel mit der ursprünglichen Wirkung des Dur-Dreiklangs zu tun, insbesondere die Quarte. Wenn man Dur mit Fröhlichkeit (im Sinne von Ausgelassenheit), Pracht oder Stolz assoziiert, dann würde ich das eher auf die Tonleiter beziehen, als auf den (doch eher ruhig / entspannt wirkenden) Dur-Dreiklang. Weiterhin denke ich, dass die etwas größere temperierte große Terz im Gegensatz zu der etwas kleineren / weicheren reinstimmigen großen Terz eine leicht "aufdringlichere" Wirkung hat, was zur (aufgezwungeneren?) Fröhlichkeit beitragen könnte. Die Stärke dieser Wirkung dürfte allerdings vom Instrument abhängig sein, beim (temperiert gestimmten) Klavier empfinde ich die große Terz z.B. als nicht so aufdringlich wie bei vielen anderen Instrumenten.

Naja, so viel zu meiner persönlichen Empfindung / Meinung, garniert mit ein paar Spekulationen. :rolleyes:

Möchte man die Oktave in sieben möglichst konsonante Schritte unterteilen, kommt man auf die bei uns verbreitete heptatonische Tonleiter. Am konsonantesten ist die Dur-Tonleiter.
Konsonante Dreiklänge innerhalb einer Oktave gibt es in dieser heptatonischen Tonleiter nur zwei: Dur und Moll.
Das sind wohl wichtige Gründe für die Entwicklung des Dur-Moll-Systems.
Der erste Satz ist, wenn man ihn wörtlich nimmt, falsch. Aber die Konsonanz der Schritte zwischen benachbarten Tönen (Ganzton / Halbton) ist auch eher irrelevant, wichtiger sind alle Intervalle, die entstehen, oder die zu einem Grundton, falls vorhanden. Ich schätze du meintest hier so etwas in der Art(?).

Beim zweiten Satz würde mich interessieren, wie du die Konsonanz einer Tonleiter definierst, und von welcher Form der Dur-Tonleiter du ausgehst (rein, temperiert, mitteltönig etc.).

Anschließend hätte ich gerne eine Begründung, warum eine bestimmte Art von Dur-Tonleiter (nach deiner Definition) konsonanter ist als z.B. die Obertonreihe zwischen dem 8. und 16. Teilton (ohne 13. Teilton), oder als die Leiter auf der VI. Stufe von Zigeuner Moll, in 200et umgesetzt*. Erstere dürfte an Konsonanz wohl kaum zu übertreffen sein, man kann alle Töne der Leiter gleichzeitig in entsprechender Oktavlage spielen, und es hört sich so konsonant an wie ein einzelner Ton. Bei Zweiterer werden alle reinen Intervalle exzellent angenähert, während man bei der Umsetzung von Dur immer Kompromisse bei der tatsächlichen Konsonanz der Intervalle eingehen muss (Wolfsquinte, temperierte Terzen / Sexten oder mittelstufige Quinten); des Weiteren lassen sich auf dem Grundton von ZM-VI mehrere konsonante Drei- und Vierklänge bilden, insbesondere der septimale Dom7 (4:5:6:7) verschmilzt mit der Obertonreihe besser als ein maj7 (8:10:12:15). Also, wie definierst du Konsonanz bei einer Tonleiter?

Die Gründe für die Entwicklung des Dur-/Moll-Systems dürften wohl eher damit zusammenhängen, dass man von den Kirchentonleitern ausgegangen ist und die Terzen durch konsonantere ersetzt hat, nicht dadurch dass man alle Möglichkeiten mit 7 Tönen durchprobiert hat.

* Die Quinten sind dort quasi rein, die großen Terzen sind 2.3 Cent zu klein, die Naturseptime (angenähert durch #6) ist 3.2 Cent zu groß, alle sonstigen verminderten / übermäßigen Intervalle des ZM-Systems bilden gute Näherungen zu einfachen septimalen Intervallen. Die Intervalle zum Grundton sind (von kleinen Cent-Abweichungen abgesehen): b3- (7:6), 3\ (5:4), b5/- (7:5), 5 (3:2), b7- (7:4) maj7\ (15:8).

Hinter diesem Tonsystem steckt also eine gewisse Zwangsläufigkeit. Wird eine harmonische Mehrstimmigkeit angestrebt, so zeigen sich in der Folge die entsprechenden natürlichen Grundlagen. Dieses Streben selbst ist allerdings kulturell bedingt. Andere Kulturen hatten musikalisch andere Ziele.
Sicher, wenn man genügend Dinge voraussetzt (Oktavgleichheit, Heptatonik, Fokus auf Dreiklang, Bevorzugung von Konsonanz gegenüber Klangfarben, geeignete Definition der Konsonanz einer Tonleiter etc.), dann wird sich wohl zwangsläufig die Dur-Tonleiter ergeben.
 
HëllRÆZØR;4647580 schrieb:
Einen reinstimmigen Dur-Dreiklang empfinde ich als ruhig / entspannend, die Wirkung des Moll-Dreiklangs dagegen finde ich schwer zu fassen - er ist bunter, "undefinierter", ein wenig mystisch, und erweckt ein Gefühl der Neugier in mir.

Das kann ich gut nachvollziehen, und IMHO denken sehr sehr viele Musikhörer in der aktuellen Popularmusik so oder ähnlich: fast alle aktuellen R'n'B-Songs und Rap-Titel sowieso sind in Moll gehalten. Manchmal werden auch Kirchentonarten verwendet, dann aber die mit der Mollterz, vorzugsweise dorisch oder äolisch. In der Filmmusik sind sehr emotionale Stellen auch traditionell oft mit Mollthemen verknüpft.

Ich sehe da eine Art "Moll-Dominanz" in den Medien, ohne das direkt beweisen zu können. Aber gerade Belege dafür könnten bei der Ausgangsfrage von Lennart aufschlussreich sein, ob unsere Gesellschaft die Tongeschlechter gewohnheitsmäßig behandelt, oder ob es einen anthropologischen Grund für ihre Verwendung gibt.

Kleine Mod-Anmerkung: Grundlegende Diskussionen des Dur-/Moll-Systems wie Ableitung aus Obertonreihen, Konsonanzverhältnisse etc. waren von Lennart nicht gefragt und ich bitte darum, alles was nicht mit dem "Gewöhnungsaspekt" zu tun hat in einem separaten Thread zu diskutieren - danke.

Harald
 
Ich sehe da eine Art "Moll-Dominanz" in den Medien, ohne das direkt beweisen zu können. Aber gerade Belege dafür könnten bei der Ausgangsfrage von Lennart aufschlussreich sein, ob unsere Gesellschaft die Tongeschlechter gewohnheitsmäßig behandelt, oder ob es einen anthropologischen Grund für ihre Verwendung gibt.

Also das Argument "gewohnheitsmäßig" würde ja letzten Endes bedeuten, daß die Zuordnung Dur = fröhlich, Moll = traurig irgendwann rein zufällig getroffen wurde und dann nur noch "gewohnheitsmäßig" so weiter geführt wurde.

Das erscheint mir nicht plausibel. Ich denke viel mehr, daß die Zuordnung klare Gründe hatte (v.a. Dissonanzen in der Obertonreihe).

Die, zumindest gegenüber früher, relative "Moll-Dominanz" in der populären Musik sehe ich unter dem Aspekt, daß sich in den letzten Jahrzehnten die Stabilität von tonalen Zentren vermindert hat und sich auch hier die Dissonanz "emanzipiert" hat. Moll ist gegenüber Dur der dissonantere Akkord. Die Moll-Tonleiter ist auch weniger stabil als die Dur-Tonleiter, was man ja schon daran sieht, daß es verschiedene gibt: natürlich, harmonisch, melodisch (abgesehen von den Kirchentonarten).

Diese größere Instabilität und erhöhte Dissonanz des Molls kommt der heute harmonisch abwechslungreicheren und dissonanteren Musik entgegen. Dur wird heute durch die Septim, None und Tensions mehr als früher dissonanter gemacht, reines Dur wirkt oft naiv bis verlogen (z.B. "Ein bißchen Frieden", "Patrona Bavariae")

Viele Grüße

Klaus

P.S.: Antwort an HëllRÆZØR folgt über PM.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und noch ein weiterer Gedanke zum Thema:

kann Dur ohne Moll existieren? was natürlich auch umgekehrt gefragt werden muss.

In jedem Dur Akkord ist eine Durterz und eine Mollterz enthalten - und umgekehrt.

Bedingt nicht das Eine auch das Andere?

Im Mittelalter gab es 2 Dur Modi (Lydisch, Mixo) und 2 Moll Modi (Dorisch, Phrygisch).
 
Die Moll-Tonleiter ist auch weniger stabil als die Dur-Tonleiter, was man ja schon daran sieht, daß es verschiedene gibt: natürlich, harmonisch, melodisch (abgesehen von den Kirchentonarten).
Das mit der Instabilität würde ich auch so sehen, falls du damit meinst, dass der Tonika-Grundton im reinen Moll keine so starke tonale Schwerkraft besitzt, wie das bei Dur der Fall ist. Ich denke auch dieses Fehlen einer klaren tonalen Schwerkraft wirkt sich (neben anderen Faktoren) auf die stärkere Emotionalität von Moll aus, von "traurig" würde ich aber nicht direkt sprechen - insbesondere, wenn man z.B. einen m7 verwendet. Wer ein tonaleres Moll möchte, kann natürlich einen künstlichen Leitton hinzunehmen (Harmonisch / Melodisch Moll), allerdings denke ich - wie schon gesagt - dass die so entstehende verdurte Dominante in Moll mit ein Grund ist, warum man dieses oft als "traurig" bezeichnet.

Auf deine PM antworte ich noch, ich denke auch dass es besser ist, wenn wir diese Thematik außerhalb des aktuellen Threads besprechen.


@CUDO: Zwischen einem Dur-Dreiklang (z.B. C) und seinem Gegenklang (Em) besteht ein sehr konsonantes Verhältnis. Legt man abwechselnd große und kleine Terzen übereinander, so ergeben sich ineinander verschachtelte Dur- und Moll-Dreiklänge. Dur- und Moll-Dreiklang unterscheiden sich nur in einem Ton, und der Moll-Dreiklang lässt sich als "Dur-Dreilang abwärts" darstellen (große Terz und Quinte abwärts, statt aufwärts).

Dur- und Moll-Dreiklang sind sehr gut miteinander kompatibel, und sie sind sich relativ ähnlich, auch wenn es deutliche Unterschiede in Bezug auf die Obertonreihe gibt. Dur und Moll könnten unabhängig voneinander existieren, aber ich denke es ist durchaus kein Zufall, dass in Tonleitern einer der beiden Dreiklänge selten ohne den anderen vorkommt.
 
kann Dur ohne Moll existieren? was natürlich auch umgekehrt gefragt werden muss
In jedem Dur Akkord ist eine Durterz und eine Mollterz enthalten - und umgekehrt.
Schöne Überlegung, aber man geht ja jeweils vom Grundton des Akkordes/Dreiklangs aus, womit sich das ganze dann doch relativiert imho...

Im Mittelalter gab es 2 Dur Modi (Lydisch, Mixo) und 2 Moll Modi (Dorisch, Phrygisch).
die es auch heute noch gibt :great:
 
Im Mittelalter gab es 2 Dur Modi (Lydisch, Mixo) und 2 Moll Modi (Dorisch, Phrygisch).

Vom heutigen Standpunkt aus gesehen trifft das zu. Aber das ist wie mit den Doppeldominanten und Gegenklängen. Wir benutzen Wörter um etwas zu beschreiben, die es damals noch nicht gab.
Auch vergleichen wir die Modi mit den Tonarten. Das ist ja nichts falsches, da wir die Tonalität hier bei uns sehr gut kennen und ein Vergleich mit etwas uns sehr bekanntem hilft, die Modi zu verstehen.
Es kann auch gut sein, Bach und Mozart nach Funktionstheoretischen Gesichtspunkten zu analysieren.
ABER es kann auch nicht schaden, es nach historischen Gesichtspunkten zu betrachten. Für die Menschen im Mittelalter waren die Modi das einzige, dass sie kannten und für sie gab es auch keinen Vergleich mit der Tonalität, die sich ja erst in der Renaissance langsam entwickelte.
Genau kann man es nicht bestimmen, aber man geht natürlich von anderen Hörgewohnheiten aus. Die mittelalterliche Musik war durchaus linear geprägt, harmonisch wurde erst später gedacht, als es langsam zum Barock ging. "Sederunt Principes" von Perotin ist da als Hörtipp zu empfehlen.
De la motte behandelt es auch in seinem Kontrapunkt Buch.
 
Hier ein Lesetipp, wenns dann mal raus ist:
Helmut Well, Kompositorische Grundlagen im Wandel. Studien zur Veränderung des Tonalitätsbegriffs im 17. Jahrhundert am Beispiel der Musik für Tasteninstrumente (Habil.-Schrift Kiel 1999, Druck i. V.)
Er geht davon aus, dass die Dur-Moll-Tonalität im 17. Jh. etabliert wurde. Vorher gabs so eine Art Mischmasch zwischen Klausellehre und Modalität (jetzt hier seeeehr verkürzt zusammengefasst, er hats man mal bei zwei Bier erzählt).
Zur Modus-Diskussion: Das Schulwissen über Modi kann man sich am Besten in der "Musik in Geschichte und Gegenwart", Artikel "Modus" austreiben lassen. Kann ich sehr empfehlen, hat eine reinigende Wirkung ;)

Zu Dur fällt mir noch was ein: Das kommt ja von durus = hart. Und so wurde das Ding auch bei den Madrigalisten (Willaert, di Rore) auch für die Textunterstützung eingesetzt. Der harte Sextsprung wurde benutzt, wenn es um Verrat, Mord u.ä. ging. Die kleine Sexte, wenn der Text von Mitleid usw. handelte.
In Dufays geistlichen Madrigalen durfte die Dur-Terz bei Akkorden nur in der Mitte des Werkes auftreten, weil sie imperfekte Konsonanzen sind. Für die Enden der Stücke waren die 'hohlen' Quinten zuständig, weil sie perfekte Konsonanzen sind.) Die Mollterz war an solchen Stellen schlichtweg verboten (egal welcher Modus davor erklang). War also Dufay eher ein fröhlicher Mensch oder eher eine hohle Nuß? ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
..kann Dur ohne Moll existieren? was natürlich auch umgekehrt gefragt werden muss.

Insbesondere aus der Perspektive des Jazz-Musikers kann sich diese Frage stellen. Denn da wird normalerweise nicht mit Dreiklängen gearbeitet, sondern mit Vier- und Mehrfachklängen, die oft als Kombinationsklänge von Dur- und Moll-Dreiklängen aufgefaßt werden können.

Aus der Perspektive von Musik, die bei uns über Jahrhunderte populär ist, müßte man sich über die Frage wundern. Die beliebtesten Volkslieder waren laut Umfrage der GEMA 1987:

1. Stille Nacht
2. Guten Abend, gut' Nacht
3. Der Lindenbaum (Am Brunnen vor dem Tore)

Nach Fachleuten sind "Der Lindenbaum" und "Der Mond ist aufgegangen" die bekanntesten Volkslieder.

Alle diese Volkslieder kommen ohne Moll aus.

Moll kommt zwar auch in vielen Volksliedern vor, spielt meistens aber nur eine Nebenrolle. Die Tonart Moll wird noch seltener verwendet. Häufiger ist z.B. eine Ausweichung in eine weitere Dur-Tonart innerhalb eines Volkliedes.

In jedem Dur Akkord ist eine Durterz und eine Mollterz enthalten - und umgekehrt.

Die Mollterz ist im Dur-Akkord nicht enthalten. Eine kleine Terz ist nur dann eine Moll-Terz, wenn sie im Bezug zum Grundton eine kleine Terz darstellt.

Im Mittelalter gab es 2 Dur Modi (Lydisch, Mixo) und 2 Moll Modi (Dorisch, Phrygisch).

Richtig, nur kamen die Begriffe Dur und Moll erst mit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit auf. Die Kirchentonarten hingegen sind mit dem einstimmigen Gesang entstanden.

In den Zeiten des einstimmigen Gesangs gab es noch kein harmonisches (Akkord-)Verständnis und die verschiedenen Modi unterscheiden sich ja auch noch durch andere unterschiedliche Schritte. Da war der zweite Tonschritt zur Dur- oder Moll-Terz zunächst nichts besonderes.

Das änderte sich freilich, als Dreiklänge gebildet wurden. Da gab es nur zwei wohlklingende, die dann von Bedeutung waren: Dur und Moll

HëllRÆZØR;4655607 schrieb:
... der Moll-Dreiklang lässt sich als "Dur-Dreilang abwärts" darstellen (große Terz und Quinte abwärts, statt aufwärts).

Klar läßt sich das so darstellen, hat aber keine praktische Bedeutung, nur theoretische. Denn wir hören aufwärts und nicht abwärts. Hohe Töne sind oben, tiefe unten. Wie man sieht wird das in der Sprache schon ganz selbstverständlich abgebildet, aus guten Gründen. Und das Fundament ist nun einmal viel wichtiger als das, was darauf aufgebaut ist, wegen der Stabilität.

In diesem Zusammenhang interessant:

- Die große oder kleine Terz können wir bei einem Glissando nicht einwandfrei gegeneinander abzugrenzen.

- Auch die Einstimmung der "richtigen" Terz kann mitunter "Schwierigkeiten" machen:

Bei der Loango-Expedition in Zentralafrika (heutige Republik Kongo) wurde von den Forschern vor ca. 100 Jahren folgendes beobachtet:

Das Tongeschlecht scheint den Leuten gleichgültig zu sein. Deshalb kann man nicht gut sagen, Moll sei ein mißratenes Dur und umgekehrt. Der nämliche Satz erklingt stundenlang bald so, bald so...

Quelle
- Auch andere Forscher früher und sog. "primitiver" Musik beobachten regelmäßig, daß sich die Terz vielfach nicht als Dur oder Moll kategorisieren läßt.
z.B. Nettl, 1956; Sachs, C. and Kunst, J. (1962). In The wellsprings of music, ed. Kunst, J. The Hague: Marinus Nijhoff.

- Und was ist mit der Dur- bzw. Moll-Terz im Blues? Ein "Blue Note", zwischen der kleinen und der großen Terz.

M.E. kann man davon ausgehen, daß im einstimmigen Gesang die Terz nicht unbedingt genau festgelegt ist. Das wird erst dann wirklich relevant, wenn Mehrstimmigkeit bzw. Akkorde erklingen. Da ist man viel sensibler, was eine "Harmonie" oder "Disharmonie" anbelangt. Wohl erst da bekommen Dur und Moll eine wirkliche Bedeutung.

Viele Grüße

Klaus

P.S.: Sorry, hatte die letzten beiden Posts erst jetzt bemerkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach Fachleuten sind "Der Lindenbaum" und "Der Mond ist aufgegangen" die bekanntesten Volkslieder.

Alle diese Volkslieder kommen ohne Moll aus.

Also "Der Lindenbaum" kommt, zumindest in der Originalversion von Schubert, nicht ohne Moll aus...
Die Bearbeitung von Silcher, da muss ich dir Recht geben, steht nur in Dur.:great:
 
Hi Kevin1991,

es ging ja darum, daß die allermeisten Volkslieder ohne Moll auskommen. Und es ist Silchers Fassung, die zum Volkslied wurde.

Interessanterweise sind unter den wenigen von mir benannten Volkslieder zwei Lieder, die von Künstlern geschaffen wurden und noch nicht 200 Jahre alt sind (auch das Wiegenlied von Brahms ). Dachte schon, daß sich daran jemand stören könnte. Die vorher genannte Tatsache spricht m.E. für die "Bodenhaftung" der Künstler, ohne diese jetzt generell zur Allgemeinverständlichkeit verpflichten zu wollen.

Ein hohes künsterlisches Niveau schätze ich sehr und deshalb auch Schuberts Lieder im allgemeinen. Und eine Unverständlichkeit, bedingt durch ein sehr hohes künstlerisches Niveau, ist mir viel lieber als eine absichtliche willkürliche Verrätselung der Musik, wie sie manche Komponisten durchführen.

Viele Grüße

Klaus

,
 
Erst nach 1500, im Rahmen der Entwicklung einer mehrstimmigen Instrumentalmusik entstand das Dur-Moll-System aus den Kirchentonarten. Es ist für eine hoch entwicklete harmonische Mehrstimmigkeit sehr gut geeignet, Und genau durch diese zeichnet sich die Musik unseres Kulturkreises besonders aus.
Damit wären Leonin und Perotin raus, und Dufay, und der Fauxbourdon.
Ne, die Mehrstimmigkeit kommt locker ohne die Dur-Moll-Tonalität aus. Und gegen Aussage, dass man für eine hochentwickelte harmonische Mehrstimmigkeit sowas braucht, sprechen ca. 300 Jahre Musikgeschichte. Ich verweise nochmals auf den Literaturhinweis, da ist von 1700 die Rede.
Übrigens ist der Wiki-Quote einfach Unsinn, molle und durus gab es schon bei der Hexachord-Lehre. Und die ist ja für die sog. Kirchentonarten zuständig, die die Schüler immer noch lernen müssen und die man den Studis wieder austreiben muss. (Die Systematisierung der Kirchentonarten ist übrigens eine Erfindung von Gelehrten des 18. Jh., hat also mit Mittelalter nix mehr zu tun. Die MA-Forscher sprechen, wenns in die Analyse geht, eh nicht in den Termini.)
 
Damit wären Leonin und Perotin raus, und Dufay, und der Fauxbourdon.
Ne, die Mehrstimmigkeit kommt locker ohne die Dur-Moll-Tonalität aus. Und gegen Aussage, dass man für eine hochentwickelte harmonische Mehrstimmigkeit sowas braucht, sprechen ca. 300 Jahre Musikgeschichte. Ich verweise nochmals auf den Literaturhinweis, da ist von 1700 die Rede.
Übrigens ist der Wiki-Quote einfach Unsinn, molle und durus gab es schon bei der Hexachord-Lehre. Und die ist ja für die sog. Kirchentonarten zuständig, die die Schüler immer noch lernen müssen und die man den Studis wieder austreiben muss. (Die Systematisierung der Kirchentonarten ist übrigens eine Erfindung von Gelehrten des 18. Jh., hat also mit Mittelalter nix mehr zu tun. Die MA-Forscher sprechen, wenns in die Analyse geht, eh nicht in den Termini.)

Du gebrauchst leichtfertig das Wort "Unsinn" im Zusammenhang mit dem von mir früher angegebenen Wikipedia-Zitat. Wenn Du dem Link gefolgt wärst und den Artikel im Original gelesen hättest, wäre Dir wohl nicht entgangen, daß er genau auf die Hexachord-Lehre bezug nimmt:
Die Ausdrücke Dur und Moll entstammen dem Erscheinungsbild der verschiedenen Zeichen, die einst zur Unterscheidung der benachbarten Töne B und H vor die Notenköpfe gesetzt wurden. In den früheren Tonleitern (siehe Hexachorde) benötigte man, vom Ton G ausgehend, eine höhere Variante des Tones B (unser heutiges H) als dritte Stufe, während man, vom Ton F ausgehend, diesen höheren Ton als vierte Stufe vermeiden musste (siehe Tritonus) und stattdessen das tiefere B einsetzte. Zu diesem Zwecke notierte man vor den tieferen Ton B einen kleinen Buchstaben b mit rundem Bauch (b molle oder b rotundum), vor das höhere B einen Buchstaben b mit eckigem Bauch (b durum oder b quadratum), aus dem sich später ein H entwickelte. Die heutige Form der Versetzungszeichen (ein ♭ für den tieferen Ton, ein ♯ für den höheren) geht ebenfalls darauf zurück. Dem entsprechen auch die italienischen Bezeichnungen "bemolle" für das ♭-Vorzeichen und "bequadro" für das Auflösungszeichen.

Die Assoziation der Tongeschlechter mit Charakteristika wie "hart" (= Dur) und "weich" (= Moll) kam erst sehr viel später mit dem Verschwinden der Kirchentonarten und der Manifestation des Dur-Moll-Systems auf, hat sich aber in der Musiklehre verfestigt und wird selbst in etymologischen Wörterbüchern immer noch vertreten.

http://de.wikipedia.org/wiki/Dur#Etymologie
Weitere Deiner Aussagen sollten wohl unter dem Aspekt der Sinnhaftigkeit bzw. mangelnder Sorgfalt betrachtet werden.

Du führst Leonin, Perotin, Dufay und den Fauxbourdon an. Hierbei geht es um Vokalmusik. Ich sprach hingegen von der Instrumentalmusik.

Es hat auch niemand behauptet, daß eine Mehrstimmigkeit nur mit der Dur-Moll-Tonalität möglich wäre. Das muß also nicht nicht widerlegt werden. Die Aussage lautete vielmehr, daß letztere besonders gut für eine hochentwickelte harmonische Mehrstimmigkeit geeignet ist.

Mit der falschen Systematisierung der Kirchentonarten, wie sie heute verbreitet ist, hast Du allerdings recht. Das wurde auch von mir früher einmal erwähnt:
Außer diesem existiert noch ein zweites "pseudoklassisches System", dessen Ursprung spekulativer Natur ist. Es handelt sich um ein System, das jetzt Oktavskalen definiert, aus mißverstandener antiker Theorie.

Viele Grüße

Klaus
 

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