Moll und die Untertonreihe (etc.)

C
cvinos
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
26.01.12
Registriert
30.12.06
Beiträge
408
Kekse
760
Ich erstelle diesen neuen Thread, da hier ein Randthema angesprochen wurde, auf welches ich eingehen möchte, welches in der Diskussion aber wahrscheinlich den Rahmen des ursprünglichen Threads sprengen würde. Ich kopiere den relevanten Ausschnitt und verfasse anschließend eine Antwort.


Der Moll-Dreiklang ist nicht nur in der Untertonreihe enthalten, sondern er auch in der Obertonreihe: Obertöne neun, elf und vierzehn mit den Schwingungsverhältnissen 10:12 = 5:6 kl. Terz, 12:15 = 4:5 gr. Terz sowie 10:15 = 2:3 Quinte.

HëllRÆZØR schrieb:

Ja genau, das trifft aber auf jeden reinstimmigen Akkord zu, dass er sowohl in der Obertonreihe, als auch in der Untertonreihe irgendwo auftaucht (den Dur-Dreiklang könnte man z.B. in der Untertonreihe als 1/15:1/12:1/10 darstellen, Multiplikation mit 60 führt zur Obertondarstellung 4:5:6). Allerdings ist immer die Frage, inwiefern eine bestimmte Darstellung Sinn macht.


Die Interpretation des Moll-Dreiklangs als Teil der Obertonreihe (10:12:15) würde implizieren, dass es sich um einen maj7-Dreiklang ohne Grundton handelt. Diese Interpretation mag in manchen Fällen zutreffen (insbesondere als Tg = Tonika-Gegenklang), ist in der Regel aber m.M.n. einfach irreführend. Würde man bei einem Grundton (hier: F'') mit Obertonreihe die Töne rauswerfen, die keine Oktavierungen dieses Moll-Dreiklangs sind, so käme z.B. folgendes heraus: C A c a c' e'. Das klingt zwar hübsch, aber eher nach einem Fmaj7 ohne Grundton als nach einem eigenständigen Klang. Weiterhin stellt sich hier die Frage, warum man nicht den septimalen Moll-Dreiklang verwendet hat, wo er doch mit 6:7:9 (mit etwas tieferer kleiner Terz als der übliche Moll-Dreiklang) früher in der Obertonreihe auftaucht.


Der Harmonische Dualismus gibt die Antwort, dass dem Aufbau von Dur- und Moll-Dreiklängen unterschiedliche Prinzipien zugrunde liegen: Der Dur-Dreiklang wird als Teil einer Obertonreihe betrachtet, so dass man ihn (je nach Lage der Töne) fast wie einen einzigen Ton wahrnimmt. Der Moll-Dreiklang dagegen wird als Teil der Untertonreihe interpretiert - quasi eine Obertonreihe in umgekehrter Richtung. Während die Obertonreihe die Töne mit 1-, 2-, 3-, 4-, 5-facher Frequenz usw. der Grundfrequenz enthält, enthält die Untertonreihe die Töne mit 1-, 1/2-, 1/3-, 1/4-, 1/5- facher Frequenz eines Referenztons. Im Gegensatz zur Obertonreihe schwingen die Töne der Untertonreihe zwar nicht mit der Grundfrequenz eines Tones mit (oder nur leise, wenn man gewissen Quellen glauben darf), allerdings hat sie trotzdem eine wichtige akustische und historische Bedeutung: Die akustische Bedeutung ist die, dass jeder Ton der Untertonreihe den Referenzton als Oberton besitzt, wodurch sich Obertöne überlagern. Durch dieses Prinzip lassen sich also mehrere Töne so zu Akkorden zusammenfassen, dass es relativ wenig Schwebungen zwischen den Obertönen gibt, da sich viele Obertöne überlagern, statt chaotisch verstreut zu sein. Weniger Schwebungen bedeuten weniger Dissonanzen. Die historische Bedeutung liegt darin, dass sich durch äquidistante Teilung einer Saite oder Luftsäule der Anfang einer Untertonreihe erzeugen lässt: Teilt man eine Saite in n gleiche Teile, so haben die einzelnen Töne die n/n-, ... , n/5-, n/4-, n/3-, n/2-, n/1-fache Frequenz der Leersaite. Betrachtet man dabei den Ton mit der n-fachen Frequenz der Leersaite (den höchsten Ton) als Referenzton, so haben die Töne zu diesem das Verhältnis 1/1, 1/2, 1/3, 1/4, 1/5, ... , 1/n. Kurz gesagt: Teilt man eine Saite in n gleiche Teile ein, so ergibt sich vom höchsten Ton aus eine n-tönige Untertonreihe, und die Leersaite ist der n-te Ton dieser Reihe. Somit kommt man über einfache symmetrische Einteilung einer Saite / Luftsäule zur Untertonreihe, was die Bedeutung der Untertonreihe in einfachen Kulturen erklärt.

Der Moll-Dreiklang lässt sich als Akkord aus der Untertonreihe mit Verhältnis 1/6:1/5:1/4 ausdrücken, womit betont wird, dass alle Töne in relativ einfachem Verhältnis zum ersten gemeinsamen Oberton liegen, der 2 Oktaven über der Quinte liegt. Vom Aufbauprinzip her sind der Dur- und der Moll-Dreiklang nach dem harmonischen Dualismus also spiegelsymmetrisch in der Tonhöhe der Grundfrequenzen der Töne (Dur: große Terz und Quinte aufwärts, Moll: große Terz und Quinte abwärts). Das Obertonklangspektrum der Akkordtöne selbst wird dadurch natürlich nicht gespiegelt, weswegen die Symmetrie nicht absolut ist. ;)

Ein kleines Beispiel zu dieser Symmetrie: Ein Dur-Dreiklang ist besonders rein und harmonisch, wenn man ihn so spielt, wie er in der Obertonreihe vorkommt. Dazu kann man z.B. die Töne aus dem Anfang der Obertonreihe von C' betrachten, die Oktavierungen des Dur-Dreiklangs sind: C' C G c e g c'. Die spiegelsymmetrische Entsprechung in Moll: C' F' Ab' C F c c'. Klingt zwar sehr harmonisch, aber in der Klassik (Barock etc. eingeschlossen) hat man den Dreiklang dann doch lieber als Dur-Dreiklang mit kleiner Terz gespielt (C' C G c eb g c') - was will man auch mit zwei harmonischen Tongeschlechtern, wenn man ein fröhliches und ein trauriges haben kann? :D Weiterhin hat man auch die Subdominate in Moll nicht als dualistisches Gegestück zur Dominante in Dur erkannt, und statt dessen die Dominante in Moll verdurt (was wiederum die dualistische Entsprechung einer vermollten Subdominante in Dur ist, siehe Harmonisch Dur). Und auch der Dominantseptakkord auf der V. Stufe in Dur hätte in Moll seine dualistische Entsprechung als m7b5 auf der II. Stufe (ein Moll-Dreiklang mit kleiner Septime unter dem höchsten Ton). Nicht dass ich mich beschweren wollte - ich habe nichts gegen das mehr oder weniger dissonante Moll in barocken Orgelstücken, ganz im Gegenteil! Aber ich denke schon, dass man sich ein wenig einschränkt durch diese veralteten Ansichten, und interessante Möglichkeiten auslässt.
 
Eigenschaft
 
Zuletzt bearbeitet:
HëllRÆZØR, zunächst möchte ich auf deine Betrachtung des maj7 Dreiklangs in deinem zweiten Absatz eingehen und erstmal nur diese diskutieren. Du verwendest hier eine bestimmte Einschränkung, und zwar betrachtest du die Intervall-Kombinationen in der Obertonreihe in Bezug auf den Basiston der Obertonreihe. So betrachtet ist die Kombination aus Obertönen ein maj7 Dreiklang ohne den Grundton. Richtig. Ich möchte hier aber hinterfragen, warum du diesen Bezug zum Basiston der Obertonreihe verwendest.

Eine weniger einschränkende alternative Sichtweise, die mir vorschwebt, ist, die Intervallkombination als solche zu betrachten, losgelöst von einem tonalen Zentrum. Diese führt zu der Aussage 10:12:15 ist eine Intervallkombination, sozusagen ein Klangmuster, welches in der Obertonreihe vorkommt.
 
Hi cvinos,

gegen deine Aussage ist grundsätzlich nichts einzuwenden: Den Moll-Dreiklang kann man natürlich weitgehend neutral als Frequenzverhältnis 10:12:15 betrachten (wobei man mit dieser Darstellung allerdings sehr vorsichtig sein muss, da schon oft genug die falschen Schlüsse daraus gezogen wurden), und die Bemerkung, dass der Akkord in der Obertonreihe vorkommt, ist natürlich korrekt - wenn auch unterbrochen von anderen Obertönen, die dazwischen liegen.

Ich finde es allerdings schwierig, einen Akkord explizit als Teil einer Obertonreihe zu betrachten, und gleichzeitig den Bezug des Akkordes zum Grundton der Reihe zu ignorieren - deshalb mein Kommentar zu dieser Sichtweise. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich etwas unglücklich ausgedrückt habe:

Die Interpretation des Moll-Dreiklangs als Teil der Obertonreihe (10:12:15) würde implizieren, dass es sich um einen maj7-Dreiklang ohne Grundton handelt.
"Die Interpretation des Moll-Dreiklangs als Teil der Obertonreihe" impliziert zunächst einmal recht wenig, entschuldige. Worauf ich hier anspielen wollte war lediglich, dass man einen Moll-Dreiklang m.E.n. i.d.R. eher weniger als Teil einer Obertonreihe wahrnimmt, da man ihn sonst in Bezug auf den Grundton der Reihe hören würde. Ich dachte das war es, worauf du mit deiner Ergänzung hinaus wolltest, habe da aber scheinbar zu viel hinein interpretiert.
 
Ich finde es allerdings schwierig, einen Akkord explizit als Teil einer Obertonreihe zu betrachten, und gleichzeitig den Bezug des Akkordes zum Grundton der Reihe zu ignorieren

Das ist aber meines Erachtens nicht schwierig. Ich sehe momentan nicht, was dagegen sprechen sollte. Die Obertonreihe definiert eine Anzahl von Intervallen. Daraus bestimmte Intervalle auszusuchen ist mathematisch gesehen ein Auswahlprozess. Kombinationen von ausgesuchten Intervallen zu bilden (also Dur und Moll Dreiklang und andere) ist ebenfalls, auch mathematisch gesehen, vollkommen legitim und sozusagen etwas natürliches, eine Möglichkeit. Der Grundton der Obertonreihe spielt bei dieser Sichtweise zunächst überhaupt keine Rolle. Der Grundton hat keinen Einfluß auf die Beschaffenheit der Intervalle in der Obertonreihe.

(wobei man mit dieser Darstellung allerdings sehr vorsichtig sein muss, da schon oft genug die falschen Schlüsse daraus gezogen wurden)

Das ist genau das, was ich momentan versuche zu verstehen. Warum muss man dabei vorsichtig sein, welche Schlüsse werden oder wurden hier falsch gezogen, wen man den Grundton nicht mit einbezieht?
 
Das ist aber meines Erachtens nicht schwierig. Ich sehe momentan nicht, was dagegen sprechen sollte. Die Obertonreihe definiert eine Anzahl von Intervallen. Daraus bestimmte Intervalle auszusuchen ist mathematisch gesehen ein Auswahlprozess. Kombinationen von ausgesuchten Intervallen zu bilden (also Dur und Moll Dreiklang und andere) ist ebenfalls, auch mathematisch gesehen, vollkommen legitim und sozusagen etwas natürliches, eine Möglichkeit. Der Grundton der Obertonreihe spielt bei dieser Sichtweise zunächst überhaupt keine Rolle. Der Grundton hat keinen Einfluß auf die Beschaffenheit der Intervalle in der Obertonreihe.
Ah, ich glaube jetzt weiß ich warum wir aneinander vorbeireden - die Definition der Obertonreihe. Du definierst sie als Folge von Intervallen, ich verstehe darunter das akustische Phänomen, das dahinter steht, und i.d.R. auch wie der Mensch sie wahrnimmt. Ich schätze der Punkt wäre damit geklärt, oder?

Die Grund- bzw. Referenztöne von Ober- und Untertonreihe spielen allerdings auch mathematisch eine Rolle: Den Grundton einer Obertonreihe, in der ein Akkord vorkommt kann man als gemeinsamen Teiler der Töne dieses Akkordes betrachten. Der größte gemeinsame Teiler ist dabei bei akustischer Interpretation der am Ehesten wahrgenommene Grundton der möglichen Obertonreihen (bei 8:10:12 z.B. die 2, in gekürzter Darstellung immer die 1). Umgekehrt verhält es sich mit der Untertonreihe, wo es sich bei den möglichen Referenztönen um gemeinsame Vielfache aller Akkordtöne handelt, und bei dem nächstnäheren Referenzton um das kleinste gemeinsame Vielfache. Das kgV von 10:12:15 ist übrigens 60 - besser erkennbar als 1 in der Darstellung 1/6:1/5:1/4 (wo übrigens der ggT 1/60 wäre). Welche Bedeutung diese mathematischen Fakten (gT/ggT/gV/kgV) in der Musik selbst haben hängt natürlich von der akustischen Interpretation ab. ;)

Das ist genau das, was ich momentan versuche zu verstehen. Warum muss man dabei vorsichtig sein, welche Schlüsse werden oder wurden hier falsch gezogen, wen man den Grundton nicht mit einbezieht?
Ich spielte hier eher darauf an, dass man vorsichtig sein muss wenn man den Grundton mit einbezieht. Es wird oft damit argumentiert, dass der Moll-Dreiklang bedrückend wirke / komplexer sei als der Dur-Dreiklang etc., weil er später in der Obertonreihe auftaucht, womit man es sich ziehmlich einfach macht. Naja, aber du meintest ja dass du den Grundton sowieso nicht miteinbeziehst.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben