Moonspell / Extinct / 2015 / CD

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Acheron LV-426
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Genre: Dark Metal / Gothic Metal / Gothic Rock
Label: Napalm
10 Songs / 45:38 min.


Bevor ich nun gern das Album Titel für Titel besprechen möchte, noch einige Worte vorweg.
Die Portugiesen von Moonspell können mittlerweile auf über 20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken und haben während dieser Zeit einige genreprägende Alben geschrieben. Angefangen als rotziger Hybrid zwischen Blackmetal Mayhem'scher Prägung und orientalischen Einsprengseln, kam der Durchbruch mit den Alben "Wolfheart" und "Irreligious". Stilistisch entfernte man sich vom Blackmetal und wob folkige sowie gewisse elektronische Einflüsse in den Klang mit ein. Über die Jahre wandelte die Band dann immer wieder zwischen Gothic Rock, Black- und Deathmetal-Einflüssen und Industrialmetal-Avancen. Ein gewisser Hang zu orientalischen Klängen schwang von Anfang an mit und verlieh der Musik einen Hauch Exotik ohne dabei allerdings in den Kitsch abzurutschen.

Die Konstanten in der Musik von Moonspell sind von jeher der Wandel sowie eine besonders spannende Mischung aus Härte und Gefühl. Soweit zur Vorrede und nun zum eigentlichen Review!

Optik:
Fangen wir zunächst mit der Optik an. Ich beschränke mich hier auf die normale Jewel-Case Variante des Albums. Es gibt daneben verschiede Ltd. Edition-Versionen, mit Postern, Anhängern etc.
Als erstes sticht das Artwork ins Auge. Eine auf den ersten Blick verstümmelte Leiche sorgt für ein erstes mulmiges Bauchgefühl. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich allerdings eine gewisse Ästhetik des Morbiden: Was wie Verstümmelungen wirkt, wandelt sich bei näherer Betrachtung in Teile von Tieren, die gekonnt mit dem menschlichen Rumpf verschmolzen wurden. Tod und Gewalt im Bild greifen damit auf ästhetisch-intelligente Weise den Albumtitel auf.

Die Songs:

Breathe (Until We Are No More)
Der erste Titel des Albums startet recht ruhig mit einem halb-cleanen Gitarrenlauf dem sich noch ein Picking der Rhythmusgitarre und Synthflächen orientalischer Prägung anschließen. Doch schon nach den ersten paar Takten bricht ein kurzes Blastbeat- und Riffgewitter dazwischen. Es schließt sich, nur von dunklen Synthflächen untermalt, die Strophe an. Mit dieser Struktur geht es bis zur Bridge, die dann in einem Solo aus orientalischen Gitarrenläufen aufgeht und bis zum Ende des Songs dominiert. Sänger Fernando Ribeiro flüstert mit tiefer, dunkler, fast sinnlicher Stimme die Strophen. Im Refrain beisst dann der iberische Wolf growlnd zu und duelliert sich mit seinen Clean-singenden Bandkollegen.
Ein Song mit interessanten Breaks, guten Melodien, einer ordentlichen Portion orientalischer Magie und gelungenem Gesang! Ein passender Einstieg.

Extinct
Beim Titelsong des Albums werden dann gesanglich die Rollen getauscht. Frontwolf Fernando grunzt und schreit sich durch die Strophe und schmachtet im Refrain mit Fado-geschwängerter Melancholie den letzten Wunsch vorm drohenden Aussterben. Musikalisch untermalt ihn ein groovender Gitarrenmarsch in der Strophe dem sich im Refrain bombastische, aber dezente Synthteppiche hinzugesellen. Bei Extinct sticht das Solo besonders hervor. Technisch gibt es bei Saitenhexer Ricardo Amorim nix zu meckern – harmonisch schöne Melodiefolgen ohne übermäßiges Gefrickel und störende Effekte. Man lässt bei diesem Lied bewusst der Gitarre ihren Freiraum, bis auf das Schlagzeug ist im Grunde Ruhe.

Medusalem
Hier ist der Name Programm. Medusalem startet mit dem Gesang arabischer Sirenen (nicht die Geräte). Danach setzt das Strophenriff ein und legt ein solides Rockbrett vor. Die nachfolgende Bridge mit der namensgebenden Textzeile ist Orientalsound vom Feinsten. Der eigentliche Refrain ist ein hybrides Glanzstück aus Gothicrock und Bellydance-Sound. Den musikalischen Supergau liefern die Herren dann allerdings mit Bridge und Solo. Flüstert in ersterer noch eine Dame unter Gitarrengezupfe arabische Floskeln ins Mikro, so legt die Liedgitarre dann mit einem erstklassigen Hardrock-Tapping-Solo los, um im Finale nahtlos in eine schmissige Orientalmelodie überzugehen. Grandios! Gesanglich bleibt der Wolf bei Medusalem bei der Kreide und schmeichelt erneut mit seiner Stimme voll dunklem Esprit. Wahnsinn!

Domina
Domina nimmt nach dem recht flotten Vorgänger erst einmal etwas das Gas weg. Ein guter Midtempo-Song, der vorwiegend von einer sehr gelungenen Einzeltonmelodie zwischen den Strophen getragen wird. Im Solo lugt hier manchmal sogar Carlos Santana um die Ecke.

The Last Of Us
Dieser Song ist der mit Abstand eingängigste und gothrockigste Moonspell-Song der mir bisher untergekommen ist. Eine fast schon fröhliche, duale Melodielinie aus Gitarre und Keyboard/Klavier machen den Song zu einem wahnsinnigen Ohrwurm. Sind die bisherigen Titel von ihrer Struktur her zum Teil fast progressiv, läuft The Last Of Us überwiegend nach simplem Schema ab. Dabei aber so eingängig und trotzdem nicht kitschig oder popig zu sein, macht ihn zu etwas Großem. Textlich kratzen Moonspell hier allerdings schon ganz kräftig am Schmalzmetal à la HIM, zumindest könnten die Zeilen auch unglücklich verliebten Teenagern ein Trost sein.

Malignia
Mit Malignia bin ich auch nach vielen Hördurchgängen nicht richtig warm geworden. Der Titel bietet eine simple Strophe-Refrain-Struktur und überrascht leider auch nicht mit besonderen Ideen. Domierend bringt sich erneut der Synthesizer ein.

Funeral Bloom
Nach der kleinen Durststrecke geht es mit meinem zweiten Überfavoriten des Albums weiter. Intro und Strophe bestehen aus einem catchy Delay-Gitarren-Riff, welches im Refrain noch eine harmonische und bombastische Steigerung durch eine super Gitarrenmelodie bekommt. Gesanglich steht Mister Ribeiro hier erneut im Wettstreit mit sich selbst und Keift, Grunzt und singt sich die Seele aus dem Leib. Genial!

A Dying Breed
Mit A Dying Breed stellen Moonspell die Referenzen zum eigenen Schaffen am deutlichsten her. Von Aufbau, Struktur und Atmosphäre in der Schnittmenge von Alben wie „Darkness and Hope“ und „Irriligious“ angesiedelt, wird der Titel dominiert von Orchestrierung und Cleangesang. Besonders schön ist auch hier wieder das Solo: zweistimmig, harmonisch und mit dem nötigen Raum im Klanggefüge ausgestattet.

The Future is Dark
Im Grunde das wirkliche letzte Lied der Platte. Zum düsteren Text passend wird über weite Strecken sanft gesungen und nur mit leichter Hall-Clean-Gitarre und Synthflächen untermalt. Bei aller textlicher Melancholie, schimmert trotzdem ein gewisser Hoffnungsschimmer und Trost mit und wird musikalisch durch die gekonnte Mischung aus Melancholie, Stille und positiven Harmonien untermalt. Im Solo schaut dann auch Santana noch mal vorbei.

La Baphomet
Als Abschluss haben sich die Herren wohl im Varieté eingeschlossen oder bei Ray Bradburry‘s Gruselcircus einfangen lassen. Zumindest klingt der Titel genau so. Portugiesen singen bei düsterer minimalistischer Zirkusmusik auf französisch Texte von weiblichen Teufeln. Prädikat: Skurril!

Fazit:
Auch mit „Extinct“ führen Moonspell ihren Weg fort. Nachdem sie beim letzten Werk „Alpha Noir / Omega White“ die Gothicanleihen und den rohen Metal auf einem Doppelalbum splitteten, zelebriert „Extinct“ beide Schwerpunkte der Musik wieder vereint. Bei den vielen stilistischen Wandeln während der Bandkarriere, konnte ich den Alben jeder Phase immer etwas abgewinnen und sie gefielen mir alle auf ihre Art.
Wollte man allerdings aus dem Gesamtwerk gewisse all-time-classics herausziehen, muss „Extinct“ definitiv genannt werden. Es gelingt den Mannen aus Portugal all ihre Trademarks zu einem harmonischen und magischen Ganzen zu vereinen. Egal ob Keyboardflächen, orientalisch-exotische Melodie- und Rhythmuseinflüsse, melancholischer Gothrock, Blastbeatwalzen oder böses Gekeife; nichts wirkt unpassend, überflüssig oder als bloßes Mittel zum Zweck. Hier stimmt einfach alles.
Dabei ist die Produktion zeitgemäß und modern ohne dabei zu glatt und steril zu wirken.
Moonspells „Extinct“ kann ich jedem Freund härterer Rockmusik empfehlen. Wer daneben noch Interesse an Neuem abseits ausgetretener Pfade hat, der kann eigentlich nichts falsch machen. Zudem sollte man sich nicht vom Begriff Gothic abschrecken lassen – Moonspell haben zum Glück nichts mit dem Trallala-Metal der einschlägigen female-fronted-Gothicmetal-Bands gemein. Gothic verweits hier vielmehr auf eine bittersüße Melange aus bedrohlicher Düsternis und zeitloser Schönheit!

Als Punktwertung gebe ich 8,5 von 10 Punkten. Leider wirkt Malignia im Vergleich zum restlichen starken Material doch etwas farblos. Daneben sind die Melodien und die Symbiose aus düsterer Härter und melodischer Schönheit wunderbar gelungen, doch hier und da hätte es gern noch etwas mehr "Biss" sein können.

Soweit zu meiner Einschätzung des Albums und ich würde mich über Meinungen von Euch sehr freuen!
Grüße,
Ron
 
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