Singen üben - wie richtig?

  • Ersteller Silvieann
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Nichts für ungut und ich habe ja wirklich keine Ahnung von klassischen Männerstimmen, von daher kann es auch sein, dass ich mich irre: Aber ich finde es klingt für ein Klassikbeispiel zu sehr geknödelt.

Über den Unterschied zwischen Luciano Pavarotti und Tom Jones haben wir ja schon mal debattiert. Ich wills zwar nicht nochmal auftauen, aber warum Twang da jetzt den Unterschied machen soll, erschließt sich mir nicht, zumal Tom Jones viel stärker "twangt" als L. Pavarotti.
Da bei Männern die klassische Technik aber doch eine andere ist als für Frauen, wäre mal ein Beispiel mit Frauen angebracht. @Silvieann wenn du ein Beispiel kennst, das eher dem entspricht das du meinst, dann bitte her damit!
Auf die Schnelle habe ich zum Beispiel das gefunden - Les Berceaux (Fauré) von einer sagen wir mal Popsängerin:

Und von einer klassischen Sängerin:


Leider ist es nicht in der gleichen Tonart. Aber vielleicht kannst du anhand der Beispiele mal zeigen, auf welchen Unterschied du hinaus möchtest und Übungen suchst.
Was vielleicht auf den ersten "Blick" auffällt, ist dass die Popsängerin dünner klingt als die Sopranistin. Ganz besonders bei den ganz hohen Tönen merkt man das, dass die Popsängerin schon fast flötenartig tönt, während bei der Sopranistin man das Gefühl hat, dass sogar noch mehr Stimme rauskommt (..."qui leurent!" 1:17 gegen 1:14). Die Sopranistin singt natürlich auch mit mehr Vibrato. Und insgesamt artikuliert die Popsängerin die Worte heller und die Sopranistin runder. Wem fällt noch was auf?

Außerdem wär es interessant zu wissen, was deine GL zu der von dir geposteten Übung sagt, ob sie da wirklich auf messa di voce aus ist. Messa di voce wäre aber schon mal eines der Merkmale für Belcanto.
 
Keine Ahnung, ich hatte eigentlich fast eher Angst, dass es zu wenig geknödelt ist ;-)

Der Twang ist nach meinem Gefühl eben nicht der Unterschied. Ich twange in beiden Stilen gleich viel, ich dunkle nur mehr ab in der Klassik. Auch bei Pavarotti und Tom Jones habe ich den Eindruck, dass ihre Stimmen gleich stark klingeln, nur eben auf anderen Frequenzen.
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Wem fällt noch was auf?
In dem Beispiel twangt die Opernsängerin nach meinem Gehör ein ganzes Stück mehr, die Stimme "klingelt" mehr, die Contemporary-Sängerin singt vergleichsweise "schwach", fast schon ein weibliches Falsett mit deutlich schwächerem Stimmlippenschluss (also an der Stelle 1:17 | 1:14). Ich nehme mal an wenn es akustisch wäre, wäre da auch ein deutlicher Lautstärkenunterschied zwischen den beiden. Wären das Männerstimmen würde ich sagen, die Opernsängerin singt in der Kopfstimme und die Contemporary-Sängerin im Falsett. :D
 
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Ja, das merkt man leider.
 
Broeschies', ich glaube Dein Ohr ist einfach auf andere Feinheiten trainiert als die, die für einen sauberen klassischen Klang wichtig wären. Wie auch Vali empfinde ich die Hörprobe als stark geknödelt, was immer ein wenig nach "Pseudoklassik" klingt. Ich kann nachvollziehen, worauf Du hinaus willst, wenn es darum geht, dem Italienischen einen gewissen "Ring" (ich will es in dem Kontext nicht Twang nennen, weil das für mich zu klanglich vorbelastet ist) zu entlehnen, aber so wirklich funzt das noch nicht.

Abgesehen davon bringt all das meiner Meinung nach Silvieann leider nichts, denn diese Tipps sind wirklich nur auf männliche Stimmen anwendbar, da es hier um die Vollstimme geht. In einer klassischen weiblichen Stimme hat Twang eigentlich nichts verloren.

Valis Klangbeispiele empfinde ich als sehr anschaulich. Für mein persönliches Empfinden ist der Stimmbandschluss ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal - die Conti-Sängerin singt wesentlich behauchter und mit kleinerer Stimme, die Klassikerin singt zwar in der Randstimme, aber eben "mit Substanz". Das ist auch eine Frage der Stütze.
 
Jetzt habe ich grad zwei Minuten zum Reinhören in broeschies Beispiel gefunden.

Aber ich finde es klingt für ein Klassikbeispiel zu sehr geknödelt.

Wenn der Twang draussen wäre, einige Vokale offener gehalten würden (schenket mir Weisheit statt schönket mür Woishoit etc.) und dabei aber Vordersitz und Gähnstellung beibehalten würden, könnte es vielleicht tatsächlich klappen. Müsste man vor Ort schauen. Die Stimme an sich ist ja schon wirklich schön, da könnte man was draus machen.

@broeschies Wie kommst Du drauf, dass die Italiener twangen?! M.W. zeichnen die sich gerade durch offene Vokale aus. Das macht italienische Lieder ja so leicht zu singen :)
 
Broeschies', ich glaube Dein Ohr ist einfach auf andere Feinheiten trainiert als die, die für einen sauberen klassischen Klang wichtig wären. Wie auch Vali empfinde ich die Hörprobe als stark geknödelt, was immer ein wenig nach "Pseudoklassik" klingt. Ich kann nachvollziehen, worauf Du hinaus willst, wenn es darum geht, dem Italienischen einen gewissen "Ring" (ich will es in dem Kontext nicht Twang nennen, weil das für mich zu klanglich vorbelastet ist) zu entlehnen, aber so wirklich funzt das noch nicht.

Abgesehen davon bringt all das meiner Meinung nach Silvieann leider nichts, denn diese Tipps sind wirklich nur auf männliche Stimmen anwendbar, da es hier um die Vollstimme geht. In einer klassischen weiblichen Stimme hat Twang eigentlich nichts verloren.

Valis Klangbeispiele empfinde ich als sehr anschaulich. Für mein persönliches Empfinden ist der Stimmbandschluss ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal - die Conti-Sängerin singt wesentlich behauchter und mit kleinerer Stimme, die Klassikerin singt zwar in der Randstimme, aber eben "mit Substanz". Das ist auch eine Frage der Stütze.
Ich würde mir sicher nicht anmaßen zu behaupten, dass ich einen "richtigen" klassischen Klang erzeugen kann, dafür übe ich das sicherlich auch zu wenig. Es ging mir ja um das Prinzip und die Frage war ja explizit nach "was hat euch geholfen". Basselch hat ja auch schon darauf hingewiesen, dass ganz allgemein die Übertragbarkeit nicht unbedingt gegeben ist.

Es geht mir um das Prinzip, dass dieser klassische "larger than life" Klang eben durch vorsichtiges Öffnen aus einer kleinen, fokussierten, klingelnden Stimme erzeugt werden kann. So hat es mir ein klassischer GL aus dem TMV Forum erklärt und das hat mir sehr dabei geholfen zu verstehen wie diese Klangformung zustande kommt. Ob man jetzt den Begriff "Ring", "NG-Klingeln" oder was auch immer verwendet. Es ist eine Qualität, die ich durchaus auch bei weiblichen Stimmen höre, die aber dort eben nicht so stark ist, dass sie als "Sängerformant" messbar wäre.

Dieser GL nennt das Prinzip "riding the ring", verwendet aber auch den Twang-Begriff, obwohl er aus der Klassik-Welt kommt. Das heißt der Primärfokus liegt auf dem Klingeln und "darum herum" wird der Klang vorsichtig vergrößert. Dabei kommt es natürlich auf Balance an, um den genauen Ton zu treffen. Die ist natürlich Übungssache und bei mir sicherlich nicht im richtigen "Spot". Wie gesagt, es ging mir nur darum das Prinzip zu erklären und nicht einen komplett richtigien klassischen Klang zu demonstrieren. Den kann man sich ja bei den Profis anhören.

@broeschies Wie kommst Du drauf, dass die Italiener twangen?! M.W. zeichnen die sich gerade durch offene Vokale aus. Das macht italienische Lieder ja so leicht zu singen :)
Ja genau, die italienischen Vokale sind tendenziell offener und offene Vokale haben einen stärkeren natürlichen Twang. Die stark geschlossenen Vokale wie das deutsche lange U und das lange I gibt es im italienischen praktisch nicht. Beide werden im Italienischen offener ausgesprochen, aus deutscher Sicht werden sie gesprochen wie die "kurzen" Vokale I und U.

Die Vokale mit dem stärksten Twang sind das italenische I (wie in "Pizza" italienisch ausgesprochen) und das italienische E (wie in "Pesto" eben). Aber auch die anderen drei Vokale sind deutlich "twangiger" als ihre deutschen Kollegen.

Eine andere Übung, die ich noch kenne, um diesen Effekt zu erzielen ist das sog. "Cuperto". Dabei macht man den Mund klein wie bei einem geschlossenen Vokal, meistens U und singt "innen" aber einen offenen Vokal, meistens ein offenes O. Wenn man ein offenes O durch die Mundstellung eines U singt, geht die Zunge innen drin genau in die "Twang-Position" mit der Zungenspitze vorne unten und dem Zungenrücken sehr nah an den oberen Backenzähnen.

Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass "offen vs. geschlossen" manchmal unterschiedlich definiert wird, deshalb bin ich nicht ganz sicher, ob du das gleiche meinst wie ich mit "offen". Für mich ist das v.a. die Mundöffnung, d.h. A und Ä sind z.B. offen, U und I sind geschlossen. Es gibt aber auch Leute, die mit "offen" den "hinteren Raum" meinen und da ist es praktisch genau umgekehrt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aber vielleicht kannst du anhand der Beispiele mal zeigen, auf welchen Unterschied du hinaus möchtest und Übungen suchst.
Ich möchte da gar nicht auf einen Unterschied bei diesen beiden Stimmproben hinaus. Die beiden haben unterschiedliche Stimmen und klingen unterschiedlich. Die eine singt luftiger (vielleicht auch gewollt, weil sie das als schön empfindet) als die andere.
Ich suche eher Übungen für's Singen allgemein, zur Stabilisierung der Stimme und der zugehörigen Muskulatur, insbesondere der entsprechenden Kehlkopfmuskulatur.
 
Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass "offen vs. geschlossen" manchmal unterschiedlich definiert wird, deshalb bin ich nicht ganz sicher, ob du das gleiche meinst wie ich mit "offen". Für mich ist das v.a. die Mundöffnung, d.h. A und Ä sind z.B. offen, U und I sind geschlossen. Es gibt aber auch Leute, die mit "offen" den "hinteren Raum" meinen und da ist es praktisch genau umgekehrt.
Irgendwie habe ich auch den Eindruck, wir haben da unterschiedliche Definitionen. Aber das über das Internet klären geht finde ich nun wirklich nicht gut.
 
Ok, verstehe. Dann ist das tatsächlich sehr sehr allgemein. Das ist fast so, als würde man sagen man interessiert sich für Physik und könnt ihr mir Formeln empfehlen oder eure Lieblingsformeln posten mit denen man ein guter Physiker werden kann. Erst mal helfen Formeln/Übungen für sich alleinstehend nichts und das Thema ist zu weit gefasst. Nicht umsonst ist Physik/Klassischer Gesang auch ein Studienfach. Nicht umsonst gibt es ganze Bibliotheksregale und halt ein ganzes Forum zu dem Thema und nicht umsonst dauert ein Werdegang Jahre. Das alles niederzuschreiben würde das Thema sprengen. Ich habe über die langen Jahre die ich schon singe auch keine Top10 Übungen, die ausschlaggebend waren. Das hat alles ineinander gespielt und viele weitere Faktoren haben eine wichtige Rolle gespielt (z.B. Vorbildung, Praxis, Lust und Fleiß, Inspirationen usw.).

Wenn ich versuchen sollte allgemein zu antworten auf jemanden der das zum Beispiel beruflich machen will, kann ich auch nur so allgemein bekanntes sagen wie "Such dir nen guten Lehrer der dich aufs Studium vorbereitet, hör auf ihn bzw. experimentier vorsichtig und in Rücksprache, üb und lern fleißig, sammel Praxiserfahrung, lern ein Instrument (bzw. Klavier), knüpfe Kontakte und vor allem hab Spaß"

Ansonsten was ich an Übungen empfehlen kann die absolut basic sind, sind die für Stütze: https://www.musiker-board.de/threads/atmung-und-stütze.238361/
Aber auch die sind je nach Schule umstritten und wahrscheinlich kennst du als Gesangsschüler eh schon welche, die dir sogar demonstriert wurden und korrigiert wurden.
 
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Irgendwie habe ich auch den Eindruck, wir haben da unterschiedliche Definitionen. Aber das über das Internet klären geht finde ich nun wirklich nicht gut.
Ja, und genau aus diesem Grund verenne ich mich auch immer wieder in physiologische Definitionen. Das ist nunmal der Nachteil bei so einem Forum :D. In der Phonetik gibt es halt dieses Vokaltrapez, in dem die Vokale in den Dimensionen offen bis geschlossen und vorne bis hinten einsortiert werden, aber ich hatte schon immer irgendwie den Eindruck, dass z.B. "Vordersitz" beim Singen anders aufgefasst wird als in der Phonetik, genauso ist es mit "offen" und "geschlossen".
 
Ja genau, die italienischen Vokale sind tendenziell offener und offene Vokale haben einen stärkeren natürlichen Twang. Die stark geschlossenen Vokale wie das deutsche lange U und das lange I gibt es im italienischen praktisch nicht. Beide werden im Italienischen offener ausgesprochen, aus deutscher Sicht werden sie gesprochen wie die "kurzen" Vokale I und U.

Die Vokale mit dem stärksten Twang sind das italenische I (wie in "Pizza" italienisch ausgesprochen) und das italienische E (wie in "Pesto" eben). Aber auch die anderen drei Vokale sind deutlich "twangiger" als ihre deutschen Kollegen.

Ich hab zwar nicht den ganzen Thread verfolgt, aber eines wundert mich doch etwas, warum sollte man versuchen den italienischen Akzent beim Singen von Klassik nachzuahmen?
Oder hab ich da was falsch verstanden?

Eigentlich finde ich es immer problematisch zu versuchen beim Singen etwas oder jemand nachzuahmen.

Z.B. singt auch Jonas Kaufmann auf italienisch Klassik, aber ahmt der dabei den Akzent nach?
Mein Lieblingstenor ist momentan Fritz Wunderlich, wegen seinem klaren und strahlenden Klang, der sehr viel Klassik auf deutsch gesungen hat, teils aber auch auf italienisch.

@broeschies
Ich finde zwar, daß Du das sehr gut hinbekommst, aber das mit dem Twang verstehe ich noch nicht so richtig. Selbst mein Gesangslehrer, der ja Klassiker ist, konnte mit dem Begriff Twang (oder ich hab ihn falsch ausgesprochen) nichts anfangen bzw. ihn mir nicht erklären.

Gruß
Tim
 
Ich finde zwar, daß Du das sehr gut hinbekommst, aber das mit dem Twang verstehe ich noch nicht so richtig. Selbst mein Gesangslehrer, der ja Klassiker ist, konnte mit dem Begriff Twang (oder ich hab ihn falsch ausgesprochen) nichts anfangen bzw. ihn mir nicht erklären.
Twang ist ein bestimmter Oberton in der Stimme, der wahlweise als "schneidend", "scheppernd", "schnarrend" oder "klingelnd" oder "penetrant" aufgefasst wird. Der Klangeindruck ändert sich je nach Stellung des Kehlkopfes. In der Klassik wird dazu oft einfach nur "Klingeln" manchmal "NG-Klingeln" oder "Squillo" gesagt. Pavarotti vergleicht den Oberton wie schon beschrieben mit dem "blechernen" Klang einer Trompete. Auch im amerikanischen Musical sagt man dazu oft "brassy" (= blechern oder blechbläserartig).

In Kombination mit dem klassisch typischen tiefen Kehlkopf erzeugt dieser Oberton den sog. "Sängerformanten", der die Stimme nochmal besonders stark "klingeln" lässt v.a. im Bereich des Passaggio. In diesem Clip hört man sehr gut wie sich der Oberton in etwa anhört, etwa in der Mitte des Clips fängt die Stimme richtig an zu "klingeln" oder "scheppern".
http://www.ncvs.org/ncvs/tutorials/voiceprod/movies/ringfrm.mov

In der Klassik klingt das natürlich alles etwas dunkler. Frag deinen Lehrer einfach mal nach "Ring", "Klingeln" oder "Sängerformant".
 
In der Klassik klingt das natürlich alles etwas dunkler. Frag deinen Lehrer einfach mal nach "Ring", "Klingeln" oder "Sängerformant".

Nach Sängerformant habe ich ihn schon gefragt, den konnte er mir schon sehr gut erklären und auch sehr anschaulich vorsingen.
Allerdings bin ich absolut nicht sicher, ob ich das schon habe bzw. kann.
 
Nach Sängerformant habe ich ihn schon gefragt, den konnte er mir schon sehr gut erklären und auch sehr anschaulich vorsingen.
Allerdings bin ich absolut nicht sicher, ob ich das schon habe bzw. kann.
Sängerformant ist im Grunde = Twang + tiefer Kehlkopf, wobei der Kehlkopf nichtmal so tief sein muss wie in der Klassik, auch Musical-Sänger erzeugen z.B. diesen Formanten. Ich übe das halt getrennt, erst ein möglichst starker Twang, und dann darum herum den Kehlkopf senken. Es gibt aber natürlich noch viele andere Übungen. Eine, die ich oft sehe ist, auf NG zu summen (wie im Wort "Gong") und zu versuchen einen möglichst starken "buzz" zu erzeugen, ohne dabei den Atemdruck zu erhöhen. Danach öffnet man in eine Gähnstellung. Das Prinzip ist im Grunde das gleiche.
 
Das mit dem NG haben wir im Unterricht schonmal gemacht, aber ich glaub nur einmal bisher.

Zum Thema Kehlkopfstellung hab ich noch eine andere Frage:
Stimmt es, daß man den Kehlkopf beim Singen nicht runterdrücken sollte, also nie tiefer als in der "Normalstellung" (wie er von Natur aus sitzt)? Oder ist das völliger Unsinn?
 
Das mit dem NG haben wir im Unterricht schonmal gemacht, aber ich glaub nur einmal bisher.

Zum Thema Kehlkopfstellung hab ich noch eine andere Frage:
Stimmt es, daß man den Kehlkopf beim Singen nicht runterdrücken sollte, also nie tiefer als in der "Normalstellung" (wie er von Natur aus sitzt)? Oder ist das völliger Unsinn?
Definiere "Normalstellung" :D

Es gibt Muskeln, die den Kehlkopf auf natürliche Weise heben und senken. Was man nicht machen sollte ist, mit anderen Muskeln, die nicht dafür gedacht sind, den Kehlkopf zu bewegen. Sehr beliebt ist z.B. der Zungengrund, der den Kehlkopf nach unten drücken kann, oder die Muskeln unter dem Kinn (mit denen man den Unterkiefer vorstreckt), die ihn nach oben ziehen können.

Alles, was man mit den Muskeln macht, die dafür gedacht sind, ist erstmal erlaubt. Allerdings ist es so, dass der Kehlkopf von Natur aus mit der Tonhöhe steigt. Wenn man also von "tiefer Kehlkopf" spricht, ist das in der Regel relativ gemeint. Auf der gleichen Tonhöhe ist der Kehlkopf bei einem Klassiker tiefer als bei einem Belter, aber auch bei einem Klassiker steigt er mit der Höhe.

Der entscheidende Mechanismus (sowohl im Conti-Bereich als auch bei den Klassikern) ist, dass man den Kehlkopf kontrolliert (!) steigen lässt. Dafür benutzt man die Muskeln die den Kehlkopf heben bzw. senken in einer Art Antagonismus.

Ich vergleiche das gerne mit dem Unterarm. Wenn du den Unterarm im rechten Winkel zum Oberarm hältst, dann hat er die natürliche Tendenz runterzufallen (also umgekehrt wie beim Kehlkopf, der steigt). Wenn du den Bizeps angespannt hältst, verhinderst du das er runterfällt. Wenn du nun den Bizeps langsam abspannst, fällt der Arm nicht direkt runter, sondern geht eher kontrolliert runter. Der Bizeps entspricht dabei dem Kehlkopf-Senker (wie gesagt alles ist umgekehrt). Das heißt, zunächst mal reicht der Senker aus, um eine gewisse Kontrolle zu erhalten.

Diesen Mechanismus kannst du beim Kehlkopf folgendermaßen ausprobieren:
- Du lässt den Kiefer locker fallen, wie wenn dir sprichwörtlich "die Kinnlade runterfällt"
- Halte deinen Finger locker auf den Adamsapfel
- Nimm einen tiefen Atemzug und spüre mit dem Finger, wie sich dein Kehlkopf locker und entspannt senkt
- Jetzt setzt du aus dieser Position ein ganz lockeres Glissando auf HA an, wie einen Seufzer, dabei merkst du wie der Kehlkopf langsam zur Höhe hin hochgeht

Man könnte jetzt meinen, dass man sozusagen "fertig" ist mit der Kontrolle über den Kehlkopfsenker. Aber es gibt ein Problem: Dadurch, dass du den Kehlkopfsenker zur Höhe hin komplett abspannst, bist du in der Höhe sozusagen "spannungslos", der Kehlkopf hat keine Stabilität. Der hohe Ton ist im Falsett und wenn du versuchst die Lautstärke zu erhöhen über mehr Atemdruck, schießt dir der Kehlkopf unters Kinn, weil er ja spannungslos ist.

Wenn wir jetzt zurückgehen, zum Beispiel mit dem Unterarm, gibt es eine andere Möglichkeit den Arm kontrolliert zu senken, und zwar nicht, indem du den Bizeps abspannst, sondern, indem du den Trizeps anspannst. Dadurch kannst du ebenfalls den Arm kontrolliert senken, aber wenn du unten angekommen bist, sind sowohl Bizeps als auch Trizeps angespannt, und der Arm kann nicht so leicht aus seiner Position "geschossen" werden, er ist viel stabiler.

Dem Trizeps entspricht bezogen auf den Kehlkopf der Twang-Mechanismus. Dieser Mechanismus zieht den Kehlkopf auf natürliche Weise nach oben. Den Twang-Mechanismus kannst du folgendermaßen ausprobieren:
- Halte bei entspannt geschlossenem Mund wieder deinen Finger an den Kehlkopf
- Jetzt schluckst du und fühlst wie dein Kehlkopf beim Schlucken nach oben geht
- Was du beim Schlucken auch merkst ist, dass dein Zungenrücken nach oben ans Gaumensegel geht wie bei der NG-Position, das ist der Trigger für den Twang-Mechanismus
- Jetzt schluckst du nochmal und versuchst dabei die Zunge in dieser Position zu behalten, so dass sie auch nach dem Schlucken noch so liegt
- Du wirst fühlen, dass der Kehlkopf dann auch nach dem Schlucken in einer leicht erhöhten Position verharrt
- Jetzt summst du ein Glissando auf NG mit der Vorstellung, dass die Resonanz deine Rachenwand runterläuft in die Speiseröhre, wie beim Schlucken eben

Bei diesem Glissando wirst du feststellen, dass die Stimme sehr stark "summt" und wenn du in einen Vokal öffnest hast du eine viel höhere Lautstärke bei diesem Glissando als auf dem Seufzen von vorher. Allerdings ist die Klangfarbe sehr hell und schneidend, ggf. sogar unangenehm penetrant (vom Höreindruck, nicht vom Körpergefühl, das muss immer angenehm bleiben).

Der Trick warum das mit dem hohen Kehlkopf überhaupt funktioniert ist, im Beispiel mit dem Arm, das wir schlichtweg schon mit dem Arm in der untersten Position anfangen (= Kehlkopf in oberster Position), dadurch kriegen wir kein Problem mit der Stabilität. Da der Klang aber i.d.R. nicht zufriedenstellend ist, reicht auch ein alleiniges Singen mit dieser Muskulatur nicht aus.

Das Ziel ist also in jedem Fall, eine Balance zwischen diesen beiden Mechanismen zu finden. Und dieses Ziel teilen Klassiker und Conti-Sänger gleichermaßen. Der Unterschied ist eben, dass die Klassiker diese Balance etwas nach unten verschieben, aber die Verwendung beider Muskelgruppen im Antagonismus müssen sie trotzdem lernen. Man kann dabei aus beiden Richtungen starten. Entweder mit der "Seufzer-Stellung" oder mit der "Twang-Stellung" und dann jeweils das andere Element hinzufügen. Bei beiden Optionen gibt es pro und contra und individuell kann einem die eine oder andere mehr liegen.

Viele GLs und Systeme benutzen auch einfach beide Ansätze und trainieren das abwechselnd. Bei SLS z.B. wird abwechselnd zwischen "mom mom mom" (was einen tiefen Kehlkopf begünstigt) und "näi näi näi" (was einen hohen Kehlkopf begünstigt) gewechselt und man hofft, dass er sich "in der Mitte" einpendelt. Bei SLS wird generell tendenziell ein "neutraler Kehlkopf" gelehrt, also eine Stellung zwischen der höchst- und tiefstmöglichen. Bei Rock/Metal-fokussierten Programmen ist der Kehlkopf eher "medium high", also zwischen der mittleren und höchsten Position, bei Klassik eher "medium low" also zwischen der mittleren und tiefsten Position, manchmal sogar in der tiefsten. Aber das sind alles nur unterschiedliche Positionen auf der gleichen "Balance-Achse".

Ich finde dieses Video illustriert sehr gut, wie viel Spielraum man hat mit der Larynxhöhe. So wie hier wird manchmal "grob" in 5 Höheneinstellungen unterteilt, aber natürlich ist das ein Kontinuum.



Hier ist noch ein ähnliches, auch interessant vor dem Hintergrund Klassik vs. Contemporary. Zudem wird der Zusammenhang mit dem Stimmlippenschluss erläutert, auch ein Grund warum es wichtig ist, beides zu balancieren.
 
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Hallo,

Zum Thema Kehlkopfstellung hab ich noch eine andere Frage:
Stimmt es, daß man den Kehlkopf beim Singen nicht runterdrücken sollte, also nie tiefer als in der "Normalstellung" (wie er von Natur aus sitzt)? Oder ist das völliger Unsinn?

...kurze Antwort: Im Prinzip ist alles, was mit "drücken" beim Singen zu tun hat, verkehrt. Laß die Finger vom Kehlkopf, bildlich gesprochen. Das vielstrapazierte Bild vom "Gähnen" bzw. "Gähn-Gefühl" paßt da gut, einfach alles geschehen lassen.

Ich habe übrigens im Unterricht noch NIE irgendwelche Übungen gemacht, bei denen mir bewußt 'rübergebracht würde "Damit kriegst Du Deinen Kehlkopf in die richtige Stellung". Ganz im Gegenteil... eher die Ermahnung "Laß die Kraft aus dem Hals, nicht versuchen, irgendwas mit der Kehle zu machen!" Auf Fehler erfolgte natürlich der Hinweis... ;) - und ich bin eigentlich all die Jahre gut damit gefahren, mir keine besonderen Gedanken darüber zu machen, wo sich mein Kehlkopf 'rumtreibt :D.

Viele Grüße
Klaus
 
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Hallo,

was mir bei dem ganzen Erklärungen und Videos zur Kehlkopfstellung aber noch nicht einleuchtet ist, daß man anscheinend mit tieferer Kehlkopfposition auch höhere Töne singen kann als mit höherer?
Oder anders ausgedrückt, daß anscheinend die Stellung des Kehlkopfes alleine nicht mit der Tonhöhe gleichzusetzen ist, oder hab ich das falsch verstanden?

Bis jetzt dachte ich nämlich immer, desto höher der Ton, desto höher geht automatisch auch der Kehlkopf.
Zum Thema Klassik mit tieferem Kehlkopf, das trifft doch aber sicher nicht auf Countertenöre zu, denn da hab ich schon Videos gesehen, wo der Kehlkopf sehr weit oben stand, sah sehr anstrengend aus.

...kurze Antwort: Im Prinzip ist alles, was mit "drücken" beim Singen zu tun hat, verkehrt.

Allerdings stelle ich fest, daß ich mehr Atemdruck brauche um einen klassikähnlichen Klang zu erzeugen, dann kommt auch wie von selbst oft ein Vibrato zustande und die Lautstärke nimmt deutlich zu, ich meine dann kommt erst der Sängerformant ins Spiel.
Die Folge ist, daß ich dann durch den höheren Atemdruck und mehr Luftdurchsatz hohe Töne in einem tieferen Register singen kann, also z.B. ein G4, A4, B4 in der Bruststimme, statt in der Kopfstimme oder Mischstimme.
Wenn ich diese hohen Töne in der Bruststimme singe merke ich aber, daß die Bauchmuskulatur deutlich angespannt, allerdings nicht verkrampft ist.

Gruß
Tim
 

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