Warum denken wir eher in Dur?

Dann gehe ich mal davon aus, daß es Satire war. Als solche ist sie nicht zum Schenkelklopfen, aber immerhin besser als jede verknitterte Ernsthaftigkeit. Und die Formulierung: "... es gilt, sich der großen Gefahren bewußt zu werden, denen vor allem die sogenannte westliche Wertegemeinsachaft durch ein zügellos demonstriertes Dur ausgesetzt ist" [Komma- und Tippfehler stillschweigend korrigiert], hat genügend Absurdes, um als Satire durchzugehen. Aber man weiß ja nie: manchmal meint jemand so etwas ja auch ernst, und dann kommt die Satire der Realität einfach nicht mehr hinterher.
 
Mancher philosophiert und spekuliert halt gern.
Ja und das Spekulieren kennt praktisch keine Grenzen. Niemand hindert einen daran und das menschliche Gehirn kann sich immer noch mehr ausdenken und dann vielleicht noch als "Lehre" oder sonstwas verkaufen.

Ich finde, das zeigt, wie wichtig das Studium der Natur ist. Für die einen Schöpfung eines Allwissenden Geistes für die anderen eine Entwicklung, die in Milliarden von Jahren die heutigen Strukturen hervorgebracht hat.

Jedenfalls lohnt es sich auch in der Musik, die natürlichen Gegebenheiten zu studieren und zu beachten. Dies kann Ordnung in die "Gedankenbahnen" bringen:

Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.

Goethe, Faust I
Das "Collegium Logicum" in der Musik könnten die Universalien sein. Auszüge aus der Referenz:

Ohne Oktavidentität hätte jeder Ton im gesamten Hörbereich einen eigenen Toncharakter, was eine enorme Komplexität bedeutet hätte. Aber durch die Oktavidentität muss unser Gehirn lediglich so viele Töne identifizieren, wie innerhalb einer Oktave vorkommen.
...
In den meisten Kulturen kommen neben der Oktave auch Quinte und Quarte vor. Anscheinend neigt das Gehirn eher zu diesen Kategorien, denn Kombinationen von Tönen, deren Frequenzverhältnisse durch kleine ganze Zahlen gegeben sind...
Dieses legen auch Experimente nahe, in denen Kinder und Erwachsene Tonfolgen besser behalten konnten, deren Töne in kleinzahligen Frequenzverhältnissen standen, also beispielsweise besser Tonfolgen mit Quinte und Quarte als mit dem Tritonus (Trehub, 2000).
...
Tonleitern haben in allen Kulturen eine relativ geringe Anzahl von Stufen, sie bestehen fast überall aus fünf bis sieben Tönen pro Oktave. Dieses passt gut dazu, dass die Kurzzeitgedächtnisgrenze für Kategorien bei etwa sieben liegt (Miller, 1956).
Die Anzahl der Stufen, in welche die Oktave unterteilt wird, ist außerdem davon abhängig, wie differenziert man Töne kategorisieren kann.
Es gibt auch kaum äquidistante Skalen, d. h., bei Tonleitern sind die Intervalle zwischen benachbarten Tonstufen fast nie gleich groß, z. B. gibt es in der diatonischen Tonleiter Ganztöne und Halbtöne. Auf diese Weise können tonale Bezüge hergestellt werden, die Töne stehen in unterschiedlichen Beziehungen zum Grundton und der Hörer kann sich zu jedem Zeitpunkt vorstellen, wo sich die Musik in Bezug auf das tonale Zentrum der Musik befindet. Dadurch kann eine Wahrnehmung von Spannung und Auflösung entstehen, was die musikalischen Ausdrucks- und Erlebnismöglichkeiten steigert (Sloboda, 1985).
Meine These: Je mehr sich die Musik von den Universalien entfernt, desto größer ist das Risiko, daß sie unbedeutend wird, weniger allgemeingültig, abhängiger von zeitlichen und kulturellen Faktoren oder sie ist gar von einem Spezial-"Wissen" oder "Geheim"-Wissen abhängig.

Viele Grüße
Klaus
 
Dann gehe ich mal davon aus, daß es Satire war. Als solche ist sie nicht zum Schenkelklopfen, aber immerhin besser als jede verknitterte Ernsthaftigkeit. Und die Formulierung: "... es gilt, sich der großen Gefahren bewußt zu werden, denen vor allem die sogenannte westliche Wertegemeinsachaft durch ein zügellos demonstriertes Dur ausgesetzt ist" [Komma- und Tippfehler stillschweigend korrigiert], hat genügend Absurdes, um als Satire durchzugehen. Aber man weiß ja nie: manchmal meint jemand so etwas ja auch ernst, und dann kommt die Satire der Realität einfach nicht mehr hinterher.
Satire ist lediglich die komödiantische Darstellung ernster Dinge. Vielleicht sogar so ernst, daß man gar nicht anders darüber sprechen kann als in dieser Art.
Manch Wahres erkennt man erst dann, wenn es durch Satire ausgedrückt ist, weil es sonst einfach am Hirn vorbeifährt.

Gewisse Gedanken brauchen gewisse Verrücktheiten, gewisse Verrücktheiten wiederum gebären gewisse Gedanken...

Wie der Kreis der Lebens - oder wie der Quintenzirkel, wie der Oberlehrer zu sagen pflegt...
 
Selbst offenkundiger unsinn, wenn er nur gelehrt daher kommt, ist für außenstehende und nicht mit der materie vertraute nicht immer als solcher zu erkennen.
In Conan Doyle's viel verfilmtem roman entlarvt Prof. Challenger den sich als geologen ausgebenden journalisten leicht mit absurden fachausdrücken.

Wer da an die "stufigkeit" unseres hörens glaubt, hat noch nie dem meer, einem wasserfall, fluss , brunnen oder dem wind gelauscht, vom vielstimmigen vogelgezwitscher abgesehen.
Ich hatte das glück, mit einem kollegen den park der Villa d'Este in Tivoli zu durchwandern (vorher schon allein und später auch mit meiner tochter), und wir machten uns gegenseitig aufmerksam auf das abgestimmte rauschen, das beim gehen sich ständig wandelt, und wovon die musik Liszts, die wir zunftbrüder nur zu gut kannten, nur einen schwachen abglanz gibt.
Ich saß stundenlang an der Piazza Navona in Rom, um die vielfalt der formen zu bewundern, die wasser nehmen kann, und die sich akustisch manifestieren. Respighi wurde dem nicht gerecht, musik ist immer mehr ausdruck von gefühlen als "mahlerei" (die orthographie ist beabsichtigt).
Daher sind mir kompositionstechniken vertraut, die der natur, wenn auch stilisiert, nahekommen.
Auf der anderen seite muss der mensch ein continuum in schritte zerlegen, digitalisieren, um messen und "verstehen" zu können. Man höre ein metronom, und sofort messen wir einzelnen "ticks" betonungen zu, um zu verständlicher takteinteilung zu kommen. Wie bei den bekannten vexierbildern können wir umschalten auf beliebige interpretationen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Günter Sch.;4565363 schrieb:
Wer da an die "stufigkeit" unseres hörens glaubt, hat noch nie dem meer, einem wasserfall, fluss , brunnen oder dem wind gelauscht, vom vielstimmigen vogelgezwitscher abgesehen.
Das Hören ist zunächst einmal ein Kontinuum. Doch die Oktavidentität zeigt sich sogar bei der Struktur der entsprechenden Neuronen, auch bei manchen Säugetieren.

Und wer könnte bezweifeln, daß in den allermeisten Kulturen, die konsonanten Intervalle bevorzugt werden?

Man könnte auch einmal einer Äolsharfe lauschen.

Hier unisono gestimmt:


Viele Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
"Konsonanz" ist historisch bedingt, die terz gehörte aus theoretischen erwägungen lange nicht dazu, und wie es in anderen kulturen damit steht - - - - -
Äolsharfen sind so oder so gestimmt, mir genügt, wenn eine fröhliche gesellschaft "Happy birthday" anstimmt, um jedem tonalen wahn abzuschwören.:)
 
Günter Sch.;4565363 schrieb:
Wer da an die "stufigkeit" unseres hörens glaubt, hat noch nie dem meer, einem wasserfall, fluss , brunnen oder dem wind gelauscht, vom vielstimmigen vogelgezwitscher abgesehen.
Lieber Günter, zeige mir mal den Dur-Akkord, der sich aus dem Gezwitscher der Vögel, dem Wasserfall und dem Rauschen des Windes ergibt...

Wenn du dir aber die Wegstrecken der mathematischen Systeme anschaust, erkennst du sehr wohl, wie sich die Systeme aufbauen und wie Harmoniefolgen aus diesen Strukturen ergeben.

Ich fürchte, du hast diese Dinge noch gar nicht gemacht.

Allein, was die Stufigkeit der Zeit angeht, kann man das recht gut auf den Herzschlag zurückführen...

Eigentlich verstehe ich nicht, wie man solche offensichtlichen Beschaffenheiten als Unsinn abkanzeln kann. Ich bin ja immer mal gerne dabei, den ein oder anderen Blödsinn zu machen, aber die Struktur der Zahlen kann eigentlich jeder selbst erkennen und entdecken, und besonders Menschen, die einen gewissen Bildungsgrad haben, sollten solche Dinge auffallen können.

Ich weiß nicht, ob dir aufgefallen ist, daß es nur genau drei symmetrische Wegstrecken gibt, die sich aus einem Heptagon ergeben können. Nämlich die Chromatik, die über das Heptagon erkennbar ist, dann die erste Heptagrammform, die den Akkordaufbau beschreibt, und die zweite Heptagrammform, die genau der Barockkadenz entspricht. Mehr geht nicht, außer Spiegelungen der erwähnten Formen.

Wenn du dir darüber hinaus andere n-Ecken anschaust, merkst du recht schnell, daß das Heptagon das erste System ist, daß zwei Wegstreckensysteme bereitstellt.

Welch ein Zufall, daß der Mensch genau dieses System für weite Teile der Harmonisierung nutzt... - auch der "Zufall", daß die Pentatonik in der Heptatonik enthalten ist, sollte erkennbar sein. Auch, daß im Dokekagramm beide Untersysteme bilden, allein aus der Tatsache heraus, daß nur sie einen Ring bilden können, in dem alle Punkte abgeschritten werden können, wobei gleichzeitig beide Systeme sich komplementär im Dodekagramm verhalten.

Das Pentagramm wiederum zeigt, daß hier der Goldene Schnitt wiederzufinden ist. Welche Bedeutung der Goldene Schnitt in der Kunst hat, brauche ich dir sicher nicht zu erklären. Und daß er eine natürliche Ästhetik mit sich bringt und eben nicht durch Prägung, Gewohnheiten oder Indoktrination entstanden ist, sondern allein aus dem Spielen mit dem "Raum" und den damit verbundenen Gesetzmäßigkeiten.

Mich wundert es eigentlich, daß ein naturwissenschaftlich interessierter Mensch wie du sich nicht für den Aufbau der Zahlen interessiert hat. Verblüfft mich geradezu, wenn ich ehrlich bin...

Ich kann mittlerweile diese ganzen esotherischen Begründungen über ungreifbare Dinge wie "Hörgewohnheiten", soziale Prägung etc. nicht mehr ertragen, vor allem, weil Struktur und Ästhetik stets untrennbar miteinander verbunden ist.

Daß sich Naturgeräusche von Musik durchaus nicht dasselbe sind, wollen wir mal besser gar nicht diskutieren...

Nichts für ungut, wenn ich mal zurücktreten mußte - ich bin dir aber auch nicht böse ob deiner Irrtümer... :D
 
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Ja und das Spekulieren kennt praktisch keine Grenzen. Niemand hindert einen daran und das menschliche Gehirn kann sich immer noch mehr ausdenken und dann vielleicht noch als "Lehre" oder sonstwas verkaufen.

Ist es nicht eines der wunderbarsten Dinge, das sich das menschliche Gehirn "immer noch mehr ausdenken" kann? Und genau das ist in der Musik so faszinierend. Ein Stillstand würde ja bedeuten, das die Musik am Ende ist, und so einen Alptraum möchte ich mir hier nicht weiter ausmalen.

Deine Kritik an einer "Lehre" ist allerdings berechtigt, vor allem wenn diese ein Dogma sein und bedeuten soll, das sich jeder danach zu richten habe. Leider ist die sog. "Harmonielehre" unseres Kulturkreises dermassen dogmatisiert worden, das manche denken, es gäbe nichts anderes auf der Welt und alles habe sich danach zu richten oder abzuleiten.


Meine These: Je mehr sich die Musik von den Universalien entfernt, desto größer ist das Risiko, daß sie unbedeutend wird, weniger allgemeingültig, abhängiger von zeitlichen und kulturellen Faktoren oder sie ist gar von einem Spezial-"Wissen" oder "Geheim"-Wissen abhängig.

Ob diese These zutrifft oder nicht, ist irrelevant, denn Du musst sämtliche Musik darunter zählen. Das verstehen der Musik Mozarts, z.B., ist doch heute auch schon Spezial- und "Geheim"-Wissen, Mozart gilt heute als leicht und einfach, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Heute wird Ausdruck und Inhalt der Wiener Klassiker oft völlig missverstanden, aber in Büchern kann man dann lesen, wie es früher einmal gemeint war. Würde man versuchen sich - deiner These gemäss - immer weiter auf "Universalien" zu beschränken, wie weit müsste man gehen?
 
Deine Kritik an einer "Lehre" ist allerdings berechtigt, vor allem wenn diese ein Dogma sein und bedeuten soll, das sich jeder danach zu richten habe. Leider ist die sog. "Harmonielehre" unseres Kulturkreises dermassen dogmatisiert worden, das manche denken, es gäbe nichts anderes auf der Welt und alles habe sich danach zu richten oder abzuleiten.
Ich sehe es so, daß es gewisse Grundstrukturen gibt, auf denen die "Harmonielehre" beruht.

Nur nach diesen Regeln vorzugehen bzw. innerhalb dieser Regeln zu bleiben, ergibt mit Sicherheit alles andere als gute Musik. Man sollte allerdings die Regeln kennen, um sie dann bewußt oder unbewußt brechen zu können, das ist wohl die eigentliche Leistung des Komponisten...
 
Günter Sch.;4565703 schrieb:
"Konsonanz" ist historisch bedingt, die terz gehörte aus theoretischen erwägungen lange nicht dazu, und wie es in anderen kulturen damit steht - - - - -

Nein, nicht die Konsonanz ist historisch bedingt. Es ist die Grenzziehung zwischen Konsonanz und Dissonanz, die historisch bedingt ist. Die Terz ist dissonanter als die Quint, der Mollakord dissonanter als Dur. Ein Stück in Moll endet bei Bach regelmäßig in Dur, später darf es auch in Moll enden. Heute enthält die Tonika häufig die Sept oder Sext. Doch ein Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz bleibt bestehen.

Günter Sch.;4565703 schrieb:
Äolsharfen sind so oder so gestimmt...

Genau für Dich habe ich das zweite Beispiel der unisono gestimmten Äolsharfe recherchiert. Lausche ihr! Das Phänomen fasziniert seit König David. Der Universalgelehrte Athanasius Kircher hat es populär gemacht. Bis heute begeistert es. Warum?

Allein, was die Stufigkeit der Zeit angeht, kann man das recht gut auf den Herzschlag zurückführen...
...weil Struktur und Ästhetik stets untrennbar miteinander verbunden ist.

Diese Aussagen enthalten ganz wichtige Beobachtungen. Zwar sind Tonhöhen und Zeit prinzipiell kontinuierlich, doch es ist ein bewährtes Prinzip beides zu strukturieren. Wichtige zeitliche Strukturierungen in der Musik sind für den Menschen durch Pulsschlag und Atemfrequenz gegeben.Was über diese Maße hinaus geht, wird schnell als hektisch empfunden, was wesentlich langsamer ist, als "langatmig".

Zur Strukturierung des Tonraumes wurde oben schon beschrieben, daß die Einteilung in Oktaven sich sogar in der neuronalen Struktur von Säugetieren nachweisen läßt. Nun versuche man, die Oktave in sieben möglich konsonante Schritte zu unterteilen. Das Ergebnis wird unsere Heptatonik sein. Versucht man die Oktave in zwölf möglichst konsonante Schritte zu unterteilen, so wird man auf das temperierte System kommen, wenn alle siebenstufigen Tonleitern gleichgewichtet sein sollen. Ich bitte Kritiker um praktische Gegenbeispiele, die untersucht werden können.


Ist es nicht eines der wunderbarsten Dinge, das sich das menschliche Gehirn "immer noch mehr ausdenken" kann? Und genau das ist in der Musik so faszinierend. Ein Stillstand würde ja bedeuten, das die Musik am Ende ist, und so einen Alptraum möchte ich mir hier nicht weiter ausmalen.

Richtig, eines der "wundersamsten Dinge". Doch wie die Geschichte zeigt, höchst ambivalent - Segen und Fluch. "Irren ist menschlich." (häufig extrem, z.B. Rassenideologie, Kommunismus, Grosser Sprung nach vorn u.v.m., jedes dieser Beispiele mit wohl -zig Millionen Toten)

Wer redet von Stillstand? In der Musik wird das Spannungsfeld, in dem sich der Mensch befindet, in immer neuen Formen ausgedrückt werden. Eines der wichtigsten Ausdrucksmittel ist hierbei die Spannung zwischen Konsonanz und Dissonanz. Bei Geburtstag und Hochzeit wird man die Konsonanz bevorzugen, bei Grauen und Tod, die Dissonanz. Die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten sind unerschöpflich und können über das, was heute existiert, weit hinausgehen. Doch Symbole für Harmonie einfach zu streichen oder die Unterschiede von Konsonanz und Dissonanz nicht zu berücksichtigen wäre ein Irrweg; die Auseineinandersetzung mit ihnen und ihren Gesetzmäßigkeiten trifft die "Conditio humana" viel besser.

Leider ist die sog. "Harmonielehre" unseres Kulturkreises dermassen dogmatisiert worden...

Sehe ich nicht so. Die Kenntnis der Harmonielehre führt insgesamt zu einer viel ausdrücksstärkeren Musik, gerade weil der Bruch etablierter Regeln erst am Gegensatz so richtig deutlich wird.

Würde man versuchen sich - deiner These gemäss - immer weiter auf "Universalien" zu beschränken, wie weit müsste man gehen?

Wer redet von Beschränkung? Wie oben gesagt, ist es die Auseinandersetzung mit den Universalien, nicht ihre Leugnung, die ein ausdrucksstarkes Spannungsfeld erzeugen kann.

PVaults hat dies richtig erkannt:
Nur nach diesen Regeln vorzugehen bzw. innerhalb dieser Regeln zu bleiben, ergibt mit Sicherheit alles andere als gute Musik. Man sollte allerdings die Regeln kennen, um sie dann bewußt oder unbewußt brechen zu können, das ist wohl die eigentliche Leistung des Komponisten...

In den letzten Jahrzehnten läßt der Einfluß von Blues und Jazz die traditionellen Harmonien durch "blue notes", "extensions" usw. in einem neuen Licht erscheinen und diese Entwicklungen haben Eingang in die populäre Musik gefunden. Der tonale Bezug und der Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz bleibt jedoch weiterhin bestehen.

Viele Grüße
Klaus
 
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Nun versuche man, die Oktave in sieben möglich konsonante Schritte zu unterteilen. Das Ergebnis wird unsere Heptatonik sein. Versucht man die Oktave in zwölf möglichst konsonante Schritte zu unterteilen, so wird man auf das temperierte System kommen, wenn alle siebenstufigen Tonleitern gleichgewichtet sein sollen.

Weder temperierte Stimmung noch diatonische Tonleiter sind entstanden, weil sich jemand hingesetzt hätte und drüber nachgedacht: wie könnt ich denn mal die Oktave in sieben oder zwölf Schritte teilen? Anders herum könnte es Sinn machen: Aufgrund bestimmter Konsonanzen (Terz, Quinte) ergeben sich 7 diatonische Schritte bis zur Oktave. Wie sie sich ergeben, wäre dann zu erläutern.

Zum Heptagon, bzw. Heptagramm: Natürlich ist es ein leichtes, eine simple Zahlenstruktur (hier quasi eine Modulo-7-Anordnung) durch irgendwelche geometrischen Figuren darzustellen. Durchschreitet man Sekunden, erhält man als Wegstrecke die Seiten des Polygons. Durchschreitet man Terzen, erhält man als Wegstrecke das erste mögliche Heptagramm, durchschreitet man Quarten, das zweite. Das kann man aber auch ganz trivial ausdrücken: Egal welches Intervall man durchschreitet, landet man frühestens nach sieben Schritten wieder am (oktavierten) Ausgangspunkt, weil die Sieben nun einmal eine Primzahl ist. Und weil Quinte gleich Quarte ist und beide sich zur Oktave ergänzen, Terz gleich Sexte ist und beide sich zur Oktave ergänzen, Sekunde gleich Septime ist und beide sich zur Oktave ergänzen, gibt es nur zwei mögliche Heptagramme. Wer in der Tatsache, daß sieben eine Primzahl ist, ein tief in der Struktur der Musik verankertes Geheimnis wittert, geheimnist ein bißchen viel hinein. Nicht zufällig ist das Heptagramm ein Gebilde, das in der Esoterik eine beliebte Rolle spielt - das ist Verliebtheit in Zahlenmystik und geometrische Spielerei und ziemlich beliebig. Vor allem hat es mit Musikverständnis nicht die Bohne zu tun. Da die Wegstrecken zwischen den sieben diatonischen Tönen obendrein verschieden groß sind (bekanntlich gibt es ja große und kleine Sekunden), ist das eh ein recht hinkefüßiger Vergleich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Strukturierung des Tonraumes wurde oben schon beschrieben, daß die Einteilung in Oktaven sich sogar in der neuronalen Struktur von Säugetieren nachweisen läßt. Nun versuche man, die Oktave in sieben möglich konsonante Schritte zu unterteilen. Das Ergebnis wird unsere Heptatonik sein. Versucht man die Oktave in zwölf möglichst konsonante Schritte zu unterteilen, so wird man auf das temperierte System kommen, wenn alle siebenstufigen Tonleitern gleichgewichtet sein sollen. Ich bitte Kritiker um praktische Gegenbeispiele, die untersucht werden können.
Ein kleiner Denkfehler muß ich korrigieren.

Alle N-Gramme sind eine Näherung in Richtung Kreisform. Weshalb man natürlich eine Oktave nicht einfach in sieben gleichstufige Töne unterteilen kann - funktioniert nämlich so nicht einfach. Gleiches mit dem Pentagramm, wobei wir da eine signifikante Näherung zur Pentatonik bzw. Blue-Notes feststellen können. Wer die Musik kennt, weiß, was ich meine.

Es ist die Verknüpfung von Heptatonik und somit auch der Pentatonik mit dem 12-Ton-System. Es ist also ein mehrfach geschachteltes System, ohne das keine Wertigkeit einzelner Töne möglich wäre, denn das Dodekagramm zeigt eine besondere Symmetrie, die erst durch ein eingebautes Heptagramm die Orientierungslosigkeit verhindert.

Weder temperierte Stimmung noch diatonische Tonleiter sind entstanden, weil sich jemand hingesetzt hätte und drüber nachgedacht: wie könnt ich denn mal die Oktave in sieben oder zwölf Schritte teilen? Anders herum könnte es Sinn machen: Aufgrund bestimmter Konsonanzen (Terz, Quinte) ergeben sich 7 diatonische Schritte bis zur Oktave. Wie sie sich ergeben, wäre dann zu erläutern.
"Vor 2004 war unbekannt, ob das menschliche Gehirn eine feste Anlage zur Wahrnehmung von Oktaven-Zirkularität hat. In allen fortgeschrittenen Musikkulturen werden die Namen für Töne in Tonleitern wiederholt, sobald das Oktav-Intervall (Frequenzverhältnis 1:2) erreicht ist."
http://www.neuroscience-of-music.se/ger7.htm

Es wäre von Vorteil, auch die Links zu lesen, die einige User hier posten, auch wenn es manchmal mühsam sein sollte. Selbst der evolutionäre Vorteil ist da aufgeführt. Es gibt dort auf der Site auch Links, wo du dir diese Sachen nochmal genau anschauen kannst. Mach das doch bitte, bevor du drüberbügelst.

Klaus, nochmals vielen Dank für den Link!

Zum Heptagon, bzw. Heptagramm: Natürlich ist es ein leichtes, eine simple Zahlenstruktur (hier quasi eine Modulo-7-Anordnung) durch irgendwelche geometrischen Figuren darzustellen. Durchschreitet man Sekunden, erhält man als Wegstrecke die Seiten des Polygons. Durchschreitet man Terzen, erhält man als Wegstrecke das erste mögliche Pentagramm, durchschreitet man Quarten, das zweite. Das kann man aber auch ganz trivial ausdrücken: Egal welches Intervall man durchschreitet, landet man frühestens nach sieben Schritten wieder am (oktavierten) Ausgangspunkt, weil die Sieben nun einmal eine Primzahl ist. Und weil Quinte gleich Quarte ist und beide sich zur Oktave ergänzen, Terz gleich Sexte ist und beide sich zur Oktave ergänzen, Sekunde gleich Septime ist und beide sich zur Oktave ergänzen, gibt es nur zwei mögliche Heptagramme.
Genau so ist es. Es liegt also in der Systematik "verborgen".

Ebenso muß aber erkennen können, daß die Oktavidentität eben genau der Grund ist, weshalb ich das Dodekagramm als Grundlage nehme, das also das Grundsystem ist, innerhalb dessen die anderen Systeme vorhanden sind, nur daß der Kreis nun eine Ellipse wird, womit man allerdings noch besser die Struktur sehen kann.

Ich schrieb weiter oben nicht ohne Grund, daß ich die Möglichkeiten des Dodekagramms von euch erbete, damit man versteht, was da passiert, vor allem, wenn man das Heptagramm darin sucht...

Offensichtlich ist diese Aufgabe zu überdimensioniert, was ich gar nicht verstehen kann, denn mit Zettel und Stift kann man sie lösen.

Zuletzt noch: Schau dir mal die Folgen an, die entstehen, wenn du das machst, was du oben beschreibst. Bitte!!!

Wer in der Tatsache, daß sieben eine Primzahl ist, ein tief in der Struktur der Musik verankertes Geheimnis wittert, geheimnist ein bißchen viel hinein. Nicht zufällig ist das Heptagramm ein Gebilde, das in der Esoterik eine beliebte Rolle spielt - das ist Verliebtheit in Zahlenmystik und geometrische Spielerei und ziemlich beliebig. Vor allem hat es mit Musikverständnis nicht die Bohne zu tun. Da die Wegstrecken zwischen den sieben diatonischen Tönen obendrein verschieden groß sind (bekanntlich gibt es ja große und kleine Sekunden), ist das eh ein recht hinkefüßiger Vergleich.
https://www.musiker-board.de/harmonielehre/377779-warum-denken-wir-eher-dur-8.html#post4553532#
Hier sind die Links, mit denen du hoffentlich erkennen kannst, was du da gerade geschrieben hast. Vor allem meine Verweise auf esotherische Seiten aller Art mögen dich gestört haben...

Vielleicht wäre mal ein kleiner Einführungskurs in Musiksymmetrie angesagt...ich denke, das ist das Problem, Ästhetik in der/durch die Geometrie der Zahlen und der Musik zu erkennen.

Auch wäre es gut, sich die daraus ergebenden Folgen genauer anzuschauen. Mag sein, daß man da manchmal bei recht seltsamen Dingen bzw. wundersamen Ergebnissen angelangt, wo der ein oder andere vielleicht gleich mal Esotherik oder gar Hexenwerk schreit, doch ist's nicht mehr als eine reine Strukturanalyse, die eigentlich auch jeder Sonderschüler mit einem Stift auch geometrisch lösen kann...
Ich wußte es. Klick and surr...
Du drückst auf das Knöpfchen Pentagramm, schon verlieren sie ihr mathematisches Gedächtnis und schreien Hexenwerk...

Wir sind hier im Kunstbereich, im Wesen der Ästhetik, und da landen wir regelmäßig bei den Zahlen. Schon beim Spielen einer Tonleiter zählen wir und nutzen Zahlensysteme. Und zwar die einfachsten, nicht die komplexen...

Die Verschachtelung der Systeme zu einem symmetrisch/unsymmetrischen System kann erstmalig mit dem Dodekagon erfolgen. Teste es selbst. Und widerlege, wenn du kannst... :D:D:D
 
klaus111 schrieb:
Richtig, eines der "wundersamsten Dinge".

Das der Mensch immer wieder neues sich ausdenkt, immer neue Kunst, ist "wunderbar", nicht "wundersam", wie Du mich da paraphrasierst.


klaus111 schrieb:
Doch wie die Geschichte zeigt, höchst ambivalent - Segen und Fluch. "Irren ist menschlich." (häufig extrem, z.B. Rassenideologie, Kommunismus, Grosser Sprung nach vorn u.v.m., jedes dieser Beispiele mit wohl -zig Millionen Toten)

Viele dieser Toten sind Komponisten, denen gesagt wurde, sie irren in ihrem Tun. Ihre Musik wurde als "entartet" bezeichnet, als der menschlichen Natur zuwider.


Die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten sind unerschöpflich und können über das, was heute existiert, weit hinausgehen. Doch Symbole für Harmonie einfach zu streichen oder die Unterschiede von Konsonanz und Dissonanz nicht zu berücksichtigen wäre ein Irrweg; die Auseineinandersetzung mit ihnen und ihren Gesetzmäßigkeiten trifft die "Conditio humana" viel besser.

Musik, die keinen Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz kennen will, ist mir nicht bekannt. Auf wen beziehen du und PVaults sich da ...?


Sehe ich nicht so. Die Kenntnis der Harmonielehre führt insgesamt zu einer viel ausdrücksstärkeren Musik, gerade weil der Bruch etablierter Regeln erst am Gegensatz so richtig deutlich wird.

Du sagst es selbst: Es sind Regeln, die sich lediglich "etabliert" haben, was nichts darüber aussagt, ob sie für dieses oder jenes tauglicher sind, falsch oder richtig. Die Harmonielehre hat sich durchgesetzt, weil sie eine praktische Anleitung ist, mit der sich Musik machen lässt, ohne das man musikalisch sein müsste. Sie kommt also der menschlichen Trägheit entgegen.


Wer redet von Beschränkung? Wie oben gesagt, ist es die Auseinandersetzung mit den Universalien, nicht ihre Leugnung, die ein ausdrucksstarkes Spannungsfeld erzeugen kann.

Welche Musik leugnet denn diese "Universalien"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Musik, die keinen Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz kennen will, ist mir nicht bekannt. Auf wen beziehen du und PVaults sich da ...?
Ich kann nirgends lesen, daß ich irgendwo geschrieben habe, daß es keinen Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz gäbe.
Im Gegenteil, ich erkläre sogar Konsonanz und Dissonanz, ebenso, weshalb sich die 12-Tönigkeit und ihr Harmoniesystem aus den Zahlen ergeben..
 
Hallo, ich bin da leider beim (nach)lesen verrutscht. Ich dachte, ich wäre noch in deinem Post, aber es war ein vorhergehendes von klaus111, in dem sich seine Worte inhaltlich ähnlich nochmals befinden. Dir ist also auch keine Musik bekannt, die einen Unterschied zwischen Dissonanz und Konsonanz "leugnen" (will). ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Weder temperierte Stimmung noch diatonische Tonleiter sind entstanden, weil sich jemand hingesetzt hätte und drüber nachgedacht: wie könnt ich denn mal die Oktave in sieben oder zwölf Schritte teilen?

Die Vorstellung, da hätte sich jemand hingesetzt war natürlich nicht gemeint, sondern daß die Hepatatonik und das temperierte System Ergebnisse einer konsonanten Optimierung sind, wie immer sie auch zustande gekommen sein mag.

Heptatonik in reiner Stimmung:

Sie beruht auf der Teiltonreihe; Quinte (3:2) und Terz (5:4) sind rein gestimmt. Die reine Stimmung hat den Vorteil des schönsten Klanges, solange man sich in der Haupttonart bewegt.
(Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung)
... befürworten vor allem gute Geiger und Cellisten ein Spiel in reinen Intervallen und genaue Frequenzmessungen anhand von Plattenaufnahmen haben ergeben, daß Streichervirtuosen tatsächlich versuchen, reine Intervalle zu intonieren.
Universitäre Quelle: http://www.musik.uni-osnabrueck.de/lehrende/enders/lehre/App_Musik_I/stimmungssysteme.htm
Für gute Sänger dürfte ähnliches gelten.

Die Heptatonik reichte schließlich nicht aus (der Mensch entwickelt sich ständig) und man bemühte sich, das 12tönige System so konsonant wie möglich zu gestalten. Hier setzten sich Theoretiker, Instrumentenbauer und Musiker (Werckmeister, Kirnberger u.a.) tatsächlich hin und entwickelten verschiedene Systeme "wohltemperierter" Stimmungen und das System der "gleichstufigen" Stimmung. (Die Chinesen entwickelten letzteres schon 1584!)
Nachzulesen hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichstufige_Stimmung
http://www.lehrklaenge.de/html/werckmeister_-_stimmung.html

Ein kleiner Denkfehler muß ich korrigieren.

Alle N-Gramme sind eine Näherung in Richtung Kreisform. Weshalb man natürlich eine Oktave nicht einfach in sieben gleichstufige Töne unterteilen kann - funktioniert nämlich so nicht einfach.

Es war natürlich keine gleichstufige Heptatonik gemeint, denn die wäre recht dissonant. Die konsonanteste ist die o.g. "reine Stimmung".

...Verknüpfung von Heptatonik und somit auch der Pentatonik mit dem 12-Ton-System. Es ist also ein mehrfach geschachteltes System..

Genau so ist es!

Klaus, nochmals vielen Dank für den Link!

Gern geschehen! Ich hoffe ebenfalls auf hochwertige oder interessante Links der Teilnehmer.

..."wunderbar", nicht "wundersam", wie Du mich da paraphrasierst.

Entschuldigung, war keine Absicht!

Viele dieser Toten sind Komponisten, denen gesagt wurde, sie irren in ihrem Tun. Ihre Musik wurde als "entartet" bezeichnet, als der menschlichen Natur zuwider.

Ideologische Verblendungen als Ausdruck des "wunderbaren" menschlichen Denkens führen zu solchen Katastrophen. Bestimmte Spielarten "Neuer Musik" können sich aber nicht einfach dadurch von der Kritik ausnehmen, indem sie darauf hinweisen, die Nazis hätten eine "entartete Kunst" bekämpft. Es steht hier keine Nazi-Ideologie zur Debatte und jede Kunst sollte sich der Kritik stellen!

Musik, die keinen Unterschied zwischen Konsonanz und Dissonanz kennen will, ist mir nicht bekannt.

Ich beziehe mich auf Worte wie "Gleichberechtigung aller Intervalle", "Konsonanzverbot" u.s.w., die hier und in sehr vielen Quellen genannt werden:

Im Gegensatz zur traditionellen tonalen Musik werden alle Intervalle als völlig gleichberechtigt angesehen, die wertende Unterscheidung von Dissonanzen (die aufgelöst werden mussten) und Konsonanzen (die bevorzugt wurden) entfällt, beide sind gleichrangig ("Emanzipation der Dissonanz").
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Zw%C3%B6lftontechnik
Denn die Dodekaphonik ist grundsätzlich atonal, alle Töne und Intervalle sind völlig gleichberechtigt;...
(Kurt Honolka u.a., Weltgeschichte der Musik, 1985, S. 537)
Auch der zeitgenössische Komponist und Musikprofessor Karger schreibt:

Nicht nur in der elektronischen Szene, sondern auch in der neuen Instrumentalmusik ist die Hilflosigkeit im Umgang mit der Zeit-Kategorie oft unüberhörbar: die ursprünglich kraftvollen, revolutionären Regeln der Pioniere - neben der Auflösung der klassischen Zeitkonzeption das Konsonanzverbot, das Tonwiederholungsverbot, die Erweiterung des Klangbildes in die extremen Lagen, die Zersplitterung der Sprache und der musikalischen Phrase - wurden durch ständige Wiederholung zum Klischee, der Gestus des "Aufbruchs in unerhörte Regionen" wurde zum neuen Gesetz und hat sich so mit der Zeit selbst ad absurdum geführt, er hat die Rolle eines Etikettes angenommen ("aha, neue Musik"), unter dem sich leicht dürftige Substanz und mangelnde Phantasie verbergen lassen.
http://www.reinhard-karger.de/texte_4.htm
Die Harmonielehre hat sich durchgesetzt, weil sie eine praktische Anleitung ist, mit der sich Musik machen lässt, ohne das man musikalisch sein müsste. Sie kommt also der menschlichen Trägheit entgegen.

Dem möchte ich nicht direkt widersprechen. Ich sagte früher schon, daß deren Kenntnis, die Komposition wesentlich beschleunigen kann. Das geht in eine ähnliche Richtung. Doch die Durchsetzungskraft der Harmonielehren geht über das hinaus. Sie beschreiben eben auch das wichtige Spannungsfeld zwischen Konsonanz und Dissonanz.

Welche Musik leugnet denn diese "Universalien"?

Das wirst Du vielleicht leichter verstehen, wenn Du das Zitat von Karger erfasst hast und meinen Ansatz, die Wahrnehmungspsychologie des Menschen adäquat zu berücksichtigen. Ich machte früher im Thread auch Angaben zu serieller und aleatorischer Musik.

Viele Grüße
Klaus
 
"Vor 2004 war unbekannt, ob das menschliche Gehirn eine feste Anlage zur Wahrnehmung von Oktaven-Zirkularität hat. In allen fortgeschrittenen Musikkulturen werden die Namen für Töne in Tonleitern wiederholt, sobald das Oktav-Intervall (Frequenzverhältnis 1:2) erreicht ist."
http://www.neuroscience-of-music.se/ger7.htm

Es wäre von Vorteil, auch die Links zu lesen...

Ich habe den Link - oder besser die Seite, auf die er verweist - durchaus gelesen. Darin geht es wohl darum, ob die "Oktaven-Zirkularität" uns angeboren ist und bereits neuronal eingepflanzt. Das mag vor 2004 unbekannt gewesen sein, aber keineswegs ist seit Jahrtausenden unbekannt, daß es das Phänomen der Oktave, also der Identität von c und c' gibt. Wie man sie erklärt, ist für die Musiktheorie eine unerhebliche Tatsache, denn sie ist zunächst einmal einfach als gegeben hinzunehmen, auch wenn man sie nicht restlos erklären kann. Wenn man sie nun neuronal erklären kann, ist das zwar interessant, aber für die Musiktheorie ist lediglich erheblich, daß es die Identität gibt, nicht wie man sie erklärt.

Unser Tonsystem beruht auf der seit Jahrtausenden bekannten und jedem Musizierenden wohlvertrauten Identität der Oktave. Damit es funktioniert, müssen wir allerdings die Intervalle zurechtbiegen. In pythagoreischer Stimmung ist der Quintenzirkel kein Zirkel, sondern eine unendliche Spirale, in temperierter Stimmung sind die Quinten zurechtgebogen, damit er ein Kreis wird. Im übrigen ist nicht jedes Polygon eine Annäherung an den Kreis, sondern nur jedes regelmäßige. Ein Heptagramm, das als grafische Darstellung der Diatonik herhalten sollte, wäre nicht regelmäßig. Ich plädiere dafür, Musik mit musikalischen Begriffen zu erklären, nicht mit geometrischen Analogien, die nur annähernd richtig sein können. Gleichzeitig leugne ich nicht, daß mathematische Strukturen überall zu finden sind und daß Mathematik ein probates Werkzeug ist, solche Strukturen zu beschreiben. Zwischen Beschreiben und Erklären gibt es aber einen gewissen Unterschied.
 
Richtig, eines der "wundersamsten Dinge". Doch wie die Geschichte zeigt, höchst ambivalent - Segen und Fluch. "Irren ist menschlich." (häufig extrem, z.B. Rassenideologie, Kommunismus, Grosser Sprung nach vorn u.v.m., jedes dieser Beispiele mit wohl -zig Millionen Toten)

Ideologische Verblendungen als Ausdruck des "wunderbaren" menschlichen Denkens führen zu solchen Katastrophen.

Dieses Thema sprengt den Rahmen, aber man kann deine Aussage hier nicht einfach unkommentiert stehen lassen. Kategorisiere doch mal "Ideologische Verblendungen". Bewerte diese einmal. Suche nach ihnen. Wo gibt es sie in der heutigen Zeit noch? Kann ein Vorpreschen in der Kunst je eine "Ideologische Verblendung" darstellen, wie du sie hier skizzierst (vgl. mit den Nazis)?? Nein. Politik und Kunst sind doch zunächst, rein professionell gesehen, zu trennen. Politik macht sich die Kunst ggf. zu nutze, oder Kunst macht Aussagen über die Politik. Aber die Kunst ist normalerweise nicht ausschlaggebend, mit Nichten, für große menschliche Katastrophen. Da stecken ganz andere Werte dahinter. Gier, Reichtum, das Herrschen über andere, das Spiel mit dem Feuer hinter verschlossenen Türen, Geheimdienste, Business Cases. "Ideologische Verblendungen"... also solche würde ich zum Beispiel den Glauben an Gott, so wie ihn die Kirche skizziert, vorgibt und induziert, zählen. Zugleich auch den Glauben, dass die USA ein freundliches Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind, das sich um Menschenrechte kümmert. Desweiteren der Glaube, Hitler sei entscheidend für die Strategien und Taten der Nazis gewesen. Er war nicht alleine. Ganze Industriezweige standen hinter ihm. Im nicht allzufernen Amerika wollte man den Krieg auch, man wollte das alte Europa in die Knie zwingen, und ging dabei stärker als je zuvor, erneut als Befreier, und vorallem als einflußreiche Weltmacht, hervor. Man kann fast meinen, Hitler sei ein Gesandter der Amerikaner gewesen. Wenn man sich mal den Zweig der Eugenics-Ideologien anschaut, sowie Berichte über Verträge zwischen Nazi-Deutschland und den USA, so wird man sich schnell fragen müssen, wie viel Recht man dem nichts-belegenden Wochen... äh, Entschuldigung, Front... Tagesschau-Sprecher eigentlich noch geben will. Es ist höchst bedenklich, wenn jemand hier im Forum den Begriff "Ideologische Verblendung" derart zielgerichtet einsetzt. Glauben und Reden ist einfach. Wissen und Diskutieren ist schwer.

Bei Geburtstag und Hochzeit wird man die Konsonanz bevorzugen, bei Grauen und Tod, die Dissonanz.

Ich denke, das kann man so pauschal nicht sagen. Ich kenne einige Trauermusiken, die nur zuweilen dissonant sind. So zum Beispiel auch die oben erwähnte Funeral Music von Witold Lutosławski. Zum Thema Hochzeiten und Geburtstage... Auf Hochzeiten wird die Musik gespielt, die gefällt. Das kann heutzutage atonaler Techno sein, oder gar Hip-Hop, oftmals auch Rock oder Metal. Es steht nicht immer der Alleinunterhalter aus den 80ern mit seinem Keyboard auf Hochzeiten, mit Nichten. Es kann auch der mp3-Player sein, oder der DJ von nebenan. Es kommt ganz auf die Vorlieben der Leute an. Für Geburtstage ist die große Bandbreite statistisch betrachtet sicherlich noch viel weiter ausgeprägt. Hier kann ich mir vorstellen, dass auch Musik gespielt wird, die überhaupt keine Freude ausdrückt (wobei sie dabei dennoch Konsonanzen enthalten kann).

Sehe ich nicht so. Die Kenntnis der Harmonielehre führt insgesamt zu einer viel ausdrücksstärkeren Musik, gerade weil der Bruch etablierter Regeln erst am Gegensatz so richtig deutlich wird.

Das ist, allgemein gesehen, falsch. Ich würde es eher so ausdrücken: Harmonielehre kann zu ausdrucksvoller Musik führen. Sie ist eines von vielen Mitteln, welche zu diesem Ziel führen können. Wird sie jedoch im Trivialen angewendet, von nicht-musikalischen oder kaum-musikalischen Menschen, so führt sie meist eher zu simpler und schlechter Musik, der nicht mehr viel Ausdruck innewohnt. Für andere Methoden und Systeme gilt dies in der Regel auch. Wieviel Ausdruck in der Musik steckt, und was ausgedrückt wird, hängt vom Komponisten ab, aber auch vom Rezipienten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es steht hier keine Nazi-Ideologie zur Debatte und jede Kunst muß sich der Kritik stellen!

Und warum bringst Du sie dann hier urplötzlich in die Diskussion ein?


Ich beziehe mich auf Worte wie "Gleichberechtigung aller Intervalle", "Konsonanzverbot" u.s.w. die hier und in sehr vielen Quellen genannt werden

Du hast hier drei Texte zitiert, von denen allerdings keiner von dem spricht, was Du mit ihnen belegen willst.

Du zitierst einen Text über die "Emanzipation der Dissonanz". Bei der "Emanzipation der Dissonanz" geht es aber nicht darum, dass der Unterschied aufgehoben oder nicht anerkannt würde, sondern lediglich das (wie es ja auch deutlich im Text steht) mit dieser Emanzipation die Dissonanzen nicht mehr als "schlechter" als die Konsonanzen, oder als "minderwertig" angesehen werden.

Dann zitierst Du einen Absatz über die Zwölftontechnik, aber auch dort ist kein Wort über deinen Gegenstand zu finden. Dabei hatten wir ja schon genug über diese Kompositionstechnik gesagt, unter anderem über den Unterschied zwischen Erörterung irgendwelcher Prinzipien und dem eigentlichen Kompositionsvorgang. Und bei letzterem wird natürlich auch zwischen Konsonanz und Dissonanz vom Komponisten unterschieden, nur ist hier von diesem gefordert, die Trägheit zu überwinden und vom musikalischen Empfinden her zu entscheiden, welche Klänge einem richtig erscheinen und welche nicht, anstatt dies womöglich eine der "Harmonielehren" entscheiden zu lassen.

Nichtmal der mir vorher unbekannte Karger schreibt etwas über dein Thema. Das von Dir im Text hervorgehobene Wort "Konsonanzverbot" (zumal, wer hat dieses überhaupt verhängt, falls überhaupt? Und wer folgte ihm?) stimmt ja der Unterscheidung zu, denn wie sollte man feststellen, ob dann eine Komposition nur aus Dissonanzen bestünde, wenn der Unterschied negiert ist? Der Komponist hätte doch in einem solchen Fall entschieden: "Ich verwende Dissonanzen, und Konsonanzen verwende ich nicht." Und er hätte sich wohl eine Grenze gezogen, welchen Grad der Konsonanz er für sein Stück noch als sinnvoll erachtet, und welchen nicht (Dissonanz und Konsonanz ist ja ein fliessender Übergang).

Du hast also einen Text nur wegen eines einzigen Wortes in einer Aufzählung zitiert, welches im gesamten Text überhaupt nicht behandelt wird, und das zu allem überfluss über deinen Gegenstand gar nichts aussagt.

Viele Grüsse

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Zuletzt bearbeitet:
Ich habe den Link - oder besser die Seite, auf die er verweist - durchaus gelesen. Darin geht es wohl darum, ob die "Oktaven-Zirkularität" uns angeboren ist und bereits neuronal eingepflanzt.
Ohh - da hatten wir hier einige Diskussionen über das Thema, weswegen ich nochmal darauf eingegangen bin. Gut auch, wenn das für dich keine Frage mehr ist.

Das mag vor 2004 unbekannt gewesen sein, aber keineswegs ist seit Jahrtausenden unbekannt, daß es das Phänomen der Oktave, also der Identität von c und c' gibt. Wie man sie erklärt, ist für die Musiktheorie eine unerhebliche Tatsache, denn sie ist zunächst einmal einfach als gegeben hinzunehmen, auch wenn man sie nicht restlos erklären kann. Wenn man sie nun neuronal erklären kann, ist das zwar interessant, aber für die Musiktheorie ist lediglich erheblich, daß es die Identität gibt, nicht wie man sie erklärt.
Auch nicht, wenn es um die Frage geht, warum versammelte Menschen einen Dur-Akkord singen...? Ich finde, das kann man damit durchaus erklären.

Unser Tonsystem beruht auf der seit Jahrtausenden bekannten und jedem Musizierenden wohlvertrauten Identität der Oktave. Damit es funktioniert, müssen wir allerdings die Intervalle zurechtbiegen. In pythagoreischer Stimmung ist der Quintenzirkel kein Zirkel, sondern eine unendliche Spirale, in temperierter Stimmung sind die Quinten zurechtgebogen, damit er ein Kreis wird.
Weswegen wir heute den Traum der allermeisten Musiker haben - die gleichstufige Stimmung nämlich. Und die kam erst mit der Entwicklung der Mathematik auf.
Konsonanz und Harmonik ist auch nochmal etwas anderes...der Rest ist mir durchaus bekannt.

Im übrigen ist nicht jedes Polygon eine Annäherung an den Kreis, sondern nur jedes regelmäßige.
Es dürfte klar aus dem, was ich zuvor geschrieben und verlinkt habe, hervorgehen, was ich meine. Die Links zeigen die Bilder.

Ein Heptagramm, das als grafische Darstellung der Diatonik herhalten sollte, wäre nicht regelmäßig.
Natürlich nicht. Aber 12 davon. Haunschild hat dazu ein schönes Poster gemacht. Es freut mich aber, daß du gemerkt hast, daß es keine Ellipse, sondern ein fast regelmäßiges Heptagramm ist mit einer längeren Wegstrecke, und derer brauchst du noch 11 andere. Ebenso die Pentatonik/das Pentagramm, die/das liegt innerhalb der Heptatonik. Und hier ist der Goldene Schnitt mit drin...

Ich plädiere dafür, Musik mit musikalischen Begriffen zu erklären, nicht mit geometrischen Analogien, die nur annähernd richtig sein können. Gleichzeitig leugne ich nicht, daß mathematische Strukturen überall zu finden sind und daß Mathematik ein probates Werkzeug ist, solche Strukturen zu beschreiben. Zwischen Beschreiben und Erklären gibt es aber einen gewissen Unterschied.
Hmmm...beschreibe mir doch mal bitte einen C-Dur-Akkord. Oder erkläre ihn mir. ;)
 

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