Was bringt mir die Theorie

  • Ersteller Heinrich III.
  • Erstellt am
Wir sind tatsächlich fast durch die Bank einer Meinung. Ich darf mich mal selber zitieren:

Natürlich schränkt die Kenntnis von Theorie die persönliche Kreativität nicht ein. Wissen ist niemals einschränkend oder behindernd.

Da liegt der Hase also schon mal nicht im Pfeffer.



Experten warnen: zuviel Musiktheorie schadet ihrer musikalischen Gesundheit?

Nein :D

Nur weil es DIR und MIR wenig Lust bereiten, Musik quasi mathematisch zu analysieren, kann man doch anderen nicht die Freude daran absprechen.

Auch das nicht. Musikphilosophie findet ja auch im Geist statt. Und es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, dass jemand Spaß an Theorie hat.

Wenn ich mich aber in die Theorie vertiefe ohne zwischendurch das Selbstvertrauen aufzubringen, selber auszuprobieren, herumzutüfteln, Spaß am Selbstentdeckten zu finden, dann ist Theorie in meinen Augen tatsächlich eine Bremse der eigenen Kreativität.
Ich hab in einem der threads irgendwo gelesen, dass der user sich vom Auseinandersetzen mit Kirchentonleitern verspricht, endlich Melodien zu Akkordfolgen entwickeln zu können. Und ich betone: das wird sicherlich auch der Fall sein. Aber hier bremst doch der Griff in die Theoriekiste das Selbstentdecken, das auf-dem-Griffbrett-entwickeln, das mit eigener Kreativität ein Problem lösen.
Und das ist das, was ich meine, wenn ich davon schreibe, dass Theorie die eigene musikalische Entwicklung behindern kann.

Dein letzter Absatz wiederum ist so dermaßen treffend, dass ich das Ende meines Posts gern nutzen möchte, um eben diesen Absatz noch mal hervorzuheben.

Wenn mir ein Anfänger die Frage stellt, was er alles braucht, würde meine Antwort etwa so aussehen:

So wie ich Musik verstehen, hat sie drei Dimensionen. Eine handwerkliche/ körperliche , eine theoretische/ intellektuelle und eine emotionale/ spirituelle. Versuche, Dir die Musik in all diesen Dimensionen zu erschliessen, soweit es DIR möglich ist. In welcher dieser Dimensionen du dich wohlfühlst und welche für dich schwierig wird, ist eine ganz individuelle Frage. Es gibt Menschen, die Musik intensiv fühlen und anderen fällt es schwer, Botschaften über den Klang hinaus wahrzunehmen. Es gibt Menschen, die ihr Instrument sehr leicht virtuos beherrschen lernen und andere kommen nie über ein bestimmtes Level an Fingerfertigkeit hinaus. Es gibt Menschen, die Musik detailliert verstehen und analysieren können und andere tun sich schon mit dem Quintenzirkel schwer.

Es gibt individuelle Unterschiede darin, wie man sich Musik erschliesst. Wenn man Musik vollständig verstehen will, sollte man es zunächst auf allen denkbaren Wegen versuchen. Der intellektuelle Weg und der körperliche Weg sind die einfachsten. Das kann man üben und trainieren. Der emotionale Weg ist der schwerste, weil das sehr viel mit Persönlichkeit, Charakter, Erziehung und Lebenserfahrungen zu tun hat - alles Dinge, die ausserhalb der Musik stattfinden, sich aber in der Musik ausdrücken.

Lerne so viel davon, wie es DIR möglich ist. Die Grenzen setzt dein Körper, Dein Intellekt und Deine Empfindungsfähigkeit. Vernachlässige aber nichts davon. Versuche, Dein persönliches Gleichgewicht zu erreichen. Das ist kein Ziel, das ist ein Weg. Man ist ständig auf der Suche, man kommt nie an. Je mehr Du auf diesem Weg mitnimmst, desto befriedigender wird die Musik für dich werden. Du zahlst dafür nur einen Preis: schlechte Musik wird für dich zur Qual werden.
 
Ich würde jetzt dazu einfach sagen: Ihr macht einem Geschmack darauf, zu versuche, auf verscheiden Weisen, die Gitarre zu erschließen. Und mit eder dieser Weisen versteht man das Instrument und die Musik etwas besser. Also sollte man sich nicht einschränken und sich für alle dieser Weisen öffnen, denn irgendwann wird einem das etwas spielerisch bringen, sei es, dass man sich eine Virtusität anlegt ohne noch genau von der Theorie bescheid zu wissen oder umgekehrt.

Daher: Es gibt verschiedene Weisen zum gleichen Ergebnis zu gelangen und jede dieser Weisen ist legitim und wird jedem Freude bereiten. Mir zum Beispiel hat es Freude bereitet und war es wichtig zunächst ein Gefühl für das Instrument zu entwickeln, da ich zu Anfang einen zu große Gitarre für meine kleine Finger hatte. Jetzt nachdem ich eine Gitarre mit einem kleineren Hals gekauft habe, konnte ich mit dem Instrument mehr anfangen und ich kann jetzt auch anfangen, Akkorde zu erschließen. Dazu habe ich aber gesehen, ist es notwendig, sich näher mit der Musiktheorie zu beschäftigen. Daher kommt die Musiktheorie bei mir erst so spät, aber ich bin bisher begeistert und sauge da alles auf, was geht.

Ich habe in dieser Woche angefangen und hoffe, dass es sich in nächster Zeit dann auch auf mein Spiel auswirken wird. Leider konnte ich in der Schule so gut wie gar nichts in Richtung Musiktheorie lernen, das wurde nicht durchgenommen, was ich persönlich schade finde.

Daher hier auch ein Appell an Musiklehrer an Schulen: Begeistert die Schüler mit verschiedenen Weisen für die Musik, also Musktheorie, Instrumente, Verbinudung von Musiktheorie und Instrumenten. Das hat mir sehr gefehlt und erst nach der Schule habe ich meine Liebe zur Musik vertiefen können und wollen, weil ich dann de Muße hatte, mich damit zu beschäftigen.

Insofern ist mein Post hier ein Appell, die Kinder auch einzubeziehen, aber nicht sie zu drangsalieren. ;) Und dann zu hoffen, dass die Musikbegeisterung Früchte trägt :)
 
Wir sind tatsächlich fast durch die Bank einer Meinung.

Sach ich doch. ;) :D

Wenn ich mich aber in die Theorie vertiefe ohne zwischendurch das Selbstvertrauen aufzubringen, selber auszuprobieren, herumzutüfteln, Spaß am Selbstentdeckten zu finden, dann ist Theorie in meinen Augen tatsächlich eine Bremse der eigenen Kreativität.
Ich hab in einem der threads irgendwo gelesen, dass der user sich vom Auseinandersetzen mit Kirchentonleitern verspricht, endlich Melodien zu Akkordfolgen entwickeln zu können. Und ich betone: das wird sicherlich auch der Fall sein. Aber hier bremst doch der Griff in die Theoriekiste das Selbstentdecken, das auf-dem-Griffbrett-entwickeln, das mit eigener Kreativität ein Problem lösen.
Und das ist das, was ich meine, wenn ich davon schreibe, dass Theorie die eigene musikalische Entwicklung behindern kann.

Ich halte dem entgegen, daß jemand, der dieses Selbstvertrauen und diese Entdeckerlust hat und sich Musik durch "Versuch und Irrtum" erchliessen kann, das auch entsprechend nutzen wird. Die Theorie ist dann das i-Tüpfelchen obendrauf. Daß sie die Experimentierfreude einschränken soll, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn jemand Lust hat, einfach draufloszuspielen, wird die nicht dadurch eingeschränkt, daß er zusätzlich (!) theoretisches Wissen hat.

Und wenn einer diese Lust am Rumprobieren nicht hat, wird sie nicht geweckt, indem man ihm Wissen vorenthält.

Im Gegentum: manche brauchen die Theorie als Hilfsmittel, um auch in diesem Gebiet auf Entdeckungsreise zu gehen. Die sind gar nicht so experimentierfreudig oder brauche eine Bestätigung, daß das, was sie tun, auch richtig ist.

Und wieder andere haben die Kreativität und diese Lust am neuen überhaupt nicht und brauchen das sichere Terrain erlernter und nachvollziehbarer Lehrsätze, um überhaupt musizieren zu können. Die möchten erst mal erklärt bekommen, was sie dürfen und was nicht.

Ich denke, daß die Art, wie jemand mit Musik umgeht und wie und was jemand lernt, grundsätzlich eine individuelle Veranlagung ist.
Es lohnt sich in jedem Fall, Musiktheorie zu lernen. Was man dann damit macht - ggf sie sogar ignoriert- das muss man entscheiden, wenn man das Wissen hat. Aber erst dann.
 
Und wieder andere haben die Kreativität und diese Lust am neuen überhaupt nicht und brauchen das sichere Terrain erlernter und nachvollziehbarer Lehrsätze, um überhaupt musizieren zu können. Die möchten erst mal erklärt bekommen, was sie dürfen und was nicht.

Ich halte mich für einen Menschen, der Anderem gegenüber offen und tolerant ist. Aber die hier von dir beschriebene Variante kann ich nur sehr schwer nachvollziehen. Ich habe ein massives Problem damit mir vorzustellen, das jemand Freude am Musikmachen empfindet, nachdem man ihm gesagt hat: "das hier darfst Du, aber dies ist verboten" und dabei nicht den Wunsch verspürt, auf all diese Regeln zu pfeifen und einfach loszuprobieren. Aber das ist ja mein Problem und hat nichts mit der Kernfrage an sich zu tun.
 
Ach noch erwähnt werden sollte:

Jeder Musiker hat absichtlich oder nicht wenigstens Grundkenntnisse von Musiktheorie auch wenn er es gar nicht merkt.
Als beispiel:
Der Stiefvater meiner Ex war ein echt guter Gitarrist, hat eigentlich ewig für sich allein gespielt, hier mal ein neues stück, da mal was neues gesehen.

Wenn er mal keine lust hatte am Pc vor Gitarpro zu hängen und irgendwelche stücke zu spielen hat er sich mit der Gitarre auf das Sofa gesetzt und irgendwelche Melodien gespielt.
Es klag eigentlich immer gut, obwohl er nicht aktive wusste warum die einzelnen Noten zueinander Gepasst haben. Aber auf Grund seiner Erfahrung kannte er jeden ton und wusste schon was darauf pass.
Echt der kannte keine Tonleiter und sein, wie er es sagte "dahin gespieltes" klang dennoch immer super;)
 
Ich halte mich für einen Menschen, der Anderem gegenüber offen und tolerant ist. Aber die hier von dir beschriebene Variante kann ich nur sehr schwer nachvollziehen. Ich habe ein massives Problem damit mir vorzustellen, das jemand Freude am Musikmachen empfindet, nachdem man ihm gesagt hat: "das hier darfst Du, aber dies ist verboten" und dabei nicht den Wunsch verspürt, auf all diese Regeln zu pfeifen und einfach loszuprobieren. Aber das ist ja mein Problem und hat nichts mit der Kernfrage an sich zu tun.

Das ist z.B. der klassisch gebildete Musiker, der ohne Notenblatt völlig hilflos ist.
Das hat mich auch fassungslos gemacht, als ich das zum ersten Mal erlebt habe - aber das gibt's halt.

Für sie war's absolut unfassbar, daß ich ein abendfüllendes Programm auf die Beine stelle, in der Musiktheorie relativ sattelfest bin und mit einer Band musiziere, aber keine Noten lesen kann (bzw. nur auf sehr niedrigem Level).

Für mich war's crazy, daß sie mich mit panischem Blick ansah, als ich sie spontan vor ihrer Schulklasse bat, mal eben "All along the watchtower" zu spielen, damit ich die EGitarre vorführen kann. "Am, G, F, G...das schafft Du schon"..."Wie? Was? Ich? Jetzt? Ohne Noten???? DAS KANN ICH NICHT!" Eine Musiklehrerin! :rofl:

Wir beide habe uns gefragt: wie soll das gehn? Aber Spass miteinander gehabt. Beim Musikmachen....und auch sonst, aber das ist eine andere Geschichte........

Egal. Mein Erfahrung sagt: es gibt Menschen, die sich mit Regeln wohler fühlen als ohne. Und das sind sogar sehr viele.

Daß ein echter Rock'n'Roller das völlig anders sehen MUSS, ist klar.
 
Ich hab soetwas mal mitbekommen. Wir haben sie damals Papier-Musiker genannt. Wenn sie Papier vor der Nase hatten, dann konnten Sie spielen wie der Teufel. Wenn nicht - nicht. Blöd war damals nur, dass das ein reichlich elitärer Haufen war, der etwas Anderes als "Klassik vom Blatt spielen" nicht als wirkliche Musik gelten ließ. Und daraus entwickelte sich ein trefflicher Klassenkampf "Lacoste gegen Leder".

Und: ein echter Rock'n Roller bin ich nicht, eher ein "pure folkie" :D
 
Ich halte mich für einen Menschen, der Anderem gegenüber offen und tolerant ist. Aber die hier von dir beschriebene Variante kann ich nur sehr schwer nachvollziehen. Ich habe ein massives Problem damit mir vorzustellen, das jemand Freude am Musikmachen empfindet, nachdem man ihm gesagt hat: "das hier darfst Du, aber dies ist verboten" und dabei nicht den Wunsch verspürt, auf all diese Regeln zu pfeifen und einfach loszuprobieren. Aber das ist ja mein Problem und hat nichts mit der Kernfrage an sich zu tun.

Wer Musik so erklärt ("das darfst du und das nicht"), hat ganz bestimmt nicht im Sinn, einen Musiker auszubilden. Theorie ist nicht dazu da, Grenzen zu formulieren, sie soll die Musik verständlicher machen, und damit auch das Musizieren erleichtern.

Ein ganz einfaches Beispiel, wie man es häufig in Foren liest:

Jemand, nennen wir ihm mal Ulli, hat eine "tolle Melodie" und sucht dazu Akkorde. Jetzt schlägt ihm einer vor, sich mit Harmonielehre auseinanderzusetzen. Der nächste gibt ihm zwei passende Akkordfolgen zur Auswahl und der dritte schreibt einen musiktheoretischen Aufsatz, aus dem hervorgeht, daß die Melodie scheiße ist und sich überhaupt nicht harmonisieren läßt. Ulli ist selbstbewußt und ignoriert den dritten Beitrag. Über den zweiten freut er sich einerseits, merkt aber schnell, daß beide Akkordfolgen nicht ideal sind - als Musikhörer ist er nämlich ziemlich gut. Der erste Beitrag verursacht ihm Kopfschmerzen, denn die Webseiten, die ihm empfohlen wurden, erklären alles anhand von Noten und das ist ihm zu anstrengend. Aber jetzt erinnert er sich an den Schulunterricht, an Dinge wie Tonica, Dominante und Subdominante, sogar die Mollparallelen fallen ihm ein - alles ohne Bezeichnungen, aber "fünf Töne rauf", "fünf Töne runter" und "drei Halbtöne runter zu Moll" hat er behalten. Damit fängt er jetzt an zu spielen. Zuerst stellt er fest, daß er E-Dur auf 1, A-Dur auf 5 und G-Dur auf 4 hat. Dazu jeweils 3 Halbtöne runter, findet er Cis-Moll, Fis-Moll und E-Moll. Der einzige Akkord, den er so verpaßt ist der verminderte Dis-Akkord und darauf kann er auch verzichten. Da er selbst ein Gefühl dafür hat, wo sich die Begleitung ändern sollte, kann er jetzt im Selbstversuch Stück für Stück eine Akkordfolge zusammenbauen, die ihm gefällt, er probiert einfach an jeder Stelle ALLE Akkorde aus.

So, in dieser Erfolgsstory hat Ulli sich selbst eine Musiktheorie zusammengebaut, die für ihn funktioniert, und zwar auf der Basis der grundlegendsten Grundlagen. In Zukunft wird er immer wieder darauf zurückgreifen und die Vorgehensweise noch verfeinern. Zum Beispiel weiß auch er, daß Akkorde mehr als drei Töne haben können und irgendwann will er auch wissen, was man mit verminderten Akkorden anfangen kann. Obendrein hat er gemerkt, daß es manchmal gut funktioniert, nur die Akkorde zu probieren, in denen der aktuelle Ton der Melodie vorkommt, manchmal aber auch nicht. Dann könnte er sich ein Konzept für Vorhalte (Melodietöne, die einen Akkordwechsel ankündigen) ausdenken, das ihn auch beflügelt, bei vorgegebenen Akkorden freiere Melodien zu spielen. Die Theorien die Ulli aufstellt, müssen nicht mit der offiziellen Theorie übereinstimmen, vielleicht klingt seine Musik auch schrecklich unkonventionell. Aber vielleicht muß Ulli auch noch viel mehr entdecken, um über seine Grenzen hinauszuwachsen und Möglichkeiten zu sehen, auf die er einfach nicht kommt, weil er ihre Existenz nicht mal vermutet. Vielleicht ist er auch völlig zufrieden und verdient mit seiner Rockband inzwischen Millionen.

Jetzt habe ich den Faden verloren. Aber das wichtigste habe ich dargelegt, nämlich die Tatsache, daß man ohne Theorie eigentlich überhaupt keine Musik machen kann. Man kann natürlich schöne Melodien entwickeln, aber dahinter steckt auch schon wieder Theorie, nur daß die wesentlich weniger faßbar ist, sie setzt sich nämlich nur aus den eigenen Hörerfahrungen zusammen und braucht nicht formuliert zu werden.
 
Und damit hast Du recht schön deutlich gemacht, wo die eigentliche Crux dieses Threads liegt. Vielleicht hätten wir anfangs mal klarstellen sollen, wie Theorie hier definiert ist.

Für Dich scheint Theorie auch das zu sein, was ich niemals als Theorie, sondern als praktische Erfahrung bezeichnen würde. Was wiederum erklärt, warum Du der Meinung bist, dass man ohne Theorie keine Musik machen kann und ich darauf antworte: doch, natürlich kann man.

Liegt da vielleicht der eigentliche Grund für die Kontroverse dieses sehr interessanten threads ?
 
Ich hatte eigentlich eine ganz simple Frage gestellt. Es ist aber interessant, wie hier die Meinungen auseinander gehen und was daraus für eine Diskussion geworden ist.
 
Das ist doch der Sinn und Zweck eines Forums. Oder ?
 
Irgendwie schon, aber es fällt auf, dass bei diesem Thema extrem "gekämpft" wird.
 
Guendola schreibt: "...Zuerst stellt er fest, daß er E-Dur auf 1, A-Dur auf 5 und G-Dur auf 4 hat...."

Damit hätte ich aber ein Problem...:p
 
Nur mal so, ohne wirkliche Bezugnahme auf die derzeitige Diskussion:
Ich habe mich durch Theorie schon oft limitiert gefühlt. Die intensive Beschäftigung mit Regeln führt für mich oft dazu, dass ich die Ab-, Um- und Nebenwege nicht sehe und auch kaum zufällig finden kann. Könnte ich auch detaillierter beschreiben, aber für jetzt sage ich einfach mal, dass es manchmal so war/ist. Da kann man was gegen tun, aber das ist nicht wirklich so einfach, wenn man einmal "gefangen" ist.

Etwas anderes sagte ich aber auch schon: Die Theorie hilft mir beim faul sein. Ich kann dadurch gewisse Dinge sehr viel schneller sortieren und zum praktischen Einsatz bringen.
Ein recht simples Beispiel, dass ich in einem anderen Thread schon mal bemüht habe: Ein C-Dur Dreiklang ist ganz wunderbar einfach zu spielen, auch auf der Gitarre. Auf allen Saiten-Dreiern, in allen Umkehrungen. Kann man sich extrem schnell draufschaffen. So, dann habe ich meinen C-Dur Dreiklang, toll.
Aber, durch meine theoretische Ausbildung weiß ich, dass ich diesen blöden Dreiklang auch noch für diverse andere Dinge nutzen kann.
- C/A. Ein hervorragend funktionierendes Am7.
- C/D. Ein feiner D7/9sus4. Und wenn ich das G zum F# mache auch ein feiner D7/9.
- C/F. Ein etwas "poppiger" Fmaj9.
Das sind nur 3 Beispiele, es ließen sich vielleicht noch 2-3 andere (allerdings etwas abwegigere) finden.
Aber jedenfalls habe ich nur durch theoretisches Wissen meine praktischen Einsatzmöglichkeiten für den C-Dur Dreiklang unversehens vervierfacht. Ich finde das ganz enorm.

Von solchen Beispielen ließen sich etliche mehr finden, man denke an überlagerte Vierklänge, Pentatoniken (von denen es in jeder Durtonart schon mal gleich 3 gibt) oder die "modale Theorie" (sprich: C-Dur ist eben auch G-Mixolydisch).
Ohne theoretischen Background würden sich mir viele dieser Dinge nur per Zufall eröffnen.

Wie gesagt, ich kann so leichter faul sein. Und ich mag faul sein.

Gruß
Sascha
 
Guendola schreibt: "...Zuerst stellt er fest, daß er E-Dur auf 1, A-Dur auf 5 und G-Dur auf 4 hat...."

Damit hätte ich aber ein Problem...:p

Ich hatte ja auch den Faden verloren, jetzt ist klar, warum :D

Also:

1 E Dur
4 A Dur
5 H Dur
2 Fis Moll
3 Gis Moll
6 Cis Moll

Den Originalbeitrag kann ich leider nicht mehr korrigieren.
 
Jeder Musikleher sagt dir zum Beispiel, daß man Oktaven nicht verschieben darf, aber auf die Frage: Warum? sind zumindest meine ehemaligen Musiklehrer immer ins stottern gekommen

Kommt AFAIK daher, dass die Harmonielehre typischerweise am vierstimmigen Satz demonstriert und gelehrt wird (für Interessiert: im ZDF-Theaterkanel läuft diesen Montag gerade eine Sendung über Palestrina:). Wenn du hier zwei Stimmen in Oktav- und/oder Quintparallelen führst, dann bleibt den beiden verbleibenden Stimmen nicht mehr viel Unabhängigkeit.
Natürlich haben immer Komponisten in vielstimmigen Sätzen Stimmen z.T. parallel geführt, z.B. als Klangfärbung.

Gut ist hier ein Theoriebuch, das historisch arbeitet (de la Motte z.B.).
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Gegentum: manche brauchen die Theorie als Hilfsmittel, um auch in diesem Gebiet auf Entdeckungsreise zu gehen. Die sind gar nicht so experimentierfreudig oder brauche eine Bestätigung, daß das, was sie tun, auch richtig ist.

Half auch, wenn kein Gitarrenlehrer zur Verfügung oder leistbar war: Ein Buch über Harmonielehre gab's in der Stadtbücherei, mit ein bisschen Mathekenntnissen konnte man sich dann ein Grundgerüst aufbauen, von dem aus ich gut (und finanzsparend) weiterlernen konnte.

P.S.: Es gab Zeiten ohne Youtube, ja sogar ohne Videorekorder. Da war das von einer verkratzten LP schlecht aufgenommene C90-BASF-Tape das Maß aller Dinge. Da konnte man allenfalls etwas Heraushören. Und das ging mit Theoriekenntnissen (was könnte gleich kommen...) deutlich besser.
 
Überall auf der Welt machen Musiker hervorragende Musik, ohne sich jemals mit Musiktheorie auseinandergesetzt zu haben. Und etliche von denen haben nicht mal eine Grundschulausbildung. Sie lernen durch zusehen, zuhören und nachmachen. Und das Ergebnis ist sehr oft phantastisch.

Ja, aber viele dieser guten Musiker haben eine sehr lange Ausbildung durch einen Lehrer. Dieser wird in der Regel Theorie vermitteln, auch wenn er dies selbst so nicht definiert und der Theoriebegriff nicht dem der Musikhochschule gleicht. Und auch denjenigen, die durch Nachspielen imitierend lernen, wird auffallen, dass es mehr Stücke mit den Akkorden G - C - D als mit G - cis - Fdim gibt. Solches Erfahrungswissen bildet dann ja auch die Grundlage einer individuellen "Vortheorie".
 
Ja, aber viele dieser guten Musiker haben eine sehr lange Ausbildung durch einen Lehrer. Dieser wird in der Regel Theorie vermitteln, auch wenn er dies selbst so nicht definiert und der Theoriebegriff nicht dem der Musikhochschule gleicht. Und auch denjenigen, die durch Nachspielen imitierend lernen, wird auffallen, dass es mehr Stücke mit den Akkorden G - C - D als mit G - cis - Fdim gibt. Solches Erfahrungswissen bildet dann ja auch die Grundlage einer individuellen "Vortheorie".
Das stimmt rw, aber es gibt auch einige, die intuitiv lernen können und die einen ser guten Sinn für die Musik als solche haben und deswegen eine tolle Musik zustandebrachten, auch ohnte Theorie. Ich will damit nicht sagen, lasst die Theorie sein, sondern lasst jeden den eigenen Weg finden, sich die Theorie zu erschließen, die einen analytisch, die anderen spielerisch, intuitiv. Diejenigen Musiker, die noch nie ein Theorie-Handbuch in der Hand haten oder sich noch nie über Theorie unterhalten haben, sind auch gute Musiker und können sehr wohl gute Musik spielen. Sie beherrschen die Theorie, will ich mal sagen, intuitiv.
 
Mal OT an alle Mitleser und Mitschreiber: ich finde diesen thread mittlerweile absolut bewertenswert.

Für alle, die es noch nicht kennen: Ihr habt oben in der Themenzeile die Möglichkeit, ein Thema zu bewerten. Und diese kleinen Sternchen kann man dann in der Threadübersicht sehen.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben