Songtext- Welche Perspektive?

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cheesecakex
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Brauch mal bitte Eure Hilfe.
ich schreibe meine Texte meistens aus der Ich-Perspektive.
Die meisten Texte sind aber auch eher satirisch-humoristisch angehaucht.
Auch wenn es dann Geschichten sind, die nicht wirklich auf mich zutreffen, hÀtte ich
im Zweifel kein Problem damit, mit dem Inhalt in Verbindung gesetzt zu werden.
Jetzt haben wir einen neuen Song geschrieben (ich den Text), der eine gewisse Schwere mit sich trÀgt.
Es geht um die dunkle Seite die jeder in sich hat. Der eine mehr, der andere weniger.
-Der Arzt, der sich nach Feierabend seinen perversen Neigungen hingibt-
- Der Priester, der seine Kanzel nicht ohne einen Schluck Schnaps betritt-

Habe den Text aus der Ich-perspektive geschrieben.
Meine Gedanken: Ob ich es nicht umschreibe in eine andere Perspektive.
Der Song wird irgendwann in diesem Jahr noch veröffentlicht und weiß nicht ob das zu heikel ist.
Wenn die Ärzte so etwas machen wĂŒrden, wĂ€re mit Sicherheit klar, wie es gemeint ist.
Aber wir sind nun mal nicht die Ärzte.

Wie geht Ihr mit so etwas um?
 
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Hallo, der Arzt köönnte auch den Schnaps drinken und der Priester...

da kann man einiges hören und lesen
na ja es gibt und gab ja einige Beispiele
ist halt auch ein heißes Eisen
 
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Hallo, der Arzt köönnte auch den Schnaps drinken und der Priester...

da kann man einiges hören und lesen
na ja es gibt und gab ja einige Beispiele
ist halt auch ein heißes Eisen

Danke, die Frage die mich umtreibt: Macht man so etwas besser in: "Ich bin Arzt und..." oder "Du bist Arzt..."
 
Oder „Es war ein Arzt...“?

Gruß,
glombi
 
Als jemand, der nur Texte schreibt, die er dann selbst nicht singt: Du kannst in jede Rolle schlĂŒpfen. Als KĂŒnstler kannst Du Dich von Deiner Person lösen, zumindest fĂŒr 3:30 (oder eben ein wenig lĂ€nger ;-)) - seh ich zumindest so. Dass ist doch eine der tollen Möglichkeiten, die Dir ein Song gibt. Wenn Du Dich damit wohl fĂŒhlst, mach es in der Ich-Form. Wenn Du Dich mit der Story in dieser Form nicht identifizierst und es eher als Anklage formulieren willst, klappt auch das - dann besser in der zweiten (oder dritten) Person. Du bist frei!
 
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Hi cheesecakex,
Deine bzw. Eure Situation ist ĂŒberhaupt nicht ungewöhnlich. Das ist eine Standardsituation- nicht nur in der Musik und nicht nur in Songtexten, sondern in Literatur, Film und generell jeglicher Kunst.

Um es mal anders herum zu sagen: Wer nicht unterscheiden kann zwischen einem Ich-ErzĂ€hler und der Person, die diesen Ich-ErzĂ€hler verkörpert, der glaubt auch, dass in einem Film ĂŒber eine Schwangere die Schauspielerin ebenfalls schwanger sein muss oder dass die Autorin von Harry Potter zaubern kann oder ein Junge ist oder dass John Bonamassa tatsĂ€chlich keinen cent besitzt, weil er den Blues "Got no money, I'm down and out" singt.

Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, wer Dich (oder wer immer den song singt) mit einem Kirchenoberen oder einem Arzt verwechseln sollte, der da wahrheitsgemĂ€ĂŸ ĂŒber sich selbst aussagt.

Möglicherweise geht es ja weniger um die ErzĂ€hlperspektive als um die Aussage des songs oder die Haltung, in der man diese Aussage trifft. Ist Euch vielleicht die Aussage oder das Thema selbst zu heiß? BefĂŒrchtet Ihr, angegriffen oder kritisiert zu werden, weil Ihr so einen song bringt oder so eine Aussage trefft (Priester ist suchtkrank, Arzt pervers, XY ist ...)? Gibt es möglicherweise innerhalb der Band unterschiedliche Ansichten darĂŒber?

Ich glaube nicht, dass in dem Fall eine andere ErzÀhlperspektive etwas Àndert.
Es ist eher so, dass sich ĂŒber die ErzĂ€hlperspektive die Zuhörenden selbst in die Person hineingesetzt fĂŒhlen (und allerdings der/die Singende diese Person anders verkörpert als bei einer Zeugen- oder Beobachterperspektive).
Aber die Zuhördenden wissen, dass weder der/die Singende noch sie selbst die Person sind, ĂŒber die gesungen wird.

Bei meinen songs hat die ErzĂ€hlperspektive immer eine Funktion: die Ich-Perspektive unterstĂŒtzt die Identifikation mit der Person, andere Perspektiven schaffen eher Distanz - beides hat jeweils Vor- und Nachteile.

Ein "besser" oder "schlechter" gibt es da nicht.

Herzliche GrĂŒĂŸe

x-Riff
 
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Ich rate generell zur Ehrlichkeit! Das kann in der 3. Person einfacher fallen. Dazu kommt, dass mir ein anschließendes Umschreiben in die Ich-Perspektive leicht fĂ€llt. Hat nur noch mit Handwerk zu tun.

Aber heute brauch ich das Versteck hinter der 3. Person nicht mehr! Ich habe keine Angst mehr vor Kritik. Jeder Mensch ĂŒberschĂ€tzt seine Bereitschaft zur bedingungslosen Ehrlichkeit. Freie MeinungsĂ€ußerungen eines LIs machen spĂŒrbar bereits in den Schreibmomenten stolz. Und nun kommt es: Aber man muss sie diplomatisch formulieren können! Mit einer schönen Fremden spricht man eben anders als mit den Großeltern, Freunden, Chefs oder seinem Publikum.

Hier beginnt die Kunst. Dazu muss man frei vom Reimzwang sein. Ich ĂŒbe tĂ€glich ein paar Stunden das Reimen. Man muss Grammatik ( Satzstellungen, Wortarten usw.) tĂ€glich studieren, Man muss metrische Betonungen ĂŒben. Hier bremse ich mich mal selber aus...

Kurz: Man muss so oft wie möglich der eigenen Stimme lauschen, mit der man Anderen ein Vertraulichkeit gesteht. Viele AnfÀnger reden automatisch trotziger, prahlerischer oder edler, wenn sie in der dritten Person etwas Tiefes preisgeben. Der falsche Tonfall verdirbt die AuthentizitÀt...
 
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Danke vielmals.
@x-Riff , das Beispiel mit dem Film ĂŒberzeugt natĂŒrlich. Und in der Tat war es ein Bandkollege, der meinte das Thema könnte "zu groß" sein fĂŒr
eine unbekannte Band. Ich selber finde es in der Ich-Perspektive besser, weil ich somit auch bei Aussagen die ich ĂŒber mich tĂ€tige die Stimmer
ein wenig...wie soll ich sagen... lĂŒsternd klingen lassen kann.
 
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ein Bandkollege ... meinte das Thema könnte "zu groß" sein fĂŒr eine unbekannte Band.
Ich glaube nicht, dass die Bekanntheit der Band etwas mit der "GrĂ¶ĂŸe" des Textes zu tun hat. Wenn der Text in sich schlĂŒssig ist, ist es egal, wer ihn singt.

Ich bin auch dafĂŒr, in der 1. Person zu schreiben. "Er ist Arzt und macht sowas ..." klingt nach Anklage oder ĂŒbler Nachrede und verlangt nach BestĂ€tigung, ehe man etwas daraus lernen kann. "Ich bin Arzt und mache sowas ..." klingt eher nach Beichte und wird als gegeben hingenommen.

Was problematisch sein könnte, wÀre die Doppel-Persona Arzt/Priester. Kannst du es stimmlich, mimisch oder durch das musikalische Arrangement glaubhaft machen, das du mal der eine, mal der andere bist?
Cheers,
Jed
 
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So die Richtung Dr. Jecyl &Mr. Hyde nur dann in der Ichform bleiben

Geh nun in den Behandlungsraum
die Patienten reden kaum

Abends wenn ich nach Hause fahre
dann spĂŒr und fĂŒhl ich .....
 
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Ich glaube nicht, dass die Bekanntheit der Band etwas mit der "GrĂ¶ĂŸe" des Textes zu tun hat. Wenn der Text in sich schlĂŒssig ist, ist es egal, wer ihn singt.

Ich bin auch dafĂŒr, in der 1. Person zu schreiben. "Er ist Arzt und macht sowas ..." klingt nach Anklage oder ĂŒbler Nachrede und verlangt nach BestĂ€tigung, ehe man etwas daraus lernen kann. "Ich bin Arzt und mache sowas ..." klingt eher nach Beichte und wird als gegeben hingenommen.

Was problematisch sein könnte, wÀre die Doppel-Persona Arzt/Priester. Kannst du es stimmlich, mimisch oder durch das musikalische Arrangement glaubhaft machen, das du mal der eine, mal der andere bist?
Cheers,
Jed


Ja, habe gestern den Entschluss gefasst in der 1. Person zu bleiben.
Text noch bisschen ĂŒberarbeitet.
Zur ErklĂ€rung: Es geht darum das jeder seine Laster hat. Keiner weiß wirklich was hinter den Gardinen der anderen vor sich geht.
Es geht los damit das der Arzt ĂŒber seine Laster "redet" und weiter erzĂ€hlt er/ich im Verlauf ĂŒber seinen Nachbarn dem Priester, Cousin etc.
Ihr habt mir sehr geholfen. Danke
 
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Wenn Du Lust hast, kannst Du den Text/Entwurf gerne hier reinstellen.

Herzliche GrĂŒĂŸe

x-Riff
 
Es gibt Themen, die problematisch sind, und nicht alle davon waren es vor 30 Jahren. Heute unproblematische Texte können irgendwann heikel werden, warum auch immer. Vollpfosten, die nicht verstehen (wollen), dass der Texter nicht das tut, was vorgetragen wird, gibt es immer. Und das Netz vergisst bekanntlich nichts. Von daher wÀre ich bei Texten in der Ich-Form eher vorsichtig.
 
Von daher wÀre ich bei Texten in der Ich-Form eher vorsichtig.
Bei der englischsprachigen Volksballade gibt es ein besonderes Format, das den Umgang mit der 1. Person fĂŒr SĂ€nger und Zuhörer gleichermaßen einfacher macht. Das Genre heißt "As I roved out", weil die Texte alle mit dieser oder einer anderen Formulierung beginnen, die mit MĂŒĂŸiggang und Spazieren/Wandern zu tun hat. Die 2. HĂ€lfte der ersten Strophe beginnt mit "I overheard" (ich belauschte) und nennt den Personenkreis zu dem der Protagonist der Ballade gehört. Der Rest der Ballade gibt die Klage (denn darum handelt es sich meistens) der belauschten Person im Wortlaut wieder.
Das hat den Vorteil, dass z.B. ein Ă€lterer SĂ€nger in der 1. Person vom Schicksal eines jungen MĂ€dchens berichten kann, oder eine SĂ€ngerin von der Untreue einer Seemannsbraut. Nimmt man den Text wortwörtlich, so ist es klar, dass es sich nicht um eine Selbstdarstellung handelt - wohl aber um eine direkte Zeugenaussage, die mindestens so ĂŒberzeugend ist.

Was empfindliche Themen angeht: eine sehr schöne australische Ballade (die auf eine irische Melodie gesungen wird) beginnt so:

One Sunday morning, as I went walking,
By Brisbane's waters I chanced to stray;
I heard a convict his fate bewailing,
As on the sunny river's bank he lay:
"I am a native of Erin's island,
Though banished now from my native shore;
They stole me from my aged parents
and from the maiden whom I do adore."


(An einem Sonntagmorgen, als ich spazieren ging
Kam ich zufÀllig an der Wasserfront von Brisbane vorbei;
Da hörte ich einen StrÀfling sein Schicksal beklagen,
Der am sonnigen Flussufer lag:
"Ich bin geboren auf der Insel Irland,
Bin aber jetzt von meinen heimischen Gestaden verbannt;
Man raubte mich meinen alten Eltern
Und dem MĂ€dchen, das ich anhimmele.")

Die restlichen Strophen handeln von den unmenschlichen Bedingungen der australischen Strafkolonien des 19 Jahrhunderts. Spezifische Straflager und spezifische Lageraufseher werden genannt; ebenso die Freude der StrÀflinge, als einer ihrer Peiniger von einem Eingeborenen umgebracht wird. Starker Tobak - kein Wunder, dass der Dichter hinter dem Schutzschild der wörtlichen Rede vorging!

Ich persönlich habe dieses Format einmal benutzt, um einen autobiographischen Text zu schreiben. Es handelt sich um meinen Weggang als junger Mann aus Nordirland, wo die "Unruhen" angefangen hatten und noch kein Ende in Sicht war. Mein Text war eigentlich so wahrheitsgemĂ€ĂŸ und detailliert, wie eine Lyrik nicht sein sollte. Also klatschte ich eine Strophe davor: "Als ich am Fluss spazieren ging hörte ich einen jungen Mann, der sich folgendermaßen beklagte ..."
(As I walked down by Lagan's banks / On a pleasant summer's day, / Where beneath the green and spreading trees / The waters sparkling lay / It was there I heard a young man, and thus he did complain: / "Oh, fare you well, you Lagan's banks; / When will I see you again?") Der Rest ist im Prinzip ein gereimter Teil-Lebenslauf.

Um ehrlich zu sein: der Text singt sich auch leichter mit diesem "Schutzschild" zwischen mir und meiner Vergangenheit ...

Cheers,
Jed
 
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Eine tolle Antwort, @Jed !
Das ist ein ziemlich guter Kniff. Hab ich mal bei einem Text fĂŒr ein Requiem genutzt. Zuerst sprach nur der Tote. Das war zu morbid. Dann hab ich einen Teil davor gesetzt, in dem der SĂ€nger erzĂ€hlt, dass er noch eine Botschaft des Verstorbenen fĂŒr die Trauergemeinde hat, die er nun vortragen will - und so hat es dann funktioniert.
VG
FdB
 
Als jemand, der nur Texte schreibt, die er dann selbst nicht singt: Du kannst in jede Rolle schlĂŒpfen. Als KĂŒnstler kannst Du Dich von Deiner Person lösen, zumindest fĂŒr 3:30 (oder eben ein wenig lĂ€nger ;-)) - seh ich zumindest so. Dass ist doch eine der tollen Möglichkeiten, die Dir ein Song gibt. Wenn Du Dich damit wohl fĂŒhlst, mach es in der Ich-Form. Wenn Du Dich mit der Story in dieser Form nicht identifizierst und es eher als Anklage formulieren willst, klappt auch das - dann besser in der zweiten (oder dritten) Person. Du bist frei!
Man sollte in einem Lied aber immer nur EIN Ich sein, nicht mehrere (Arzt, Priester etc.). Neben dem "Du" gibt es natĂŒrlich auch die dritte Person. Nur als Beispiel "Alles klar auf der Andrea Doria", wo auch mehrere Leute beschrieben werden. Und dann gibt es natĂŒrlich auch Lieder, in denen es ein Ich und verschiedene Ers und Sies gibt. Eines der besten Lieder ist sicher "Weg zur Arbeit" von Georg Kreisler. Beim "Du" ist ein GegenĂŒber auch immer mindestens mitgedacht, beim "Er" oder "Sie" kann dieses GegenĂŒber (also das "Ich" oder "Wir") dem Zuhörer den Zugang erleichtern, weil er ja immer weiß, wer das "Ich" ist, das dann auch eine Rolle sein kann (Gott, der Papst, die frĂŒhere Kindergartentante der Ärzte und Priester), aber auch in dieser Rolle bleiben sollte. Wenn man den Zuhörer nicht absichtlich völlig in die Irre fĂŒhren will, und am Ende lĂ€uft es auf "42" raus.
 
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-Der Arzt, der sich nach Feierabend seinen perversen Neigungen hingibt-
- Der Priester, der seine Kanzel nicht ohne einen Schluck Schnaps betritt-
Umgedreht wĂ€re vielleicht stimmiger und wĂŒrde der Ich Perspektive mehr Zunder geben.
Ich denke das lyrische Ich darf das und kann sich gerne weit aus dem Fenster lehnen.

Mit der dritten Person oder der sehr spannenden Technik von @Jed kannst du dich zwar wunderbar „absichern“ aber je nach dem wie fordernd dein Text ist kannst du ihm damit auch den Zunder und die Wirkmacht nehmen.

Stell dir nur mal Jeanny von Falco in der dritten Person oder als Zitat eines TĂ€ters vor.
Das Offenbaren ist hier das Geheimnis und die Kraft die Stimmung und Text tragen und verbinden.
 

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