Anfertigung eines Saitenhalters für einen Halbresonanz-Bass

Uli
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Bei meinem derzeitigen Winterprojekt - dem Wiederaufbau eines Violinbass' aus einem alten Body - muß auch die gesamte fehlende Hardware ersetzt werden. Da ich nicht beabsichtige, das ursprüngliche Instrument zu restaurieren, sondern eher dabei bin, alle möglichen Teile zusammenzutragen, die passen könnten, stellte sich auch die Frage nach einem passenden Saitenhalter. Während ich mich bei der Brücke für eine Höfner Brücke entschieden habe, wollte ich nicht auch noch den von den meisten Höfner Halbresonanz Bässen bekannten Saitenhalter kopieren, den es sogar in einer billigen China-Version gibt. Letztere ist allerdings nur optisch ähnlich und von sehr vereinfachter Konstruktion, dafür allerdings auch recht billig und mit 95g relativ leicht.

3566.jpg


Mir schwebte etwas schwereres vor, was einerseits die zu erwartende Kopflastigkeit etwas ausgleichen würde, andererseits keine große optische Nähe zum Höfner Modell hatte. Dabei fand ich einen Framus Saitenhalter ganz gelungen, der in den 60ern an einigen Star Bässen verbaut worden war... würde sich auch anbieten, weil der Hals, mit dem ich den alten Korpus verheiraten werde, auch von Framus stammt.

framus.jpg


Genau nach diesem Muster sollte es natürlich nicht sein, aber zumidest von der Form inspiriert, bei einem ersten Entwurf hatte ich noch drei Verbindungstreben zwischen Scharnierteil und Saitenhalter vorgesehen...

Plan Tailpiece.jpg


...damit das Ergebnis dem zweistrebigen Framus Saitenhalter nicht allzu ähnlich sieht. Als ich mich dann aber für das zu verwendenden Rohmaterial entschieden hatte, erschien mir der Abstand zwischen den einzelnen Saiteneinlässen doch zu eng, so daß ich mich dann doch für die zweistrebige Variante entschied. Während der Planungsphase (der noch die dreistrebige Variante zugrunde lag) mußte ich auch die Art des Scharniers festlegen, wobei ich mich von den zahlreichen Möglichkeiten für eine Version entscheiden mußte.

varianten.jpg


Die dreieckige Form des Montageblechs ist dabei nur symbolisch, weil das einfacher zu zeichnen war, die endgültige Form wird da sicher etwas anders ausfallen. Ich werde das ganze aus Messing anfertigen, weil das relativ gut zu beschaffen und zu verarbeiten ist. Außerdem muß dabei die Oberfläche hinterher nicht unbedingt behandelt werden, auf alten Messingteilen stellt sich ja irgendwann von alleine eine gewisse Dunkelfärbung ein, je nach Luftfeuchtigkeit und Legierungsverhältnis von Kupfer und Zink auch eine gewisse Patina. Unbenommen bleibt außerdem die Möglichkeit, das ganze hinterher zu galvanisieren, da ist ja von Nickel bis Gold alles möglich... wird aber bei mir eher nicht der Fall sein, hängt aber sicher auch davon ab, wie es nachher im Gesamtkontext des fertigen Instrumentes aussehen wird.

Die Framus Variante mit nur einem Scharnier-Eingriff (und zwei Verbindungsstreben) gefällt mir dann doch am besten, also wird es wohl diese werden:

mod01.jpg


Also auf zur Materialbeschaffung...
 
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Anders als in den Baumärkten, wo man oft mindestens Meterstangen kaufen muß, lassen sich im Internet auch kleine Abschnitte bestellen, so finden sich bald bei mir die erforderlichen Rohteile ein:
  • 3x 20cm Rundmaterial 5mm
  • 10cm Flachmaterial 20x8
  • 10cm Flachmaterial 25x8
  • Messingblech 1mm
Bei den 5mm Stangen war ich noch von der dreistrebigen Variante ausgegangen - egal, die überzählige frißt kein Brot.

3488.jpg


Entsprechend meinem Entwurf muß als erstes die breitere der beiden Flachstangen zunächst auf 80mm gekürzt und mit den 4 Bohrungen für die Saiten versehen werden.

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Auf der halsseitigen Austrittsseite der Saiten werden die 3,2mm Bohrungen leicht entgratet, damit sie später nicht an der Saitenumspinnung scheuern.

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Auf der anderen Seite müssen die Bohrungen auf 7mm vergrößert werden, damit die Ballends reinpassen.

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Jetzt wird die schmälere Flachstange dem Entwurf entsprechend auf 60mm verkürzt...

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...und jeweils zwischen E- und A-Saite sowie zwischen D- und G-Saite werden die 5mm Gewinde eingeschnitten, in welche dann die Rundstangen eingeschraubt werden, die beide Teile zusammenhalten.

3505.jpg


Im gegenüber liegenden kürzeren Teil müssen allerdings an die gleiche Position Linksgewinde eingeschnitten werden, damit sich die Rundstangen später gleichmäßig in beide Teile einschrauben lassen.

3506.jpg


Dementsprechend müssen auf den Messingbolzen natürlich auch auf der einen Seite (normale) Rechtsgewinde und am anderen Ende Linksgewinde sein, was auch ausschließt, daß man die Bolzen auch umdrehen kann.

3510.jpg


Im nächsten Schritt wird dann am kürzeren Teil das Scharnier gefertigt sowie das passende Blech-Gegenstück, das an den Korpus geschraubt wird.
 
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mechanik pur .... klasse !
 
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Ja... ich hab zwar noch kistenweise Elektronikbauteile aller Art hier gehortet, aber seit fast 20 Jahren nichts mehr davon verwendet... irgendwie ist die Zeit vorbei, wo man sich noch was zusammenlöten konnte, was es nicht schon in fertiger China-Variante für weniger Geld zu kaufen gibt... von seltenen Ausnahmen mal abgesehen. Insofern: back to the roots und ran an den Schraubstock! :D
 
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Hallo Uli,

tolles Projekt das ich gerne verfolge.

Du scheinst ja einen guten background und gewisse "schlosserige" Fähigkeiten zu haben. Deswegen will ich hier auch gar nicht meckern, sondern Dir nur dringend empfehlen die Bohrungen etwas aufzuweiten.

Durch 4 mm flutscht kein ballend und 7,5 mm für die Senkung wären nach meiner Einschätzung mindestens zu empfehlen.

Hintergrund ist dass die Saitenhersteller gerade im Bereich des ballends sehr hohe Toleranzen zulassen und eine Saite die sich mal im Saitenhalter verklemmt hat ist ein sehr großes Ärgernis das sich unter Umständen nicht beheben lässt.
 
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Ja, darüber, ob das mit den Bohrmaßen nachher in der Praxis auch wirklich hinhaut, hab ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Durch die Konstruktion mit den beiden Messingbolzen läßt sich das ja notfalls in Minutenschnelle wieder auseinanderschrauben (wenn kein Saitenzug drauf ist) und ggfls nachbessern. Ich konnte das bisher noch nicht life ausprobieren, weil ich noch keine Tuner montiert habe, was wiederum daran liegt, daß die Schleif- und Lackierarbeiten an Korpus und Hals noch nicht fertig sind. Aber danke für den Tip, wenn ich erstmal so weit bin, daß ich die erste Saite durchstecken kann, werde ich das alles nochmal überprüfen. (y)
 
Nach Festlegung der Breite muß ein Stück aus dem Flachmaterial genommen werden, in das später das Scharnier-Gegenstück eingreifen wird. Dazu säge ich erstmal bis zur voraussichtlich erforderlichen Tiefe...

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...und setze dann aber zuerst die Bohrung an, in die später der Scharnierbolzen eingeführt wird. Ich verspreche mir davon, daß ich dann anhand der Austrittsöffnung besser beurteilen kann, wie tief die mittige Ausnehmung letztlich gefeilt werden muß.

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Um nicht alles von Hand feilen zu müssen, nehme ich einen Teil des Materials schonmal mit dem Winkelschleifer weg...

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...aber dann muß doch manpower ran!

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In die Scharnierbohrung schneide ich ein 3mm Gewinde...

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...insofern werde ich den Scharnierstift wahrscheinlich mit einer Schraube - welcher Art auch immer - realisieren.

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Jetzt muß ein Entwurf für das Befestigungsblech her, den ich aus etwas stärkerem Papier zurechtschneide.

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Der Plan sieht vor, die Befestigung aus gefaltetem, also doppellagigem Blech zu biegen...

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...allerdings stellt sich bei einem ersten Test heraus, daß das bei 1mm Blechstärke viel zu dick werden würde... also wird es doch nur einlagig!

Um die Form möglichst symmetrisch hinzukriegen, nehme ich nur eine Hälfte der Schablone, die dann gespiegelt wird.

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In die Rundbiegung werde ich später eine 6mm Hülse einsetzen, die mit dem Messingblech verlötet wird. Als Platzhalter und Biegeschablone muß aber zunächst ein 6mm Bohrer herhalten.

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Dann kann die Messinghülse eingesetzt, passend abgelängt und eingelötet werden, nachdem sie zuvor mit feinem Schleifpapier von der Vernickelung befreit wurde.

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Die Passung muß noch etwas nachgefeilt werden, bis sich die Hülse um den Gewindebolzen problemlos dreht. Da es sich nicht um ein Scharnier im eigentlichen Sinne handelt, das ständig bewegt wird, spielt es wohl keine große Rolle, daß der Scharnierstift ein Schraubengewinde aufweist. Bei einem ständig bewegten Scharnier würde sich das Gewinde vermutlich auf die Dauer in die Hülse fressen aber hier findet ja keine Bewegung statt, wenn die Saiten erst einmal aufgezogen sind.

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Um das Blech der Korpusrundung mit dem Schonhammer anzupassen, bietet sich eines der Formstücke meines alten Ausbeulsatzes an, den ich wohl vor einigen Jahrzehnten zum letzten Mal in seiner ursprünglichen Bestimmung verwendet habe.

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Das dritte Bohrloch hab ich zwar rückseitig schon angekörnt, will aber noch abwarten, wo der Gurtpin später montiert werden wird, vielleicht kann man das ja kombinieren.

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So... Endspurt!

Dort, wo ich die Hülse mit dem Blech verlötet habe, hat die Lötflamme das Blech etwas verfärbt, was mich aber nicht weiter stört, weil die gesamte Konstruktion ohnehin noch nachgearbeitet werden muß, also begradigt, entgratet, verrundet etc.

Im Vergleich sind beide Saitenhalter zwar in etwa ähnlich lang...

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...der aus Messing wiegt mit 230g aber etwa das zweieinhalbfache des Chinaböllers.

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Ob ich den Saitenhalter so schmucklos lassen werde weiß ich noch nicht...

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außer einer Gravur (wie auf dem oben gezeigten Framus-Original) gäbe es ja beispielsweise noch die Möglichkeit einer Applikation wie im nachstehenden Bild... aber das entscheide ich erst, wenn der Bass fertig ist. Jetzt bleibt er erstmal so (nackt) und ich kann mich den Restaurierungsarbeiten an Hals und Korpus widmen, die wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden, da gibt es noch viel zu tun!

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Zum Schluß noch eine lose Saitenanprobe... scheint alles zu passen!

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Ich lese deine Bauprojekte immer wieder gerne und mit großem Vergnügen :great:
 
ich denke , ein paar schöne verzierungen würden dem teil ganz gut stehen ....... da sind ja auch die schönen f löcher im korpus und dazu würde sich ja das kantige doch zu sehr absetzen .

*winks
 
Da magst du Recht haben... Design ist nicht so meine Stärke, aber mal sehen, was mir oder talentierteren Beratern noch so einfällt, wenn der Bass ansonsten fertig ist. :)
 
Immer wieder toll. :great:

Kannst du die Vertiefungen für die Ballends so tief machen, dass man die Kugeln nicht mehr sieht? Platz genug ist ja.
 
Bei meiner Materialbeschaffung hatte ich mich grob am originalen Höfner Saitenhalter orientiert, bei dem das Flachmaterial ebenfalls 8mm stark ist. Dort hat man die Aufnahme der Ballends durch eine Rille realisiert, in der die Ballends nur aufliegen, weshalb sie auch grundsätzlich beim aufgesaiteten Instrument zu sehen sind.
Bei dem billigen China-Nachbau hat man die Möglichkeit, die Ballends ganz verschwinden zu lassen, dadurch realisiert, daß man das vordere Aufnahmeteil dicker gemacht hat, wodurch die dann entstandene Rundform auch dem Original nicht mehr wirklich ähnlich sieht. Vermutlich deshalb kostet er auch nur etwa ein Zehntel des Höfner Originals.
Wie ich oben nachgemessen hatte, beträgt der Durchmesser eines Ballends in seiner maximalen Ausdehnung 7mm... die müßte eine Bohrung also mindestens aufweisen, damit das Ballend darin verschwinden könnte, besser noch 7,5mm, damit es sich nicht verklemmen kann. Mei einer Materialstärke won 8mm kann man - zumindest mit dem Werkstoff Messing - kein 7,5mm Loch bohren, ohne daß es an mindestens einer Seite ausbricht, denn die Seiten wären bei optimal zentrischer Bohrung nur 0,25mm dick! Deshalb hat Höfner bei ihrem ebenfalls 8mm dicken Material die Version mit der Rille gewählt und die Chinesen die Aufnahme auf 10mm vergrößert. Ein workaround für dieses Problem ist die Möglichkeit, die Bohrkanäle für die Saiten unten zu schlitzen, also nach unten von vorneherein offen zu lassen, was auch das Aufsaiten erleichtert, aber das war mir bisher dafür zu aufwändig, so lange ein Saitenwechsel nicht wöchentlich anfällt. ;)
 
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Vielen Dank, klar, 0,25 m sind zu wenig.
 
Sehr schöne mechanische Arbeit und gut beschrieben und bebildert! Ich hätte mir bei den Abstandshaltern das M5-Rechts/Linksgewinde erspart und die Stangen jeweils in der 5mm Bohrung hart verlötet, oder auch von der Unterseite mit 2 oder 3mm angebohrt und verstiftet.
 
Ich hätte mir bei den Abstandshaltern das M5-Rechts/Linksgewinde erspart und die Stangen jeweils in der 5mm Bohrung hart verlötet, oder auch von der Unterseite mit 2 oder 3mm angebohrt und verstiftet.
Hatte ich auch erwogen. Zur Auswahl stand verstiften mit Vorsteckstiften aus der Uhrentechnik, die ich in allen Größen habe, in Stahl oder Messing. Letztere Variante hätte man dann auch noch zusätzlich verlöten können. Oder mit Madenschrauben von unten, was ich auch als zusätzliches Sicherungselement bei meiner r/l-Gewindevariante erwogen hatte.
Daß ich mich letztlich für die Gewinde-Version entschieden habe lag zum einen daran, daß ich nicht mehr löten wollte als unbedingt nötig und daß ich mit den Gewindestangen die Möglichkeit habe, die Länge des Saitenhalters zu bestimmen. Beim Violinbass fand ich es nämlich etwas nachteilig, daß durch den Saitenhalter im Grunde Mediumscale Saiten erforderlich sind, denn reine Shortscales sind je nach Fabrikat oft so kurz, daß vorne schon die Saitenumspinnung auf dem Sattel aufliegt. Kleine Längenkorrekturen kann ich mit meiner Variante durch Verdrehen der Gewindestangen korrigieren, größere durch Anfertigung zweier Austauschstangen mit anderer Länge.
Eine zusätzliche Sicherung der Stangen mit Stiften oder Schrauben (oder Lötung) hat sich als voraussichtlich unnötig erwiesen, weil ich die Bolzen eh nicht mehr bewegt bekomme, so wie sie längs belastet sind, also z.B. durch den Saitenzug.

Ach ja, und danke für die Kekse! ;)
 
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