Experiment: Virtuelles Ensemble mit EBS - Mikrofonierung im Playback aufnehmen

chris_kah
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Hallo zusammen,

Ich wollte einfach mal etwas testen.
Lässt sich ein virtuelles Ensemble im EBS Verfahren (ORTF, NOS, DIN) so nacheinander aufnehmen, dass die Instrumente im Stereo-Panorama gut ortbar sind?

Aufbau: ein Paar Kleinmembran-Kondensator Mikrofone (Lewitt LCT140 Air) mit Nierencharakteristik 90° Öffnungswinkel, 25cm Abstand
(ORTF wären 110° 17 cm, NOS wäre 90° 30cm, DIN wäre 90° 20cm) Vergleich hier.

Das Mikrofonpaar steht fest im Raum.
Ich habe verschiedene Instrumente + Stimme im Playback-Verfahren nacheinander aufgenommen, aber jeweils an einer speziellen Position für das jeweilige Instrument.
Das Ergebnis wurde anschließend einfach per Kanalfader in der Lautstärke angepasst, kein nachträgliches Panning, einfach die aufgenommen Stereo-Spuren übereinander.

Ich war überrascht, wie gut die Abbildung funktioniert.

Als Stück hatte ich mir "Country Roads" augesucht, eigentlich nicht in meinem normalen Repertoire (außer am Lagerfeuer zu Mitgrölen), aber für mich mit verschiedenen Instrumenten ohne großen Übeaufwand einzuspielen. Simuliert wird ein Bluegrass-Ensemble:
2x Vocals, Gitarre, Bass, Banjo, Mandoline, Cajon, Tambourin.

Disclaimer: das soll kein Mix zur Veröffentlichung werden, das ist nur ein Testvehikel!

Also, nun natürlich auch die Hörprobe.


HIer die Einstellung in Reaper:
MixerSetting.png


Man sieht: keine Effekte in den Spuren, nur Fadereinstellung (einmal fest eingestellt)

Alle Kanäle außer Bass gehen noch zum Reverb-Kanal
Dort ist zunächst vor dem Reverb eine Bandbegrenzung (Abbey Road Trick)
RevEQSetting.png


und ein simpler Reverb für alles
RevSetting.png


Ich habe mal ein Predelay von 18 ms eingestellt, damit dieser Reverb die Ortbarkeit der Instrumente nicht stört.

Vielleicht gefällt das experimentelle Hörbeispiel,

Und möglicherweise hat mir der eine oder andere Recording-Experte noch einen Tipp für die Einstellung der Hallparameter.
 
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Darf ich meine Gedanken dazu mit dir teilen?

Der Höreindruck ist tatsächlich erstaunlich mit Lautsprechern. Mit Kopfhörer habe ich jedoch eher einen nicht so runden Eindruck. Da fällt dann sehr stark auf das der Sänger eher auf der rechten Seite positioniert ist. Mich persönlich irritiert so was bei nur einer Stimme.

Davon abgesehen sehr gut.
 
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Der Hauptsänger sitzt eher rechts (quasi der Gitarrist), der Bass ist zentral, der 2. Sänger ist etwas links.

Ich habe auch keine Tiefenstaffelung vorgenommen. So tief ist der Raum gar nicht. Das EBS System habe ich gewählt, weil es zu der beengten Räumlichkeit am besten gepasst hat (90° Aufnahmebereich).

Das sollte ja auch kein Mix zur Veröffentlichung werden, wo man den Hauptsänger mittig positioniert. Eben ein Test und Demonstrationsobjekt.

Die Spuren habe ich gestern nach Feierabend so reingespielt und heute nur nochmals 2.Voc (war nicht gut genug) und Cajon (da war beim 1. Durchgang wohl drinnen ein Schaumstoff verrutscht, so dass es gar nicht geklungen hat) aufgenommen.

Für eine richtige Aufnahme hätte ich mir auch das Arrangement vorgeknöpft, da ist sonst viel zu viel gleichzeitig.
 
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Nein, die Instrumente wurden von mir alle Live eingespielt.
Das Mikrofonpaar war fest im Raum aufgestellt.
Ich habe jedes Instrument an einer anderen Position im Raum gespielt.

Zuerst habe ich eine Orientierungsspur aufgenommen: Gitarre und Gesang ganz klassisch mit Vocal Mic + über Pickup.
Dann habe ich nacheinander die nächsten Instrumente dazu aufgenommen (mit In-Ear Stöpsel als Abhöre, damit nix in die Mikros überspricht). Eben jeweils als Stereo-Spur mit dem Mikrofonpaar.
Als dann Gitarre und Vocals richtig für den Mix dran waren, sind natürlich die entsprechenden Orientierungsspuren rausgeflogen und im endgültigen Mix nicht mehr vorhanden.

Virtuell deshalb, weil ja (Corona-bedingt) gerade kein Ensemble so dicht zusammen gleichzeitig spielen kann.
 
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OK, Danke. Dann verstehe ich den Ansatz des Experiments nicht.
 
Die Frage war, funktioniert so ein Stereo-Sysetm auch dann, wenn die Akteure nicht gleichzeitig spielen und das Mikrofonpaar das gesamte Ensemble gleichzeitig aufnimmt, sondern wenn man das Gesamtwerk aus nacheinander aufgenommenen Instrumenten zusammensetzt?

Ich hatte schon irgendwie erwartet, dass es irgendein Stereobild gibt, aber im Ergebnis bin ich schon eher positiv überrascht, wie gut die Abbildung tatsächlich funktioniert.
 
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In meinen Augen sollte es kein Problem sein beliebig viele Aufnahmen dann virtuell zu platzieren. Wobei ich persönlich würde die einzelnen Instrumente dann wirklich Mittig aufnehmen und in der Software kann man dann beliebig die Parameter verändern. Ist natürlich bei einem kompletten Orchester eine nicht ganz übersichtliche Sache.
 
Die Besonderheit ist ja, dass ich hier die Laufzeit-(+ Intensitäts-) Stereofonie ausnutze.
Natürlich kann ich Instrumente alle mittig aufnehmen und nachträglich im Stereo-Panorama verteilen. Das mache ich ja sonst auch so. Dann hier noch ein Kompressor, da noch ein EQ, mal etwas gedoppelt, oder stückweise die besten Teilstücke aus verschiedenen Takes ... Da kann man eine gut klingende Kollage erstellen, die sich Mix nennt.

Übrigens: das soll kein Vorschlag sein, wie man das bitteschön denn aufnehmen soll. Es gibt ja bewährte Verfahren. Das hier ist einfach ein Experiment mit für mich positiv überraschendem Ergebnis.
 
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Vielen Dank für den kreativen Test.
Ist doch super, wenn die Praxis auch noch einigermaßen mit der Theorie übereinstimmt. ;)

Und im "Nicht-Profi-Bereich" (bin ja auch kein Profi) können in meine Augen und Ohren solche praktischen Erfahrungen sehr hilfreich für allgemeine Verständnis sein....
 
Es hört sich tatsächlich stimmig an, als wären viele Personen gleichzeitig im Raum gewesen. Eine tolle Idee, ganz entgegen der Frage, wie man alles noch glatter bügeln kann.
 
Ich hatte grade den Moment of the Day ... ich höre den Mix und der Hund, der vorm Tieftöner liegt, steht auf und verlässt den Raum ... (was nicht am Song, sondern an der Uhrzeit liegt !!!)

Ich war überrascht, wie gut die Abbildung funktioniert.

Finde ich auch ... denn selbst das Geräusch von Hundekrallen auf dem Laminat hat sich in den Mix eingefügt ... (ich dachte zuerst es wäre ein Shaker) :whistle:

Interessant wäre für mich der Gegenvergleich. Durch das eine Instrument ist ja jede Spur frei von "Nebengeräuschen". Was wäre also auf der Stereo Spur gelandet, wenn wirklich alle gleichzeitig gespielt hätten (Übersprechung und Co.)

Bedeutet ... die Ortung finde ich gut, aber die Instrumente klingen "isoliert" (waren sie ja auch) ...

Gruß
Martin
 
Super Idee, das so auszuprobireren. Man bekommt die Illusion einer gleichzeitig spielenden Band, die mit 2 Raummikros aufgenommen wurde.

Ich habe mit Kopfhörern und mit Boxen im Stereodreieck gehört und bin zu folgendem Hörergebnis gekommen.

Eine Musikergruppe steht auf der linken Seite: Banjo und Schellenkranz, der Banjospieler singt die 2. Stimme.
Eine zweite, etwas größere Musikergruppe steht etwas rechts der Mitte: Bass, Gitarrist, der auch singt, Mandoline und Cajon.

Diese beiden Gruppen kann ich aber nicht sehr gut weiter differenzieren. Ich vermute z.B., daß der Schellenkranzspieler noch etwas weiter links vom Banjo steht, aber ganz exakt höre ich das nicht. Im Bereich links der Mitte empfinde ich ein Loch. Da steht niemand. Auf der rechten Seite ist es noch schwieriger, da stehen alle auf einem Haufen.

Ich schreibe das nicht, um zu sagen, was man besser machen kann, sondern will nur meinen unvoreingenommenen Höreindruck wiedergeben, weil Du @chris_kah ja genau weißt, welches Instrument an welcher Stelle gespielt wurde.

Eine Sache ist allerdings völlig unrealistisch: Daß der Schellenkranzspieler, der Bassist, der Mandolinist und der Cajonspieler den Refrain nicht mitsingen. Das würde bei einer tatsächlich simultan eingespielten Ensemble-Aufnahme niemals passieren. :D

(Übersprechung und Co.)
Wieso Übersprechen? Wenn eine Band simultan mit nur 2 Raummikros aufnimmt, gibt es doch gar kein Übersprechen. Das einzige Problem bei chris_kahs Aufnahmetechnik wäre aus meiner Sicht, wenn bei jeder Aufnahme der Hund v.l.n.r oder v.r.n.l. oder im Kreis oder ... oder ... durchs Zimmer schleicht. Dann hätte man 8x Hundekrallentatzenkratzen von 8 wild im Raum umherrennenden Hunden im Endmix. Wenn die ganze Band aber simultan spielt, wäre nur ein Hund auf der Spur, der gemütlich v.l.n.r. schleicht. Anders ausgedrückt: Nichtmusikalische Nebengeräusche vervielfältigen sich.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Alles richtig rausgehört, doch der Bass war eigentlich links der Mitte.
Danke für die Kekse!

(L) Schellenkranz, Banjo, Bass + Gesang 2, (Mitte) Gitarre + Gesang 1, Cajon, Mandoline (R)
Ich war aufgrund der beengten Platzverhältnisse relativ nahe an den Mikros.

Interessant wäre jetzt ein Gegenvergleich mit mehreren Akteuren gleichzeitig.
 
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Schönes Experiment! Und schön, dass es das praktisch bestätigt, was theoretisch zu erwarten war. Für die Abbildung n einem Stereo-Mikrofonsystem spielt es keine Rolle, ob die Klangquellen simultan oder nacheinander eingespielt werden. Die jeweiligen Pegel- und Laufzeitunterschiede bleiben ja gleich, auch der Raumanteil (von einer gewissen zusätzlichen Dämpfung abgesehen, wenn sich mehr Personen im Raum aufhalten).

Wieso Übersprechen? Wenn eine Band simultan mit nur 2 Raummikros aufnimmt, gibt es doch gar kein Übersprechen.
Das Wort "Übersprechen" wird im Zusammenhang mit Stereo-Mikrofonsystemen nicht angewendet, obwohl bei ihnen im Grunde dasselbe Prinzip wirksam wird, denn der Schall trifft selbstverständlich auf beide Mikrofone, die so die nötigen Pegel- und Laufzeitunterschiede liefern, die erst das gewünschte Stereo-Bild schaffen. "Übersprechen" ist hier also systemimmanent, wird aber hier nicht so benannt, da es eher als negatives und normalerweise unerwünschtes Phänomen bei Stützmikrofonen/Nahmikrofonen gilt.
Was bei gleichzeitigen Aufnahmen wohl möglich ist (zumindest bei Instrumenten mit Saiten), sind akustische Übersprechungen, die bei Playbackaufnahmen natürlich nicht existieren. Gemeint sind die Anregungen der Saiten durch den einstreuenden Schall der anderen Instrumente. Hinsichtlich der Pegel sind diese Resonanzen aber normalerweise nur sehr gering, so dass sie allenfalls von Nah-Stützen registriert werden können und kam von den normalerweise entfernter aufgestellten Stereo-Systemen.
Nichtmusikalische Nebengeräusche vervielfältigen sich.
Das gilt allerdings für jegliche Aufnahmen im Playbackverfahren.

Da "EBS" erwähnt wurde und zur Anwendung kam, möchte ich erwähnen, dass Eberhard Sengpiel in seinen Schriften und im "tonthemen"-Forum (leider nicht mehr online) sich immer gegen den Begriff "Ortung" im Zusammenhang mit Stereo-Aufnahmen verwahrt hat. Er spricht dagegen von "Lokalisierung" und empfiehlt, besser diesen Begriff zu verwenden.
Zur Begründung führt er an, dass es sich bei "Ortung" um einen aktiven Vorgang handelt, um Objekte im dreidimensionalen Raum aufzufinden und deren Position zu ermitteln. Dabei sendet der Ortende selber entsprechende Signale aus, die das technisch leisten können. Beispiele wären z.B. Radar oder die Ultraschall-Signale der Fledermäuse.

Bei Stereo-Aufnahmen ist aber der Hörer in einer passiven Situation und hat nur die Wiedergabe der Aufnahme, die ihm je nach Aufnahmetechnik, Raum, usw. eine mehr oder weniger gute Lokalisation ermöglicht. Lokalisation ist als passiver Vorgange daher die angemessenere Bezeichnung.
Alles in allem ein Wunsch von Sengpiel nach begrifflicher Präzisierung, den ich gut nachvollziehen kann.
 
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Nachtrag 1: Wenn man die Visualisierung des EBS Verfahrens anschaut, dann sieht man, dass die Instrumente eher weiter auseinander abgebildet werden. Das erklärt auch den Höreindruck, dass sich die Instrumente weiter außen sammeln.
Hätte ich lesen müssen und entsprechend gegenhalten müssen.

Nachtrag 2: Es gibt ein Review zum verwendeten Stereopaar
 
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