Kann man als Avatar Spaß an Musik haben?

Avatare werden in der Regel als Neuerung betrachtet, als kontroversen Fortschritt. Als neue Technik, die provoziert.

Vielleicht ist sie aber auch als der ultimative Rückschritt zu betrachten. Als äußerster Akt der Einbalsamierung, durch den man in die Vergangenheit flüchtet, anstatt neuen Stilen und Künstlern eine Chance zu geben. Eigentlich seltsam, dass wir immer intensivere Wege finden, um in nostalgischer Illusion zu schwelgen, anstatt in die Zukunft zu schauen. Hat was von Ägypten, als man für die Toten größere Monumente baute als für die Lebenden.

Es wird jedenfalls nicht dazu führen, dass sich die Jugend vom Let's-Play-Gucken losreißt, und mehr Konzerte besucht.

Wo ich die große Zukunft von virtuellen Konzerten sehe, ist nicht der Auftritt des Avatars, sondern der Auftritt des Musikers vor einem Avatar-Publikum. Spiele wie Guitar Hero bieten ja schon ein ähnliches Erlebnis. Und warum sollte man Musiker automatisieren - es mangelt niemals an ihnen, und es sind unzählige davon bereit, umsonst zu spielen. Und seit das Internet kostenlosen Unterricht für jedermann bietet, sollen die Musiker ja auch viel zahlreicher geworden sein.

Woran es aber in meiner Wahrnehmung mangelt, sind Fans, vor allem junge Fans. Also könnte man die Fans automatisieren. Immer prügeln sich Musiker um Auftrittsmöglichkeiten, die viel zu wenige sind, um dem Musik-Angebot eine sprichwörtliche Bühne zu bieten. Und die Fans, vor allem Rock-Fans, werden immer weniger und immer älter. Allein für virtuelle Zuschauer von am Laptop produzierten Musik-Videos gäbe es sicher einen großen Markt.

Und es würde auch zum allgemeinen Rückzug der Musiker in die Virtualität passen. Denn wie irgendein aufsteigender Youtube-Musiker sinngemäß gesagt haben soll: "Ich kann vor 10 desinteressierten Leuten in einer Kneipe spielen, oder vor einem Millionen-Publikum im Internet." Wenn die Fans zahlenmäßig schwinden, muss man sie halt weltweit einsammeln. Erst recht, wenn die Leute lieber Avatare anschauen von dem, was sie schon längst kennen.

Um den Bogen zum Eingangsthema zu schlagen: Avatare von Musikern in ihrer Blütezeit sind ein Ausdruck dafür, dass Musik ein Thema für die Alten geworden ist. Eine Platte von damals, die man auflegt um an "seine" Zeit erinnert zu werden. Für die Musik von heute oder morgen gibt es keinen Markt.
 
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Avatare von Musikern in ihrer Blütezeit sind ein Ausdruck dafür, dass Musik ein Thema für die Alten geworden ist. ... Für die Musik von heute oder morgen gibt es keinen Markt.
Nicht die Musik generell ist ein Thema für die Alten, sondern die Alten halten wie du schreibst an der Musik fest, mit der sie in ihrer Jugend sozialisiert und von der sie geprägt wurden. Das war aber ja eigentlich schon immer so und ist doch ein wunderbarer Teil des Generationenkonflikts.
Musik wird auch weiterhin bei der Jugend einen hohen Stellenwert haben, hat sie momentan ja auch. Musik weckt Emotionen, dafür ist man in der Jugend besonders empfänglich. Und das kann Musik ganz unabhängig davon, ob sie nun von einem Virtuosen am Instrument oder von einem DJ aufgeführt wird.
Ein Markt für aktuelle Musik ist da und wird es auch zukünftig sein. Der wird nur ganz anders aussehen als zu unserer Jugend. Und in 30 Jahren erinnern sich die jetzigen Teens nostalgisch an die musikalische Grütze der untalentierten deutschen Rapper zurück und beklagen sich, dass die Qualität der Musik doch so nachgelassen hat. :D
 
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@Apfelsaft , sehr interessante Thesen von dir. Der übernächste Schritt wäre dann der Auftritt von Künstler-Avataren vor einem Avatar-Publikum.
 
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Also sagt mal: Denkt Ihr etwa Dieter Bohlen ist echt?
Wir sind doch schon lange von Avataren durchsetzt, welche von reptiloiden Nazialiens, die unterhalb der Erdkruste leben, eingeschleust werden, um nach und nach die Weltherrschaft zu übernehmen.
Der ganze Schlagerbereich ist schon fest in ihrer Hand, Techno und elektronische Musik auch und mit den ABBA-Klonen dringen sie nun in die Pop-Welt vor.

Dies schreibt Euch Euer bot

x-Riff
 
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Also sagt mal: Denkt Ihr etwa Dieter Bohlen ist echt?
Wir sind doch schon lange von Avataren durchsetzt, welche von reptiloiden Nazialiens, die unterhalb der Erdkruste leben, eingeschleust werden, um nach und nach die Weltherrschaft zu übernehmen.
Der ganze Schlagerbereich ist schon fest in ihrer Hand, Techno und elektronische Musik auch und mit den ABBA-Klonen dringen sie nun in die Pop-Welt vor.
Uuuups ... nachdenk ... ok, das würde zumindest so einige, diesplanetige "Merkwürdigkeiten" erklären ... :ROFLMAO:
 
Der übernächste Schritt wäre dann der Auftritt von Künstler-Avataren vor einem Avatar-Publikum.
Gibt's schon. Gibt's schon lange.

Selbst die audiovisuellen Spektakel, die ein Jean-Michel Jarre pandemiebedingt über VRChat gespielt hat, sind eigentlich nur stilistisch bahnbrechend, technologisch aber weniger.

Beispielsweise in Second Life (nein, das ist nicht 2008/2009 geschlossen worden, nur weil die Mainstream-Medien nicht mehr drüber reden) oder in virtuellen Welten, die auf OpenSimulator basieren, gibt's solche virtuellen Konzerte schon sehr viel länger. Das fängt an mit dem Solokünstler, ganz ehrlich nur mit Gesang und Klampfe oder seltener Gesang und Piano. Der stellt dann in-world seinen Avatar mit umgehängter Gitarre auf eine Bühne oder setzt ihn hinter ein Piano. Der Ton wird dann in Echtzeit gestreamt, wobei einige zur Sicherheit nicht live performen, sondern Playbacks abfahren.

Manche haben dazu noch eine mehr oder weniger nach General MIDI klingende Begleitung; einige lassen die einfach so laufen und stehen trotzdem alleine auf der Bühne, andere holen sich andere Leute mit ihren Avataren als "Band" dazu oder lassen NPCs aufstellen. Die Königsklasse ist dann, wenn alle in der Band jeweils einen Avatar haben (also, mindestens den einen, aber sie bringen allgemein nur einen davon mit auf die Bühne). Und dann gibt's die Solisten, die zusätzlich visuell etwas Schickes abfahren, z. B. eine Partikelshow.

Natürlich gibt's da nicht das coole Echtzeit-Motion-Capturing wie bei den Jarre-Konzerten (das da aber auch nur Jarre hatte). Alle Bewegungen sind fix und fertige generische Animationen von der Stange und haben mit dem, was man hört, nicht das Geringste zu tun. Aber es funktioniert, und es unterhält die Leute, wenn die Musik gut ist.

Audioseitig ist das auch kein Problem. Es gibt ja ständig Live-DJ-Sets an allen Ecken der Grids. Und ob man da jetzt einen DJ-Livestream von Mixxx einspielt oder einen Livemusiker oder eine Band abnimmt, ist unterm Strich Jacke wie Hose. Literaturlesungen, Stand-up-Comedy usw. gibt's ja auch in virtuellen Welten, und auch die sind selten aufgezeichnet.

Unterm Strich ist das alles längst Routinesache.

Das Publikum besteht dabei auch aus Avataren. Das Ganze wird ja nicht über YouTube oder Twitch als Livestream gezeigt. Wer das sehen will, der muß sich schon selbst mit einem Avatar in die jeweilige virtuelle Welt begeben. Gegenüber einem Videostream hat das aber auch einen Vorteil, den reale Konzerte auch haben: Man sitzt da nicht alleine, sondern man trifft sich mit anderen bzw. deren Avataren.

Gerade in den ersten zwei Jahren der Pandemie ist das Thema riesengroß geworden. Im Real Life fielen ja Konzerte, Festivals, Partys usw. flach, und da flohen sich viele Leute in virtuelle Welten, weil sie sich da nicht anstecken können.

Du hast da natürlich nie so ein Riesenpublikum wie bei realen Konzerten mit tausenden Leuten. Das hängt einfach mit technischen Beschränkungen zusammen. Zum einen können die Server nur eine bestimmte Menge an Avataren gleichzeitig handhaben. Zum anderen müssen die Endgeräte ja auch in der Lage sein, alles darzustellen. Je mehr Avatare man hat, desto schwieriger wird das, besonders, wenn man keine simplen Cartoonfiguren hat, die vom Betreiber der Welt gestellt werden (womöglich noch ohne Unterleib und Beine wie in Horizon Worlds), sondern richtig schicke, aber hochkomplexe Avatare, die komplett aus Usercontent bestehen.

Aber bei einem virtuellen Konzert sind 50 Leute schon eine Hausnummer. Das wirkt auch schon deshalb mehr, weil man mit allen Anwesenden kommunizieren kann und nicht wie bei realen Konzerten nur mit denen, die direkt neben einem stehen. Ich will nicht den Local Chat einer Veranstaltung sehen, wo man 4000 Avatare in "Hörweite" hat.

Monetarisierung geht auch. Entweder wird "auf Hut" gespielt mit einem Tipjar, wo man mal was spenden kann. Oder in Second Life gibt's auch Konzerte und andere Veranstaltungen, die richtig Eintritt kosten. Es kommt nur eben nicht soviel zusammen, wie wenn man eine Mehrzweckhalle mit 20.000 PAX ausverkauft.


Martman
 
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Warum reden alle über Abba? Hatsune Miku macht es seit über einem Jahrzehnt
 
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Das scheint ja sehr viele Menschen glücklich zu machen, schön. (y)
 
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Vom Kulturpessimismus in diesem Thread würde ich das Durchschnittsalter Recht hoch schätzen und muss da an Douglas Adams denken:

"1. Anything that is in the world when you’re born is normal and ordinary and is just a natural part of the way the world works.
2. Anything that's invented between when you’re fifteen and thirty-five is new and exciting and revolutionary and you can probably get a career in it.
3. Anything invented after you're thirty-five is against the natural order of things."

Wenn die Originalkünstler nicht mehr verfügbar sind kann ich mir sowas durchaus vorstellen, es geht bei Konzerten ja auch darum die Musik mit Gleichgesinnten zu genießen und zu feiern.

Jüngere Generationen werden da eher keine Berührungsängste haben.
 
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Das Adams-Zitat ist super. :great:
Jetzt weiß ich endlich, warum seit ein paar Jahren nur noch Quatsch entwickelt wird. :D

Tanzende Avatare bringen mich ins Grübeln. Erstaunliche Performances wie bspw. wie hohe Synchronität oder Bewegungen, die scheinbar der Physik trotzen (Moonwalk, Anti Gravity Lean), würden mich da wohl nicht begeistern.
 
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Hatsune Miku ist nicht mein Geschmack. Aber meine Bereitschaft, diesem Projekt eine Chance zu geben, ist deutlich ausgeprägter als bei einem virtuellen Abba-Konzert.

Den im Gegensatz zur Avatarisierung alter und bekannter Bands handelt es sich bei HM um echte Innovation, nicht um Rückschritt.
 
Gibt übrigens schon einen Trailer


Es ist einfach überflüssig.
 
Okay, für die, die sich unter meinem Geschreibsel nichts vorstellen können, ein paar konkrete Beispiele.

16Down, Second Life, 13.02.2007, also vor über 15 Jahren, komplett live:
  • Die Band 16Down spielte live in Amsterdam im Paradiso.
  • Der Ton des Konzerts wurde in Second Life in der virtuellen Konzertlocation DropZone gestreamt.
  • Dort standen vier Avatare auf der Bühne, die die Band repräsentierten, aber von anderen Leuten gesteuert wurden. Kein Echtzeit-Motion-Capturing oder so – die Animationen, mit denen sich die Avatare bewegten, waren wahrscheinlich von der Stange und wurden von den Usern hinter den Avataren je nach Bedarf händisch umgeschaltet.
  • Ein Echtzeit-Videostream aus Second Life wurde im Paradiso auf eine Leinwand geworfen.
  • Ein Echtzeit-Videostream aus dem Paradiso wurde in Second Life auf dem Bühnenhintergrund gezeigt.
  • Das Publikum in Second Life waren ganz normale Einwohner, die sich bzw. ihre Avatare zur DropZone begeben und so das Konzert gesehen und gehört haben.


Zoree Jupiter, Second Life, Sommer 2015, Live-Gesang mit vorproduziertem Backing:
  • Zoree hat von zu Hause aus live gesungen und passende Backings abgefahren.
  • Gesang und Backings hat sie ganz normal nach Second Life gestreamt.
  • Ihren Avatar hat sie selbst gesteuert, will sagen, mit einem Mikro in der Hand auf die Bühne im Auster Castle geschickt, eine Daueranimation gestartet und erst dann angefangen mit ihrer Musik. Fertig war die Bühnenperformance.
  • Eine wie auch immer geartete Crew hatte sie nicht; einzig der Eigentümer der Region mußte ihr den Stream übergeben und hinterher wieder zurückschalten. Ansonsten hat sie alles selbst gemacht.
  • Über ein Tipjar konnte man ihr (virtuelles) Geld zustecken, und Zoree nahm auch Musikwünsche an, sofern die in ihrem Repertoire waren (das vor Ort auslag).
Das ist der typischste Fall eines "Avatarkonzerts" in Second Life und OpenSimulator-basierten Welten. Zoree tritt mit diesem Konzept weiterhin auf.


Rollenspielgruppe U2inSL, Second Life, 29.03.2008, Vollplayback ohne Beteiligung der Originalkünstler:
  • Die gestreamte Musik ist ein tatsächlicher U2-Konzertmitschnitt. U2 selbst hatten mit dieser Veranstaltung aber nichts zu tun.
  • Auch die Avatare, die U2 darstellen sollen, wurden nicht von U2 selbst gesteuert, sondern von Rollenspielern.
    Wobei "gesteuert" auch nur bedeutet, daß man sie über die Bühne bewegt und Animationen umgeschaltet hat. Man kann bis heute in Second Life keine Gliedmaßen direkt steuern.
  • Das Ganze war eine Charity-Veranstaltung, die (meines besten Wissens) immerhin mit U2 abgestimmt war.
Das könnte die Zukunft von "Avatarkonzerten" sein, wenn die Originale selbst nicht (mehr) auftreten.


Project BLACKPINK & Project BABYMETAL, Second Life, 20.11.2021, Vollplayback ohne Beteiligung der Originalkünstler:
  • Die gestreamte Musik sind dieses Mal offizielle Studioreleases von Blackpink und Babymetal; die beiden Gruppen waren selbst an der Realisierung der Veranstaltung nicht beteiligt.
  • Die Avatare sind in diesem Fall zwar echte Avatare (Second Life kann keine NPCs), aber wieder von Rollenspielern gesteuert bzw. hier per Skripte vollautomatisiert. Die Animationen sind möglicherweise eigens für diese zwei Rollenspielgruppen angefertigt worden.


Etwas für die elektronische Fraktion:
Torben Asp, Dorenas World (OpenSimulator), Januar 2022, vorprogrammiert/vorproduziert
  • Die gestreamte Musik war entweder komplett vorproduziert, oder sie war vorprogrammiert, wurde aber live abgespielt. Die Ansagen waren live.
  • Zu jedem Stück war jeweils eine Partikelshow vorprogrammiert, die händisch zu jedem Stück gestartet wurde.
  • Torbens Avatar stand auf einem Podest in der Mitte; Torben kommunizierte über ihn auch mit dem Publikum.
  • Torben tritt sowohl live mit elektronischer Musik auf (nicht als DJ, sondern tatsächlich mit Synthesizern usw.) als auch schon länger virtuell in Second Life und OpenSimulator-basierten Welten.
Hier stand also nicht der Avatar im Fokus, sondern die visuelle Show.



Martman
 
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