Das hier
Man stelle sich vor, man ist der weltbeste Hirnchirurg. Das sichert einem ein hohes Einkommen und Anerkennung und wahrscheinlich definiert man sich ein Stück weit darüber.
Wenn morgen KI gesteuerte Roboter diese Funktion noch etwas besser ausführen können als Du, ist das toll für alle Patienten. Aber deine zum Teil angeborene und hart erlernte Fähigkeit ist plötzlich wertlos.
schildert m.E. das gesamte Dilemma. Musste ich auch erst ein bisschen drauf "rumkauen" und sacken lassen.
Grundsätzlich gilt ja immer noch "Konkurrenz belebt das Geschäft" und jede Erwartungshaltung im Sinne von "die Welt schuldet mir was, weil ..." ist nicht nur nicht durchsetzbar, sie ist vom Grundsatz her schon illusorisch. Die Welt funktioniert so nicht - und hat es auch nie. Ansonsten würden wir hier immer noch mit den Händen in der Kacke unseres Vordermannes rumtapsen und hätten den aufrechten Gang nicht erlernt.
Das Beispiel mit dem weltbesten Hirnchirurg ist aber extrem gut hier zum Verbildlichen: dieser Chirurg, der auf dem Olymp der Hirnchirurgen wohnt, ist nicht nur der einsamste Chirurg, er ist auch der, der sich jede Sekunde seiner Existenz immer neuen Gefahren ausgesetzt sieht, die seine Position gefährden. Wir alle hier können das m.E. überhaupt nicht inhaltlich nachvollziehen, weil niemand von uns in einer relevanten (und kommerziell bedeutsamen!) Disziplin in irgendwas "der beste" sind, waren oder werden. Dieser Chirurg muss sich permanent gegen "Frischlinge" verteidigen, die den Status Quo umstürzen und sich selbst inthronisieren wollen. Gegen technologische Entwicklungen, wie Roboterarme, die seine "ruhigen Hände" drohen, obsolet zu machen. Und jetzt auch noch gegen KI, die droht, seine kognitive Leistung auch noch im OP zu übernehmen. Kurz und gut: dieser Chirurg ist der härteste Kämpfer unter allen Hirnchirurgen dieses Planeten. Denn sind wir mal ehrlich: Auf Platz 2 oder Platz 5 ist ziemlich Hupe. Niemand erinnert sich jemals an die (und für alle Erbsenzähler gleich vorweg: Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel). Platz 1 allerdings, ... ja das ist ein ganz anderer Schnack. Wer erinnert sich noch an Sam Graddy, der 1984 nach Carl Lewis auf Platz 2 der Olympischen 100m-Distanz einlief? Genau. Aber trainiert hat er bestimmt genausoviel.
Wenn dieser Chrirurg aufhört, permanent zu kämpfen, Aus- und Weiterbildung zu betreiben und auf aktuelle Entwicklungen Antworten zu finden, dann wird er - vollkommen zu recht - ersetzt werden.
Für einen Künstler gilt das analog: Wenn man aufhört, relevant zu bleiben oder nicht anfängt, es zu werden, dann Tschau-Kakao. Kein Publikum dieser Welt schuldet einer Band oder einem Musiker irgendetwas. Nicht immer sind Fans damit zufrieden, den selben Einheitsbrei immer wieder aufgetischt zu bekommen. Und dann ist halt Resteessen angesagt, oder halt Fasten. Oder sich mit der Frage zu beschäftigen "ist das hier noch ein Beruf oder nur noch Liebhaberei?".
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tl;dr Wenn ein KI-Hirnchirurg mich fehlerfreier operiert als ein Mensch und wenn ein KI-Musiker mich besser unterhält und stärker begeistert als ein Mensch, weil in beiden Fällen keine Weiterentwicklung stattfindet, dann fällt mir und dem Rest der Welt die Wahl nicht schwer.