Mikrofonierung für Flügel mit Sopran-Solistin (klassischer Gesang)

Julian01
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Hallo zusammen,

für ein anzufertigendes Bewerbungsvideo muss ich eine Sopransoistin im klassischen Gesang vor einem großen Flügel abnehmen.
Problem ist, dass das ganze Setup durch eine eher unerfahrende Person nach Anweisung aufgebaut wird und wenig Equipment transportiert werden kann (OPNV).

Nun benötige ich Hilfe was ich dem vorhandenen Equipment nutzen soll und wie es aufgestellt werden würde.
Der Aufnahmeraum ist eine große Aula - die Wände sind 3/4 Meter vom Flügel und Sängerin entfernt.

Verfügbar hätte ich:

Tascam DR-40X (https://www.thomann.de/de/tascam_dr_40x.htm) (dieser sollte wohl als Recorder dienen da intern + XLR Inputs)
2x Rode NT5 mit Nierencharakteristik und flexible Stereoschiene

Ich könnte so also mit den internen Kleinmembranern Kondensatorvom Recorder AB oder XY aufnehmen und zusätzlich noch die NT5 irgendwo platzieren.
Bringt mir das etwas? Sollte ich mir noch ein Großmembrand oder so organisieren?

Die Solisitin steht direkt vor dem geöffneten Flügel. Es kommt also der gesamte Direktschall aus einer Richtung.

Zusätzlich habe ich noch für die Videoaufnahme einen Canon XA40 zur Verfügung. Dieser hat auch 2x XLR in mit Phantomspeisung. Wenn Ihr also eher zu den NT5 tendiert, könnte ich diese auch direkt daran verbinden.

Lasst mich gerne mal eure Meinungen hören.
Danke!
 
Unter der Voraussetzung, dass der Raum akustisch wirklich gut für diesen Zweck und dieses Genre geeignet ist [eigentlich eine Bedingung schlechthin für Aufnahmen im "Klassik"-Genre], würde ich das mit dem Camcorder und den beiden Rode-Mikros machen.
Damit holt man zwar nicht das allerletzte Quentchen an Qualität heraus, aber mit etwas Erfahrung ist mit den beiden Mikros und einer passenden Stereomikrofonie-Anordnung ohne weiteres eine gute Aufnahme möglich, die für ein Bewerbungsvideo ausreichend sein wird.

Im Prinzip könntest du auch die eingebauten Mirkos des Tascam als Stereo-Hauptsystem einsetzen (nach meinem Geschmack bevorzugt in der Äquivalenzanordnung mit nach außen gedrehten Kapseln) und je ein Rode als Stütze für den Flügel und für die Sängerin nutzen.
Aber dann braucht es schon mindestens 3 Mikrofonstative, in der Variante nur mit dem Camcorder wäre nur eins nötig wegen der vorhandenen Stereoschiene - deutlich weniger Schlepperei.

ABER:
Problem ist, dass das ganze Setup durch eine eher unerfahrende Person nach Anweisung aufgebaut wird ...
Das wird wohl nur gut funktionieren, wenn vorher eine erfahrene Person mindestens einige Probentakes mit dem Setup in der Aula machen kann. Dieser kann dann eine optimale Position für die Mikrofone und die Kamera ermitteln. Das muss er dann dokumentieren, z.B. mit Fotos, ggf. auch die Entfernungen ausmessen und festhalten. Idealerweise mit kleinen Klebemarkierungen alle Positionen markieren (Flügel / Sängerin / Mikrostativ / Kamera) - wenn das überhaupt möglich und gestattet ist (vor der Videoaufnahme aber entfernen).
Den so schon erprobten und dokumentierten Aufbau kann der unerfahrene Assistent später einfach wieder nach Anleitung einrichten.

Ohne Kenntnis des Saals und der Musiker einfach dem Assistenten eine Art 08/15-Setup an die Hand zu geben? Nur wenn es gar nicht anders geht. Z.B. die Rode in einer ORTF-Anordnung aufbauen und so aufstellen, dass sie Klavier und Gesang einigermaßen ausgewogen einfangen ohne zu viel oder zu wenig Raumhall im Signal zu haben.
Mehr an Hinweis ist schlicht nicht möglich aus der Ferne und ohne Kenntnis von Raum, Flügel und Stimme und dem Können der Musiker.

Statt den Rodes als Stereo-System auf der Schiene kann natürlich auch nur der Tascam benutzt werden, damit entfiele für den ´Unerfahrenen´ noch der Aufbau der Rode-Mics. Die Tascam-Aufnahme kann ja später am PC unter das Video gelegt werden. Noch besser wäre es aber, den Ausgang des Tascam direkt mit den Line-Eingängen des Camcorders zu verbinden. Dann wäre die Aufnahme schon 1:1 im Video und die (praktisch aber geringe) Gefahr eines Auseinanderdriftens beider Geräte wenn sie nicht zu 100% gleich takten wäre ausgeschlossen.
 
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für ein anzufertigendes Bewerbungsvideo
Für was? Den örtlichen Gesangsverein oder um in Dettmold den Tonmeister zu machen?
Je nachdem wer da was beurteilen soll würde das schon große Unterschiede machen.
 
Danke für die Antworten - besonders @LoboMix für die unfassbar ausführliche. Damit hast du mir sehr geholfen.

Angenommen ich nehme die Rode NT5 auf Schiene oder als Stütze, wie weit müssten diese vom Sänger entfernt positioniert sein? Die Sängerin ist eine studierte Sopran-Solistin und hat dementsprechend ordentlich Schalldruck im Angebot, wird aber auch mal leise Passagen singen :)

@Technika Die Aufnahme ist für eine Bewerbung im Rahmen des Studiums. Es wird also von erfahrenden Leuten gehört, allerdings werden diese nun niemanden ausschließen der nicht professionell aufnimmt. Ich möchte nur gerne mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste erreichen. Das ist meine eigene Motivation.
 
Die Aufnahme ist für eine Bewerbung im Rahmen des Studiums. Es wird also von erfahrenden Leuten gehört, allerdings werden diese nun niemanden ausschließen der nicht professionell aufnimmt.
Das werden sicher irgendwelche Musikprofessoren sein. Die achten auf die musikalischen Qualitäten, die Aufnahmequalität ist solchen Leuten meistens total egal, jedenfalls solange sie nicht grottig ist..
Der Tonmensch hat gleichwohl die Verantwortung, eine Aufnahme abzuliefern, die die musikalischen Fähigkeiten der Bewerberin nicht qualitativ nicht beeinträchtigt, sondern gut heraus stellt. Kaschieren sollte vermieden werden, was aber umso weniger bis gar nicht nötig ist, je besser die Musizierenden selber sind.
Wenn die beiden gute Könner sind, kann die Aufnahme z.B. etwas weniger Hall haben und etwas direkter klingen (aber auch immer abhängig vom Genre).
Die Aufnahme sollte auf jeden Fall transparent, ohne Nebengeräusche (Selbstverständlichkeit), und in der Balance zwischen Flügel und Stimme ausgewogen sein. Da sich hier aber sicher die Sängerin bewirbt, darf sie ruhig ein klein wenig mehr im Vordergrund stehen im Verhältnis zum Flügel.
Bitte keine sterile, nüchterne und zu trockene Aufnahme abliefern, die die Sängerin sozusagen seziert. Nichts "zukleistern", aber auch nichts brutal offenlegen. Ein Raum mit guter und passender Akustik wird das richtige dazu geben.

Angenommen ich nehme die Rode NT5 auf Schiene oder als Stütze, wie weit müssten diese vom Sänger entfernt positioniert sein? Die Sängerin ist eine studierte Sopran-Solistin und hat dementsprechend ordentlich Schalldruck im Angebot, wird aber auch mal leise Passagen singen :)
Entfernung und Position der Hauptmikros (meine Empfehlung nach wie vor ORTF) richten sich nach den Anforderungen wie ich sie oben formuliert habe. Also jeweils die Balance zwischen Flügel und Gesang (kann auch ein wenig mit dem Abstand Flügel-Sängerin beeinflusst werden), aber vor allem die Balance zwischen Direktschall und Hallanteil des Raums. Der gute Abstand ist der, wo diese Balancen gut abgestimmt sind (gemäß den beabsichtigten Vorgaben s.o.).
Das ORTF-System hat einen Aufnahmewinkel von 97 Grad [http://www.sengpielaudio.com/Visualization-ORTF.htm], ich würde das Stereo-Set erst mal so aufzustellen, dass Flügel+Gesang die Basisbreite nicht ganz auffüllen (der "Orchesterwinkel" im Link ist dann etwas kleiner als der "Aufnahmebereich" - "Orchesterwinkel" wäre hier im Prinzip die räumliche und klangliche Ausdehnung des Duos Flügel+Gesang).
Das Duo würde auf diese Weise klanglich noch zwischen den Lautsprechern im Abhördreieck abgebildet, was meiner Meinung nach ein etwas realistischeres Klangbild bringt als wenn die beiden die Stereobasis maximal ausfüllen würden.

Wenn in dieser Position auch die klangliche Balance zwischen Flügel und Gesang und Direktheit und Raum auch gut oder sogar ideal sind - dann bingo!
Ansonsten heißt es herum probieren, wobei der wichtigste Maßstab für mich eine angenehme Direktheit wäre, die aber nicht zu aufdringlich ist, und die gleichzeitig eine schöne, tendenziell aber dezente Räumlichkeit hat. Die Auffüllung der Basisbreite wäre für mich im Zweifel dem nachgelagert.
 
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Habe heute eine Testaufnahme mit den Kleinmembranern direkt an der Canon XA40 gemacht. Zusätzlich auch noch mit dem Tascam DX40 in ausgeklappter Konfiguration gemacht.
Vorweg: Der Tascam hat sich richtig gut geschlagen.
Aber zu den Kleinmembranern an der Kamera:
Klangqualität ist super gut und die ORTF Aufstellung hat genau das Verhältnis von Direktschall und Raumklang was ich erwartet habe. Wunderbar. Nur habe ich ein spulenähnliches Geräusch zwischen 9 und 10 kHz sowie ein zeitlich lineares bei 16 kHz. Kann das etwas mit dem angeschlossen Netzteil zutun haben? Werde eine Aufnahme ohne Netzteil machen morgen.
Aber vielleicht hat ja jemand eine Idee. Kann morgen auch Mal das Spektrogramm Posten.

Es war übrigens so ein Plastikring um das Netzteilkabel auf der DC Seite. Kenne den Fachbegriff gerade nicht. Ferrit?

Danke!
 
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Erstmal schön, dass es mit der Klangqualität so gut geklappt hat!

Der Ring wird ein Ferrit sein. Der soll eigentlich HF-Einstrahlungen in die Elektronik der Kamera unterbinden.
Mache doch zuhause noch mal eine Aufnahme, aber von Stille, und prüfe, ob die Störgeräusche auch dort auftreten. Auch unbedingt mit Netzteil und nur mit Akku aufnehmen.
Wenn es dann immer noch Geräusche gibt, stelle eine kurze Audioprobe davon hier ein.
 
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So, habe nun Zuhause das Setup nochmal aufgebaut. Die Störgeräusche (um 9 kHz mit Bandbreite unter 2 kHz periodisch in der Mittenfrequenz wechselnd und konstant bei 16 kHz) waren reproduzierbar in allen Aufnahmen.
Ich habe Aufnahmen gemacht mit gestecktem Netzteil und ohne sowie das Netzteil während der Aufnahme entfernt.
Ich habe mal zwei Spektrogramme beigefügt. Das Erste zeigt das Störgeräusch mit gestecktem Netzteil und ein paar gesprochenen Wörtern etc. Das Grundrauschen ist etwas höher, da ich einfach nicht so laut war und normalisiert habe. Im zweiten Bild zeigt sich der Unterschied, wenn das Netzteil während der Aufnahme entfernt wird. Die Geräusche bleiben, werden aber leiser.

canon-noise.png




canon-noise-dcoff.png


PS: Riesen dank an dich, @LoboMix , für die Mühe.
Beitrag automatisch zusammengefügt:



Edit: Ok, ich habe einen Verdacht. Moment! :)

Okay, ich habe nun mal verschiedene XLR Kabel 1m bis 10m von noch komplett aufgewickelt bis zu schlaufenlos ausgelegt getestet. Bei den Aufnahmen gestern lagen die zwei 10m XLR Kabel nämlich noch halb aufeinander gewickelt. Aber: keine signifikanten Unterschiede. Es scheint wohl an der Kamera zu liegen. Muss ja, da die Kabel doch eine symmetrische Verbindung herstellen?

Ich habe dann die Mikrofone mal mit den 10m XLR Kabeln an den Tascam angeschlossen. Trotz Netzstrom einwandfrei. Keine Störgeräusche. Ich werde die kommenden Aufnahmen dann wohl mit dem Tascam 4 spurig (interne Mics + meine Rode) machen (möchte den Qualitätsunterschied zwischen den internen und den Rode mal prüfen - dann kann ich mir den Aufwand mit den Rodes eventuell in Zukunft sparen).
 
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Der Canon XA40 sollte als schon in die professionelle Richtung gehendes Gerät absolut frei von Störgeräuschen sein. Die Fehlerquelle wird sich aber qua Ferndiagnose nicht so einfach lokalisieren lassen, wenn überhaupt.
Mit dem Tascam-Recorder hast du aber ein prima Gerät, das eine sehr gute Aufnahmequalität liefern kann, durchaus schon mit den eingebauten Mikrofonen, sicher aber besser noch mit externen (die sich meist auch besser positionieren lassen).

Mit einem entsprechenden Adapterkabel lässt sich der Tascam an die Line-Eingänge des Canon anschließen, was ich ja schon empfohlen habe, weil damit gewährleistet ist, dass der Ton des Tascam absolut synchron zum Video ist. Beim nachträglichen Unterlegen des Videos mit dem Tascam-Ton, könnte es passieren, dass Bild und Ton nicht immer synchron bleibt, wenn z.B. die internen Timer nicht zu 100% exakt laufen. In der Praxis fällt das aber normalerweise erst nach längerer Laufzeit auf, wenn es überhaupt passiert. Durch das Einspeisen des Tascam-Tons in den Canon hast du sofort den korrekten Ton im Video, ohne Drift und in der vollen Qualität des Tascam.
Wenn bei dieser Verbindung auch Störgeräusche auftreten sollten, dann wird irgendetwas beim Canon defekt sein.
 
Danke für die Antwort.
Über die Clock Verbindung der beiden Geräte über ein Miniklinkenkabel habe ich schon gelesen gehabt, allerdings habe leider keines Verfügbar und bin schon mehrere hundert Kilometer vom Lager entfernt.
Wie du gesagt hast, sollte eine eventuelle Verschiebung über die Zeit ja kein Problem für Aufnahmen darstellen, die nur wenige Minuten gehen. Dennoch werde ich, um auch diese Fehlerquelle zu untersuchen, zusätzlich zum Anfang auch am Ende der Aufnahme vor der Kamera klatschen. Mal sehen.
Ich werde bereichten! Die nächste Aufnahme ist morgen Abend und die muss gut werden :)
 
Über das Miniklinkenkabel (bzw. Adapterkabel Miniklinke-XLR) wird das Audiosignal selber eingespeist. Das eigentliche Clock-Signal wie z.B. "Word-Clock" hat damit nichts zu tun. Weder der Canon noch der Tascam hat dazu eine Anschlussbuchse (das wäre dann eine BNC-Buchse).

Aber wenn die sowieso nur Takes in Minutenlänge aufnimmst, brauchst du dir über ein Auseinanderdriften keine Gedanken zu machen. Anders wäre das, wenn du eine ununterbrochene Aufnahme eines Konzertes machen würdest mit Aufnahmelängen von 1 Stunde und mehr. Da kann das schon passieren (und ist mir auch schon passiert). Insofern kannst du auf eine Verbindung zwischen Canon und Tascam verzichten und den Ton dann auch später erst unter das Video legen.
In diesem Fall hättest du sogar noch eine dritte Mikrofonierung am Start, nämlich die eingebauten Mikros des Camcorders.
Da die für das Video optimale Position der Kamera aber selten identisch ist mit einer für die Mikros optimalen Position, sind die Tonspuren der Kameras selber meist nur wenig bis gar nicht brauchbar.

Aber für die spätere Synchronisation haben diese Tonspuren meistens doch einen guten Nutzen. Das Videoschnittprogramm, das ich benutze (Magix Video ProX), kann übe eine Analyse der Tonspuren die Videos mehrere Kameras, aber auch bei nachträglich zugefügten Tonspuren aus anderen Quellen (hier Tascam) automatisch synchronisieren (natürlich nur, wenn alle dasselbe Quellmaterial aufgenommen haben).
Andere Videoschnittprogramme können so etwas aber sicher auch.
 
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Danke für die ausführliche Antwort. An die Synchronisation über den Kamera-Ton habe ich auch schon gedacht und mein Videoschnittprogramm kann das auch :) Ich freue mich auf jeden Fall auf die Aufnahme morgen und werde berichten. Hoffentlich ohne Probleme!
 
Die Aufnahmen gestern sind sehr gut geworden. Da es eine Veranstaltung mit Publikum war, konnte ich das Mikrofonstativ mit den Rode und dem Tascam dran nicht so nah wie ich es gerne hätte positionieren, aber das Ergebnis war trotzdem ganz gut. Etwas zu viel Raum in der Aufnahme, aber mit ein wenig schrauben am EQ klang der Gesang dann doch präsenter als erwartet.

Der Unterschied zwischen den Rode und den Tascam Mikrofonen war erstaunlich gering. Aber um hier wirklich bewertende Aussagen treffen zu können, muss ich am Sonntag bei den offiziellen Aufnahmen ohne Publikum hinhören. Dann kann ich die Mikrofonverstärkung auch genau auf die einzelnen Lieder einstellen (das war mir gestern leider nicht möglich da ich die Kamera am Ende des Raumes bedient habe - deshalb waren die Mikrofone sicherheitshalber eher etwas weniger verstärkt eingestellt).

Eine Frage die mir aufgekommen ist:
Für die ORTF Einstellung, welcher Winkel bewirkt was? Ich habe mit der Sengpiel Animation mal gespielt, aber so ganz schlau bin ich nun nicht. Wenn ich den Winkel verkleinere, wird mein Klang dann direkter und präsenter? Ist es eher schlau, den Winkel auf einem bestimmten Wert zu lassen und die Distanz der Mikrofone zur Bühne zu variieren?

Danke.
 
Die Winkelangaben zu den Mikrofonanordnungen bezeichnen zum einen den Aufnahmewinkel, also wie ausgedehnt sozusagen die "Hör-Breite" der Mikrofon-Anordnung ist ("Aufnahmebereich SRA" im Link in Post #5). Zum anderen ist der "Orchesterwinkel" relevant, also wie breit sozusagen das Ensemble selber ausgedehnt ist und seinen Schall in den Raum abstrahlt.
Die Mikrofonanordnung wird dann so gewählt, dass sie die gewünschte Auffüllung und Staffelung der Wiedergabe bzw. der Stereobasisbreite der Lautsprecher erreicht.
Dabei sollte ein Orchester logischerweise die komplette Basis ausfüllen, und dazu auch möglichst gleichmäßig. Ein Solist oder Duo kann dagegen mehr zentriert zwischen den Lautsprechern abgebildet werden.
Aber alles auch abhängig vom Genre und der beabsichtigten Aufnahmeästhetik.
Die Wahl der Stereo-Hauptmikrofonanordnung und dessen Abstand zur Schallquelle ergibt sich aus allen diesen Zusammenhängen.

Es lohnt, sich näher mit der grafischen Darstellung dieser Parameter im Sengpiel-Link zu beschäftigen. Ich finde die grafische Umsetzung sehr gut gelöst, auch wenn im ersten Moment alles ein wenig unübersichtlich erscheinen mag.
 
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Danke. Ich habe mich näher mit der Sengiep-Animation beschäftigt.
Sehe ich richtig, dass je größer der Winkel der beiden Mikrofone ist, desto kleiner wird der Aufnahmebereich? Aber rein intuitiv bekommen ich ja viel mehr Raumklang an die Mikrofone als Direktschall. Intuitiv würde ich die Mikrofone eher mehr nach innen drehen, also den Winkel verkleinern.
Ich werde mit der Standard ORT Winkelung aufnehmen und dann wohl eher die Distanz verringern, bis der Klang mir direkt genug ist.
 
Sehe ich richtig, dass je größer der Winkel der beiden Mikrofone ist, desto kleiner wird der Aufnahmebereich? Aber rein intuitiv bekommen ich ja viel mehr Raumklang an die Mikrofone als Direktschall. Intuitiv würde ich die Mikrofone eher mehr nach innen drehen, ...
Zunächst zum Raumklang: Die graue Linie um die Mikrofonanordnung im Sengpiel-Link zeigt die aus der Anordnung resultierende Richtcharakteristik beider Mikrofone zusammen. Und es zeigt, sich, dass die Summe der beiden Nieren ebenfalls eine Nieren-Charakteristik ist, wenn auch etwas breiter natürlich. Es wird also kaum mehr seitlicher und rückwärtiger Schall aufgenommen.

Dass der Aufnahmewinkel kleiner wird, wenn die Mikrofone weiter abgewinkelt oder/und weiter auseinander montiert werden und umgekehrt, hat mich auch erst verwirrt. Der Hintergrund dazu ist aber folgender:
Es gibt empirische Untersuchungen dazu, ab welchen Pegel- und Laufzeitunterschieden Versuchspersonen ein Schallereignis vollständig im linken bzw. rechten Lautsprecher lokalisieren. Die ersten Untersuchungen dazu stammen schon aus der Frühzeit der Elektroakustik und Stereofonie und die Datenlage wurde im Laufe der Zeit immer verfeinert.
Wenn die Mikrofone weiter auseinander gewinkelt werden, vergrößern sich die Pegelunterschiede zwischen den beiden Kanälen und wenn sie weiter auseinander montiert werden, werden die Laufzeitunterschiede größer. Der Schwellenwert für die maximale seitliche Lokalisierung wird also jeweils früher erreicht.
Also: Mikros weiter auseinander = größere Laufzeitunterschiede = seitliche Schallquellen werden eher weiter außen abgebildet = die Schallquelle (= Ensemble usw.) wird quasi auseinandergezogen = wird in der Wiedergabe breiter in abgebildet.
Und umgekehrt.

Die animierte Grafik des Sengpiel-Rechenblatts beruht auf diesen empirischen Werten und veranschaulichen diese Verhältnisse und Abhängigkeiten.

Bei XY-Anordnungen und Blumlein stehen die Kapseln unmittelbar zusammen, es gibt praktisch keine Laufzeitunterschiede
Bei AB sind die Kapseln parallel ausgerichtet, es gibt wegen der Abstände nur Laufzeitunterschiede.
ORTF, EBS, NOS usw. mischen Winkel und Abstände, es gibt also sowohl Pegel- als auch Laufzeitunterschiede, wobei sich deren Effekte hinsichtlich Aufnahmewinkel, Orchesterwinkel, Stereobasisbreite und deren Auffüllung summieren (wird in der Animation natürlich berücksichtigt). Diese Anordnungen heißen alle "Äquivalenz-Anordnungen", bzw. nennt man es auch "Äquivalenz-Stereofonie".

Dabei gilt, dass Aufnahmen ohne oder mit nur geringen Laufzeitunterschieden (XY, sehr enge Äquivalenzanordnungen) eine gute Lokalisation der Schallquellen, aber kaum Räumlichkeit bringt.
AB-Anordnungen liefern eine gute, oft sehr beeindruckende Räumlichkeit, bleiben aber in der Lokalisierung unscharf.
Die Äquivalenzanordnungen versuchen, beide Vorteile zu kombinieren.

Das Gute ist, dass wer diese Zusammenhänge kennt, die Stereo-Hauptmikrofonanordnung je nach gewünschtem Höreindruck, Genre, Raum usw. ziemlich gezielt aussuchen kann. Dabei suggeriert die Animation natürlich eine Präzision, die sich in der Praxis so nicht ganz einstellen wird, da der Raum immer irgend etwas dazu gibt was sich nie ganz berechnen lässt.
Außerdem beinhalten die empirischen Daten, die den Berechnungen zugrunde liegen, selber eine gewisse Streuung, Wahrscheinlich wurden für die Algorithmen die Mittelwerte genommen.

Aber ich finde, sie sind eine hervorragende Orientierung und meine Erfahrung damit ist auch sehr gut. Dabei kommt es in der Praxis nicht auf den letzten Millimeter und den letztem halben Winkelgrad an.
 
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