Naturtrompete mit Löchern

Jed
Jed
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Hallo,
Ich muss mich gleich als einen outen, der von Blech gar nichts versteht! Ich habe sozusagen von Tuten und Blasen keine Ahnung. Ich kann der Posaune meines Sohnes zwar Töne entlocken - aber fragt mich nicht, welche! :(

Ich bin allerdings ein großer Freund der Barokmusik und finde die Trompete in diesem Zusammenhang richtig spannend. Für mich haben die dort (heutzutage wieder) verwendeten Naturtrompeten eine erhabene Wildheit, die der Ventiltrompete etwas abgeht. Händels "The Trumpet Shall Sound", z.B. klingt m.E. viel lebendiger mit Natur- als mit Ventiltrompete.

Allerings kann ich nur darüber staunen, dass ein Instrument, das nur die natürlichen Obertöne im Vorrat hat, so filigrane Partien überhaupt spielen kann. Bei Videos solcher Musik habe ich festgestellt, dass die verwendeten Trompeten Grifflöcher haben, die mit Fingern und Daumen der rechten Hand bespielt werden. Was hat es bei diesen Löchern auf sich?
Ermöglichen sie Töne, die nicht in der Obertonreihe enthalten sind, oder dienen sie lediglich, die vorhandenen Obertöne zu "begradigen"? (Ich habe igendwo gelsen, dass manche Naturtöne leicht neben den diatonischen Intervallen liegen.)

Also, wie ist das mit den Grifflöchern in der Trompete?

Danke im Voraus,
Cheers,
Jed
 
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Allerdings kann ich nur darüber staunen, dass ein Instrument, das nur die natürlichen Obertöne im Vorrat hat, so filigrane Partien überhaupt spielen kann.
Zum besseren Verständnis hilft ein Blick auf die Naturtonreihe.

Der erste Naturton spricht aufgrund der Mensur der Trompete kaum an, das macht den zweiten Naturton in der Oktav des physikalischen Grundtons zum normal spielbaren Grundton. Die Mensur bezeichnet Verhältnis der von (fast) "zylindrischem Rohr" an der Mundstückaufnahme zur Erweiterung in Richtung Schallstücköffnung.

Barocke Stücke für Naturtompeten sind sehr oft in D notiert, eine Trompete in D hat ohne Löcher oder Klappen also die nachfolgende Naturtonreihe. Die Länge war doppelt so groß wie die einer modernen Trompete in D, den Grund dafür sieht man in der Naturtonreihe:
(D) d a d' fis' a' c' d'' e'' fis'' g'' a'' h'' c'' cis'' d''' dis''' e'''...quasi-chromatisch

Man sieht, dass ab dem achten Naturton d'' eine diatonische Durtonleiter und darüber hinaus ab dem fünfzehnten Naturton Chromatik spielbar ist - wenn man überhaupt so hoch kommt...
Für fleissig übende Amateurmusiker ist selbst auf modernen Ventiltrompeten zwischen dem achten und zehnten Naturton meist das Ende des spielbaren Tonumfangs erreicht, Naturtontrompeten spielen sich wesentlich heikler.

Beachten sollte man, dass die Naturtöne nicht unserer gleichstufigen Stimmung entsprechen und im Bezug darauf besonders der siebte und elfte Naturton deutlich zu tief sind.
Auch bei sehr gut gebauten modernen Ventiltrompeten muss man mehrere Töne nach Gehör korrigieren, daher klingen weniger erfahrene und geübte Amateurbläser im Ensemble so speziell.

Die Anforderungen an die Blastechnik in der Höhe bei gutem Klang sind also enorm und die erforderliche Technik (Clarinblasen) wurde mit dem Untergang der Trompetenmusik zum Ende des Barock zum Geheimnis einer handvoll Virtuosen.
Erst nach Verbreitung der modernen Blechblaspädagogik (Chicago Symphony Orchestra) ab den 1950er Jahren und einem neu erwachten Interesse an alter Musik auf alten (bzw. den historischen Vorbildern nachgebauten) Instrumenten wurde die alte Spielweise wiederentdeckt. In Deutschland leistete Adolf Scherbaum für die Belachblaspädagogik vergleichbares zu Arnold Jacobs und anderen aus Chicago, allerdings nicht mit durchgehend gleicher Methodik.
Zugleich wurden Nachbauten der wenigen erhaltenen Naturtompeten des Barock geschaffen, die auch für heutige Ansprüche spielbar sind.
Heute werden bei historischer Aufführungspraxis sowohl sog. Barockrompeten mit Löchern als auch - seltener, weil noch anspruchsvoller - reine Naturtrompeten eingesetzt.

Bei Videos solcher Musik habe ich festgestellt, dass die verwendeten Trompeten Grifflöcher haben,...
Durch ein Loch reißt die Luftsäule an der gebohrten Stelle ab und aufgrund der anderen Länge entsteht eine andere Naturtonreihe, man kennt das von Flöten. Damit verbunden ist aber auch eine Klangänderung mit weniger Obertönen, also ein weicherer Klang.
Auch moderne Konzerttrompeten können solche Klappen haben, um bestimmte hohe Töne leichter ansprechen zu können.
c-a-klappe_big.jpg
Quelle: weimann-brass.de/extras/

Naheliegend bei Löchern wurde Ende des achtzehnten Jahrhunderts durch den Trompetenvirtuosen Anton Weidinger in Wien eine Klappentrompete konstruiert, auf der er das für ihn von Joseph Haydn komponierte und bis heute berühmte Trompetenkonzert 1800 uraufführte.
Zu diesem Zeitpunkt war das musikalische Interesse Publikums an der Trompete aber schon lange erloschen, die inmittelbare Resonanz war denkbar gering.
Zeitgenössische Komponisten wie Mozart und Beethoven haben die Trompete aufgrund des anderen verlangten Klangideals, mangels leistungsfähiger Instrumente und Spieler geradezu ignoriert und allenfalls als klangverstärkende Füllstimmen im Orchester für die einfach spielbaren Naturtöne (2, 3, 4, 5, 6, 8) eingesetzt.

Auch die bis 1840 voll entwickelte Ventiltrompete konnte erst ab den 1920er ihre heutige Bedeutung erlangen. Bis dahin war ausgehend von der französischen Musiktradition das Kornett ab Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in Europa wie den USA das Idealinstrument des solistischen Blechblasens im Sopranregister.

Die im Clip zu sehende moderne Ventiltrompete (hier in D/Eb) hat wie gesagt nur die halbe Länge des Instruments, für das Haydn geschrieben hat. Dank der drei Ventile kann man ab dem Tritonus unter dem 2 Naturton chromatisch spielen. Mit jedem Ventil bzw. den Ventilkombinationen werden Töne aus weiteren 6 Naturtonreihen anspielbar und damit die volle Chromatik. Klingend für die Trompete in D:
leer/keine Ventile: zweiter Naturton d', mittleres Ventil (= 2. Ventil) ein Halbton tiefer: des'/cis', schallstücknahes Ventil (1. Ventil) ein Ganzton tiefer: c', mundstücknahes Ventil (3. Ventil) anderthalb Halbtöne tiefer: h usw.



Gruß Claus
 
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Ein Zink wäre aber schon historisch für Händel, The Tumpet Shall Sound nicht mehr naheliegend.

Hier sieht man eine Aufführung des Stücks auf einer Barocktrompete. Das ist eine Naturtompete mit der doppelten Länge moderner Trompeten plus Löchern für die besser intonierte Ansprache kritischer Töne.



Gruß Claus
 
@bassmüller: Nein, ich meinte Trompeten!

Zinken sind von Klang her auch spannend, aber physikalisch für den Laien (der auch Tin Whistle spielt und Dudelsack ausprobiert hat) eher nachvollziehbar.

Trotzdem danke für den Link!

Cheers,
Jed
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
@Claus: Genau die Aufnahme erregte mein Interesse and den Löchern!

Auch das Brandenburgische Konzert Nr. 2 von J.S.B.:


Cheers,
Jed
 
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Physikalisch?
Bei der Trompete ist die Lippenschwingung der Tonerzeuger: Lip Buzzing

Das Mundstück dient der Entlastung der Lippen und der Klangformung, die eigentliche Trompete hauptsächlich der Erzeugung einer Naturtonreihe aufgrund der Erregung der Luftsäule sowie der Verstärkung der Töne.
Der Grundton einer Trompete hängt von der Länge der Luftsäule im Innern des Instruments ab, Ventile verlängern diese Luftsäule.

Man kann sich mit dem passenden Mundstück (Preistip: Stölzel aS) und einem sinnvoll bemessenen Schlauch ganz gut und günstig an die Forschung machen.



Wie gesagt, manche Naturtöne liegen weit außerhalb der bei mehrstimmigen Ensemblespiel benötigten Stimmung, die heute gleichstufig wäre, im Barock bei zeitgenössischer Berücksichtigung eine mitteltönige.

Mit den Löchern kann man dann z.B. den 11. und 13. Naturton besser spielen und spart sich das Ansatzkraft raubende "Treiben" der Töne, das die barocken Clarinbläser auszeichnete (soweit sie gut genug dafür waren).

Das 2. Brandenburger Konzert ist ein Paradestück für Trompete, das noch Mitte des letzten 20. Jahrhunderts nur wenige Virtuosen "live" spielen konnten. Die Anforderungen sind enorm und geradezu unfassbar spielte Reinhold Friedrich einmal den dritten Satz sogar gleich noch einmal nach dem Konzert als Zugabe.



Gruß Claus
 
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... aber der Virtuose im letzten Filmchen spielte doch eine Bachtrompete (mit zwei Löchern: eins vorne, eins hinten), oder? Die Funktionsweise ist doch die gleiche wie bei jeder anderen Ventiltrompete - nur die Rohrlänge ist kürzer. Oder liege ich wieder falsch?
 
Genau, R. Friedrich spielt im Clip eine Hoch B-, weithin auch Piccolo-Trompete genannt. Sie hat Perinet-Ventile, aber ein gerades statt gebogenem Schallstück.
https://www.thomann.de/de/piccolo_trompeten.html

Bach-Trompete ist für mich ein etwas missverständlicher Begriff.
Es gibt ihn nur bei uns und er stammt m.W. aus der Mitte des 20. Jh., als er aufgrund des Repertoires von Maurice André und Adolf Scherbaum eine gewisse Verbreitung fand.

Warum missverständlich?
Zum Einen ist ein Großteil der Barockmusik, die auf der Piccolo gespielt wird nicht von (J.S.) Bach, sondern z.B. von Purcell, Händel und anderen.
Zum Anderen ist (Vincent) Bach ein führender amerikanischer Blechblasinstrumentehersteller, meine erste "richtige" Trompete war eine Bach.

Gruß Claus
 
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Das 2. Brandenburger Konzert ist ein Paradestück für Trompete, das noch Mitte des letzten 20. Jahrhunderts nur wenige Virtuosen "live" spielen konnten. Die Anforderungen sind enorm und geradezu unfassbar spielte Reinhold Friedrich einmal den dritten Satz sogar gleich noch einmal nach dem Konzert als Zugabe.
Der Satz ist einer meiner Lieblingssätze der Brandenburger Konzerte.

Hallo,
Ich muss mich gleich als einen outen, der von Blech gar nichts versteht
Ich schaue auch gern mal über den Tellerrand hin zu den Blechbläsern. Unter dem Stichwort "Barocktrompete" findest Du auch noch einiges bei Wiki und Google.
 

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