Obdachlos (für Dominik)

[Teestunde]

Obdachlos (für Dominik)

Gleichgültig blicken die Laternen
auf seine Schneespur durch die Nacht.
Demut, er wird sie schon noch lernen.
Weil Kälte Jeden mürbe macht.

Die Würde wird er schnell verlieren;
kein Mensch lebt nur von Flaschenpfand.
Er wird sich fürchterlich genieren
vor seiner eignen Bettlerhand.

Noch glaubt er, es wird wieder gut.
Das macht ihm Mut.
Doch immer öfter fragt er sich:
Und was, wenn nicht?

Am schlimmsten wird der Dreck in plagen,
der Schmutz, der in die Seele schleicht.
Das wird den Bessermenschen sagen:
Hier ist die Endstation erreicht.

Bald werden die Klamotten Fetzen
und seine Hoffnung Scherben sein.
Die Kinder werden sich entsetzen
und die Erwachsnen sagen „Schwein!“

Noch glaubt er, es wird wieder gut.
Das macht ihm Mut.
Doch immer öfter fragt er sich:
Und was, wenn nicht?

Gangs werden ihren Mut erproben;
vielleicht schlägt ihn ja jemand tot.
Dann steigt er als ein Hauch nach oben,
entkommt auf diese Art der Not.

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
erscheint ihm strahlend und entrückt.
Wie soll er die Erscheinung deuten,
wo sie ihm nur das Herz abdrückt?

Noch glaubt er, es wird wieder gut.
Das macht ihm Mut.
Doch immer öfter fragt er sich:
Und was, wenn nicht?

 

[Teestunde]

Danke für die Sternchen.

 

[Uwi1976]

"Am schlimmsten wird der Dreck in plagen"
Ich kaufe ein h

Die Metapher "Mädchen mit Streichhölzern" verstehe ich nicht?

Statt "Gangs" würde ich "Banden" verwenden (und das "ihren" weglassen)

Ganz schön zynisch das Ding oder?

 

[Teestunde]

Nee, nicht zynisch, sondern aus der Sicht der gleichgültigen Strassenlaternen gesehen. Und das Mädchen erscheint ihm, weil er selber kurz vorm Erfrieren ist.
Mir schwebt sogar eine zärtliche Musik vor, wie sie jemand hört, der sich ins Land der Träume flüchtet. Aber der Komponist ist eher der Rockmusik zugetan. Tja!

 

[Uwi1976]

Ach soo! Das hab ich wirklich nicht geschnallt.
Ein Lied aus Sicht eine Straßenlaterne. Interessante Idee.
Erinnert mich an "Wunderbar" von Deine Lakaien

Beitrag automatisch zusammengefügt: 18.11.21

Eine zärtliche Musik passt aber nicht so richtig zu "vielleicht schlägt ihn ja jemand tot."
Sonst sind wir wieder bei zynisch, was Du ja nicht möchtest

 

[Teestunde]

Ja, stimmt. Aber Fredy macht sowieso Rockmusik draus.

 

[x-Riff]

Es gibt ein ziemlich bekanntes Märchen von Christian Anderson, ich meine, es heißt "Das Mädchen mit den Streichhölzern", auf das sich - denke ich - @Teestunde bezieht.

Ein bitteres Märchen - es lohnt, danach zu googeln.

x-Riff

 

[x-Riff]

Gerade gefunden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Christian_Andersen
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_kleine_Mädchen_mit_den_Schwefelhölzern

 

[Uwi1976]

Das ist aber wirklich ein trauriges Märchen.

 

[Teestunde]

Das ist aber wirklich ein trauriges Märchen.

Ja. Es ist seine erste Ahnung, dass er allein und aus eigener Kraft nicht mehr rauskommt aus dieser Situation.

 

[Jongleur]

Auf dem Hintergrund eines neutralen Graus bekommen die anderen Farben eine besondere Strahlkraft. An diese Erfahrung, die ich einst mit Photoshop machte, erinnerte ich mich beim Lesen deines berührenden Textes.

Wenn ich ihn mit den übrigen Texten hier vergleiche, erscheint er mir als eine graue Fläche, kunstvoll eingerahmt. Ich stell mir dieses Bild in einer Ausstellung vor, samt der Besucher, die ratlos oder versonnenen vor dem Bild verharren. Ermüdet von den übertrieben hoffnungsfrohen Farben, die aus den anderen Rahmen strahlen.

ich lese deine Verse, liebe Teestunde, und spüre die Müdigkeit des ratlosen Betrachters. Ich könnte einwenden, dass Hans Christian Andersen sein Märchen mit einer gütige Großmutter, strahlenden Lichter, einer prächtige Weihnachtsgans und Sternschnuppen garnierte, um uns den Anblick das langsam erfrierenden Mädchen erträglicher auszumalen.

Aber das war Andersens Sicht. Und das hier Ist Teestundes Text. Inmitten der anderen..,,

 

[Teestunde]

Der Text ist entstanden, nachdem ich Dominik Blohs "Unter Palmen aus Stahl" gelesen hatte. Er schreibt, dass er sich die Finger in den Mund stecken musste, damit sie nicht abfrieren.
Danke für deine Gedanken.

 

[Teestunde]

Aber das war Andersens Sicht. Und das hier Ist Teestundes Text. Inmitten der anderen..,

Ich glaub, ich hab dich jetzt erst verstanden. Nix für ungut.