Schostakowitsch TV

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Günter Sch.
Günter Sch.
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Es gibt stunden, wo das fernsehen sich seiner spezifischen möglichkeiten bewusst wird, stunden, die sich von der dauerberieselung abheben und im gedächtnis haften bleiben.
Die komponenten hätten nicht besser gemischt sein können bei der gestrigen ausstrahlung unter dem titel "Dem kühlen morgen entgegen", die erste zeile eines populären liedes aus einer filmkomposition Schostakowitschs in 3Sat : ein moderator vom format Armin Müller-Stahls, als zeitzeugen witwe, tochter, sohn, die freunde Rostropowitsch und Rostdeschwenski und sogar der intimfeind des komponisten. Was für eine idee, den handelnden personen als marionetten worte in den mund zu legen, die sie vielleicht gedacht, aber nie geäußert haben! Filmausschnitte, dokumentarisches, opernszenen rundeten das bild ab, vor allem die jungen, russischen musiker/innen, die so lebendig musizierten, dass man sich um das erbe nicht zu sorgen braucht.
 
Eigenschaft
 
ich habe mir schonmal überlegt dass wir einen sammelthread gebrauchen könnten indem sendungen rund um "klassische" musik angekündigt werden - leider stoße ich immer nur durch zufall darauf weil ich so wenig fernsehe. so war es auch bei der schostakowitsch-sendung. aus zeitgründen konnte ich nur bis zu Stalins auftritt gucken.

aber es gibt ja öfters intressante sendungen oder gar ganz übertragene konzerte - auch wenn ich mit meinem kleinen fernseher nicht wirklich viel höre.
neulich kam bsp. die "moderne" inszenierung der zauberflöte die in wien aufgenommen wurde - immer wieder konnte man von der bühne weg, hinter die kulissen sehen. wie sich statisten für ihren auftritt bereit machen, wie das ganze mit dem licht- und tonmischpult synchronisiert werden muss aber ein interview mit einem sich aufwärmenden bassisten vor der show.
ok manchmal wünschte ich mir, dass die sänger grade nicht unterbrochen worden wären aber intressant war es trotzdem :)
 
Es gab den slogan "Vom ich zum wir", womit die weisheit des kollektivs beschworen wurde.
Kein individuum ist gleich dem anderen, aber gewisse normen pegeln sich ein, und manche fühlen sich in der masse wohl, ob Petersplatz, Oktoberfest, parteitag oder disko. Wer von der norm abweicht, was allemal in alle richtungen vorkommt, tut sich schwerer, und wenn das "wir" gar übermächtig wird, fühlt sich ein sensibles "ich" bedrängt, eingeengt und bedroht.
"Und wenn der mensch in seiner qual verstummt, gab mir ein gott zu sagen, was ich fühle", wer seinen "Tasso" kennt, bemerkt die kleine korrektur, denn das gilt nicht nur für qual und leiden, sondern auch für freude, hoffnung, vorausschau. So ein visionär war Schostakowitsch, er lauschte in sich hinein und hätte das gern mit seinen mitteln ausgedrückt und vermittelt. Aber damit passte er nicht ins bild, meisterhaft mussten sie sein, die werke des sozialistischen realismus, aber auch volkstümlich und jedem verständlich, dazu parteiergreifend und dem großen kollektiv dienend. Das gelang allenfalls in filmmusiken, und wenn Väterchen Stalin gedoubelt auf der leinwand erschien und Schostakowitschs musik dazu erklang, war die welt in ordnung. Aber wenn der komponist eigene wege ging, als böser formalist sogar im ausland gewürdigt wurde, musste einem solchen treiben ein ende gesetzt werden.
Das ist nichts neues: nicht nur sozialistische kollektive handeln so, auch anderen ist der vom durchschnitt abweichende seinen zeitgenossen unverständlich, ja verdächtig: Schumann zog gegen die "Philister" zu felde, die romantiker allesamt gegen den nur am erwerb interessierten bürger, der revolutionär Wagner brauchte einen könig und großindustrielle, um sein werk durchzusetzen, kollektive sind nicht immer weise, es gibt in ihnen auch geballte dummheit, die jedem fähnchen und marktschreier nachläuft.
Wenn allerdings das erbe der visionäre vermarktet werden kann, stellt sich postum der erfolg ein.
 
T
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