Vergebliche Müh

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Vergebliche Müh

Gern wollt ich mal erleben,
dass dich etwas erfreut,
damit man nicht das Geben
im Nachhinein bereut.
Was ich dir bisher schenkte,
du sahst es nur kurz an
und legtest – was mich kränkte –
derb deinen Maßstab an:
Du möchtest dabei bleiben,
dass mein Geschenk nichts taugt.
(Man kann’s auch übertreiben!)
Mich hat’s fast ausgelaugt.

Erst heut kann ich mir sagen,
es lag wohl nicht an mir;
ich sollte lieber fragen:
Was ist denn los mit dir?
Womöglich kommt’s vom Kriege.
Du kamst in Not und Leid
und musstest deine Wiege
verlassen vor der Zeit.
Vier Kinder und die Mama
zu Fuß durchs halbe Land.
Der Spruch: Mach jetzt kein Drama!
war ernst und hochbrisant.

Es blieb all eure Habe
dort liegen, wo sie war.
Bis heut ist jede Gabe
für dich bezweifelbar.
Dein Reichtum war ein Apfel,
geschenkt dir auf der Flucht,
als ihr in einer Scheune
ein Nachtlager gesucht.
Du hast ihn lang besessen.
Bis es dem Bruder reicht’.
Er hat ihn aufgegessen,
bevor er noch zerweicht.

Ja, so kann ich mich trösten,
versuch es immerhin.
Vielleicht liegt’s auch nur daran,
dass ich kein Wunschkind bin.
Ich kam vor deiner Ehe
und keiner wollte mich,
wenn ich das richtig sehe.
Das gab dir einen Stich.
Womöglich fehlt Geschenken,
die dir dein Mädchen gibt,
der Schmelz von Angedenken
an Menschen, die man liebt.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Der Titel ist noch nicht in Stein gemeißelt. Ich wollte nur erst mal alles aufschreiben, bevor es wieder im Unterbewusstsein verschwindet.
 
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Oh wow, alleine die letzten vier Zeilen!

Erstmal sacken lassen.
 
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Es sollte ein versöhnlicher Text werden. Aber da ist wahrscheinlich noch zu viel Wut. Ich versuche es noch mal. Ich will einen Text schreiben, den ich meiner Mutter zeigen könnte, ohne dass ich mich selbst belüge. Aber dazu muss ich erst mal das Brett vorm Kopf loswerden.
:)
 
Ich will einen Text schreiben, den ich meiner Mutter zeigen könnte, ohne dass ich mich selbst belüge. Aber dazu muss ich erst mal das Brett vorm Kopf loswerden.

Interessant! Du überschätzt mE die Lösbarkeit eines Paradoxons - nämlich vor der ganzen Welt zu beichten. Selbst Jesus verließ seine Jünger, suchte die Einsamkeit, als er vor der Kreuzigung noch einmal mit seinen Gottvater sprach - behauptet die Bibel…

Klingt ironisch, ist aber aus meiner Sicht der tägliche Druck bekennenden Schreibens. Nimm
Dir vor, das Ergebnis vorläufig nicht zu veröffentlichen. Ich glaube, allein das verändert sofort den gefühlten Inhalt!
 
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Warum soll Deine Wut nicht sichtbar werden? Du bemühst Dich und erntest keine Freude, nicht einmal Anerkennung für dein Bemühen.
Im Reflektieren erkennst Du bzw. das Lyrische Ich, dass dem Gegenüber etwas fehlt, dass es ihm wohl unmöglich scheint, Geschenke anzunehmen. Da es sich aber auch auf das Lyrische Ich bezieht - ein ungewolltes Kind - ist es neben der generellen Unfähigkeit auch eine persönliche.

Den Verzicht auf die verständliche Wut aufgrund der Zurückweisung lese ich als verinnerlichte Zurückweisung dieses unliebsamen, verstörenden Gefühls in sich selbst. Das Lyrische Ich übernimmt damit die Eltern bzw. Vater-/Mutterperspektive. Damit geht es weg vom eigenen individuellen Gefühl. In einer bestimmten Lesart wiederholt es damit die erfahrene Zurückweisung und wendet sie selbst gegen sich an. Das muss nicht sein.

Das Gefühl kann sich in der Erkenntnis der Unfähigkeit durch das Verständnis in Mitleid und Trauer transformieren. Dies ist in meinem Verständnis aber etwas, das weder die Wut auslöscht noch negiert, sondern als zusätzliches Gefühl hinzukommt und letztlich eine Hinwendung bewirken kann, die sozusagen die eigene Zurückweisung überwindet. Man sprengt sozusagen die Kette der Wiederholung. Dies ist aber nur ehrlich, wenn es tatsächlich so empfunden wird vom Lyrischen Ich - sich selbst und dem Elternteil gegenüber. Es geht nur in dieser gleichberechtigten Kombination.

@Teestunde Ich bewundere Deine Fähigkeit, Dich in andere Menschen einzufühlen, sie lesen, verstehen zu wollen, ihnen gerecht zu werden. Du schaffst es, in kleinen Begebenheiten, Gesten und Situationen das Tieferliegende zu sehen, zu beschreiben und nachvollziehbar zu machen. Das ist groß.

Hat das Lyrische Ich die Fähigkeit und den Willen, das gleiche Verständnis und Einfühlungsvermögen sich selbst gegenüber aufzubringen, wie es das bezogen auf sein Gegenüber tut?

Herzliche Grüße - just my thoughts about it ...

x-Riff
 
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@Teestunde
Warum du schreibst, was du schreibst, ist mir als Leser egal. Ob du therapeutisch, biographisch, über eine ausgedachte Figur aus einem Roman oder als Fingerübung schreibst, das alles sehe ich nicht, wenn ich deinen Text lese. Ich kenne nur die vier Strophen, und nur über die kann ich etwas sagen.

Ich bin von dem Gedicht berührt. Das Gefühl von Zurückweisung ist fast körperlich spürbar. Der Versuch, die Zurückweisung zu erklären, zeigt Empathie und Verständnis. Aber selbst wenn sie rational begründbar ist, bleiben Schmerz und viele Fragezeichen, die einfach nicht wegrationalisiert werden können.

Mir gefällt die formale Gestaltung und wie gleichmäßig du das Versmaß einhältst. In der ersten Zeile der letzten Strophe scheint das Versmaß kurz zu ruckeln und auch das Reimschema wird aufgebrochen. Dadurch wird ein Gefühl von Unruhe erzeugt. Die vorherigen Strophen hatten fast etwas von Routine - das lyrische Ich ist es gewohnt, in solchen Bahnen zu denken. Doch diese Routine lässt sich nicht weiterführen, wenn in der letzten Strophe die Erkenntnis dämmert, dass auch Verständnis für die Ursachen der Zurückweisung den Schmerz nicht lindern werden.

Wie hier Form und Inhalt zusammen gehen, das ist großartig!
 
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Und nun konkret zum Text: Wir sind ja beide Eltern. Was bringt es Eltern, von ihren Kinder aus deren Kindersicht Jahrzehnte später bewertet zu werden?

Aus dem Kind ist nun ebenfalls ein Erwachsener geworden. Ein Mensch, zu dessen spontanen Eigenschaften es eben AUCH zählt, andere Menschen mehr oder weniger oft für eigene Probleme verantwortlich machen zu wollen, Also ich bemerke diesen Reflex jedenfalls an mir.

Als ich meine leibliche Mutter nach Jahrzehnten traf, hätte ich sie für viele nagenden Gefühle verantwortlich machen können. Aber die Neugier siegte; ich entschied mich dafür, nach unseren Gemeinsamkeiten, unseren vermutlichen Genen zu suchen. Ich fand viele Ähnlichkeiten. Angenehme und weniger angenehme!

Und nach einiger Zeit begann ich unsere Gemeinsamkeiten zu lieben und die Unterschiede immer sanfter zu RESPEKTieren. Wir sind Blätter vom selben Baum! Mit natürlichen Aufgaben In diese Welt gekommen. Ich weiß nun viel besser, an was ich gelegentlich das Typische meines Stammbaumes erkennen kann. Das lässt mich eher belustigt lächeln, statt mich wütend zu machen.

Nun habe ich eine Begründung mehr dafür, warum ich ein geborener Texter bin. 😂

Alle Familienmitglieder haben ganz schöne Ähnlichkeiten und Macken. Denn wir stammen eben vom selben Stamm. Sogar über Jahrhunderte kann ich nun Ähnlichkeiten feststellen.

Oder bilde ich die mir ein? Na, wenn schon… auch diese Art Phantasie zeigt, wie schön es ist, wenn man für einen Teil der eigenen Handlungen einfach die natürlichen Gene verantwortlich machen kann!!! Warum also nicht die Natur oder Gott anklagen? Oder sich statt dessen bedanken dafür, dass es Menschen gibt, deren Schicksal mir bei näherer Betrachtung wichtiger Hinweise geben könnte… Falls ich die gemeinsamen Gene an-erKENNE, RESPEKTiere…

So einfach empfinde ich im Grunde bei diesem scheinbar komplizierten Problem. 😌
 
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Dir vor, das Ergebnis vorläufig nicht zu veröffentlichen. Ich glaube, allein das verändert sofort den gefühlten Inhalt!
Mir geht es zur Zeit genau darum, die Texte eben DOCH zu veröffentlichen. Das kostet Überwindung, aber die Neugier auf die Wertung ist zu verlockend. :)
Hat das Lyrische Ich die Fähigkeit und den Willen, das gleiche Verständnis und Einfühlungsvermögen sich selbst gegenüber aufzubringen, wie es das bezogen auf sein Gegenüber tut?
Genau das ist die Frage. Man ist geeicht auf die Wahrnehmung des Gegenübers, bis man (endlich) darüber wütend werden kann. Diese Wut nicht als schlecht zu sehen, damit kämpfe ich zur Zeit. :)
Doch diese Routine lässt sich nicht weiterführen, wenn in der letzten Strophe die Erkenntnis dämmert, dass auch Verständnis für die Ursachen der Zurückweisung den Schmerz nicht lindern werden.
Und doch sehnt man sich danach, oder? :) Ich schulde mir noch ein versöhnlicheres Gedicht, denn "in Wirklichkeit" bin ich mit mir und meinen Gefühlen schon viel weiter. Ich glaube, ich habe längst verziehen. Oder zumindest bilde ich es mir ein.
Als ich meine leibliche Mutter nach Jahrzehnten traf, hätte ich sie für viele nagenden Gefühle verantwortlich machen können. Aber die Neugier siegte; ich entschied mich dafür, nach unseren Gemeinsamkeiten, unseren vermutlichen Genen zu suchen. Ich fand viele Ähnlichkeiten. Angenehme und weniger angenehme!
Der Vorteil eines späten Kennenlernens ist ja, dass man das Gegenüber bis dahin nie in unangenehmen Situationen erlebt hat. Da eignet es sich als Projektionsfläche für alles Gute, glaube ich.
Ich schulde mir noch einen Text, der meine MOMENTANE Befindlichkeit gegenüber dem LD klarmacht. Ich bin selbst erstaunt, wieviel Wut mir da noch im Wege steht. Dass ich die überhaupt artikulieren kann, ist wie eine Befreiung. Allerdings will ich dort nicht stehenbleiben. :)
 
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Der Vorteil eines späten Kennenlernens ist ja, dass man das Gegenüber bis dahin nie in unangenehmen Situationen erlebt hat. Da eignet es sich als Projektionsfläche für alles Gute, glaube ich.

Rums, Tür zu… alles klar? Keine Frage mehr? Gut, alles klar… gar keine Frage!
 
Rums, Tür zu… alles klar? Keine Frage? Gut, alles klar… gar keine Frage!
Neiiiiiin!!! Nicht "alles klar". Es war nur die Erinnerung an mein eigenes Verhalten meinen (fremden) Brüdern gegenüber. :) Sorry!!!
 

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