• Bitte beachten! Dies ist ein Forum, in dem es keine professionelle und auch keine verbindliche Rechtsberatung gibt. Es werden lediglich persönliche Meinungen und Erfahrungen wiedergegeben. Diskussionen bitte möglichst mit allgemeinen Beispielen und nicht mit speziellen Fällen führen.

Verknackt wegen des gleichen "Funks": Pharell & Robin Thicke

  • Ersteller BonedoRalf
  • Erstellt am
BonedoRalf
BonedoRalf
Redaktion Bonedo
Zuletzt hier
22.12.15
Registriert
15.12.11
Beiträge
115
Kekse
926
Ort
HH
Zum Thema: Vorsicht bei der Kuhglockenwahl! :)

Dieser Plagiatsfall beschäftigte das Gericht ja schon eine Weile - das Urteil wurde diese Woche gefällt: Der Song "Blurred Lines" von Robin Thicke und Pharell Williams gilt nun als Plagiat von Marvin Gayes "Got to Give it Up. Und zwar anhand des "Funks", nicht etwa weil die Melodie, Text oder andere Dinge sich ähneln würden...

Man spricht von dem Diebstahl des "defining funk of the cowbell accents." Der Groove erinnert sicher irgendwie daran, wenn man die Songs vergleicht - aber müsst ihr euch mal anhören: Der Song ist nicht gleich! Hier haben wir das mal zusammen getragen:

http://www.bonedo.de/artikel/einzelansicht/sieben-millionen-fuer-den-funk-von-marvin-gaye.html

Altmeister Stevie Wonder hat sich inzwischen auch dazu geäußert - haben wir mal drunter gepackt.

Was meint ihr dazu: Ist das Urteil gerecht? Und was für Konsequenzen hat das für Songschreiber: Denn hier wurden weder Samples von Melodien wiederverwendet... verklagen sich jetzt Avicii und David Guetta gegenseitig, wegen des identischen "EDM-Funks" der Four-on-theFloor Bassdrum und der weitgehend identischen Sounds?
 
Eigenschaft
 
Wenn man jetzt einen 3-Akkorde Rocksong "erfindet" mit Bassdrum auf 1 und 3, Snare auf 2 und 4, Viertel in der Hi-Hat und Achtel-Powerchords auf der Gitarre, wird man dann von Status-Quo verklagt? :gruebel:

Viele Grüße,
McCoy
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Schön finde ich es immer wenn der Thread Opener auch das vorstellt von was er redet.

Robin Thicke - Blurred Lines



GOT TO GIVE IT UP - MARVIN GAYE



So, nun kann man wenigstens problemlos vergleichen.

Ich meine:
beide Songs sind vom melodischen und harmonischen Gehalt sehr sparsam gehalten und das Wenige das sie in dieser Hinsicht zu bieten haben ähnelt doch schon gewaltig.
Das Tempo beider Songs ist absolut identisch. Das fördert die Ähnlichkeit.
Die Instrumentation ist ebenso ähnlich.

Klar, es sind 2 verschiedene Songs, aber sie sind sich nun mal verdammt ähnlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Lustig, ich hatte "Blurred lines" vor einiger Zeit kurz nach "Got to give it up" im Autoradio gehört und dachte im ersten Moment "schon wieder?!". War aber ein Cover von "Got to give it up", und da war die Ähnlichkeit noch deutlicher. Bin also doch nicht ganz taub... ;-)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Gehen wir mal davon aus, daß Musik nicht immer ein Allgemeingut ist, das kostenlos verwendet werden kann. Es gibt "geistiges Eigentum", welches durch das Gesetz geschützt ist. (Die Abschaffung des materiellen Privateigentums hat in modernen Zeiten nirgends wirklich funktioniert, nicht einmal die Abschaffung des Eigentums an den Produktionsmitteln.)

Weltweit besteht unter den Staaten ein verbreiterer Konsens, daß das Werk eines Komponisten bis 70 Jahre nach seinem Tod gesetzlich geschützt wird. Geschützt ist aber auch bei neuer Musik nicht alles. Das, was als "musikalisches Handwerk" zu bezeichnen ist, schon häufig verwendet wurde und keine besondere Kreativität erfordert, ist frei.

Dies würde auf das obige Beispiel zutreffen:
...3-Akkorde Rocksong "erfindet" mit Bassdrum auf 1 und 3, Snare auf 2 und 4, Viertel in der Hi-Hat und Achtel-Powerchords auf der Gitarre...

Aufgabe von Gerichten ist es nun, insbesondere bei Streitfällen unter Musikern, die entsprechende Grenze zu ziehen, was nicht einfach ist und immer vom Einzelfall abhängt. In Deutschland wurde z.B. für Recht erkannt:
Ein Musikstück - und seien es auch nur wenige Takte - ist urheberrechtlich schutzfähig, wenn es eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG). Die schöpferische Leistung kann sich nicht nur aus der Melodie, sondern auch aus der Auswahl und dem Einsatz der musikalischen Ausdrucksmittel (Rhythmik, Metrik, Tempo, Harmonik, Form, Phrasierung, Instrumentierung, Sound) bei der Verarbeitung der Melodie ergeben.
...
Entscheidend ist der sich aus dem Zusammenspiel all dieser Elemente ergebende Gesamteindruck, das Hörerlebnis (vgl. nur Schricker/Loewenheim, UrhR, § 2 Rn. 119, mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung). Schutzfähig sind regelmäßig die Art und Weise der Instrumentierung und Orchestrierung, da sie den klanglichen Charakter des Musikstückes entscheidend beeinflussen und in Anbetracht der unzähligen verschiedenen Wahlmöglichkeiten regelmäßig eine künstlerische Entscheidung des Komponisten darstellen (BGH GRUR 1968, 321, 324 f. - Haselnuß; 1991, 533, 535 - Brown Girl II; BGH UFITA 51 (1968) 315, 319 ff. - Gaudeamus igitur). Nicht schutzbegründend ist jedoch die Verwendung dessen, was zum musikalischen Allgemeingut gehört.
„Still got the blues“ oder auch nicht; Gitarrensolo verletzt Urheberrecht - LG München I, Urteil vom 03.12.2008, Az.: 21 O 23120/00

Bezogen auf den hier diskutierten Fall haben die Richter u.a. Musikologen beider Seiten angehört, die u.a. anführten:

Das Stück sei nicht identisch mit dem von Marvin Gaye. (Das hat auch Stevie Wonder richtig erkannt.) Sie legten Material vor und belegten die musikalischen Differenzen.
Da wir hier (noch) im UF Musiktheorie sind, sollen diese aufgeführt werden:
- Blurred Lines is 120 beats per minute.
- Got To Give It Up is 122 beats per minute.
- Both songs feature a syncopated cowbell part and an electric piano (Gaye’s bassline is actually played on a 1976 RMI harmonic synthesiser).
- The vocal melodies and lyrics of the songs are very obviously different from one another.
- The songs have different chord patterns from each other.
- The recordings are in different keys; ‘Blurred Lines’ is in G; ‘Got To Give It Up’ is in A.
(weiter unten im Artikel sind Notenbeispiele für den Bass und die Kuhglocken angeführt)
Joe Bennett: Did Robin Thicke steal ‘Blurred Lines’ from Marvin Gaye?

Schön und gut, sagte das Gericht. Für ein Plagiat ist eine Identität -Note für Note- nicht erforderlich.
Der Anwalt der Marvin Gay-Familie fasste die Aussage der Musikologinnen Judith Finell und Ingrid Monson zusammen, welche auf die Ähnlichkeiten anhand von acht Diagrammen hinwiesen:

Es gäbe im gesamten Song nur zwei Takte, in denen ein Element von 'Got To Give It Up' nicht verwendet wurde. Nichts in diesem Song ist zufällig. Es handelt sich um substanzielle Ähnlichkeiten und nicht um Koinzidenz.
http://www.hollywoodreporter.com/th...ial-marvin-gayes-779673?mobile_redirect=false

Pharrell sagte in einem Interview in Bezug auf den Marvin Gaye-Song:
“Damn, we should make something like that, something with that groove.” Then he started playing a little something and we literally wrote the song in about a half hour and recorded it. The whole thing was done in a couple hours…
Robin Thicke interview, 7th May 2013 (interviewed by Stelios Phili for GQ magazine).
http://joebennett.net/2014/02/01/did-robin-thicke-steal-a-song-from-marvin-gaye/
The case has been tough on Thicke, thanks to depositions revealing he lied in media interviews and was drunk and high on Vicodin.
https://www.billboard.com/biz/artic...lurred-lines-trial-verdict-jury-rules-against
Thicke hat also gelogen, war betrunken und "high" mit einem Morphin-Derivat.

Der Anwalt der Marvin Gay-Familie fasste zusammen:
What it boils down to is 'Yes, we copied. Yes, we took it. Yes, we lied about it. Yes, we changed our story every time'... It boils down to this: Who do you believe?... Are you going to believe Robin Thicke, who told us all he's not an honest person?
'Blurred Lines' Trial Verdict: Jury Rules Against Pharrell Williams & Robin Thicke

Nach dem mehrmaligen Anhören der beiden Songs, komme ich zu dem Schluß, dass es im Prinzip so gewesen sein dürfte:

Man hat den Song zum Vorbild genommen und damit er nicht als Plagiat betrachtet werden kann, veränderte man verschiedene Bestandteile. Aber so, daß das Feeling/ der Groove gleich blieb.

Man hat also quasi den Hund des Nachbarn genommen, seine Haare geschnitten und im heutigen Stil gefärbt, den Schwanz kupiert, die Nägel geschnitten, das Produkt dann mit einem Sex-Video (in youtube gesperrt) verkauft und damit $16.7 Millionen Dollar gemacht. Es bleibt aber ein geklauter Hund, denn das eigentliche individuelle Leben stammt aus dem Original.
Entsprechendes könnte man mit vielen Songs machen und diese Arbeitsweise ist natürlich viel einfacher, als ein wirkliches Original zu schaffen.
Mein Fazit: Man hat im Suff und unter Drogen auf die Schnelle probiert, eine Kopie als solche unkenntlich zu machen. Hat aber "leider" nicht funktioniert.

Was meint ihr dazu: Ist das Urteil gerecht?
So gesehen, würden die sieben Millionen Dollar Strafe in Ordnung gehen.
Und was für Konsequenzen hat das für Songschreiber:
Dass man sich nicht so eng an die geliebten Songs seiner Vorbilder halten sollte. Man sollte durch das Studium der Vorbilder seinen Schatz auf einer abstrakteren Ebene bereichern. Mit dem gelernten Material wird es dann irgendwann (hoffentlich) möglich sein, etwas Persönliches, Eigens, vielleicht Unverwechselbares zu gestalten - das, was wir an unseren Vorbildern so mögen.

Viele Grüße
Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 5 Benutzer
Für meine Ohren ist das ein stinknormaler Funkgroove, so wie er unzählige Male vor und nach Marvin Gaye auf irgendwelchen Funk-Sessions gespielt wird. So wie Swing unzählige Male auf Jazz-Sessions und Afrocuban 6/8 unzählige Male auf Latin-Sessions gespielt wird. So ein Funk-Groove ist meiner Meinung nach Gemeingut und nicht schützensfähig. Es wird ja auch niemand auf die Idee kommen, jemanden zu verklagen, der einen Swing mit Walkingbass und Rimklick auf die 4 spielt, nur weil das vorher auch schon mal jemand gemacht hat. Der Swing mit seiner großen Varietät an Rhythmen ist aus der Gemeinschaft der Musiker entstanden, so wie der Funk mit seiner Varietät an Rhythmen eben auch. Nur war das beim Swing etwas früher als beim Funk, und die Musiker, die das damals entwickelt haben, leben - im Gegensatz zu den Funkentwicklern - heute nicht mehr.

Meiner Meinung nach geht es bei der ganzen Diskussion gar nicht um die Musik und ob sie schützenswert ist oder nicht, sondern um die 7 Millionen Dollar. Vermutlich hat die Firma Gaye einfach die teureren Anwälte oder die höheren Bestechungsgelder bezahlen können. Und wenn es um so große Gewinne geht, kann man ja einfach mal versuchen, sich einen Teil davon herauszuklagen. Geklaut wurde da jedenfalls mMn nichts, weil einfach nichts da ist, was man klauen kann. Aber wenn es um solche Summen geht, erstellen eben auch die Sachverständigen die Gutachten, bei denen sie selbst am meisten mitverdienen.

Außerdem vervielfacht so ein Prozeß vermutlich die Klick- und Verkaufszahlen derartig, daß der Verlust für Thicke wohl gut verschmerzbar ist.


Meine 2 Drachmen ...
McCoy
 
eine Kopie als solche unkenntlich zu machen.

Gehen wir mal von Drogen und Suff aus ... würde ich noch nicht mal Absicht unterstellen. Irgendwo im Hinterkopf "lauerte" der Groove, schon 1000 mal gehört. Dann probierst du los und hängst dich auf das Thema, welches dir dein Unterbewusstsein suggeriert.

So etwas hatte ich letztens auch - dachte ich hätte einen neuen Song erfunden, als meine Frau vorbei kam und fragte: "Was haben die Beatles jetzt mit Blues zu tun ??" :bang: ... Da war mir dann auch klar, wo ich den Gedanken her hatte.

Wenn die Jungs also so Doom waren und die Idee gehabt, eingespielt, im Kasten Geschichte halbwegs stimmt ... dann stellt sich die Frage ob der Produzent sie hätte aufhalten sollen? Hier bin ich dann bei McCoy - warum hätte er sollen, vordergründig nicht geschützt.

Gruß
Martin
 
Als Richter hätte ich das nicht entscheiden mögen. Aber wenn eine Sache bei Gericht ist, gibt's kein Unentschieden, weshalb ich das als 51:49-Entscheidung sehe. Hätte auch 49:51 ausgehen können.

Geklagt wurde ja wohl wegen

  1. Copied the bass line of Gaye’s ‘Got To Give It Up’.
  2. Copied the ‘defining funk’ of the cowbell accents.

Beides kann ich nicht nachvollziehen, weil es ideell ähnlich, aber im Direktvergleich überwegend nicht identisch ist.

Interessant finde ich deshalb die Beweisführung der "substanziellen Ähnlichkeit". Und da wieder den Punkt: Ab wann ist eine musikalisches Arrangement trotz notenmäßig erheblicher Unterschiede trotzdem so, dass es als Plagiat verurteilt werden kann?

Auf Grundlage dieses Falles werden wohl noch spannende Zeiten auf uns zukommen. Und goldene auf die Rechtsanwälte, die ja in jedem Fall ihr Geld verdienen. Oder auch nicht: Mit dermaßen engen Beweisführungen kann man als Kläger seinen Prozess auch locker verlieren.

Merkwürdig und neu ist für mich auch die Festlegung "Schadensersatz". Wird Marvin Gaye nun künftig als Miturheber des Titel geführt werden? Obwohl er die Percussion wohl kaum selbst komponiert haben dürfte? Bei der GEMA ist dies aktuell jedenfalls (noch?) nicht der Fall. Und falls nicht: Worauf begründet sich der pauschale Schadenersatz an den Komponisten? Als gerichtlich anerkannter Miturherber steht ihm eigentlich "nur" der anteilig errechnete Anteil an den Einnahmen zu, also 12,5%, da ja noch 3 Komponisten (50%) und 3 Textdichter (50%) beteiligt sind ...

Ein für mich in allen Belangen (hinterfrag)würdiges Urteil mit vielen offenen Fragen, das fast alles Gängige, was wir bislang aus solchen Streitigkeiten kennen, auf den Kopf zu stellen scheint.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Wird Marvin Gaye nun künftig als Miturheber des Titel geführt werden? Obwohl er die Percussion wohl kaum selbst komponiert haben dürfte?


Abgesehen davon, dass Marvin Gaye selbst nichts mehr davon hat, ist das eine wichtige Frage. Die Studio-Musiker, die in der Regel dann auch den Sound prägen, wurden meines Wissens nie an den Tantiemen beteiligt, sondern bekamen ein Gehalt oder eine Gage. (Empfehlenswerte Doku: "Standing in the Shadow of Motown" über die Funk Brothers, die praktisch alle Motown-Alben einspielten - unter anderem auch die ersten Gaye-Alben)

Paul Simon, der nach seinem Erfolgsalbum "Graceland" in der Kritik stand, weil die afrikanischen Gastmusiker, deren Arbeit einen wesentlichen Teil zum Sound des Albums beitrugen, nicht als Urheber beiteiligt wurden, verteidigte sich sinngemäß mit den Worten: "Wer trommelt, komponiert nicht...".

Das heißt: Ja, ich stimme klaus111 zu. Das Substantielle des Gaye-Songs wurde geklaut. Aber das stammt höchstwahrscheinlich nicht von Gaye, sondern war eine bezahlte und einmalige Dienstleistung einiger Sessionmusiker. Es sei denn, er hätte den Musikern Noten vorgelegt oder genaueste Anweisungen gegeben - was ich mal nicht glaube.

Unter diesem Aspekt wird das Urteil noch fragwürdiger. Popmusik ist längst an die Grenze ihrer Innovationsmöglichkeiten gekommen. Ich fürchte, dass es künftig zu weiteren ähnlichen Fällen kommen wird. In dem Fall würde ich mir wünschen, dass sich beteiligte Studiomusiker auch mal zu Wort melden. Aber ich schätze, dass die noch immer vertraglich verpflichtet sind, auf ihre Urheberschaft zu verzichten. Aber wird sie dadurch automatisch Eigentum des Songwriters?

Auf jeden Fall eine schräge Familie, die der Marvin da hatte: Der Vater ballert ihm die Rübe weg und die Tochter streitet um Kuhglocken.
 
Gehen wir mal von Drogen und Suff aus ...
So etwas hatte ich letztens auch -

Was hast du genommen, um auf den genialen Level des songwritings der Beatles zu kommen?:D

Aber jetzt mal im Ernst. Schaut man sich in der Detail Analyse der Noten und Chords den Song genau an (Joe Bennett - siehe Artikel oben), kann ich kein Plagiat erkennen.

Sollte das Urteil in weiteren Instanzen wirklich Bestand haben, dann hat das jetzige Urteil signifikante Auswirkungen auf die Musikschaffenden, Songwriter, Produzenten usw. usw.
Wenn jetzt etwas geschützt sein sollte, nur weil es ähnlich klingt oder grooved, dann sehe ich schwarz für die Zukunft.

Topo :cool:
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war bei mir der Wahnsinn Teil meines Schaffens … So weit entfernt vom Unvermögen welches in mir wohnt, dass es wieder gut war :D

Gruß
Martin

P.S. ein guter Kumpel hat es mal so formuliert …

Wenn du 1960+ durch englische Club tingelst um gut zu werden, dann spielen da immer sehr viel Bands im 30 Minuten Slot. Wenn du regelmäßig das Pech hast nach hinten gelost zu werden, sind alle guten Cover schon gespielt und du machst besser was Eigenes. Gut das die Beatles nicht so oft vorne spielen durften :great:
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
...stinknormaler Funkgroove, so wie er unzählige Male vor und nach Marvin Gaye auf irgendwelchen Funk-Sessions gespielt wird.
Dann müsste es ja leicht sein, das anhand entsprechender Aufnahmen, vor 1977, die nicht von Marvin Gaye stammen, zu beweisen. Wir könnten uns dann hier eine Meinung darüber bilden, ob die gefundenen älteren Stücke "Got to Give It Up" ähnlicher sind, als der Song von Thicke/Williams. Sessions, die nicht aufgezeichnet wurden, sind nicht beweisfähig.

Natürlich kann sich die Musik graduell weiterentwickelt haben, also ohne schützenswerte schöpferische Leistung, nur aufgrund einer handwerklichen Weiterentwicklung. Man darf es aber nicht einfach behaupten.

Das Urteil betritt durchaus ein Grenzgebiet und ich denke, nicht jedes Gericht würde unbedingt zum gleichen Schluss kommen. Es dürfte im vorliegenden Fall jedoch auch die Entstehungsgeschichte und die mangelnde Glaubwürdigkeit von Thicke eine Rolle gespielt haben.

Die Komponisten müssen nämlich andererseits gegen eine solche Vorgehensweise, wie nicht nur ich sie vermutete, geschützt werden.

Geklaut wurde da jedenfalls mMn nichts, weil einfach nichts da ist, was man klauen kann.

Für die Schutzwürdigkeit werden in der Musik ja keine sehr hohen Hürden aufgestellt. Audiologos und Jingles können schon schutzwürdig sein, denn es gilt die sog. "kleine Münze".

Nicht schutzwürdig wären gemeinfreie Akkordmuster, z.B. ein Folge von vier Akkorden, oder von sieben Akkorden (wenn es sich um die lange bekannte Quintschrittssequenz) handelt.
Melodien genießen einen hohen Schutz, wenige Töne sind jedoch frei, wie auch Tonfolgen aus der Pentatonik-Reihe, einfache Rhythmen (Backbeat-Betonung) oder Stile (Hardrock, Blues) sind nicht schutzwürdig.
vgl. http://www.musikgutachter.de/schutzfaehig.html
sowie: LG Hamburg 8. Zivilkammer, Entscheidungsname: Bushido I, Entscheidungsdatum: 23.03.2010, Aktenzeichen: 308 O 175/08
LG München I 21. Zivilkammer, Entscheidungsdatum: 03.12.2008, Aktenzeichen: 21 O 23120/00


Irgendwo im Hinterkopf "lauerte" der Groove, schon 1000 mal gehört.
In diesem Fall war der Groove im "Vorderkopf", denn Thicke/Pharell gingen explizit von "Got to Give It Up." aus und unter Alkohol- Drogeneinfluss wurde dann schnell etwas in den Kasten gespielt, was offenbar zu ähnlich war:
GQ: What's the origin story behind your new single "Blurred Lines"?
Robin Thicke: Pharrell and I were in the studio and I told him that one of my favorite songs of all time was Marvin Gaye's "Got to Give It Up." I was like, "Damn, we should make something like that, something with that groove." Then he started playing a little something and we literally wrote the song in about a half hour and recorded it. The whole thing was done in a couple hours—normally, those are the best ones. Him and I would go back and forth where I'd sing a line and he'd be like, "Hey, hey, hey!"
http://www.gq.com/blogs/the-feed/20...g-with-2-chainz-and-kendrick-lamar-mercy.html

Aber wenn eine Sache bei Gericht ist, gibt's kein Unentschieden, weshalb ich das als 51:49-Entscheidung sehe. Hätte auch 49:51 ausgehen können.
Im vorliegenden Fall entschied eine achtköpfige Jury einstimmig (offenbar ein Muss) - unter Anleitung eines Richters sowie nach Anhören der Statements von Musikologen und Anwälten beider Seiten. Natürlich ist nicht auszuschließen, daß andere Jurys anders geurteilt hätten.
Ein für mich in allen Belangen (hinterfrag)würdiges Urteil mit vielen offenen Fragen, das fast alles Gängige, was wir bislang aus solchen Streitigkeiten kennen, auf den Kopf zu stellen scheint.
Da würde ich insofern zustimmen, als daß man die zentrale Rolle der Melodie zunehmend relativiert, wie ja auch schon aus dem deutschen Urteil hervorgeht. Es bleibt bei der heutigen Musik jedoch kaum etwas anderes übrig, da teilweise gar keine schützenswerte Melodie mehr existiert, es aber trotzdem möglich ist, etwas zu schaffen, was über das Handwerkliche hinausgeht.
Ab wann ist eine musikalisches Arrangement trotz notenmäßig erheblicher Unterschiede trotzdem so, dass es als Plagiat verurteilt werden kann?
Da gibt es keine festen Regeln, es zählt auch der Gesamteindruck, schon im deutschen Urteil:
Schutzfähig sind regelmäßig die Art und Weise der Instrumentierung und Orchestrierung, da sie den klanglichen Charakter des Musikstückes entscheidend beeinflussen und in Anbetracht der unzähligen verschiedenen Wahlmöglichkeiten regelmäßig eine künstlerische Entscheidung des Komponisten darstellen.
„Still got the blues“ oder auch nicht; Gitarrensolo verletzt Urheberrecht - LG München I, Urteil vom 03.12.2008, Az.: 21 O 23120/00
Meiner Meinung nach geht es bei der ganzen Diskussion gar nicht um die Musik und ob sie schützenswert ist oder nicht, sondern um die 7 Millionen Dollar. Vermutlich hat die Firma Gaye einfach die teureren Anwälte oder die höheren Bestechungsgelder bezahlen können.
Ohne Beweise würde ich mich einer solchen Verschwörungstheorie (Bestechungsgelder) nicht anschließen. Natürlich werden Gerichte i.d.R. erst bemüht, wenn es um große Summen geht.
Aber wenn es um solche Summen geht, erstellen eben auch die Sachverständigen die Gutachten, bei denen sie selbst am meisten mitverdienen.
Es gilt gleiches für beide Seiten und beide konnten sicherlich die Gutachten der Musikologen bezahlen.
Die Studio-Musiker, die in der Regel dann auch den Sound prägen, wurden meines Wissens nie an den Tantiemen beteiligt, sondern bekamen ein Gehalt oder eine Gage.
Das ist oft der eigentliche Skandal: Es werden nicht immer diejenigen als Komponisten angegeben, die tatsächlich komponiert haben, auch z.B. andere Bandmitglieder. Da gibt es sicher viele Ungerechtigkeiten. Solchen Innenverhältnissen, die auch von Abhängigkeiten bestimmt sind, kann man von außen kaum beikommen.
Popmusik ist längst an die Grenze ihrer Innovationsmöglichkeiten gekommen.
Subjektiv würde ich dem in weiten Teilen zustimmen. Man sollte aber berücksichtigen, daß man in seinen eigenen Vorlieben quasi gefangen ist. Extreme Beispiele: Gamelan-Musik kann sich für manchen Europäer ziemlich gleich anhören, ähnliches trifft vielleicht auf sehr verzierte arabische Melodien zu. Für Kenner sind die Unterschiede zwischen den Stücken immens. Beim eigenen Lieblingsgenre reagiert man man aber u.U. für kleine Veränderungen schon sehr sensibel und erkennt das bereits als individuellen Charakter an.

Falls Musik nicht individuell genug: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wird aber geklagt und die Musik weist nicht die für einen Schutz notwendige Individualität auf, so wird das zurückgewiesen. Im Fall "Bushido" kann man im Urteil über verschiedene Songs bzw. Passagen folgendes lesen:
...nur eine sehr einfache Struktur (Quint-Pendelbewegung h-e, Harmonisierung durch die Gegenklänge C-Dur/e-moll). Auch die Oberstimme verfügt angesichts des gleichförmigen Viertelnotenrhythmus, in dem die Töne h und e im Wechsel erklingen, nicht über einen Wiedererkennungseffekt. Schließlich ist die Instrumentierung (Klavier und Streicher) ebenfalls nicht hinreichend individuell ...
...
Töne und Akkorde müssen im Interesse der Allgemeinheit frei bleiben, andernfalls würde es zu einer inakzeptablen Behinderung schöpferischen Schaffens kommen. Das erste Segment beschränkt sich hier auf eine Abfolge von vier Akkorden über dem gehaltenen Ton A im Bass und ist somit nach eben genannten Maßstäben nicht hinreichend individuell. Das zweite Segment wird gegenüber dem ersten Segment zwar noch um Überleitungsfiguren ergänzt. Ein über die erste Passage hinausgehender individueller Gesamteindruck entsteht jedoch deshalb nicht, weil die Überleitungsfiguren kein in sich kohärentes Melodiegepräge und keinen Spannungsbogen aufweisen, sondern lediglich die in den Akkorden enthaltenen Töne verdoppeln.
...
Die Passage umfasst lediglich zwei Takte, die jeweils aus einer ganzen Note in der Bassstimme und zwei halben Noten in der Oberstimme bestehen, wobei die Noten der Oberstimme den beiden auf dem Bass errichteten Akkorden e-Moll und C-Dur angehören. Allein das Hinzufügen des zusätzlichen Tons fis‘ als „akkordfremde Durchgangsnote“ genügt hier nicht, um die Passage aus dem Bereich des musikalischen Allgemeinguts herauszuheben. ... Auch die Instrumentierung vermag der bezeichneten Passage keine hinreichende Eigentümlichkeit zu verleihen. Das einmalige Erklingen eines Glockenschlags ist insofern nicht ausreichend.
...
Wenn der Gutachter Herr W. hierzu erklärt, dass die Formulierung der Oberstimme auf Überleitungsfiguren, die zum „musikalischen Basiswortschatz“ gehören, basiert, ist das ohne Darlegung einer vergleichbaren vorbekannten Figur nicht nachvollziehbar.

http://www.die-abmahnung.info/urtei...tung-urheberrechtlich-geschuetzter-werke.html

Dennoch ist es eine Tatsache, daß es auch in der Popmusik immer wieder Komponisten gibt, die etwas schaffen, was über das alltägliche hinausragt, das einen Wiedererkennungswert hat und eine schützenswerte Leistung darstellt. Wie gesagt, es gilt die sog. "Kleine Münze".

Ich würde nicht darauf wetten, daß das Urteil in der nächsten Instanz keinen Bestand hat.

Es war ja nicht so, daß sich ein Richter die Songs angehört hat und urteilte: "Ich denke, das ist ein Plagiat." Vielmehr wurden durch Musikologen ganz detailliert die einzelnen Bestandteile und der Gesamteindruck bewertet. Damit müssen alle künftigen Songwriter rechnen, sobald der Song eine Menge Geld einspielt und geklagt wird.
Sollte das Urteil in weiteren Instanzen wirklich Bestand haben, dann hat das jetzige Urteil signifikante Auswirkungen auf die Musikschaffenden, Songwriter, Produzenten usw. usw.

Das Urteil kann folgende Wirkung haben:

- Songwriter werden es sich künftig zwei Mal überlegen, wie nah sie sich von ihren Vorbildern inspiriern lassen.
- Sie werden dazu ermutigt, sich um wirklich eigene Songs zu bemühen.
- Sobald die Beteiligten merken, daß der Song ein Hit werden könnte, werden sie früher als bisher mit den Rechteinhabern ähnlicher Songs Verhandlungen aufnehmen, um einem negativen Urteil vorzubeugen. (Ich halte auch im konkreten Fall eine außergerichtliche Verhandlungslösung immer noch für gut möglich, um die nächste Instanz zu vermeiden.)

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
achtköpfige Jury einstimmig (offenbar ein Muss)

Ja, wenn sie wieder ihrem eigenen Job nachgehen wollen (man kann sich gegen eine Berufung nicht wehren), dann werden aus 48 % auch mal 51% … Sobald eine Mehrheit erkennbar ist, wird da nicht mehr gegengeredet. Die Einstimmigkeit ist in "wirtschaftlichen Delikten" eigentlich eine Farce, lässt sich aber in USA - wo auch Todesurteile verkündet werden - besser verkaufen (und dort wird wohl auch keiner von 48% auf 51 % schwenken).

I was like, "Damn, we should make something like that,

Das dreht die Annahme von mir … hatte ich aber vorher nicht gefunden.

Bleibt die Frage, ob sie damit das Gesetz brechen wollten, oder - wie einige von uns auch hier - der Annahme aufgesessen sind, dass sie keine Melodie kopieren und es damit OK sein sollte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Amerikaner mit Sicherheit kein deutsches Urteil kennt und es in den USA offensichtlich auch kein Vorbild für das Urteil gab. Selbst Musiker äussern ja ihr Unverständnis.

Daher würde auch mich interessieren, wie das Gericht zu 7,5 Mio gekommen ist. Eine Potentielle Strafgebühr sollte zumindest nicht an den Gaye Clan gehen - und für eine "Urheberrechts Vermarktungsbeteiligung" ist es bei dem aktuellen Gesamtumsatz des Songs zu hoch. Was also steckt noch in dem Betrag ???

sondern war eine bezahlte und einmalige Dienstleistung einiger Sessionmusiker

Da kann ich nichts verwerfliches dran erkennen. Es ist eine eingekaufte Dienstleistung und der Session Musiker hat genau "Null Risiko" - egal ob der Song ein Hit wird, er bekommt seine Stunden bezahlt. Wenn ein Angestellter der Firma DuPont einen Kunstoff erfindet, dann ist der ja auch von DuPont und nicht von Monsieur Jack Rubber. Dafür trägt Jack Rubber auch keine Verantwortung am Erfolg der Firma, hat keine Investitionskosten aus eigener Tasche usw.

Gruß
Martin
 
Da hier zu einem amerikanischen Urteil mit dem deutschen Urheberrecht argumentiert wird: Wie sieht denn die Rechtslage und die Auslegung in den USA überhaupt aus? Ich kann das gar nicht einschätzen. Nach deutschem Recht ist das für mich kein Plagiat, aber das kann in anderen Ländern komplett anders sein.
 
Zur Höhe der Strafe:
Daher würde auch mich interessieren, wie das Gericht zu 7,5 Mio gekommen ist.
“Blurred Lines” generated a total of $16,675,690 in income, and the Gaye estate was awarded $7.4 million of it, with $4 million in copyright damages plus profits attributable to infringement of $1.8 million from Thicke and $1.6 million from Williams.

Wie sieht denn die Rechtslage und die Auslegung in den USA überhaupt aus? Ich kann das gar nicht einschätzen. Nach deutschem Recht ist das für mich kein Plagiat, aber das kann in anderen Ländern komplett anders sein.
In den hier relevanten Zielen des Urheberrechtes erkennen ich keine Unterschiede: In den USA genießen nur “original works of authorship.” den Schutz des Copyright. "Only a minimal amount of originality is required for a work to qualify for protection.", was unserer "kleinen Münze" entspricht.
"The work simply needs to be original to the author and include a modicum of creative thought."
Zitate aus:
Valeria M. Castanaro, “It’s the Same Old Song”: The Failure of the Originality Requirement in Musical Copyright, 18 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L.J. 1271 (2008).


Für meine Ohren ist das ein stinknormaler Funkgroove, so wie er unzählige Male vor und nach Marvin Gaye auf irgendwelchen Funk-Sessions gespielt wird.
Dann müsste es ja leicht sein, das anhand entsprechender Aufnahmen, vor 1977, die nicht von Marvin Gaye stammen, zu beweisen. Wir könnten uns dann hier eine Meinung darüber bilden, ob die gefundenen älteren Stücke "Got to Give It Up" ähnlicher sind, als der Song von Thicke/Williams. Sessions, die nicht aufgezeichnet wurden, sind nicht beweisfähig.
Der geforderte Beweis für die obige Behauptung wurde bisher nicht erbracht.

Das Substantielle des Gaye-Songs wurde geklaut.
Dieser Meinung sind nicht alle, aber viele Hörer, auch ich.

...the ruling made today, which sets a horrible precedent for music and creativity going forward," Williams, Thicke and T.I. said in a joint statement.
http://www.rollingstone.com/music/news/robin-thicke-and-pharrell-lose-blurred-lines-lawsuit-20150310

Diese Aussage finde ich lächerlich. Marvin Gaye war es, der die einzelnen musikalischen Elemente so zusammengefügt hat, daß sie ein neues sinnvolles Ganzes (Original) ergeben.
Thicke/Williams dagegen nahmen sich den Song mitsamt seiner Seele vor und veränderten die musikalischen Elemente gerade so, daß sie davon ausgehen konnten, nicht des "copyright infringement" bezichtigt zu werden. Pech gehabt! Und das zu Recht! Sie waren, im Gegensatz zu Marvin Gaye, weit weniger kreativ. Wer das anzweifelt, sollte einen Song zitieren, von dem Marvon Gaye seinen abgekupfert haben soll.

Kreative Musiker nehmen sich nicht eine Vorlage vor und versuchen genau diese umzubauen, sondern sie horchen in sich hinein und versuchen das, was sie im Innersten bewegt, auszudrücken. Genau diesem Vorgang haben wir die überzeugende Autentizität echter Originale zu verdanken.

Hier eine Version, in der man nacheinander Teile des einen und des anderen Songs hört:



Popmusik ist längst an die Grenze ihrer Innovationsmöglichkeiten gekommen.
Dieser Eindruck entsteht m.E. genau deshalb, weil die alten Originale immer wieder neu aufgekocht werden und man kaum mehr etwas Neues schafft. Warum auch? Die nachwachsende Generation merkt es ja erst lange nach dem Kauf, wenn überhaupt, mit was sie da eigentlich abgespeist wurde.

Gerade in unserer Zeit des "copy & paste" und des Internet ist das erstellen von Plagiaten so leicht wie noch nie in der Geschichte und bis in die höchsten Politiker-Kreise hat sich das verbreitet.

Neben den bekannten deutschen Politikern, wird das auch z. b. Putin vorgeworfen:
Seine Doktorarbeit bestand nach Aussage des amerikanischen Ökonomen Clifford Gaddy in wesentlichen Teilen aus Abschriften und Abbildungsplagiaten der US-Ökonomen William King und David Cleland von der Universität Pittsburgh, von denen er außerdem in der Einleitung des zweiten Teils 16 Seiten aus Arbeiten des Jahres 1978 kopiert habe – falls die Arbeit von ihm stammte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Wladimirowitsch_Putin


Bezogen auf Musik drückt das folgende Zitat genau das aus, was ich meine und was die Jury möglicherweise berücksichtige:

“The inherent nature of music makes it difficult to detect copyright violations.” Each musical composition and sound recording is composed of multiple elements working together. New technology and the digital world have created new and improved means for manipulating those elements in an original work and incorporating them into a new work. The traditional lens for examining musical copyright is outdated...
...
There is plenty of room for original thought and creativity in the musical world; however, the potential for it may never be realized if artists are not forced to think outside of the already constructed box.
Valeria M. Castanaro, “It’s the Same Old Song”: The Failure of the Originality Requirement in Musical Copyright, 18 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L.J. 1271 (2008).

Im vorliegenden Fall haben Thicke/Williams klar zum Ausdruck gebracht, daß sie "in the box" dachten, die Vorlage war ein ganz bestimmter Song. Es wäre recht und billig gewesen, mit den Rechteinhabern eine Lizenz auszuhandeln. Die wäre sicherlich günstiger gewesen, als der jetzt verlorenen Rechtsstreit.

Das Urteil fördert die richtigen Verhaltensweisen:

- Sobald ein Song ein Hit werden könnte, werden Komponisten früher als bisher mit den Rechteinhabern der "Inspiration" oder ähnlicher Songs Verhandlungen aufnehmen, um einem negativen Urteil vorzubeugen.
- Sie werden dazu ermutigt, sich um wirklich eigene Songs zu bemühen.

Viele Grüße

Klaus

P.S.:
Hier ein Bericht in CNN mit Meinungen:

 
Zuletzt bearbeitet:
Da hier zu einem amerikanischen Urteil mit dem deutschen Urheberrecht argumentiert wird: Wie sieht denn die Rechtslage und die Auslegung in den USA überhaupt aus? Ich kann das gar nicht einschätzen. Nach deutschem Recht ist das für mich kein Plagiat, aber das kann in anderen Ländern komplett anders sein.
In den hier relevanten Zielen des Urheberrechtes erkennen ich keine Unterschiede: In den USA genießen nur “original works of authorship.” den Schutz des Copyright. "Only a minimal amount of originality is required for a work to qualify for protection.", was unserer "kleinen Münze" entspricht.
"The work simply needs to be original to the author and include a modicum of creative thought."
Zitate aus:
Valeria M. Castanaro, “It’s the Same Old Song”: The Failure of the Originality Requirement in Musical Copyright, 18 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L.J. 1271 (2008).
Das stimmt, jedoch wäre dieser Fall in meinen Augen prädestiniert für die freie Benutzung, die es im deutschen UrhG gibt. Der Rhythmus und auch die Rhythmus-Sounds sind zwar sehr charakteristisch und erinnern stark an das Original, aber andererseits unterscheiden sich Bass, Melodie und Gesang recht stark bzw. sind grundverschieden. Diese haben weitaus mehr Gewicht als Rhythmen oder Rhythmus-Patterns, deren urheberrechtlicher Schutz in der Regel fraglich ist. Daher hat sich der neue Song in meinen Ohren weit genug vom Original entfernt um als eigenständiges Werk zu gelten.
 
Wenn man davon ausgeht, daß im vorliegenen Fall, das "Substantielle des Gaye-Songs" übernommen wurde, so läge keine "freie Benutzung" vor. Es wäre, bezogen auf das Gebiet der Literatur, vergleichbar damit, wenn die Handlung einer Fabel komplett übernommen, die Gestaltung aber verändert wurde. Es könnte z.B. ein anderer Standort, andere Personen, eine andere Zeit usw. gewählt werden; das Substanzielle bliebe aber gleich.

Im zitierten Wikipediaartikel heisst es:

Wird so beispielsweise die Handlung einer Fabel komplett übernommen, die Gestaltung jedoch verändert, sodass der Leser sofort an das Originalwerk erinnert wird, dann handelt es sich es stets um eine Bearbeitung, nicht um eine freie Benutzung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Benutzung

Für eine Bearbeitung ist jedoch die Lizenzierung durch den Rechteinhaber erforderlich.

Ja, die Rhythmus-Patterns allein sind wohl nicht geschützt, da zu wenig individuell. Das trifft wohl auch auf Ausschnitte aus dem Bass des Originals zu, auf die Instrumentierung usw.

Entscheidend für den Fall ist m.E., daß die Summe der einzelnen Komponenten des Thicke/Williams-Songs nicht individuell genug sind. Kenner werden sofort an den Gaye-Song erinnert, an seine Individualität, obwohl alle Bestandteile mehr oder weniger verändert wurden.

Wenn dann noch dummerweise die verfängliche Entstehungsgeschichte erzählt wird, so fällt dem Gericht die Entscheidung um so leichter.

Viele Grüße

Klaus
 
Haha, Klaus111 - deine Zusammenfassung finde ich einfach super! :)

Nach dem mehrmaligen Anhören der beiden Songs, komme ich zu dem Schluß, dass es im Prinzip so gewesen sein dürfte:

Man hat den Song zum Vorbild genommen und damit er nicht als Plagiat betrachtet werden kann, veränderte man verschiedene Bestandteile. Aber so, daß das Feeling/ der Groove gleich blieb.

Man hat also quasi den Hund des Nachbarn genommen, seine Haare geschnitten und im heutigen Stil gefärbt, den Schwanz kupiert, die Nägel geschnitten, das Produkt dann mit einem Sex-Video (in youtube gesperrt) verkauft und damit $16.7 Millionen Dollar gemacht. Es bleibt aber ein geklauter Hund, denn das eigentliche individuelle Leben stammt aus dem Original.
Entsprechendes könnte man mit vielen Songs machen und diese Arbeitsweise ist natürlich viel einfacher, als ein wirkliches Original zu schaffen.
Mein Fazit: Man hat im Suff und unter Drogen auf die Schnelle probiert, eine Kopie als solche unkenntlich zu machen. Hat aber "leider" nicht funktioniert.

Ich finde das Urteil aber echt überraschend: Denn auch wenn der "Funk" der Kuhglocke und das "Feeling" der Basslinie schon in die Richtung gehen, ist der Song anders.

Wobei der Weg, der schon in "The Manual - How to have a number one hit the easy way" von den KLF Jungs vorgeschlagen wurde (nämlich einen Hit aufzulegen, dazu zu singen und einen eigenen Track darüber zu entwickeln) hier durchaus passiert sein könnte... Ob das Urteil mehr tut, als die Taschen von Marvin Gaye's Erben zu füllen, möchte ich aber bezweifeln... unterm Strich wird es in den USA jetzt wohl nur jede Menge gierige Anwälte geben, die anfangen werden, Hits zu vergleichen! ;-)


Noch was Interessantes:
Marina von Marina & The Diamonds hat übrigens gerade auf der BBC eine weitere interessante These zum Thema Originalität bei Songs aufgestellt:

'Co-writing is killing pop music'

Beim letzten Album "Electra Heart" hatte sie mit den üblichen Namen von Max Martin bis Greg Kurstin ihre Songs geschrieben, und es kam ein sehr... nun... Mainstream-artiges Album, das auch von Katy Perry o.ä. hätte sein können, heraus. Für das neue Album hat sie nun komplett auf Superstar-Producer verzichtet, und alles selbst gemacht. Ich denke, dass solche Pharell/Thicke Situationen auch in der fast schon "maschinellen" Produktionsmethode für Popmusik begründet sind.
 
Meiner Meinung nach wird in diesem Thread alles viel zu sehr unter vom juritschen Gesichtspunkt aus betrachtet und viel zu wenig unter dem Gesichtspunkt der musikalischen Praxis. Der juristische Gesichtspunkt gehört ja eher in Musikbusiness und Recht.

Der geforderte Beweis für die obige Behauptung wurde bisher nicht erbracht.
So einen Beweis kann ich natürlich nicht erbringen, ich kann nur von der musikalischen Praxis ausgehen, die ich als aktiver Musiker selbst kenne. Und da ist es eben so, daß man viel zusammen jammt und daraus immer wieder neue Sachen entstehen, die manchmal festgehalten werden und manchmal nicht. Und diese Motown-Band, die für Marvin Gaye gespielt hat war wahrscheinlich so eine Band, die Tag für Tag zusammen gespielt, gejammt und aufgenommen hat. Und irgendwann haben sie vermutlich diesen Groove gespielt, über den Marvin Gaye dann seinen Song gesungen hat. Vielleicht haben die den sogar am Wochenende vorher ohne Marvin Gaye in irgendeinem Club gespielt. Diese Art von Musik entsteht ja nicht aus der Feder eines einzelnen, sondern ist normalerweise ein Gemeinschaftsprodukt mehrerer Musiker.
Kreative Musiker nehmen sich nicht eine Vorlage vor und versuchen genau diese umzubauen, sondern sie horchen in sich hinein und versuchen das, was sie im Innersten bewegt, auszudrücken.
Das sehe ich völlig anders. Kaum ein Komponist in der Musikgeschichte ist ohne Vorbilder ausgekommen. Einer lernt vom anderen und entwickelt daraus sein eigenes. Der eine kommt dabei weiter von seinem Vorbild weg (Beethoven), der andere weniger weit (Marvin Gaye und ich :D ). Diesen Vorgang entdecke ich schon im Kindergarten, in dem meine Sohn gerade ist: Ein älteres Kind malt ein Bild, ein jüngeres sitzt nebendran und malt es ab. Ein Plagiat? :gruebel: :D Für mich ein kulturell ganz normaler Vorgang.

Der hier diskutierte Funk-Groove ist mMn eine Entwicklung dieser Sessionmusiker, die in einem historischen Kontext steht. Wenn diese Sessionmusiker per Unterschrift ihre Rechte abgetreten haben, dann ist das zwar de jure so, daß sie nicht die Urheber sind, aber eben nicht de facto.

Daß Thicke abgekupfert hat, steht mich für mich eigentlich außer Frage. Nur daß der Funk-Groove eine originäre Erfindung Marvin Gayes war, glaube ich nicht. Da spricht einfach meine Erfahrung davon, wie solchen Dinge entstehen, dagegen.

Und wie ich oben schon gesagt habe: In dem Prozeß geht es um Geld, nicht um die musikhistorische Wahrheit. Wenn die Gutachter so einen Funkgroove als gemeinfrei erachten würden, sinkt der Streitwert. Und darüber freuen sich die Anwälte dann nicht.

Viele Grüße,
McCoy
 

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben