als etwas "erfahrener" Pianist Noten lesen lernen?

(...) Da ich auch nicht wirklich aus dem reinen Notenblatt zügig die Melodie ablesen bzw. im Kopf hören kann (könnte ich bei einer Synthesia-Piano-Roll auch nicht) [1], ist es für mich hilfreich, wenn ich sie bereits kenne. Das bringt ja Synthesia gleich mit und man bekommt sogar die Kopplung "Ton - Taste - Dauer/Rhythmus" mitgeliefert, aber halt nicht in Notenschrift. (...)

Beim lesen dieser Zeilen, wenngleich nur in der ersten Sekunde, streuben sich bei mir die Nackenhaare, denn beim Blick auf das Synthesia-Video verursacht in mir das Rieseln Streß. (Oh, Gott, was soll ich da spieln? ... ich versuche unter die Lichter eine Senkrechte zu ziehen ... Auf welche Taste fällt der Balken? Welcher Balken kommt als erster/zweiter/dritter an? Welchen Wert hat die Note?) Und auch wenn ich für viele Neuigkeiten offen bin, hier muß ich passen, Nein, nicht mit mir, das ist zu hoch für mich, ich brauche ein Notenblatt!

Ein kurzes Nachdenken - nun gut, es ist eine neue Generation; die Kinder hatten ein Handy und elektronische Spiele in den Händen, noch bevor sie laufen/sprechen konnten, die heutige Jugend stört sich nicht am Geflacker, und sie kann ganz schnell Knöpfchen drücken. Wenn ich nur sehe, wie sie mit zwei Daumen über die Smartphone-Tastatur flitzen, und ich brauche mit meinem Handy mindestens eine Minute, um eine SMS "Bin gut angekommen, melde mich später." zu schreiben - nein, das sind zwei Welten die man nicht vergleichen kann.
Von daher, aus meinem Blickwinkel: Wer mit dem Synthesia-Geriesel zurechtkommt: Chapeau! :hat:

Ja, ich brauche ein Notenblatt, obwohl auch das Notenblatt, je nach Komplexität, für mich eine harte Arbeit darstellt. Und es gab Zeiten, daß ich für zwei Seiten Originalnoten (Bach oder Chopin) auch 70 Stunden gebraucht hatte, bis ich alle Informationen aus dem Notenblatt in den Händen und Fingern abgespeichert hatte. Das ist eine lange Strecke.
Und da frage ich mich, wenn jemand mit Synthesia-Videos doch recht komplexe Stücke von Chopin erlernt hatte, ob er sich den Notenblatt-Marathon antun wird (daß es am Anfang sehr schleppend und frustrierend geht, wollen wir hier nicht verheimlichen)? Und wer will schon mit einfacheren Stücken wie My Bonnie Notenlesen-Lernen, wenn er schon Chopins Fantaisie impromptu spielen kann?

Aber wer weiß? Vielleicht ist der digitale Weg auch ein guter Weg (für den, der damit zurechtkommt). Wer will noch heute mit einem Rechenschieber oder logarithmischen Tabellen, so wie ich es in der Schule gelernt und genutzt habe, rechnen? Her mit dem Taschenrechner.
Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

Gruß, Bert
 
Vielleicht wäre Chopin begeistert gewesen, dass es Möglichkeiten gibt, seine Musik auch musikalischen Analphabeten zugänglich zu machen, ebenso möglich ist aber auch, dass er sich angesichts der oftmals nur noch als banausenhaft zu bezeichnenden Banalisierung seiner Werke im Grab umdreht.

Es mag aus der Zeit gefallen sein, aber der Umgang mit Notenschrift ist für mich auch eine Frage des respektvollen Umgangs mit kulturellen Errungenschaften. Was mir daher in dieser Diskussion fehlt, ist das Argument, dass Notenlesen in unserer Musikkultur nach wie vor zu den elementaren Kulturtechniken zählt.
Malen nach Zahlen hat nichts mit Malerei zu tun, und das Zusammensuchen von Anschlagsorten auf der Tastatur nichts mit Klavierspielen, geschweige denn mit Musizieren. Wenn man sich schon an Chopin & Co versucht (um nicht von "vergreifen" zu sprechen), sollte man diesen Komponisten wenigstens dadurch Respekt zollen, indem man wenigstens ihr Schriftsystem erlernt.
 
(...) und das Zusammensuchen von Anschlagsorten auf der Tastatur nichts mit Klavierspielen, geschweige denn mit Musizieren. (...)

Nun, es ist eine technische Entwicklung, die wir nicht aufhalten können; als die ersten Synthesizer auf den Markt kamen, wollten es auch viele Ohren nicht als Musik anerkennen, dennoch bilden sie heute einen erheblichen Teil unsrer Musikkultur. Das aber hindert uns nicht daran, in die Oper zu gehen und Musik zu hören, die von echten Papier-Notenblättern und auf echten Instrumenten aus "Holz und Blech" gespielt wird.

Was das Notenlesen anbetrifft - ich kenne viele Menschen, die problemlos und fließend Noten lesen können (haben sie schon als Kinder gelernt), aber sie können nicht Klavierspielen (obwohl sie's gerne täten), weil sie nicht die Geduld zum Üben haben. Denn wie gut man auch Noten lesen kann, am Klavier heißt es immer: üben, üben, üben.

Wenn man sich schon an Chopin & Co versucht (um nicht von "vergreifen" zu sprechen), sollte man diesen Komponisten wenigstens dadurch Respekt zollen, indem man wenigstens ihr Schriftsystem erlernt.

Wie soll ich das verstehen?
Darf ich als (Hobby)Klavierspieler -lernender keine Stücke von bekannten/anerkannten Komponisten spielen(lernen)? Darf ich nur miserable Stücke unbekannter Komponisten oder Volkslieder spielen?

Sind es nicht die Klavierlehrer in den Musikschulen, die ihren Schülern Mozarts/Beethovens/Schuberts/Chopins Noten zum Lernen geben? Meine KL wollte mit mir nur Originalnoten bekannter Komponisten durcharbeiten (und am Anfang habe ich mich gewehrt; das wäre für mich zu schwierig, zu viele Noten, das schaffe ich nie ...), aber sie war hartnäckig, und deshalb habe ich die Stücke der bekannten Komponisten gelernt/gespielt. Ob sich Chopin, Schubert & Co. im Grab drehen?
Naja, immerhin habe ich alles vom Notenblatt gelernt. :patpat:

Gruß, Bert
 
Vielleicht wäre Chopin begeistert gewesen, dass es Möglichkeiten gibt, seine Musik auch musikalischen Analphabeten zugänglich zu machen, ebenso möglich ist aber auch, dass er sich angesichts der oftmals nur noch als banausenhaft zu bezeichnenden Banalisierung seiner Werke im Grab umdreht.
Ich kann den Gedanken sehr nachvollziehen, bzw. zumindest die Kernaussage die dahinter steht.
Aber ich denke von solchen "Vergleichen" sollten wir uns ganz schnell verabschieden, sonst finden wir ganz ganz viel wofür sich Leute im Grab umdrehen:
- Maler wegen Photoshop und Bildmanipulation
- Fotografen wegen der Möglichkeit 25 Bilder pro Sek machen zu können und endlos speichern zu können
- meine Oma, wenn sie wüsste dass man ein Tütchen mit Kuchenteig in die Mikrowelle stellt und nach 5 min fertigen Kuchen rausholt
- Sportler die sehen, dass es einfach Anzüge gibt die durch elektrische Stimulation Sport ersetzen sollen...
usw usf, was mir spontan eingefallen ist..

Und wir selbst werden uns wohl auch für so einiges im Grab umdrehen. Vllt gibt es in ein paar Jahrzehnten die Möglichkeit Wissen und Fähigkeiten direkt ins Gehirn zu übertragen (analog zu "Matrix") und was wir jahre und jahrzehnte lang gelernt und geübt haben, bekommt die nächste Generation einfach per Knopfdruck.. Wir wissen es nicht.
Aber was wir wissen ist, dass sich Zeiten ändern und selbst Chopin wird Dinge gemacht oder gehabt haben, für die sich andere vor seiner Zeit im Grab umgedreht haben.

Ich behaupte jetzt nicht, dass ich meine Synthesia würde sich soweit durchsetzen, dass es die Notenschrift ersetzt - vielleicht möchte ich mir das auch einfach nicht vorstellen (und davon ab halte ich das System wie es heute ist für nicht präzise genug und auch nicht tauglich für mehrere Stimmen; man Stelle sich ein Orchester mit großem Bildschirm vor und jedes Instrument hat eine andere Farbe und.. ach, lassen wir es besser 🙈 ). Aber wenn es irgendwann soweit sein sollte, dann ist es Fortschritt. Aus unserer Sicht vielleicht ein Rückschritt, aber für Menschen die damit aufwachsen wird es Standard sein.

Um es kurz zu fassen: es ist eine moderne Methode des Lernens, ob gut oder schlecht kann man nicht wirklich objektiv messen. Ich sehe es eher als Unterstützung (für den Anfang) und nicht als alleinige Quelle, vor allem nicht wenn es um komplexere Stücke geht. Aber ich komme auch aus der Zeit als es Handys noch nicht gab und habe das Lernen anders gelernt, dadurch schließe ich aber nicht aus, dass es andere Möglichkeiten gibt.
 
(...) Vllt gibt es in ein paar Jahrzehnten die Möglichkeit Wissen und Fähigkeiten direkt ins Gehirn zu übertragen (analog zu "Matrix") und was wir jahre und jahrzehnte lang gelernt und geübt haben, bekommt die nächste Generation einfach per Knopfdruck.. Wir wissen es nicht. (...)

Eine schöne Vorstellung, doch schwer zu realisieren, weil unsere Fähigkeiten nicht nur aus dem Gehirn kommen, die Körperzellen müssen es auch lernen; das Gehirn ist nur der Dirigent, der Körper ist das Orchester, und wenn der Geiger "lahme Pfoten" hat, wird es nichts mit der Musik, egal was der Dirigent auf dem Pult hat.

Aus meiner Erfahrung: Die größte Bereicherung meines Klavierspiels war die spielerische Auseinandersetzung mit dem Stück; nicht das Notenblatt an sich (ich kann die Musik nicht vom Blatt im Kopf hören, ich muß sie mit den Händen spielen), sondern das wochenlange Sitzen über der Klaviatur und das "Trainieren" der Hände und Finger. Und auch wenn ich keines der Stücke wirklich bühnenreif spielen kann, kann ich mir durchaus vorstellen, daß sich einige der Komponisten freuen würden, daß sich noch 100 Jahre nach ihrem Tod Millionen von Schülern an ihren Stücken die Finger "wundklimpern".

Gruß, Bert
 
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Vllt gibt es in ein paar Jahrzehnten die Möglichkeit Wissen und Fähigkeiten direkt ins Gehirn zu übertragen (analog zu "Matrix") und was wir jahre und jahrzehnte lang gelernt und geübt haben, bekommt die nächste Generation einfach per Knopfdruck

Es geht mir nicht darum, Visualisierungen und sonstige Hilfskonstruktionen jeglicher Art - einschließlich musikalischem "Malen nach Zahlen" als "neumodischen Kram" , der die abendländsche Kultur bedroht, grundsätzlich zu disqualifizieren. Das wäre unredlich, weil ich selber - insbesonders im Unterricht -auf diese Hilfsmittel zurückgreife, aber eben nur da, wo sie eine sinnvolle (und teilweise auch sinnlichere) Ergänzung des Notentextes darstellen und neue, oder wenigstens andere Aspekte vermitteln können.

An der im obigen Zitat angesprochene Möglichkeit, z.B. spieltechnische Fertigkeiten in Form von Muskelaktivitäten direkt zu übertragen, wird bereits gearbeitet - in Japan gibt es bereits diesbezügliche Programme, die mit Handsensoren arbeiten. Und das finde ich sogar höchst interessant, weil es oftmals nur minimale muskuläre Fehlaktionen sind, die Spielprozesse nachhaltig blockieren. Wieviel Zeit, Mühe und vergebliches "Vormachen" könnte man einem Schüler ersparen, wenn man ihm z.B. per "Kontakthandschuh" einfach mal kurz den Muskelreflex "rübersendet", den er braucht, um eine Passage locker zu bewältigen.
Wie Bibliotheken der Meisterwerke könnte man so eine Bibliothek mit den Spielaktionen technisch hervorragender Musiker aufbauen - das klingt zwar etwas gruselig, würde uns aber eine Menge unscharfer Vorgangsbeschreibungen ersparen. Beim Übertragen von "Wissen" hätte ich allerdings erhebliche ethische Bedenken.
 
(...) Beim Übertragen von "Wissen" hätte ich allerdings erhebliche ethische Bedenken. (...)

Die habe ich auch beim Übertragen von Muskelreflexen, insbesondere bei Kindern, und die meisten Klavierschüler sind im Kindesalter (oder fangen im Kindesalter an).

Gruß, Bert
 
... die meisten Klavierschüler sind im Kindesalter (oder fangen im Kindesalter an).
Das war einmal. "Lifespan learning" wird auch im Instrumentalunterricht immer bedeutsamer: Ich selbst habe seit den 1990ern nur noch Erwachsene unterrichtet, und darunter waren mindestens zur Hälfte völlige Anfänger oder Wiedereinsteiger mit minimalen Vorkenntnissen.


Da sind schon lange alle Bedenken gefallen, Dummheit zu vermitteln

Die notwendige Vorarbeit dazu ist aber bereits in den Programmen für Erwachsene geleistet worden ;) ...
 
(...) aber habt Ihr mal das Nachmittagsprogramm im TV für Kinder gesehen? (...)

Sorry, aber am Nachmittag guckt keiner fern!

Am Nachmittag war meine Tochter, als sie noch klein war, in der Musikschule oder mit mir Fahrradfahren/Wandern/Stadtbummeln/Schwimmen/Museum/Spielplatz, oder wir saßen in der Stadtbücherei und haben uns gegenseitig Bücher vorgelesen.

Gruß, Bert
 
Sorry, aber am Nachmittag guckt keiner fern!

Am Nachmittag war meine Tochter, als sie noch klein war, in der Musikschule oder mit mir Fahrradfahren/Wandern/Stadtbummeln/Schwimmen/Museum/Spielplatz, oder wir saßen in der Stadtbücherei und haben uns gegenseitig Bücher vorgelesen.

Schön, dass es noch Menschen gibt, die sich nicht nur die heile Welt des Bildungsbürgertums erhalten haben, sondern auch glauben, dies sei auch die Realität der Massen ...
 
(...) die heile Welt des Bildungsbürgertums erhalten haben (...)

Nee, nee, nee. Für die Bildung war/ist die Schule zuständig (vormittags), nachmittags sollen/wollen (alle) Kinder Spaß haben, die Kindheit genießen, und da ist jedes Kind ein bißchen anders.
Manche Kinder wollen (auch) Notenlesen lernen, manche wollen lieber auf ihrem Smartphone "zocken", aber letztendlich sind sie alle neugierig, wollen etwas lernen und mitreden/mitspielen (und ab und zu, am besten jeden Tag - gelobt werden).

Gruß, Bert
 
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Ja. Es sind mehr als 20 Jahre her. Heute hat sie (berufstätig) ihren eigenen Haushalt mit mehreren Musikinstrumenten, spielt E-Baß und trommelt in einer Amateur-Band, aber sie hat immer noch keinen Fernseher.

Gruß, Bert
 
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Es geht mir nicht darum, Visualisierungen und sonstige Hilfskonstruktionen jeglicher Art - einschließlich musikalischem "Malen nach Zahlen" als "neumodischen Kram" , der die abendländsche Kultur bedroht, grundsätzlich zu disqualifizieren. Das wäre unredlich, weil ich selber - insbesonders im Unterricht -auf diese Hilfsmittel zurückgreife, aber eben nur da, wo sie eine sinnvolle (und teilweise auch sinnlichere) Ergänzung des Notentextes darstellen und neue, oder wenigstens andere Aspekte vermitteln können.
Ja das meinte ich auch, so im Groben. War vielleicht etwas missverständlich formuliert meinerseits.

Ich hab grundsätzlich bei allem Bedenken, was dem Menschen seine Selbständigkeit wegnimmt / abgewöhnt. Die neuste Generation ist gefühlt ohne technische Hilfsmittel nicht mehr in der Lage sich selbst zu versorgen, grob gesagt. Ein Totalausfall des Internets würde so einige vor existenzielle Hürden stellen und ohne GPS finden viele den nächsten Supermarkt nicht mehr. Dann fehlt nur noch Stromausfall und man kann auch die Dose Ravioli nicht mit dem elektrischen Dosenöffner öffnen. Wenn man das etwas weiterspinnt, kommt man zum Schluss, dass man keinen Meteor oder Supernova für ein Szenario einer Beinahe-Apokalypse braucht 🤷‍♂️
 
Die neuste Generation ist gefühlt ohne technische Hilfsmittel nicht mehr in der Lage sich selbst zu versorgen, grob gesagt. Ein Totalausfall des Internets würde so einige vor existenzielle Hürden stellen und ohne GPS finden viele den nächsten Supermarkt nicht mehr. Dann fehlt nur noch Stromausfall und man kann auch die Dose Ravioli nicht mit dem elektrischen Dosenöffner öffnen.

Das heißt also, Klavierspielen nach Noten trägt zur Weltrettung bei, während Klavierspielen nach Synthesia-Videos in Richtung Apokalypse führt?
 
Mal ein erhellendes Zitat:

"Ich glaube, ihr lernt alle die Musik verkehrt herum - von den Fingern in die Ohren, statt von den Ohren in die Finger. Das ist, als ob man Tricks lernt, um das Leben zu imitieren."

Papa Oyeah Makenzie

Zitiert in:

Vorwort Herbert Wiedemann, Klavier, Improvisation, Klang

Sowie
Volker Biesenbender, "Von der unerträglichen Leichtigkeit des Instrumentalspiels"
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Habt ihr mal das Video gesehen, in dem Lang Lang Summertime nach Noten spielt!? Sowas liegt ihm gar nicht.

Für mich ein Hinweis, bestimmte Musikstile anders als ausschließlich nach Noten zu lernen.

Im Gospel ist es ja das lernen durch vor-und nachsingen ohne Noten (selbst so in Braunschweig erlebt bei einem Chorleiter aus Detroit)

Sein Klavierspiel hab ich dann auch durch abgucken (auf die Finger schauen) und hören übernommen, er konnte es mir nicht anders vermitteln.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Ich glaube, ihr lernt alle die Musik verkehrt herum - von den Fingern in die Ohren, statt von den Ohren in die Finger. Das ist, als ob man Tricks lernt, um das Leben zu imitieren."

Ja, das ist mein Traum, und ich habe im Kopf so viel, was ich gerne spielen möchte, aber die Finger finden nicht das, was das Ohr hört. Und es sind zwei grundlegende Probleme (und zig andere kleine):

1) Wie soll ich das innerlich Gehörte auf den Tasten umsetzen (welche Akkorde, Umkehrungen, Kadenzen, Übergänge, Baßlinien ...)
2) Die Fingerfertigkeit an sich (schneller Akkordwechsel, differenzierte Dynamik der einzelnen Finger, sichere Griffe und Sprünge ...)

So stand ich, nur nach dem Ohr spielend, auf einem jämmerlichen Niveau (RH Akkorde als Dreiklänge, LH einfache rhythmische Baßlinie, meist in Achtel zerlegte Akkorde - "Kindergarten-Niveau") und habe keine sichtbaren/hörbaren Fortschritte gemacht. Dann habe ich (in der Musikschule) nach Noten spielen gelernt (klassisches Klavier: Tonleitern, Etuden, klassische Stücke, Technik ...) und jetzt versuche ich, mit Notenheften und Lehrbüchern Arrangements zu der Musik, die ich im Ohr habe, zu erarbeiten, sie in Notenschrift festzuhalten (sonst vergesse ich das Arrangement) und dann vom Notenblatt zu spielen bzw. auswendig lernen. Dabei habe ich wirklich sehr hartes Brot zu beißen, aber ohne Noten kann ich nichts davon, was ich an Musik im Kopf und Ohr habe, brauchbar umsetzen.

Es mag Talente geben, die sich ans Klavier setzen und loslegen, und ich freue mich für sie und beneide sie zugleich. Aber für Menschen wie mich, die musikalisch nicht so reichlich beschenkt wurden, ist der Weg zum Musizieren eine harte Arbeit. Ja, es ist eine schöne Arbeit, weil man sich auf das Ergebnis freut, und Musizieren ist eine lebenswichtige Komponente, aber ich mach mir diese Arbeit nicht aus langer Weile, sondern weil es für mich der einzige Weg zur selbst-gemachten Musik ist.

Gruß, Bert
 
@MusikBert

So wird es bei Wiedemann beschrieben: Ich habe eine Vorstellung, wie es klingen soll, kann es aber nicht umsetzen ("Impulsives Klavierspiel", Volker Wiedemann)

Darin sind dann Wege zum freien Spiel aufgezeigt. (Mit gaaanz vielen Noten übrigens, er holt also die meisten doch da ab, wo sie stehen ;)

Überzeugender als in Manfred Schmidts: Klavier spielen ohne Noten, meiner Meinung nach.
 
Das heißt also, Klavierspielen nach Noten trägt zur Weltrettung bei, während Klavierspielen nach Synthesia-Videos in Richtung Apokalypse führt?
Nein, das bezog sich auf die vorangegangenen Antworten inkl. des Szenarios "zukünftig Wissen/Lernen per Knopfdruck vermitteln", ich fand es jetzt aber nicht nötig alle Antworten zu zitieren - der Bezug ergibt sich aus dem Verlauf.
Ich denke mein Standpunkt in dem Thema hier ist sehr deutlich, wenn man alles gelesen hat.

Das Spielen nach Gehör hab ich mit der E-Gitarre ausgiebig praktiziert, aber komischerweise funktioniert es beim Klavier nicht. Natürlich gab es auch hier Grenzen des Möglichen, bzw. eher Einschränkungen durch Zeitmangel - mit genug Zeit wäre viel mehr gegangen. Mein KL "versucht" es mir beizubringen es so ähnlich auf dem Klavier hinzubekommen, aber hier beschränken wir uns auf Ergänzungen und Variationen zu bereits bekannten Stücken. Das komplette Raushören und Nachspielen bekomme ich nur sehr sehr mühsam hin und bei komplexen Gebilden eher gar nicht. Da fehlt auch die Motivation, weil es mit Noten doch viel einfacher ist.
Aber Respekt vor jedem, der sowas einfach kann, dazu gehört schon einiges.
Umgekehrt, also von der Melodie im Kopf zu den Tasten, habe ich nicht so viele Probleme. Daher würde ich hier eine weitere Variante einfügen wollen, nicht das Gehörte nachspielen, sondern das Bekannte. Anscheinend gibt es da eine weitere Brücke zwischen Hören - Verstehen - Kennen - Spielen.
 
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