Studie: Was kostet Musikunterricht in Deutschland?

Nicht nur die Lebenshaltungskosten aber auch die allgemeine Lohnstruktur. Ein Facharbeiter in der Industrie geht hier im Durchschnitt mit 10-11 Euro in der Stunde nach Hause. Deren Kinder sind dann die "Hauptkundschaft" und 19 Euro schon viel Geld.
 
Ein Facharbeiter in der Industrie geht hier im Durchschnitt mit 10-11 Euro in der Stunde nach Hause. Deren Kinder sind dann die "Hauptkundschaft" und 19 Euro schon viel Geld.
Von den erwähnten 19,- € je 45 Min. Instrumentalunterricht dürften nach Abzug aller Abzüge (Krankenversicherung / Rentenvorsorge etc.) auch kaum mehr als 10-11 Euro übrig bleiben.
Während der Industriearbeiter dafür 38,5 Zeitstunden in der Woche arbeiten muss, wären das beim Musiklehrer "nur" 38,5 x 45 Min. = 28,875, also rund 29 Zeitstunden. "Nur" in Anführungszeichen, denn das wären 38,5 gegebene Unterrichtsstunden je Woche, denn nur diese bringen Einnahmen. Faktisch wären das aber viel mehr Zeitstunden, denn das eigene Üben, Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden, Aussuchen von Notenmaterial, Elterngespräche, ggf. Fahrzeiten, ggf. das Anfertigen von Arrangements, Anpassen von Stimmen, Durchführung von Vorspielen und noch das eine oder andere mehr kommt noch dazu (nennt sich "Zusammenhangstätigkeiten").
Der faktische Stundenlohn wäre dann noch mehr oder weniger deutlich geringer.

Dann müsste man erst mal kontinuierlich so viele Schüler haben, dass man diese 38,5 Unterrichtsstunden immer im Plan voll hat.
Und dann müsste man es konditionell auch erst mal schaffen, jede Woche 38,5 Unterrichtsstunden zuzüglich den Zusammenhangstätigkeiten durchzuhalten.

An einer öffentlichen Musikschule unterrichtet man bei einer vollen Stelle 30 Unterrichtsstunden (fallweise auch bis zu 32 Unterrichtsstunden aufgrund des sog. Ferienüberhang-Ausgleichs). An weiterbildenden Schulen liegt das Stundendeputat für eine volle Stelle zwischen ca. 24-28 Unterrichtsstunden - bei einem unvergleichlich höheren Gehalt, schon an Grundschulen.
Damit kein Missverständnis entsteht: Bei den professionellen Instrumentalpädagogen handelt es sich um Menschen mit abgeschlossenem Hochschulstudium.

Die für den Lebensunterhalt notwendige Untergrenze muss sich aus all diesen Faktoren ergeben. 19 Euro für 45 Min. darf man daher ohne weiteres als unterbezahlt bezeichnen.
 
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bei einer vollen Stelle 30 Unterrichtsstunden
d. h. bei Einheiten zu 45min
- hätte der Vollzeit-Musikschullehrer mind. 40 Schüler
- hätte Mo bis Fr jeden Nachmittage von 14 Uhr bis 20 Uhr non-Stop Schüler

Ersteres muss man erst mal schaffen und zweiteres auf Dauer durchhalten.
 
Von den erwähnten 19,- € je 45 Min. Instrumentalunterricht dürften nach Abzug aller Abzüge (Krankenversicherung / Rentenvorsorge etc.) auch kaum mehr als 10-11 Euro übrig bleiben.

Die Abzüge hat der Facharbeiter aber auch noch von seinen 10-11 Euro.

Faktisch wären das aber viel mehr Zeitstunden, denn das eigene Üben, Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden, Aussuchen von Notenmaterial, Elterngespräche, ggf. Fahrzeiten, ggf. das Anfertigen von Arrangements, Anpassen von Stimmen, Durchführung von Vorspielen und noch das eine oder andere mehr kommt noch dazu (nennt sich "Zusammenhangstätigkeiten").

Auch hier: der Facharbeiter muss auch zu seiner Arbeitsstelle fahren und bekommt das nicht bezahlt. In diesem Fall kommt der Schüler zum Lehrer. Es entfällt für den Lehrer also die Anfahrt. Auch Ensembles und Vorspiele gibt es nicht. Es geht hier um reinen Privatunterricht. Das ist mit dem Angebot einer Musikschule (Ergänzungsfächer, Ensembles, Veranstaltungen...) oder dem Musikunterricht an einer allgemeinbildenden Schule (Korrektur von Klausuren/Tests durch den Lehrer, Konferenzen, Elternabende, Aufführungen...) nicht zu vergleichen.

Damit kein Missverständnis entsteht: Bei den professionellen Instrumentalpädagogen handelt es sich um Menschen mit abgeschlossenem Hochschulstudium.

Ein abgeschlossenes (MINT-)Hochschulstudium habe ich auch. Trotzdem verdiene ich in einem internationalen Konzern, in einem Ballungsgebiet nicht viel mehr als mein Musiklehrer pro Stunde. Davon zahle ich auch noch Abzüge, Anfahrt und Weiterbildung. Unbezahlte Überstunden kommen noch on-top. Die Alternative wäre "kein Job". Es geht hier einfach um Angebot und Nachfrage. Wenn ich auf dem Land 30 Euro oder mehr pro 45 Minuten haben möchte, dann wird der Pool der möglichen Kundschaft eben merklich schrumpfen. Am Ende kann ich von meiner Tätigkeit dann wieder nicht leben, weil ich schlicht und ergreifend keine Schüler habe. Musikunterricht fällt halt in die Kategorie Luxus. Wenn mir im Winter die Heizung kaputt geht, muss ich wohl oder übel den Handwerker rufen und bezahlen, es sei denn ich möchte (er)frieren. Musikunterricht ist einfach nicht zwingend notwendig. Es ist ein Hobby. Wenn das Hobby zu teuer ist, sucht man sich bzw. für die Kinder ein anderes. Dann bleiben dem Musiklehrer eben nur die Optionen die Unterrichtskosten zu senken oder dort hin zu ziehen, wo die potenzielle Kundschaft höhere Einkommen erzielt und sich den Unterricht zu höheren Kosten leisten kann.
 
Die Abzüge hat der Facharbeiter aber auch noch von seinen 10-11 Euro.
Das kann so nicht stimmen, bzw. sollte sehr selten sein. Aus der Formulierung "nach Hause" in diesem Satz:
Ein Facharbeiter in der Industrie geht hier im Durchschnitt mit 10-11 Euro in der Stunde nach Hause.
folgerte ich 10-11 Euro als Nettolohn.

10-11 Euro brutto pro Stunde wären rund 1600,- brutto im Monat (immer auf eine 38,5Stunden-Woche gerechnet). Das wäre ebenfalls deutlich unterbezahlt! Das kratzt ja schon am gesetzlichen Mindestlohn, der sowieso zu wenig ist.

Laut dieser Tabelle: https://www.gehalt.de/beruf/facharbeiterhttps://www.gehalt.de/beruf/facharbeiter kommen 19,- € brutto schon eher hin, das wären rund 2900,- brutto im Monat, die Obergrenzen liegen deutlich darüber. Die Untergrenzen liegen auch schon mal unter 2900,- €, aber unter knapp 2500,- € fand ich in dieser Tabelle keinen Eintrag.
In der Automobilindustrie wird bekanntlich immer noch sehr gut bezahlt [https://www.produktion.de/themen/ge...l-in-der-automobilindustrie-verdient-338.html], Facharbeiter liegen hier über dem Durchschnitt, dazu kommen immer noch Prämien, üblicherweise ein 13. Monatsgehalt.

Selbständige Musiklehrer bekommen kein 13. Monatsgehalt, sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es auch nicht. Bei Einzelstundenabrechnung nur der gegebenen Stunden sowieso weder noch, aber auch keinen durchbezahlten Urlaub.
Bei einer durchbezahlten monatlichen Pauschale sind wenigstens die Ferien mit drin und je nach Absprache auch meist einige wenige Krankheitstage im Jahr.
 
Das kann so nicht stimmen, bzw. sollte sehr selten sein.

Es stimmt aber und selten ist es auch nicht. In meinem ersten Beruf (gewerblich-technische Ausbildung) bekommt man bei kleinen und mittelständischen Betrieben zwischen 1800 und 2000 € (40-Stunden / Woche) Brutto im Großraum Köln. Weihnachts- und Urlaubsgeld werden in der Regel nicht gezahlt. Ein großer Teil der Arbeitsstellen wird über Zeitarbeitsfirmen ausgeschrieben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich viele Jugendliche nach der Schule für ein Studium entscheiden. Viele (nicht alle) Ausbildungsberufe sind schlecht bezahlt. Ich habe vor 10 Jahren, direkt nach meiner 3-jährigen Berufsausbildung mit 7 € Brutto pro Stunde angefangen.


Laut dieser Tabelle: https://www.gehalt.de/beruf/facharbeiterhttps://www.gehalt.de/beruf/facharbeiter kommen 19,- € brutto schon eher hin, das wären rund 2900,- brutto im Monat, die Obergrenzen liegen deutlich darüber.
In der Automobilindustrie wird bekanntlich immer noch sehr gut bezahlt.

Gehalt.de ist keine verlässliche Quelle. Da kann sich jeder anmelden und dann irgendein Gehalt angeben. Teilweise errechnen sich die Werte aus 2 oder 3 Einträgen. Deswegen steht da auch überall dabei "Gehalt.de schätzt".
Zudem gibt es deutschlandweit ein massives Gehaltsgefälle. Automobilindustrie gibt es hier auf den Dörfern nicht. Die nächste Autobahnauffahrt ist mind. 30 km entfernt. Die nächste Großstadt (500.000 Einwohner) mehr als 70 km entfernt. Hier siedeln sich daher auch keine Großunternehmen an.


Selbständige Musiklehrer bekommen kein 13. Monatsgehalt, sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es auch nicht.

Die Problematik besteht aber für alle Selbstständigen. Und da sind wir auch wieder bei Angebot und Nachfrage. Wenn ich mein/e angebotene/s Dienstleistung/Produkt nicht für den gewünschten Preis verkaufen kann, dann muss ich diesen entweder reduzieren, mir einen Ort mit entsprechender Kundschaft suchen oder ich gehe pleite.
Übrigens bekommt fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland kein 13. Monatsgehalt. https://www.absolventa.de/karriereguide/gehaltsbestandteile/weihnachtsgeld
 
Wenn ich auf dem Land 30 Euro oder mehr pro 45 Minuten haben möchte, dann wird der Pool der möglichen Kundschaft eben merklich schrumpfen
Kann ich nur zustimmen. Komme aus einer dörflichen Gegend. Meine alte Klavierlehrerin hat dort 18€ privat verlangt und zusätzlich noch Honorarverträge an diversen Musikschulen.

Fühle mich dann immer schlecht, weil ich als Student in der Großstadt höheres Honorar einfordern kann als eine erfahrene Lehrerin auf dem Land...
 
Es stimmt aber und selten ist es auch nicht. In meinem ersten Beruf (gewerblich-technische Ausbildung) bekommt man bei kleinen und mittelständischen Betrieben zwischen 1800 und 2000 € (40-Stunden / Woche) Brutto im Großraum Köln. Weihnachts- und Urlaubsgeld werden in der Regel nicht gezahlt. Ein großer Teil der Arbeitsstellen wird über Zeitarbeitsfirmen ausgeschrieben. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich viele Jugendliche nach der Schule für ein Studium entscheiden. Viele (nicht alle) Ausbildungsberufe sind schlecht bezahlt. Ich habe vor 10 Jahren, direkt nach meiner 3-jährigen Berufsausbildung mit 7 € Brutto pro Stunde angefangen.
Danke für die Infos!

Ich finde das alles absolut skandalös! Es ist schon klar, dass Musiklehrer nicht viel verlangen können für ihren Unterricht, wenn ihre Klientel selber nur über ein geringes Einkommen verfügen. Für denjenigen, für den Musik und selber Musizieren-können eine Herzensangelegenheit und womöglich deshalb von existentieller Bedeutung und Wichtigkeit ist, für den ist Musik eigentlich kein Luxus. Genauer, sollte es nicht sein. Den Unterricht sollte sich jeder von seinem Einkommen so leisten können, dass auch vernünftige Honorare möglich sind.
Es ist schade, wenn das Musizieren mangels Einkommen erst zum "Luxus" wird und wenn dadurch hochqualifizierte Musiklehrer kaum über die Runden kommen.

Mein Fazit aus dieser Diskussion ist, dass mittlerweile die Folgen der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, in der die Schere der Einkommen immer weiter auseinander gegangen ist mit einer Umverteilung von Unten nach Oben, immer mehr zu spüren sind.
Wir sollten darauf nicht mit einem "Ranking" der niedrigen Einkommen antworten(was ich nicht unterstelle), sondern solidarisch dagegen angehen!
 
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In Niedersachsen habe ich in den letzten sieben Jahren
  1. bei einer Musikschule für Klaviereinzelunterricht, eine Unterrichtsstunde (45 Min) wöchentlich 120 € monatlich bezahlt, wobei der Vertrag nur alle 6 Monate zu kündigen war und auch die Ferien/Feiertage zu bezahlen waren. Also halbjährlich 720 €.
  2. In einer anderen Musikschule habe ich für die gleichen Bedingungen 130 € monatlich bezahlt, wobei die Unterrichtsstunde 55 Minuten dauert; also halbjährlich 780 €.
  3. In der dritten Musikschule habe ich, ebenfalls die gleichen Bedingungen, 136 € monatlich bezahlt, wobei die Unterrichtsstunde 60 Minuten betrug; also 816 € halbjährlich.

Gezahlt wurde ein Monat voraus.

Die erste und die dritte Musikschule habe ich nach einem halben Jahr gekündigt, weil es für mich ungeeignet war; der Lehre war an meinem Talent-freien Klavierspiel nicht interessiert und hat mich durch die Stunde einfach "schleifen" lassen.

In der zweiten Schule hatte ich eine sehr engagierte Lehrerin, die mich bzw. mein Spiel ständig beobachtete und jede falsche Bewegung/Haltung unermüdlich (geduldig und freundlich) korrigierte; sie zeigte ein ständiges Interesse an meinem Spiel und meinen Fortschritten, auch wenn sie wußte, daß mit mir kein Wettbewerb zu gewinnen ist.
Wie pädagogisch wertvoll ihr Unterricht war, kann ich nicht beurteilen, aber ich habe bei ihr viel gelernt und in meinem Klavierspiel (für mich unvorstellbare) Fortschritte gemacht.
Bei ihr blieb ich fünf Jahre lang.

Ja, es ist viel Geld, aber Musikunterricht ist ein wichtiges Bildungs- und Kulturgut, für mich persönlich gehören Bildung und Kultur zum täglichen Brot, und dafür bezahle ich gern.

Auch hatte ich Angebote von Privatlehrern (außerhalb einer Musikschule) für 70-80 € monatlich (45 Min wöchentlich Unterricht, bezahlen mußte man auch in den Ferien, die Kündigungszeit betrug 3 Monate), aber ich wollte damals die Musikschule unterstützen, deshalb habe ich diese Angebote nicht angenommen.

Gruß, Bert
 
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