Das Geheimnis der schwarzen Tasten

Hallo Claus
Klangverschmelzung ist eine spannende Geschichte. In einem anderen Forum fand ich gerade interessanten Lesestoff unter der Überschrift "Klangverschmelzung bei Register- und Tonkanzellenladen". Da wird auf Fachzeitschriften und Bücher zum Thema verwiesen. Ein Experiment, das da zitiert wird, beschäftigt sich mit den Bedingungen, unter denen Orgelpfeifen schwebungsfrei oder auch nicht gestimmt werden können. Das hängt mit der Wahl der Kanzellenstruktur zusammen. Es wird ein Aufbau beschrieben, der es unmöglich machte, mehr als 3 Pfeifen schwebungsfrei zu stimmen, während eine andere Konstellation das schwebungsfreie Stimmen erleichterte.

Je länger man sich mit dem Thema Stimmen beschäftigt .... ... .. . ein Faß ohne Boden!

Das Nebenthema brauchen wir nicht vertiefen. Der Thread ist ganz interessant aber auch schon einige Jahre alt. Meine Tricks, wie ich den Chor durch Körpersprache dazu gebracht habe, sich mit dem gesamten Körper in eine lebendige "Federspannung" zu versetzen, die so auf die Stimme "abstrahlte", dass dadurch die Höhe gehalten werden konnte, sind verbal schlecht vermittelbar. Deshalb will ich erst gar nicht versuchen, sie weiter auszubreiten.

Gruß
Lisa
 
Ein Gedanke: Ich zitiere in meinem Aufsatz, das gute stimmungsungebundene Musiker auch bei Klavierbegleitung zur reinen Intonation tendieren
Ja, dieser Gedanke ist nicht neu und für viele Dirigenten ein Damoklesschwert, welches dann über dem Orchester hängt, wenn z.B. Klavierkonzerte gespielt werden. Ich habe vor einiger Zeit die Proben für die 5 Klavierkonzerte von Beethoven mitbekommen. Das war schon sehr interessant welche Instrumentegruppen zu welchem Zeitpunkt zu hoch oder zu tief waren ;)
Noch schwieriger finde ich es, historischen Stimmungen zu folgen. Meist auch mit mit einem für uns viel zu tiefem Kammerton :rolleyes:

Das könnte durch die hier zuletzt beschriebene unpräzise Klavierstimmung begünstigt werden.
Unpräzise ist der falsche Ausdruck. Ein einigermaßen gutes Instrument vorrausgesetzt, ist die gerade vorgenommene Stimmung der bestmögliche Kompromiß zwischen den zur Verfügung stehenden Materialien und den akustischen Begebenheiten.

Es ist wohl wie bei (fast?) jedem Instrument: (Kirchen-)Orgeln haben ihre eigenen Probleme. :D
Und wie :rolleyes:
Sie brauchen jedenfalls ihre regelmäßige professionelle Wartung. Ob das in Zeiten klammer Kassen bei den Kirchengemeinden noch gewährleistet ist?
Nein, leider nicht.
Die Orgeln reagieren genauso auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsveränderungen, wie andere Instrumente auch. Ich habe schon erlebt, dass Kirchenorgeln auf 449Hz raufgewandert sind. Dazu kannn man beim besten Willen auch kein Flügel mehr stimmen.
Letztens musste noch in einer der hiesigen Unis ein Flügel auf die grad frisch gestimmte Orgel gestimmt werden. Die Temperatur der Orgel war zu diesem Zeitpunkt schon durcheinander (schwankte zwischen 442Hz und 443Hz) Unterm Strich: Keine Chance ;)

Naja, ich denke eher, dass ich mich beim Flöten oder Singen der Stimmung des Klavieres oder der Orgel anpasse, damit es zu möglichst wenigen Schwebungen kommt und die Stimmen gut zusammen klingen. Oder habe ich da jetzt was mißverstanden? :gruebel:
Das hast Du schon richtig verstanden :)
Die Stimmung der Orgel präziser als die vom Klavier?
Das kann man so nicht sagen. Es gibt zwar die mathematische "Idealstimmung", die sich aber in der Praxis nur annähernd verwirklichen lässt. Wie gut ein Instrument gestimmt ist, hängt von der Qauliät des Instrumentes und vom Können des Stimmers ab.
weil heute die Stimmung a'=442Hz üblich ist. :mad:
Hier in NRW ist fast überall (Theater, Unis, etc) inzwischen 443Hz die aktuelle Kammertonhöhe.


Das habe ich anders verstanden. Dann müssten ja bei jedem Ton Schwebungen zu hören sein, so wie bei einem Honky-Tonk-Klavier.
Das wäre daraus die Konsequenz. Es gab sogar mal eine Oper, wo genau "diese Stimmung" verlangt wurde ;)
Ich habe den Hinweis auf Frequenzabweichungen so verstanden, dass wegen Spreizung oder aus anderen Gründen von den rechnerisch ermittelten Frequenzen abweichend gestimmt wird. Die drei zu einem Ton gehörenden Saiten werden aber im Idealfall gleich (nach meinem Verständnis schwebungsfrei aufeinander ab-) gestimmt. Da sich die Spannung und damit die Stimmung der Saiten durch Umwelteinflüsse verändert, bleibt der schwebungsfreie oder schwebungsarme Zustand natürlich nicht auf Dauer erhalten.
Sehr gut beschrieben :)


Für digitale Flügel hatten wir schon implizit erwähnt, dass aufwendig produzierte Hardware und auch Software-Libraries aufgrund ihrer Samples die Oktavspreizung des jeweiligen besaiteten Vorbilds übernehmen.
Und das führt dazu, dass nicht jedermann gleich gut mit dieser Art vorgesetzten Stimmungen klarkommt. Auch unterscheiden sich die Stimmungen der gesampelten Instrumente. Das macht ein Zusammenspiel (im Studio fallen diese "Kleinigkeiten" dann immer besonders unangenehm auf :rolleyes:) besonders schwierig.


Je länger man sich mit dem Thema Stimmen beschäftigt .... ... .. . ein Faß ohne Boden!
...ein sehr großes Faß :rolleyes: Mehr schon so eine Art überdemensionaler Silo ;)
 
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Die Orgeln reagieren genauso auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsveränderungen, wie andere Instrumente auch. Ich habe schon erlebt, dass Kirchenorgeln auf 449Hz raufgewandert sind.

Uuuuups! Da würde ich mit meinen Flöten aber ziemlich alt aussehen! :eek:
Steigt die Orgel wenn sie kalt wird?
Bei Akkordzithern ist das jedenfalls so. Streiche ich mit den warmen Händen über die Seiten, sackt der Ton postwendend wieder ab.
Die Trommelfelle steigen im Ton, wenn die Luft immer trockener wird. Sinkt die Temperatur obendrein, muß man echt aufpassen, dass die Spannung nicht zu hoch wird.

Hier in NRW ist fast überall (Theater, Unis, etc) inzwischen 443Hz die aktuelle Kammertonhöhe.

Hmmmmm - - - Die führenden Blockflötenbauer sind bei 442 Hz, bieten aber auch Instrumente in tiefer Stimmung (415Hz / Renaissance/Consort-Flöten 440Hz) an.
> Mollenhauer Moderne Sopranblöte
> Möck
> Fehr - keine Angaben für die "normale" Stimmung gefunden
> Huber
> Küng - keine Angaben gefunden

Blezinger bietet 4 Stimmungen an 392 / 415 / 440 / 466 (im Blockflötenshop ist die Bressan von Blezinger eigenartigerweise mit 442Hz angegeben :gruebel:)

Da soll dann noch ein Mensch durchsteigen!


Das hast Du schon richtig verstanden :)
... Sehr gut beschrieben :)
Danke für die Bestätigung.

...ein sehr großes Faß :rolleyes: Mehr schon so eine Art überdemensionaler Silo ;)

Und für die Flöten gibt es dann noch einen extra! :cool: ;)
 
Hallo, bin wieder im Lande.
@Lisa und Claus: Irgendwie scheine ich missdeutig zu formulieren. Deshalb hole ich nochmal etwas weiter aus:
Das ein Chor beim Singen abrutscht, hat verschiedene Gründe, das ist ein vieldiskutiertes Thema, ein Patentrezept dagegen gibt es nicht. Ein Zusammenhang besteht aber zur Qualität und stimmlichen Ausbildung des Chores. Das es auch (!) einen physikalischen Grund für das Sinken gibt (siehe syntotisches Komma), war mir bislang unbekannt. Ich vermute allerdings, dass dieser Grund nur bei sehr guten Chören ein Problem ist, nicht nur weil die anderen bereits aus nichtigeren Gründen sinken, sondern weil die gesangliche Feinabstimmung auf reine Intervalle einem Durchschnittschor technisch versagt bleibt.

Mit dem Vergleich der Klavier- mit der Orgelstimmung wollte ich lediglich auf das unterschiedliche Prinzip hinaus. Dass sich fast alle Instrumente verstimmen und die Stimmung nie so ganz 100ig ist, ist ja klar. Wenn ist sage, bei der Orgel sind alle 8' eines Tons auf die gleiche Frequenz gestimmt, meinte ich damit den Idealzustand. Während beim Klavier, so wie ich es verstanden habe, die drei Saiten eines Tones nicht exakt auf die gleiche Frequenz gestimmt sind und zusätzlich Aspekte wie Oktavspreizung etc. hinzukommen (Stichwort Inharmonizität), die sämtlich bei der Orgelstimmung kein Thema sind. Wenn sie es doch sind, bitte ich um Vergebung - es war bislang meine Annahme.

Das mit den drei Saiten beim Klavier vergleiche ich mit dem Orgelregister Vox Humana oder dem Musette-Register beim Akkordeon. Bei beiden wird der Ton aus zwei Tonerzeugern (Pfeife bzw. Stimmzunge) gebildet, die dicht voneinander abweichend gestimmt sind (wenige Cent). Das ergibt einen schönen Schwebeklang. Diesen hatte ich nun vor Augen: wenn ich einen Chor mit diesem Schwebeklang begleite, kann der Chor seine Stimmung um wenige Cent ändern, ohne hörbar vom Begleitton abzuweichen.

Daher dachte ich, das Zusammenwirken von reiner Chor-Intonation und Klavierbegleitung würde durch die Drei-Saiten-Geschichte erleichtert. Wenn ich das mit der Drei-Saiten-Stimmung falsch verstanden habe, ist der Gedanke natürlich Quatsch. Ob ein Orgel-begleiteter Chor mit Vox Humana oder Principal besser singt oder nicht, wäre dann interessant zu wissen. Aber vermutlich befinde ich mich mit diesen Überlegungen insgesamt auf dem Irrweg.

Jedenfalls sehr interessant, welche Abgründe der Exkurs zur realen Stimmung heutiger Instrumente aufgezeigt hat. Da kann man sich nur wundern, wenn ein wohlklingendes Orchester hört.

viele Grüße, Reinhard
 
Hallo, nochmal ich zum gleichen Thema. Ich habe mich jetzt etwas ausführlicher mit der Inharmonizität beschäftigt. Dabei bin ich in Wikipedia auf folgenden Satz gestoßen: "Inharmonizität kann auch helfen, kleine Stimmungsstörungen in ähnlicher Weise zu verschleiern, wie es das Vibrato bei anderen Instrumenten und Sängern bewirkt. (Streckung)." Das ist genau das, was ich meinte. Nicht die Stimmungsstörungen, im Gegenteil: die Inharmonizität erlaubt mir auch, reine Intervalle zu intonieren in Begleitung eines gleichstufig gestimmten Instruments. Die Töne mischen sich, es klingt "richtig". Könnt ihr mir zustimmen? Grüße, Reinhard
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus dem starken Leitton b quadratum im hexachordum durum - das deutsche h - wurde so das b rotundum - das deutsche b - im hexachordum molle, also ein schwacher Leitton in g-Moll.

Hallo, lassen wir das mit der Klavierstimmung jetzt mal beiseite, bis sich jemand findet, der hierzu noch neue Gedanken beitragen kann. Ich bin beim erneuten Durchlesen des Threads erneut über obigen Hinweis von ArthurMilton gestolpert und habe feststellen müssen, dass ich bzgl. Guido von Arezzo falsches geschrieben habe. Mein neuer Text dazu:


Er (Guido von Arezzo) benutzte nachweislich das Monochord und definierte unter anderem drei sechs*stufige Tonleitern (Hexachorde, griech. „sechs Saiten“, wohl von der sechssaitigen Lyra herrührend) für den Gebrauch im gregorianischen Gesang, ausgehend von unterschiedlichen Grundtönen (C, F und G). Diese Hexachorde haben jeweils nur einen Halbtonschritt, und zwar zwischen dem dritten und vierten Ton. Aus systematischen Gründen brauchte er daher für den auf F beginnenden Hexachord einen zusätzlichen Ton, und zwar Quinte 11. Dessen Benennung ist eine rätselhafte Geschichte.
Die drei Hexachorde hießen Hexachordum naturale (auf C beginnend), Hexachor*dum durum (G, lateinisch durus, hart) und Hexachordum molle (F, lateinisch mollis, weich). Wie es zu den Bezeichnungen Hart und Weich kam ist unklar, prinzipiell klingen alle drei Tetrachorde gleich. Da Quinte 11 für das Hexachordum molle gebraucht wurde, hieß es b molle im Gegensatz zu b durum. Bei der schriftlichen Fixierung der Tonnamen verwendete man zur Unterscheidung für das b durum ein b quadratum („quadratisches B“) und für das b molle ein b rotundum („rundes B“). Daraus entwickelten sich unsere heutigen Vorzeichen # und♭.
Die eckige Schreibweise des B entwickelte sich zu einem H.
Die Bezeichnungen B und H sind aber nur im Deutschen so geblieben. Im anglo-amerikanischen Sprachraum z.B. steht das B für Quinte 6, das H oder ein eigener Name für Quinte 11 sind dort unbekannt.


Was ArthurMilton bzgl. des Leittons schrieb, kann ich so nicht nachvollziehen. Die Hexachorde selber hatten keinen Leitton. Aber mich würde brennend interessieren, wie es zu den Bezeichnungen molle und durum kam. Was hat Guido von Arezzo dazu bewegt? Ich habe bislang nur eine einzige Quelle gefunden, die diesem einen Halbsatz spendet und meint, es sei die reine Quarte beim hexachordum molle. Das scheint mir aber nicht zu stimmen, die Quarten sind doch in dieser Stimmung alle rein. Vielleicht würde ich mit einer Stimmungstabelle der Hexachorde dahinter kommen. Leider blicke ich aber nicht durch, wie Guido von Arezzo die Tonverhältnisse ermittelt hat, kann mir also selber keine basteln.

Weiß jemand Rat? Viele Grüße, Reinhard
 
Aber mich würde brennend interessieren, wie es zu den Bezeichnungen molle und durum kam. Was hat Guido von Arezzo dazu bewegt? Ich habe bislang nur eine einzige Quelle gefunden, die diesem einen Halbsatz spendet und meint, es sei die reine Quarte beim hexachordum molle. Das scheint mir aber nicht zu stimmen, die Quarten sind doch in dieser Stimmung alle rein.

Die Quarte ist im hexachordum molle nur rein, weil man das (weiche) b molle verwendet. Sonst entstünde der ungeliebte Tritonus. Im hexachordum durum wird hingegen das (harte) b quadratum gebraucht, um den Tritonus zu vermeiden. Bei zweistimigen gregorianischen Chorälen in Quint- oder Quartparallelen sehr wichtig.

In der zweiten Hälfte dieses Beitrags hatte ich das Thema angeschnitten.

Viele Grüße
Klaus
 
Die Quarte ist im hexachordum molle nur rein, weil man das (weiche) b molle verwendet. Sonst entstünde der ungeliebte Tritonus. Im hexachordum durum wird hingegen das (harte) b quadratum gebraucht, um den Tritonus zu vermeiden. Bei zweistimigen gregorianischen Chorälen in Quint- oder Quartparallelen sehr wichtig.

Hallo Klaus, ja, ohne das b molle würde das hexachordum molle aus der Reihe tanzen, das ist klar. Meine Frage ist: worin besteht der klangliche Unterschied von durum und molle, der zu den Bezeichnungen führte? So wie ich es sehe, sind die Tonschritte in beiden völlig identisch.

Hm, eine Erklärung wäre der Zusammenklang mit dem hexachordum naturale. Im einen Fall als Quartparallele, im anderen als Quintparallele. Man könnte sagen, dass sich die Quartparallele weicher anhört als die Quintparallele (obwohl ich dem klanglich nicht zustimmen würde, aber zu Zeiten Guido von Arezzos sah man das vielleicht anders). Ich glaube, das könnte als Erklärung dienen?!

Viele Grüße, Reinhard
 
Hallo,

stimmt,alle drei Hexachorde haben die gleiche Intervallstruktur, d. h. Prime, große Sekunde, große Terz, reine Quarte, reine Quinte und großeSexte.

In unserer Terminologie würden wir einen solchen Hexachord als hexatonische Tonleiter mit den ersten sechs Stufen der Dur-Tonleiter auffassen. Es fehlt lediglich die siebte Stufe mit dem Leitton.
Interessanterweise bilden die ersten Stufen aller drei Hexachorde die Grundfunktionen Tonika, Subdominante und Dominante unseres Dur-Moll-Systems ab.

Das hexachordum naturale von c bis a enthält nur Ausschnitte aus derStammtonleiter, daher wohl die Bezeichnung naturale.

Das hexachordum durum von g bis e enthält das h, welches als b- durumbezeichnet wurde, weil man den Halbtonschritt von h nach c –also in der C-Dur-Tonleiter den starken Leittonschritt – als hart empfand.

Entsprechend mußte er für das hexachordum molle von f nach d die reine Quarte von f nach b einbauen, weil sonst ein Tritonus f- h entstünde, wie Klaus ja bereits ausgeführt hat. Dafür benötigte er das b- molle, welches einen weichen Übergang nach c erzeugte.

ImParallelorganum – für den dieses System entworfen wurde – wurdendie Singstimmen der Mönche von einer Orgel im Abstand von einerOktave und einer reinen Quinte oder Quarte begleitet; da hätte einTritonus eine unerwünschte Spannung erzeugt.

Die Bezeichnung beider Töne rührt also aus ihrer Eigenschaft als Strebetöne her. Daher stammt auch meine Überlegung, daß für die Entwicklung unseres Dur-Moll-Systems ursprünglich die Strebetöne wichtiger waren als die Medianten, also große und kleine Terz der Dur- und Moll-Tonleiter.


 
Meine Frage ist: worin besteht der klangliche Unterschied von durum und molle, der zu den Bezeichnungen führte?

Ich denke, daß die Bezeichnungen hart (durum) und weich (molle) einfach Beschreibungen der Tonhöhe sind: Fester angezogene Saiten, bieten mehr Widerstand, sind "härter" und klingen höher. Auch festere Metallplatten klingen z.B. höher als weichere.

Das hexachordum molle wäre einfach dasjenige, welches das tiefere b enthält, das hexachordum durum das mit dem höheren b und das hexachordum naturale enthält überhaupt kein b.

Interessanterweise bilden die ersten Stufen aller drei Hexachorde die Grundfunktionen Tonika, Subdominante und Dominante unseres Dur-Moll-Systems ab.

Die konsonanteste Tonbeziehung nach der Oktave ist eben die Quint und die daraus abgeleitete Quart (=Oktav-Quint). Das gilt für zwei Töne und auch für zwei Akkorde.
Doch wird sind hier noch bei Guido von Arezzo (ca.992 -1050), in dessen Zeit noch kein Leitton üblich war. Letzterer tritt erst ab dem 13. Jahrhundert in den Schlußwendungen mehrstimmiger Musik auf.

Viele Grüße
Klaus
 
Ich denke, daß die Bezeichnungen hart (durum) und weich (molle) einfach Beschreibungen der Tonhöhe sind: Fester angezogene Saiten, bieten mehr Widerstand, sind "härter" und klingen höher. Auch festere Metallplatten klingen z.B. höher als weichere.
Das scheint mir wenig wahrscheinlich. Die Saiten sind ja auch nicht unbedingt fester angezogen, sondern im Wesentlichen nur kürzer. Mir scheint, hier ist ein "man weiß es nicht" angebracht:)

Bzgl. der parallelen Melodieführung ein Gedankensprung: War es nicht so, dass es bei Bach&Co. eine Kompositionsregel gab, parallele Quinten und Quarten zu vermeiden? Mit war nie klar, warum das verboten war. Das könnte nun eine Erklärung sein: in der pythagoreischen Stimmung mit reinen Quarten und Quinten waren Parallelführungen gebräuchlich, in der mitteltönigen Stimmung waren die Quarten und Quinten nicht rein und man verbot deshalb die Parallelführung explizit als so eine Art "Verstoß gegen das Reinheitsgebot"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo radobo,

ich denke der Begriff "b durum" erklärt sich durch die im Lydischen auftretende übermäßige Quarte, die ja bekannklicherweise von Natur aus sehr "hart" klingt. Durch das Tiefalterieren derselben wurde diese zum "b molle", was dann wesentlich weicher und angenehmer klang.

Das Verbot der parallelen Stimmführung von Quinten und Oktaven in der polyphonischen Musik des Spätbarock erklärt sich durch die ähnlichen Schwingungsverhältnisse die Oktaven und Quinten unter sich aufweisen. Sie verschmelzen dadurch klanglich und verlieren somit ihre melodische Eigenständigkeit. Diese wiederum ist aber unbedingt erforderlich bei polyphoner Musik.
 
Im Moment beschäftige ich mich intensiv mit der Okarina Focalink-Stein AC aus Kunststoff. Wenn ich auf ihr spiele, denke ich oft an die hier besprochenen Probleme in Bezug auf saubere Intervalle hören und spielen und mit einem anderen Instrument so zusammen spielen, dass es "passt". Als geübter Flötenspieler habe ich da ja gewisse "Wunschvorstellungen" und die mit diesem Instrument umzusetzen, ist gar nicht so leicht. Das erfordert ein trainiertes Ohr und Übung. Warum ich das ausgerechnet hier schreibe? Beim Anhören des folgenden Videos fragte ich mich, ob mich meine Ohren narren, ich eine falsche Vorstellung vom erwarteten Ton habe oder richtig liege, wenn ich den Eindruck habe, dass der höchste Ton der Melodie zu tief gespielt wird:



Der Klang der beiden Instrumente fügt sich irgendwie so zusammen (Klangmischung?), dass anderen der in meinen Ohren grauslig falsche Ton möglicherweise gar nicht auffällt. Wie ist/klingt das für Euch?

Für mich ist das ein Beispiel zu der Problematik, die hinter der in Post #65 gestellten Frage steckt, ob es aufgrund der Klangmischung richtig klingen kann, wenn Instrumente unterschiedlich intonieren.
Meine Meinung ist "nein".

Viele Grüße
Lisa

EDIT
Ich vergaß zu erwähnen, dass die verlinkten Noten eine andere Tonart haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Lisa: das hört sich auch in meinen Ohren schräg an. Der hohe Ton ist viel lauter als die anderen, liegt das am Instrument oder ist es ein spezieller akustischer Effekt (kann ja auch an meinen Lautsprechern liegen)? Bzgl. der Klangvermischung und der Inharmonizität lag ich wahrscheinlich falsch. Ich suchte nur eine plausible Erklärung dafür, warum Misch-Stimmungen richtig klingen. Aber vielleicht interpretiere ich ja auch diesen Begriff falsch.

@CUDO II: die Namen molle und durum hat, wenn ich die Quellen richtig interpretiere, Guido von Arezzo gewählt. Er hatte dabei ja aber vermutlich nur seine Hexachorde im Blick. Inwieweit die Kirchentonarten bei ihm eine Rolle spielten, weiß ich nicht. Fraglich ist, ob er ein Hexachord molle nennt, weil der mit diesem definierte Halbton in einem anderen Tonsystem einen Missklang beseitigt. Aber ganz auszuschließen wäre es nicht, das Lydische mit der falsche Quarte fällt merklich aus dem Rahmen.

Ich habe dem Moderator übrigens eine überarbeitete Version meines Aufsatzes gesandt mit der Bitte, diesen nochmal auszutauschen. (Mod-Anmerkung: erledigt/klaus111) Darin habe ich die Sache mit den Hexachorden korrigiert dargestellt und noch ein paar anekdotische Ergänzungen am Ende gemacht. Die Inharmonizität habe ich in Fußnoten erwähnt, die Misch-Stimmung nicht weiter erläutert oder versucht zu begründen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Diese Okarina (ich teste sie gerade) muß in der Höhe mit viel Druck gespielt werden, damit die korrekte Höhe erreicht wird. Je druckvoller man spielt um so lauter wird die Okarina. Um die korrekte Tonhöhe zu erreichen, hätte mit noch mehr Druck gespielt werden müssen. Dann wäre der Ton noch lauter gewesen.
In der Tiefe muss man aufpassen, dass mann nicht zu stark bläst. Dann würde die Okarina zu hell klingen. Deshalb wird die Okarina am Anfang und am Ende so leise gespielt.

Nebenbei bemerkt:
Dieses Instrument korrekt zu intonieren finde ich viel schwieriger, als eine Blockflöte an das Begleitinstrument anzupassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Anhören des folgenden Videos fragte ich mich, ob mich meine Ohren narren, ich eine falsche Vorstellung vom erwarteten Ton habe oder richtig liege, wenn ich den Eindruck habe, dass der höchste Ton der Melodie zu tief gespielt wird:
Der Ton klingt auch für mich deutlich zu tief und wir liegen wohl beide richtig.



Ich denke, daß die Bezeichnungen hart (durum) und weich (molle) einfach Beschreibungen der Tonhöhe sind: Fester angezogene Saiten, bieten mehr Widerstand, sind "härter" und klingen höher.
Das scheint mir wenig wahrscheinlich. Die Saiten sind ja auch nicht unbedingt fester angezogen, sondern im Wesentlichen nur kürzer.

Die Saite muß im Instrument ja nicht unbedingt fester angezogen sein, doch fester angezogene Saiten klingen eben höher.

Meine spekulative Assoziation mag gestützt werden durch den Eintrag in einem alten Lexikon. Heinrich Christoph Koch geht in Musikalisches Lexikon (1802), S. 506 unter dem Stichwort "Dur" explizit auf Saiten ein:

... wurde mit diesem Beyworte die um einen kleinen halben Ton erhöhete B Saite, oder unser modernes h bezeichnet. In der Tonleiter der ältern Musik, die mit dem Tone A angefangen wurde, hatte keine Stufe zwey verschiedene Saiten, ausgenommen die zweyte Stufe b.
...
Hier und da bezeichnet man noch bis jetzt mit dem Ausdrucke b dur unsere h Saite, und nennet die b Saite zum Unterschiede b moll.

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Bevor man für das b zwei Saiten benutzte, hat man sicher nur eine b-Saite benutzt, die, je nach Musikstück, mal höher und mal tiefer gestimmt wurde.
Das würde wiederum gut in das o.g. Bild passen, das höhere b, als das "härtere" (dur) zu bezeichnen und das tiefere als das "weichere" (moll).
 
Zuletzt bearbeitet:
Bevor man für das b zwei Saiten benutzte, hat man sicher nur eine b-Saite benutzt, die, je nach Musikstück, mal höher und mal tiefer gestimmt wurde. Das würde wiederum gut in das o.g. Bild passen, das höhere b, als das "härtere" (dur) zu bezeichnen und das tiefere als das "weichere" (moll).
Das könnte sein, aber gibt es einen Beleg dafür? Irgendwie ist aber auch nur bedingt wahrscheinlich, dass man eine weniger stark gespannte Saite als "weich" bezeichnet. Dem Zitat aus dem Lexikon entnehme ich auch nicht unbedingt, dass es nur eine Saite wäre. Die Saitennamen "b dur" und "b moll" würde ich zweifelsfrei auf Arezzo zurückführen, der genau diese Namen geprägt hat. Zumindest laut Wikipedia. Gibt es denn nicht irgendwelche Schriftn von Arezzo, wo er sich dazu geäußert hat?
 
Hello again,

ich weiß nicht, ob's weiter hilft: In Sulzers Lexikon der Künste und der Ästhetik von 1771/1774 finde ich:

Tonart. (Musik) Wir nehmen dieses Wort hier in der genau bestimmten Bedeutung, nach welcher es das ausdrükt, was die ältern Tonlehrer durch das lateinische Wort Modus auszudrüken pflegten; nämlich die Beschaffenheit der Tonleiter, nach welcher sie entweder durch die kleine oder große Terz, aufsteiget. Jene wird die kleine, oder weiche, diese die große, oder harte Tonart genennt, welches man auch durch die Worte Moll und Dur ausdrükt. Diese beyden Ausdrüke haben aber einige Zweydeutigkeit. Denn bey ältern Schriftstellern bedeuten sie nicht wie izt, die beyden Modos, sondern wurden blos gebraucht, um anzuzeigen, ob in einem Gesange von der Doppelsayte B, die Höhere, die wir izt mit H bezeichnen, oder die tiefere, die wir durch B andeuten, zu nehmen sey. Im ersten Falle hieß der Gesang Cantus durus, im andern Cantus mollis.

Hervorhebungen natürlich von mir - mit besten Grüßen -
JJ
 
Irgendwo hab' ich jetzt gelesen, daß bereits im frühen Mittelalter/in der ausklingenden (!) Antike die Buchstaben b durum und b mollefür Vokalmusik benutzt wurden.
Weil das untere b einen runden Buchstaben hatte, wurde es weiches b, das obere b nach seiner eckigen Buchstabenform hartes b genannt.

Der Artikel aus Sulzers Lexikon zeigt sehr schön, wie sich im 18. Jahrhundert die Bezeichnungen Dur und Moll für die durch ihre Medianten definierten Tongeschlechter durchgesetzt hatten. bey ältern Schriftstellern hieß das wohl modus major und modus minor, soweit ich weiß, und molle und durum bezogen sich nur auf eine Tonstufe.

Übrigens handelte Guido von Arezzo sich wohl etwas Ärger ein, als er das Singen nach der do-re-mi-Methode einführte. Vielleicht waren seine Mitmönche Neuerungen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen, oder sie ärgerten sich, daß man die Gregorianischen Choräle jetzt viel schneller und leichter lernen konnte. Daraus müßte sich doch ein Mittelalter-Krimi machen lassen!
 
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