Liebe Leute,
doch, es kann weitere Ursachen für die beschriebenen Beobachtungen geben, - verursacht durch Baugruppen, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab und die her weniger mit PE-Erde und genutzter Phase zu tun haben. Mich wundert es gerade, dass auch der E-Fachmann in Threat nicht auf diese Dinge zu sprechen kam.
Dagegen nutzt auch kein Erdstab bis zum Mittelpunkt der Erde ... Aber nun Spaß beiseite. Es geht bei der Sicherheit für Leib und Leben des Musikers um ein ernstzunehmendes Thema. Also packen wir es mal an.
Vorab möchte und muss ich meine Enttäuschung über den Musikus-Fachhandel kundtun, darüber, wie wenig (bis gar kein) Elektrik-Grundwissen die meisten der ausgebildeten Fachverkäufer von Amp.-Produkten haben, beraten aber oft mit gewisser Selbstsicherheit (woher auch immer) arglose Gitarristen-Kunden mit Pseudo-E-Fachwissen oder Meinungen von ebenso fachwissen-befreiter, selbständiger Handelsvertreter einiger Hersteller. Mit u.U. den schlimmen Folgen.
Da dem armen Kunden, der sich weiterhin blutige Lippen am Mikro oder verbrannte Fingerkuppen beim Fingerpiking holt, weiterhin nicht fundiert geholfen wird, gibt es dann diese Themen hier im Musikerboard. Oder gibt es vielleicht vergleichbare Foren mit solchen Fragen wie "Welches PE-Kabel muss ich in meinem Haus-Stromverteiler-Kasten umverdrahten, damit sich mein Trockenrasierer nicht mehr an der Wange festbrennt ?" Nein. Davon lassen wir die Finger. Und holen ohne jede Diskussion den Fachmann. --- Aber der Laie probiert es arglos an Hunderte-kW-bestromten Bühnen ! Hilfe ! Naja, vielleicht sorgt das für Adrenalin. Zumindest bei mir, wenn ich darüber in den Foren lese.
Ich rede mich (als Gitarrist und Elektronik-Ing. mit vielen Jahren Erfahrung als Entwickler) unter Musikern und vor (elektrisch-ahnungslosen) Verstärker-Verkäufer oft fusselig, komme aber selten durch. Die Menge der Fragen und der fragenden Musiker wird immer größer. Wundert mich aber nicht, denn die Signaltechnik der Bühnen wird immer komplexer. Eine Mindest-Ausbildung in Sicherheit an E-Anlagen für PA- und Amp-Verkäufer gibt es wohl nicht, -- Hauptsache man weiss, was cool klingt und cool aussieht.
Will's kurz halten und niemanden unnötig in elektronischer Schaltungstechnik belehren. Also bei Physik-Phobie bitte JETZT zum letzten Absatz springen!
Zum Signalweg der Gitarre und dessen Erdbezug vorab ein paar vielleicht überraschende News: Es ist seit Jahren nicht mehr so, dass der (Sicherheits-!)Schirm der Gitarre (der an der Metallbridge zu liegen hat und somit 0Ohm zum Schirm der Out-Buchse haben sollte) zwingend durch alle neuen Effekte, Pedale und Modeler-Racks bis zum Amp geht. Irrtum.
Und nein, es ist nicht mehr so, dass bei aktiv- arbeitenden Pickups überhaupt noch die Bridge der Gitarre an die Out-Masse gelegt ist. Diese Fräsung für die GND-Leitung zu den Bridge-Schrauben sparen manche Hersteller (wo die Sonne aufgeht...) einfach ein. Denn die aktiven brauchen diese Masse nicht. Damit endet der Schirm des Kabels noch VOR den Saiten, er geht nur bis zum (-) des PU-Switch. Mit allen Gefahren für den Musiker.
Betroffene: Gerne mal nachmessen.
Und weiter:
Gerade die digitalen Effekte arbeiten mit DA/AD-Wandlern und kleinen Prozessoren dazwischen, die nicht 0-bezogen arbeiten, da sie ansonsten bei dem ganzen E-Schmutz auf PE ständig abstürzen und neu booten würden. Solche "digitalen Kracher" würde den Gitarrenamp oder über DI die PA gefährden. Also undenkbar.
Die Effekt-Baugruppen werden über isolierte AC/DC-Wandler aus Steckernetzteilen versorgt, sind also streng isoliert aufgebaut und haben nur eine sog. "isolierte-Quelle-Erdung", eine Art Hilfs-Erde, damit sich nichts im Effekt statisch aufladen kann. Das ist nur ein R in kOhm-Bereich gegen Masse der Out-Buchse, aber keine Verbindung zu PE mehr. Das ist keine Dummheit der Entwickler (bin selber einer, muss mich also erklären), sondern eine notwendige Lösung, - ein Work Around. Nur uralte Effekte und sehr einfache analoge Schaltungen (oft Boutique-Teile) ziehen Masse von In nach Out durch. Was aber in großen Pedalboards und langen Signalketten Brummen provoziert. Irgendwann gibt es dort Ausgleichsströme mit der Grundfrequenz 50Hz u. Vielfache davon. Wenn nicht, dann hat es einen meistens unguten Grund. (messen wir unten noch aus..)
Weiterhin gibt es etliche analoge Switches und aufwendigere analoge Router im Markt, die ein GND-Lift intern zum Out haben, um nicht Brummschleifen zwischen versch. Amps zu erzeugen. Wenn PE also nicht an JEDES isolierte Gerät geführt ist, ist dort auch PE unterbrochen. (Mit den Folgen für die Lippen...)
Soweit klar ? Kennen alle Brumm-Geplagten.
Technisch gute Lösungen (gegenüber diff. GND-Lift) sind Transformer-Schaltungen, womit eine saubere Auftrennung von Signal-GND und Supply-GND gelingt. Dann brummt es nie UND der Gitarrist ist in Sicherheit. Das aufwendig und gelingt leider nur in festen Rack-Aufbauten oder im Studio: man hat dann sozusagen 2 getrennte Massen für EIN Signal, die erst kurz vor der Endstufe zum Stern geschaltet werden. Das ist dann perfekt, denn Ableitströme fließen nicht über Signalerde.
Diese ersten beiden (bzw. 3) Dinge müssen dringend beachtet werden, bevor man sicher behaupten kann, alles sei blitzsauber geerdet.
Mein Tipp für die nächste Probe: Ein Multimeter mit Wid-Messung besorgen (sollte man aber immer im Koffer haben, wenn auf fremde Bühnen geht, bitte immer frische Batterie dabei !...) und mal den R zwischen a) der Gitarrensaite (Gitarre bitte umhängen) bis b) zu einer PE-Klemme an dem Spannungsverteiler messen, an dem der Amp versorgt wird. Dazwischen sollte nicht mehr als 0,8...1,0 Ohm zu messen sein, am besten darunter !
So, nun wird's komplizierter. Bisher war alles niederfrequent und gut überschaubar. Nun wirds hochfrequent, unsichtbar und auch böse.
Grundsätzlich müssen wir nun einen Trennung machen: zwischen niederfrequenten Störsignalen und hochfrequenten Störern in isolierten Versorgungsschaltungen. Letztere gab es in der Musikwelt der 50..80er Jahre noch gar nicht. Leo Fender hatte also damit noch nicht zu kämpfen.
Jeder kann sich vielleicht an ein Kribbeln erinnern, wenn man das (Birnen-)-Alu-Notebook gerade auflädt und leicht das Gehäuse berührt. Oder wenn der DVD-Player ein Alugehäuse hat und es sich kribbelig anfühlt, wenn man die Oberfläche leicht berührt ? Hier liegt der Hase im Pfeffer. Das sind nicht unerhebliche HF-Ausgleichsströme, die in Schaltwandlern entstehen, enorme Energie haben können und überall gegen 0 abfließen. Gerne auch über die Haut, was über die der Lippen besonders wehtut.
Tja, diese Schaltwandler erobern gerade unseren Planeten, sie sind die Nachfolger früherer Netztransformatoren-Kästen. Diese Wandler sind sehr praktisch, denn sie sparen Raum, Gewicht, machen weniger Wärme, sind billig herstellbar und können dicke Leistungen. Jedes Gerät, dass als Supply-Eingang nur noch ein DC-Eingang hat, aber einen "dicken Stecker" dabeiliegen hat, holt sich einen weiteren "Schmutzfink" ins Haus. Allein durch die Handy-Nutzung werden fast Millarden solcher Dinger betrieben. Ja, auch die in-der-Presse-hoch-gelobten neuen 9VDC-Supplies von ääähh.. CHEF sind im Inneren nichts anderes als HF-Spritzen. Es ist nun mal deren Physik.
Bei den im MHz-Bereich schaltenden Stromwandlern im Inneren der Wandler entstehen enorme Spannungs-Spitzen an den HF-Transistoren, die so steil und energiereich sind, dass man sie nicht mehr mit herkömmlichen Kondensatoren gegen Masse kurzschließen kann, sie sind schlicht zu LANGSAM, - aber sehr gut auf der Haut zu merken. Die Entstörung dieser Spritzen, die nur 10...100 Nano-Sekunden lang sind, ist technisch aufwendig, sehr teuer und verlangt Spezialbauelemente, die oft von Herstellern eingespart werden. Addieren die Spannungsspitzen sich von mehreren Geräten in einer Kette zu einem ganzen "Schwall", also zu einem hohem Störsprektrum, zB. auf einem PE-schwebenden Schirm, dann empfindet man das bei Berührung als millionenfachen Stromschlag. Also sehr sehr viele im 10...100 Nano-Sekunden-Takt. Daher fühlt es sich "anders" an, sehr fies unangenehm, aber nicht so schlagartig und "verkrampfend" wie ein 230V-Anfasser. (hier spricht die Erfahrung... :-(
Die Entstörbauelemente, die das aushalten und zum Teil glätten, also zB HF-Entstörkondensatoren für Wandler (sog. Hochvolt-MLCC), die ich in 9VDC-Wandlern für Pedalversorgungen einsetze, haben eine Mindest-Spannungsfestigkeit von 1.000 V (!) Zur Sicherheit baue ich bei stärkeren Wandlern sogar 2kV-Typen ein. (2.000 Volt!)
Soweit erst mal der Hintergrund dieser neuen Phänomene, - ich hoffe, noch verständlich erklärt. Die Lösung hierfür ist etwas komplizierter und wird umso aufwendiger, je mehr digitale Komponenten (ja, auch die Notebooks und Ei-Geräte gehören dazu !) in der Signalkette verwendet werden. Auch wenn sie nur remoten. Denn die nutzen eigene Massen UND bringen HF-Schmutz in die Ketten, der richtig wehtun kann.
Lösung ? Ja, es gibt sie. Ist aber nicht einfach.
Erster Tipp: Bitte als erstes dabei zögern, jedes billige Gerät bunt und durcheinander mit ..zig Wunderstecker über den 20. Unterverteiler versorgen, dann einschalten - und, sofern es nicht brennt, losspielen. Das geht heute schief.
Weiterer Tipp: je billiger ein Gerät mit über 500 Funktionen ist und um so heisser dessen Mini-Steckernetzteil dabei im Betrieb wird, desto größer ist dessen Stör-Giftspritze. Im Zweifel: besser mit hochwertigen AC/DC-Netzteilen, die primär einen Schukostecker haben, versorgen ! Also auf NORM-Spannungsversorgung achten.
Grundsätzlich, so meine ich, muss man sich mal mit einem Fachmann zusammensetzen, um ein Versorgungskonzept UND ein Erdkonzept der ganzen Bandtechnik zu erstellen. Dazu gehört heutzutage auch eine niedrig-induktive HF-Erdung sowie eine durchgängige Schutzerdung. Einmal ordentlich gemacht, gibt es danach weder Brummen, noch festgebrannte Finger, noch HF-Strom-gefolterte Sängerinnen. Nur würde eine umfassende Beratung darüber ein Fachbuch füllen; es passt hier nicht her. So gerne ich das wollte. Vielleicht später mal..
Ich wollte zumindest auf die physikalischen Hintergründe aufmerksam machen und mal sensibilisieren. Es ist nicht immer "die Masse" - es gibt nun leider mehrere. Die einfache Welt der 50Hz ist nun vorbei. Die neue (Birnen-)Welt ist digital, viel bunter und lauter, - bringt aber leider neuen, unsichtbaren "Schmutz" mit, der nicht unter alte Teppiche passt. Die Physik verhandelt nicht mit uns.
Auch nicht mit Musikern.
Sorry für die Physik-Stunde zu Neujahr ...
alles Gute für alle Gitarristen und Bassisten in 2015 !!
Gast138255