Ich denke nicht, dass du dich da zu weit aus dem Fenster lehnst. Wenn ich das richtig verstehe hat der Hammer ja (außer vielleicht bei einer beschädigten Mechanik o.ä.) nur einen möglichen Weg zur Saite, somit unterscheiden sich "verschiedene Anschläge" eben nur von der Velocity. Was das Spielgefühl, abgesehen davon dass ein gesampletes/simuliertes Instrument nie alle Details eines realen bringen kann - vor allem ausmacht ist denke ich vor allem die wirklich mechanische Klangerzeugung, also dass das gesamte Instrument in Vibration versetzt wird.
Genau so sieht es aus. Für den Zuhörer gibt es pro Saite ausschließlich den Parameter "Velocity", mit dem der Hammer auf die Saite trifft.
Für den Spieler macht es einen Unterschied, welche Kraft an welcher Stelle der Taste welchen Velocity-Wert erzeugt (und zusätzlich Parameter wie Trägheit der Taste und der ganzen Mechanik - weil die Kraft-Geschwindigkeitskurve anders ist, wenn ich mit wenig "Anlauf" kraftvoll auf die Taste drücke oder mit wenig Kraft, aber viel Schwung die gleiche Velocity erzeuge.
Nachdem aber der Hammer nur in einer Dimension beweglich ist und das letzte Stück Weg sogar "frei fliegend" (ohne mechanischen Kontakt zur Taste) zurücklegt, gibt es für die
Tonerzeugung nur einen relevanten Parameter: Velocity. Alles andere hat seine Berechtigung, solange wir über die Mechanik reden. Und da macht es natürlich einen Unterschied, ob ich einen Flügel spiele, ein Upright, bzw. ob meine Midi-Signale aus einer flach bauenden "Standard"-Hammermechanik a la Fatar TP40GH, einer mehrteiligen Mechanik wie Kawai RH, oder womöglich über ein Silentsystem (Anschlagleiste) aus einem echten Klavier kommen.
Für die Frage nach Physical Modelling vs. Samples ist
diese Frage IMHO nicht von Belang - es sei denn, jemand kann mir schlüssig erklären, welche anderen Parameter außer der Velocity und dem Zeitpunkt des Anschlagens und Loslassens noch in die Tonerzeugung eingehen sollen. *)
Ebenfalls unabhängig von der Art der Tonerzeugung ist die Frage, wieviel akustische / haptische Rückmeldung ein Instrument dem Spieler gibt: Das ist rein eine Frage der verwendeten Mechanik einerseits und der ins Instrument eingebauten Lautsprecher und evtl. vorhandender Resonanzelemente. Ich behaupte allerdings mal ganz frech, dass ein virtuelles Instrument, was all diese Aspekte perfekt imitiert, am Ende nicht leichter, kleiner oder preiswerter sein wird als ein echter Flügel.
Interessanter wird es bei der Tonerzeugung schon eher, wenn man berücksichtigt, dass ein Hammer nicht nur eine ruhende, sondern auch eine noch schwingende Saite treffen kann - und das sicher anders klingt als immer nur ein statisches Sample für jede Velocity-Stufe. Bzw. die Wechselwirkungen der Saiten untereinander, Resonanzen etc. - da hat
konzeptionell natürlich das Physical Modelling die Nase vorn. Allerdings würde ich - bevor man sich an sowas macht - erstmal daran arbeiten, das PM bei Klavieren auf ein Niveau zu heben, das den besten verfügbaren Sample-Libraries entspricht. Und da ist (wobei ich zugeben muss, da nicht ganz auf dem aktuellen Stand zu sein) IMHO noch etwas Nachholbedarf, bzw. verfügbaren Soundbeispielen nach ist man da jetzt seit vielleicht (gerade mal) 2-3 Jahren angekommen.
Unabhängig vom technisch Machbaren sowohl bei Samples als auch bei PM halte ich übrigens aus der Erfahrung der letzten paar Jahre einen hybriden Ansatz für am Erfolg verprechensten: Anschlaggeräusch und Grundklang aus Samples, zusätzliche Resonanzen etc. per PM. Oder ähnlich. Mich haben in dieser Variante schon mehrere Ansätze - jeweils verglichen mit dem Stand der Technik zu der jeweiligen Zeit - jeweils nachhaltig überzeugt, darunter das GEM RP-X (nicht unbedingt klanglich so weit vorne, aber man merkte damals, was mit dem Konzept geht), die E-Piano-Engine des Kronos, die alte B4, etc...
*) Es sei denn, wir reden möglicherweise von Samples/der Simulation von Mechanikgeräuschen, die aus der Tastatur oder der Dämpfermechanik etc. herrühren - da mag das sein.