Hi,
ich möchte inzwischen eigentlich an jeder Gitarre einen Tonregler haben - während ich früher tatsächlich auch nicht recht wusste, was ich damit anfangen sollte
.
In der Form, wie man es meistens vorfindet, ist das Tonpoti wohl auch nach wie vor für viele unbrauchbar. Das liegt mMn daran, dass sich Amps und Sounds verändert haben, diese Schaltungen aber seit etwa 1950 nicht mehr.
Die frühen Amps hatten gerade mal einen Volume- und einen Tonregler - wenn überhaupt. Pedale gabs nicht, und beim Spielen saß oder stand man an einem festen Platz im Orchester. Die Tonregler waren für die Variation eines Cleansounds ausgelegt, was anderes gabs ja nicht.
Heute empfinde ich passive Regler als große Bereicherung, die mir Möglichkeiten bieten, die ich mit dem Amp tatsächlich nicht erreichen kann.
Als leichte Variation des Höhenreichtums (... Gitarren ohne signifikanten Twang halte ich für kaputt...) taugen mir Tone-Potis schon - allerdings bevorzugt mit erheblich niedrigerer Kapazität als üblich. 22 und 47 in Reihe sind für diesen Einsatz etwa die Obergrenze, das sind effektiv etwa 15 nF. Unter 10 wird es wirklich interessant, da fein bis feinst regelnd.
Das ist schon mal ein ganz wichtiger Punkt, finde ich. Bei verzerrten Sounds ist es oft sehr viel besser, wenn nur die obersten Höhen beschnitten werden, da mit den Standard-Kondensatoren auch schon Hochmitten abgeschnitten werden, die man für die Definition gerade bei Distortion dringend braucht. Bei 10 nF habe ich zB an meiner Warmoth einen sehr schönen Wah-Wah-ähnlichen Verlauf - nicht so extrem, aber umso besser nutzbar.
Warum also einen Tonregler an der Gitarre?
1. Weil die Pickups dafür gebaut wurden.
Wer etwas Wert darauf legt, seinen Sound auch im Detail zu gestalten, wird früher oder später dazu kommen, PUs auszutauschen. Dabei sollte man wissen, dass die Hersteller einen PU nicht einfch isoliert entwerfen, sondern so, dass sie den gewünschten Eigenklang in einer bestimmten Umgebung entfalten. Dazu gehören in aller Regel bestimmte Potiwerte und auch ein Tonregler. Und diese Potis haben auch aufgedreht einen gewissen Einfluss auf den Klang. Nimmt man sie, wie bei manchen Gitarren möglich, mit einem "Lead Free"-Schalter ganz raus und schaltet zB den StegHB direkt auf die Ausgangsbuchse, steigen Output und Höhen an. Das kann aber auch zu giftig werden, gerade bei etwas cleaneren Sounds.
Ein extremes Beispiel sind die Bill Lawrence-HB. Vielen kommen sie viel zu scharf und schrill vor, andere wie Dimebag Darrell lieben und nutzen genau das. Bill Lawrence hat sie ursprünglich aber deshalb mit so hohem Output und hoher Resonanzfrequenz entworfen, weil er dadurch mehr Raum schaffen wollte für allerlei passive (Zitat:" Batterien gehören in die Taschenlampe") Schaltungskniffe.Denn passiv kann man bei einem PU nur Output verringern und Resonanzfrequenzen absenken. Er hat dann verschiedene Spulen und Kondensatoren kombiniert, um ganz andere, auch "klassischere" Sounds zu produzieren als man sie heute mit die PUs assoziiert.
Auch die Seymour Duncan-HB im SC-Format wie Lil' 59, JB jr. usw. sind nicht etwa für 500 KOhm-Potis entworfen, wie man sie sonst bei HB verwndet, sondern dafür, ihren beabsichtigten Sound in einer klassischen Stratschaltung mit 250 KOhm-Potis zu entfalten - damit man sie 1:1 in eine Strat bzw. Tele bauen kann, ohne dass sie zu dumpf klingen. Denn mit neuen 500er Potis hätte man wieder das Problem, dass die verbliebenen SCs nicht mehr so klingen wie vorher.
2. Der Tonregler bewirkt ganz anderes als die Amp-Klangregelung.
Zunächst mal, dass er
vor dem Amp sitzt, und damit auch vor jeder Verzerrung. Wie man zB an einem Vergleich Fender/Boogie Mark-Serie (Regler vor dem ersten Volume bzw. Gainpoti) vs. Marshall- oder Rectifier-Klangregelung sieht, macht es auch innerhalb des Amps einen gewaltigen Unterschied, wo Klangregler sitzen. Dreht man bei einem Tweed-Amp oder einem Mark II-Boogie viel Bass rein und fährt ihn in die Zerre, wird es bröselig und matschig ("farting out").
Auch wichtig ist der Umstand, dass der Regler nicht einfach linear die Höhen zurücknimmt. Er tritt in Wechselwirkung mit der ganzen Schaltung und verschiebt die Resonanzfrequenz des PUs. In ganz zugedrehtem Zustand gibt es dann direkt unterhalb des Bereichs, der abgesenkt wird, einen kräftigen Buckel als Resonanzüberhöhung. Das kann man für besagte Wah-ähnliche, mittige Sounds nutzen, aber eben nur dann, wenn dieser Buckel in einem musikalisch nutzbaren Bereich sitzt. In meiner Strat mit Dimarzios (gestackte SCs) kann ich mit 5 nF und fast ganz zugedreht eine ganz passable HB-Imitation hinbekommen.
3. Gainregelung von der Gitarre aus per 50s Wiring.
Lötet man den Tonregler nicht an den Eingang, sondern den Ausgang des Volumepotis, verändert sich die Interaktion beider Potis. Dabei entstehen wesentlich vielfältigere und mMn besser nutzbare Varianten als beim heute ganz überwiegend verbauten Modern Wiring.
- Weniger Höhenverlust beim Zurückregeln des Volume. Einer der Hauptgründe dafür, dass Volume oft nur als Stummschalter genutzt wird, ist der Höhenverlust beim Zurückdrehen.
- Weniger extreme Wirkung des Höhenreglers, damit mehr praktisch nutzbarer Bereich.
- Anders kaum erzielbare Sounds beim leichtem Zurückdrehen von Volume
und Tone. Hier wirds beim Modern Wiring sehr schnell extrem dumpf und unbrauchbar, beim 50s werden eher die Mitten ausgedünnt und der Amp klart auf.
Klar ist: Nicht jeder braucht diese Möglichkeiten, und für manche Soundvorstellungen kann es durchaus besser sein, den Ton durch Weglassen der Tonregler noch ein wenig höhenreicher zu machen. Für die Masse der Gitarristen ist es aber mMn absolut lohnend, sich mal ein bisschen mit dern Reglern auseinanderzusetzen und sie ggf. etwas an die eigenen Bedürfnisse azupassen.
Gruß, bagotrix