Vom Lagerfeuerholz zum Akkordeon - Teil II

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So, man soll sehen, daß sich inzwischen etwas getan hat und auch der Ippensteiner ein Fünkchen schlauer geworden ist. :D

Hier also nun Teil 1 der Überholung der Supita - Teil 2 gibt es, wenn ich von meiner Kur zurück bin:

Es war einmal vor langer langer Zeit, als sich ein kleines Lichtchen am Akkordeon ein Schnäppchen aus dem Internet gekauft hatte... Schnäppchen deshalb, weil es dann doch immer etwas zu tun gibt. Im Faden https://www.musiker-board.de/vb/akk...er-supita-kennt-die-jemand-6.html#post3848396 finden sich auch ein paar Bilder, wie ich schon die Baßmechanik repariert habe. Heute geht es der Supita aber richtig an den Kragen:

Mir blutete am Montag das Herz, als ich, nachdem ich sie ein letztes Mal gespielt hatte, daran ging, sie auseinanderzulegen und ihr die Stimmplatten auszubrechen. Am besten geht das, wenn man mit dem Schraubenzieher bis zum Kanzellenende geht und dann anhebt.
Bevor man aber soweit ist, sollte man sich ein System überlegen, die Stimmplatten zu ordnen und auch Bilder machen, um später zu wissen, bis wie weit ventiliert werden muß.
Hier also ein paar Photos. Man sieht auch deutlich den Schmutz und das alte Wachs, das man von den Stimmstöcken mit einem breiten Stemmeisen herunternimmt. Am Schluß müssen die Stimmstöcke sauber und fettfrei sein. Da ich kein Stemmeisen zur Hand hatte, mußte die unscharfe Klinge eines Teppichbodenmessers herhalten, die, wenn man sie gerade hält, das Wachs abschabt, aber das Holz in Ruhe läßt. Zumindest klappte es bei mir. Ist das alles gemacht, geht man mit dem Heißluftfön drüber und schmilzt das restliche Wachs weg. Alle Stellen, die nicht zum Wachskleben benötigt werden, werden danach mit Ballistol eingeschmiert. Diese Tips bekam ich von Thomas Hoffmann, mit dem ich zusammenarbeite. Da er nicht weit weg wohnt und ein Herz für Menschen hat, die ihr Akkordeon selbst reparieren wollen, war er nun für mich der Anlaufpunkt. Nebenbei verstehen wir uns auch sehr gut. Da man die Werkstatt sowie fast alle Werkzeuge mieten kann, ist das für mich auch ein gefundenes Fressen.

Der Arbeitsbericht sieht also folgt aus:
Stimmstöcke und Stimmplatten mache ich.
Die Baß- und Diskantmechanik wurde an einen Spezialisten übergeben. Im Baß bekommen die Mitnehmer Aufsätze, die sie leiser und reibungsfreier machen, ebenso werden die Mitnehmer justiert. Das sollte man auch nur mit Spezialwerkzeug machen, da sonst die Gefahr besteht, einen Mitnehmer abzubrechen. Und wenn man dann alles ausbauen muß, ist das nicht lustig...
Im Diskant wird ebenfalls die Register-Mechanik eingestellt sowie das Generalregister umfunktioniert. Die bisherige Schalteinheit ist leider höchst unwirksam, so daß wir das so umbauen, daß das Generalregister in Zukunft auf die Schieber greift. (So machen es auch manche Italiener).
Für die Diskanttastatur muß auch der Spezialist ran, da ohne Spezialwerkzeug und viel Einfühlungsvermögen die Stange nicht entfernt werden kann, um die Tasten zu reparieren. Aufgrund des ausgespielten Zustandes mancher Tasten ist da dringend Handlungsbedarf.

Zurück zu den Stimmplatten. Nachdem sie abventiliert waren, kamen sie über Nacht in ein Acetonbad. Aceton hat den Nachteil, daß es krebserzeugend ist und die Dämpfe ungesund... Daher hatte ich auch im Freien gearbeitet. Die Empfehlung lautet daher für Oranex, was ein umweltfreundliches und absolut unschädliches Produkt ist, das nebenbei auch als Putzmittel verwendet werden kann und alles riecht nach Orangen... aber es ist ja mein letztes Akkordeon, das ich selbst zerlege... auch wenn mir Thomas das nicht glauben mag. :D

Bisheriges Zeitergebnis: Stimmstöcke ausbauen, Stimmplatten raus und Ventile ab: 9 Stunden.
Reinigung im Bad und Säubern der Stimmstöcke: 7 Stunden.

Bei Fachmännern geht das freilich schneller, aber auch ich habe relativ zügig gearbeitet...
 
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Staub bekommt man mit einem Roßhaarpinsel aus den Ecken. Wasser hat am und im Akkordeon nichts zu suchen.

Die Stimmplatten standen über Nacht in den Bechern sortiert im Acetonbad. Mit Pinsel und Pinzette wurden am nächsten Tag Reste von Wachs und Kleber abgewaschen. Rost geht durch das Aceton (oder auch Oranex) teilweise ab. Mit Ballistol kann man den Rest einweichen und wegbekommen. Schwerem Rost muß mit anderen Mitteln beigekommen werden bzw. ist es auch eine Frage, inwieweit sich das lohnt...

Anbei habe ich auch ein paar Bilder von den Stimmplatten hochgeladen:

Die Stimmplatten der beiden nebeneinanderliegenden Baßstimmstöcke haben die selbe Tonhöhe, allerdings unterschiedliche Ausmaße, was natürlich auch jeweils anderen Klang hervorruft. Die Stimmplatten des Grundbasses sind noch größer und brauchen Ventile (mit Knopfloch gerechnet) mit einer Länge von knapp 7 cm. Soweit ich nun aus gut unterrichteten Kreisen weiß, handelt es sich hierbei um Bugari-Stimmplatten (a mano).

Ich habe auch eine Baßstimmplatte aus Klingenthal mit der gleichen Tonhöhe neben einer der Supita gelegt. Die unterschiedlichen Maße erklären einerseits den Luftverbrauch, andererseits natürlich den kräftigen Klang. Auf dem Photo sieht die kleinere Stimmplatte noch ein bißchen größer aus, was durch die Kameraaufnahme hervorgerufen wird... Zuguterletzt noch ein Bild eines Teiles der Werkstatt von Thomas.

Demnächst Teil 2 mit noch mehr Bildern, noch mehr Ventilen, noch mehr Wachs und noch mehr aufregenden Szenen!

Euer Ippenstein
 

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Hallo Ippenstein,

Daumen hoch für die interessante ausführliche Dokumentation des Reparaturberichts.
Ich würde es mir nicht zutrauen, an einem solch relativ "gutem" Akkordeon selbst herumzubasteln - auch nicht mit Unterstützung eines Fachmanns.
Was mich aber interessiert: Warum ist diese Überholung überhaupt notwendig? War die Supita schon abgespielt? Oder hat der Vorbesitzer sie nicht pfleglich behandelt?
 
Die Supita war aufgrund ihrer Besonderheiten eine Sonderausführung und wurde jahrelang auch geknechtet. Das sieht man an den abgespielten Mitnehmern im Baß sowie den ausgeleierten Tasten im Diskant. Das Wachs war alt, manche Ventile lagen nicht mehr gut an und die Stimmung war auch nicht mehr optimal. V.a. der 4-Fuß ist da ja empfindlich, was man auch auf den bisherigen youtube-Aufnahmen hören kann. Was auf den Bildern so schön aussieht, sieht in der Realität doch noch mal um einiges anders aus.

Daher immer Vorsicht vor einem Gebrauchtkauf von Privat. Am Anfang hat man immer die rosarote Brille auf und sobald man tiefer reingeht, kommt manchmal das böse Erwachen.
 
Hallo Andreas,

Hut ab vor dieser Arbeit und vor allem: Dem Mut dazu!! Kann mich da nur Wil anschließen...
Ich wünsche dir sehr, daß Dein mut richtig belohnt wird und Du anschließend eine TOP-Supita hast. Vielleicht könne wir das Ergebnis Deiner Arbeit ja beim Bayrisch-Fränkisch-Schwäbischen Treffen bewundern!?

Weiter so
Roland
 
Ich hoffe doch, daß sie bis dahin fertig ist. Habe jetzt schon Entzugserscheinungen. *heul* Ich glaube, ich verkaufe alle anderen Akkordeons, da mich keine andere so glücklich macht wie meine kleine Supita.
 
Nachdem also alle Stimmplatten vorgereinigt waren, wurden sie ein paar Tage in WD-40 gebadet, um dem Rost Herr zu werden. Ob man mit Schleifpapier, Messingbürsten oder Glasfaserstifte rangeht, wichtig ist, daß der Rost gestoppt wird und die Zungen nur angerostet und nicht verrostet sind. Nach dem Rostlöserbad setzte ich die Stimmplatten nacheinander in zwei Aceton-Waschmaschinen (in Zukunft nehme ich Oranex, da das viel gesünder ist) - eine für die Vorwäsche, eine für das Nachreinigen. Den Durchgang machte ich zwei Mal und wechselte zwischendurch die Flüssigkeit. Ziel war, daß keine Öl- oder Wachsrückstände mehr vorhanden sind.

Eine ganz wichtige Sache darf natürlich nicht vergessen werden: Man sorge dafür, daß die Sätze sortiert sind und genau jedem Stimmstock zuordenbar ist. Ich habe deshalb meine Stimmstöcke je Seite numeriert und ebenfalls die Becher numeriert. Ebenso muß ersichtlich sein, was die Außen- und die Innenseite der Stimmplatte ist und ob sie ventiliert sein muß oder nicht und ob sie normal eingewachst oder um 180 Grad gedreht eingewachst wird.

Danach ging es nun ans Ventilieren. Welchen Kleber man für die Ventile nimmt, lasse ich außen vor, da jeder HZIM seinen Favoriten hat. In meinem Fall war es auf Empfehlung Uhu Pattex Extreme Repair. Der Vorteil: Ist ein Ventil nicht in Ordnung, läßt es sich mit dem Uhu rückstandsfrei von der Platte ziehen.
Zuerst werden die Sätze nach Tonhöhe sortiert, um später auch keinen Fehler beim Einwachsen zu machen.
Die Innenventile sind ein wenig nach innen zeigend gesetzt, so daß sie nicht an der Kanzellenwand streifen.
Von jedem Satz wurde nun eine Seite ventiliert und das ganze dann einen Tag zum Trocknen stehengelassen. Danach wurden die Ventile mit der Ventilschere auf die richtige Länge zurechtgestutzt, so daß im Idealfall das Ventil gerade über den Schacht reicht. Ein Satz Baßventile paßte nicht, also wurden sie mit der Lochzange passend gemacht.
Dann ging es zum Einwachsen.

Wenn genügend Platz auf dem Stimmstock ist, legt man die Platten sauber auf den Stimmstock auf und fängt das Wachsen an. Wichtig ist dabei, daß die Platten nicht verrutschen und kein Wachs an die Stimmzunge oder die Ventile kommt. (Ist mir aber passiert...)
Ein gutes Verfahren ist der Wachstopf und passende Wachslöffel. In meinem Fall hatte ich zwei mit Öffnungen von 1 mm und 1,5 mm. Aber irgendwann wollten sie nicht mehr so wie ich wollte, weshalb ich mir dann aus dem, was die Scheune hergab, einen eigenen Wachslöffel baute (Bild 5+6). Durch diese Form läuft das Wachs viel schneller, aber das Fassungsvermögen ist sehr niedrig. Trotzdem war ich mit diesem und ein bißchen Übung um einiges schneller und wenn man aufpaßt, kleckert es auch nicht. Kleckert man aber, ist der Schaden groß...
Im Übrigen fehlte mir beim 4. Bild eine Stimmplatte. Wer den Fehler findet, darf ihn behalten. :rolleyes:

Wenn man aber nicht genügend Platz hat, muß man die Platten stoßen. Dazu taucht man die Platte vollständig... :D also NUR mit einer Seite ganz knapp in den Wachstopf und legt sie dann an die andere Stimmplatte und die Kanzellenwand an und drückt sie sauber drauf. Ist man am Schluß fertig, werden Stimmplattenkopf und Fuß noch normal eingewachst.

Danach wird die Außenseite ventiliert und zurechtgeschnitten. Im Idealfall ist alles gut verlaufen und der Stimmstock ist fertig. Aber beim Stoßwachsen gab es doch ein paar Fehler, die dann beim Anblasen auf dem Probierbalg ersichtlich wurden, so daß ich noch mal einige Stimmplatten aushebeln und putzen mußte (Bild 8). (Plastikventile mögen kein Aceton, weshalb man das auch weglassen sollte).

Nun sind die Stimmstöcke für den Einbau fertig und ich harre der restlichen Teile, um die Supita wieder zum Klingen zu bringen. Ich freue mich schon wie ein kleiner Bub auf den Weihnachtsmann... ;)

Zeit: Für das Ventilieren brauchte ich für die Innenseite ca. 8 Stunden, für die Außenseite 2-3 Stunden.
Für das Wachsen, da die Wachslöffel irgendwann innen dicht wurden und ich das nicht in den Griff bekam, bis ich den eigenen Wachslöffel hatte, 4 Stunden.

Aufgrund der Übung, die ich nun habe, würde ein weiteres Akkordeon die Hälfte der Zeit dauern.

Bis demnächst

Euer Ippenstein
 

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Na das sieht doch schon mal ganz gut aus!

Wo hast du denn da Rost? da seh ich nirgends einen; oder hast du uns den vorenthalten?

So auf die Entfernung durch den Monitor würde ich bei den Stimmstöcken mal schätzen: Buche mit Ahorn gemischt, passend zu einem parallel laufenden Thread.

Jetzt aber hurtig zum Hzim, denn 7.11. ist bald, ich will doch die Kiste hören!

Gruß,
maxito
 
Wo hier so eifrig gebastelt wird hätte ich dazu nochmal ne Frage. Bei den Arbeiten hier und im Thread "Vom Lagerfeuerholz zum Akkordeon Teil 1" wurde die bassmechanik immer unangetastet gelassen.

Kann man die Mechanik am Stück herausnehmen ohne den kompletten Kram zerlegen zu müssen, oder zerfällt diese dann sofort in ihre Einzelteile?

Ich hab ja auch noch mein momentanes Spielinstrument und bald wieder Bastelinstrument, sobald ein neues Gebrauchtes zum täglichen Spielen vorhanden ist und würde da gerne alles in Holz haben, also muss die Bassmechanik raus.

Gruß,
Brückentroll
 
Hallo Andreas,

Hut ab! Echt klasse. Wenn Du fertig bist, lässt Du Sie dann nachstimmen (vielleicht selber stimmen?). Oder wird das nicht notwendig sein.

Gruß
 
Hallo Scheufele,

inwieweit sie gestimmt werden muß, sehen wir, wenn wir das Stimmprotokoll machen. Über das Stimmen wird es nochmal eine große Erläuterung geben.

@ Brückentroll,

es kommt auf die Baßmechanik an. Die der Hohner Organola läßt sich am Stück herausnehmen, andere müssen zerlegt werden. Die Baßmechanik der Supita B ist hochkompliziert und wird Stück für Stück herausgenommen.

In Deinem Akkordeon könnte eine (Plastik-)Mechanik sein, die im ganzen Stück ein- und ausgebaut wird.

Viele Grüße

Andreas
 
Ich hatte ja innig gehofft, daß meine Supita schon fertig ist, als ich zu Thomas fuhr. Leider ist sie es noch nicht, dafür aber ging es ans Vorstimmen der Horch.

Wer sich noch erinnert: Vor einem Jahr habe ich in einem Selbstversuch meine Horch herrlich verstimmt, weil die Voraussetzungen wie gutes Stimmwerkzeug und Stimmbalg fehlten. Dafür gingen aber etliche Stunden drauf.

Gestern haben wir ein Stimmprotokoll entworfen und siehe da: Abweichungen bis zu 25 Cent. Es war auch keine Freude mehr, mit der Horch zu spielen. Ich habe dann in 9 Stunden reiner Arbeitszeit (gelobt seien Stopuhren) die 4 Chöre des Diskants auf eine Fehlertoleranz von +/- 4 Cent gestimmt, damit sich das Material (und meine Nerven) beruhigen können. Die Horch klingt jetzt schon viel angenehmer, wenngleich es natürlich immer noch Ausreißer gibt und auch noch keine Oktavenreinheit vorhanden ist. Im zweiten Anlauf wird dann eine Toleranz von +/- 1 Cent bei 300 PA Spieldruck angestrebt.

Warum +/- 1 Cent bei 300 PA ? Umso mehr Druck man auf die Zunge gibt, umso tiefer wandert sie im Ton und je größer sie ist, umso höher ist die Abweichung. 300 PA sind der mittlere Spieldruck, mit dem am meisten gespielt wird. Ziel sind natürlich 0 Cent, aber die zu erreichen, ist schwierig und man kann auch erst eine Abweichung ab mehr als 2 Cent hören.
Würde ich jetzt mit der Horch spielen, die bei +/- 4 Cent Toleranz also bis zu effektiven 8 Cent bei zwei Tönen daneben liegen kann, würde man sie trotzdem schon als gut klingend einstufen.

Gearbeitet wurde am Stimmtisch, der eine Spieldruckkontrolle und mehrere Tonkontrolleinrichtungen hat. Gearbeitet wurde mit dem Proxon und 1 mm Schleifkopf. Wir probierten verschiedene Köpfe aus, aber der 1 mm (neu) brachte die besten Ergebnisse. Normalerweise stimmt man Stimmplatte für Stimmplatte und kontrolliert zwischendrin den Ton. Dies habe ich auch anfangs gemacht, ging aber bald dazu über, den kompletten Chor komplett zu stimmen, dann alle Töne nachzuprüfen und zu notieren. Was innerhalb der Toleranz war und höhergestimmt worden war, wurde dann erst einmal gehen gelassen. Da man mit den Stunden auch ein Gefühl bekommt, lag ich im letzten zu stimmenden Chor, der glücklicherweise auch schon halbwegs nahe am Soll war, im ersten Anlauf bei einer Trefferquote von 90 % bei +/- 2 Cent Toleranz. Durch die Bank mußte er tiefer gestimmt und so auch das Hochlaufen sowie das Zungenlegen gleich berücksichtigt werden.
Um besser arbeiten zu können, wurden die nicht benötigen Stimmstöcke ausgebaut. Der passende Druck der Schrauben wird durch einen Nm-Schraubendreher erreicht.

Ich hoffe mal, daß der nächste Durchgang dann schneller gehen wird und sich das Ergebnis hören lassen kann.

Durch die Übung an der Horch, deren Standardstimmplatten bei einem Totalverlust billig zu ersetzen sind kann ich mich auch nachher an die Supita trauen, bei der von Haus aus wohl nur wenig nachkorrigiert werden muß. Die Consona war im Test selbst nach 30 Jahren noch sehr stimmstabil: Die allermeisten Stimmplatten lagen sauber auf dem Soll (außer dem Piccolo...)

Die größte Herausforderung werden beim Stimmen die Piccoloplatten sein. Die Horch hat aufgrund des Doppeltremolos ja keine Piccoloplatten.

Zwei Stimmzungen wollten partout nicht so wie ich es wollte. Ich werde sie daher demnächst ausbauen und auf Gängigkeit, Sauberkeit und Nietfestigkeit kontrollieren.

P.S. Das Stimmen war (sch...) anstrengend, aber das Catering war super, daher auch das letzte Bild um 1 Uhr nachts, als ich fertig war.

Ich freue mich schon darauf, wenn es an die Supita geht. :)
 

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Zwischenstand Supita:

Die Supita hat nun eine überarbeitete Diskantregistermechanik, das Generalregister wurde komplett überarbeitet (neues Schaltsystem), die Diskantklaviatur wurde auf eine 3mm Achse neu aufgehängt - gebohrt etc., was sich nun noch setzen muß... die Baßmechanik wurde leichtgängiger gemacht.


1. Stimmung

Vorgestern begann das Stimmen, was ich aber nach 2 1/2 Stunden unterbrechen mußte. Gestern habe ich dann in einem Stimmmarathon von 11 Stunden die Stimmung von 441 auf 442 Hz angehoben.

Interessant waren die Meßprotokolle, die ich vor der Stimmung angefertigt hatte. Dämlicherweise hatte ich die des Diskants immer wieder überschrieben, beim Baß aber habe ich immer neue Protokolle genommen. Obwohl das Akkordeon klanglich nicht schlecht war, waren da Abweichungen im Rahmen von +/- 8 Cent. Im Baß sieht es noch viel schlimmer aus. (Protokoll lade ich noch hoch).

Die Stimmung erfolgte auf ein Soll von +/- 1 Cent auf 300 Pascal, der Diskant ist fast fertig (12 zu nachkorrigierende Töne in der Schwebung haben wir dann doch nicht mehr geschafft, was aber in der 2. Stimmung ausgebügelt wird. Ebenso wird der Baß noch fertig angeglichen. Momentan hat er zwar zwei Stimmungen durchlaufen, aber ich konnte die zweite Messung noch nicht durchführen. Er ist aber dem Soll nun schon recht nahe.

Wie stimmte ich? Zuerst machte ich ein Meßprotokoll des ganzen Chores. Dann baute ich die Chöre aus (gelobt sei da das Cassotto :) ) und gab jedem Ton nach Gefühl saures, bis ich meinte, daß es gut ist. Dann wurde wieder eingebaut und wieder komplett durchgemessen. Die Treffsicherheit war dabei sehr groß, so daß ich nur wenige Töne negativ korrigieren mußte und das auch in einem vernünftigen Rahmen.

Als ich am Baß war, wünschte ich mir ein Standardbaßakkordeon (48 Stimmplatten), da der Baritonbaß mit 116 Stimmplatten aufwartet.

Wenngleich die Schwebung noch nicht ganz fertig war, so habe ich sie komplett auf 6 Cent gestimmt. Klanglich ist damit eine Schwebung schon da, aber sehr schlank und man kann sie auch in Kombination mit dem M III nutzen, ohne große Schwebungen zu haben.

Ich freue mich schon auf die 2. Stimmung, in der der Baß zwar nochmal ran muß, der Diskant aber nur noch geringfügig korrigiert werden muß, da mehr als 95 % der Stimmzungen im Soll liegen und nur Tiefläufer ev. nachkorrigiert werden müssen.
 
Hallo Ippi,
mit was für einem Gerät machst Du Deine Messprotokolle? Ich beschäftige mich auch mit dem Thema selberstimmen und habe auch Literatur darüber (und Deine Beiträge). Wenn ich ein vernünftiges Messgerät habe, werde ich mir auch das nötige Werkzeug besorgen (und eine alte Quetsche zum probieren). Aber als erstes möchte ich damit beginnen Messprotokolle für die einzelnen Chöre zu erstelle, deshalb die Frage.
Gruß, Didilu
 
Übern Stimmtisch sind verschiedene Mikrophone angebracht, mit denen man die Messungen machen kann. Die Messung selbst kann dann über Peterson Stroposkop Software oder verschiedene mehr oder weniger teure Hardware gemacht werden. Wichtig ist bei der Nutzung von Software eine gute Soundkarte, die eine niedrige Latenz hat.

Die Messung geht aber schief, wenn man keinen Druckmesser hat. Manche Zungen sind über große Druckbereiche stimmstabil, andere verändern die Höhe schon bei einem Unterschied von 50 Pascal. Daher gelingt ein solches Meßprotokoll nur mit erheblichem Aufwand.

Viele Grüße

Ippenstein
 
Hallo Ippi,
mit was für einem Gerät machst Du Deine Messprotokolle? Ich beschäftige mich auch mit dem Thema selberstimmen und habe auch Literatur darüber (und Deine Beiträge). Wenn ich ein vernünftiges Messgerät habe, werde ich mir auch das nötige Werkzeug besorgen (und eine alte Quetsche zum probieren). Aber als erstes möchte ich damit beginnen Messprotokolle für die einzelnen Chöre zu erstelle, deshalb die Frage.
Gruß, Didilu

Hallo Didilu!

Ich erledige das mit Dirks Stimmgerät auf dem Laptop. Geht zwar für einen Profi (wer ist dass schon?) ein bißchen langsam, aber sehr zuverlässig. Die Protokolle können bequem ausgedruckt werden und alles ist sieht sehr schnuckelig und sauber aus.

Gruß umarksch
 
Zum Stimmen: Je tiefer, umso schlimmer, da die Einschwingzeit und damit die Zeit, bis man überhaupt messen kann, immer länger wird. Zudem wird die Stimmungsverwerfung immer größer, je tiefer es geht.

Und obwohl ich den Baß (bis auf den Tiefbaß) auf 300 Pascal sauber gestimmt hatte (ok... einige Töne hatten 2 Cent Abweichung, aber das wird dann in der Reinstimmung noch gemacht), klingt er immer noch nicht sauber. Langsam frage ich mich, ob ich die Flöhe husten höre. Zudem - wenn man sich die Tabellen in Richters Buch ansieht, so haben Serieninstrumente da Stimmungsfehler von bis zu 6 Cent, während selbst die guten Instrumente noch mit 2-3 Cent aufwarten.

Höre ich die Flöhe husten oder erwarte ich mehr als was Standard ist?

Eine Zunge ist beim leise spielen bedeutend höher als wenn ich lauter spiele. Hier schließe ich auf ein schlecht ansprechendes Ventil, das ich noch austauschen werde.
 
Hallo Andreas,

bringst Deine Supita am Samstasg aber trotzdem mit, oder?! Dann können wir ja feststellen, ob du nur die "Flöhe husten" hörst....

Bis Samstag
Roland
 
Na freilich bringe ich sie mit. Sie wartet ja schon ungeduldig auf Eure Meinungen. ;)

Momentan wechsle ich noch ein paar schadhafte Ventile aus, so daß sie am Woend fit ist. :)
 
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Das Urteil wird selbstverständlich vernichtend sein!:cool:

Denn wir sind nicht bestechlich!

Obwohl es nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Darreichung gefälliger Luxusartikel oder die Übergabe gebräuchlicher Scheine üblicher Währung in gefälligen Farben durchaus eine Verschiebung zum Positiven in den Bereich des Möglichen kommen lassen könnten!:D:D:D

Gruß,
maxito

(staatlich abgelehnter Prüfer und anerkannter Hobbimurkser)
 

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