Musikkonzerne haben ein handfestes Problem

topo
topo
HCA Recording
Ex-Moderator
HCA
Zuletzt hier
18.04.24
Registriert
05.07.04
Beiträge
8.885
Kekse
27.780
Ort
Frankfurt a.M.
Interview
"Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"
Tim Renner, ehemaliger Deutschland-Chef von Universal und Gründer der Radiostation Motor FM will im Internet Musikfernsehen machen. Er spricht mit Welt Online über seine Ideen.

1986 fing er bei Polydor an mit dem Auftrag neue Künstler zu entdecken. Diesen Job machte er ordentlich, erkannte er doch die Talente der Bands "Element of Crime" und "Rammstein" und der Musiker "Westbam" und "Philipp Boa". Er stieg auf zum Deutschland-Chef des Musikkonzerns Universal und verließ diesen 2004 nicht unbedingt einvernehmlich. Genervt war er von Kostenreduzierungen, Fusionen und Mitarbeiterentlassungen. Heute ist der 41-Jährige Chef, Gründer und Miteigentümer der Radiostation Motor FM. Ab September will er im Internet unter motor.de Musikfernsehen starten.

Welt.de: Herr Renner, der Autor Chris Anderson hat die "Long-Tail-Theorie" aufgestellt, wonach dank des Internets auch exotische Produkte ganz einfach zugänglich werden. Das große Geld wird demnach längst nicht mehr mit Hits verdient, sondern mit Marktnischen. Stimmt das?

Tim Renner: Zumindest bei der Herleitung stimme ich ihm zu. Auf dem Musikmarkt gibt es momentan zwei Bewegungen: Die Jugend fällt als Käuferschicht aus, weil sie sich zum Großteil die Musik umsonst verschafft. Und die ältere Generation ist an Musik interessiert, aber nicht hitgetrieben, weil sie einen diversifizierten Musikgeschmack hat. Sie kann plötzlich über das Internet bedient werden und hat kein Beschaffungsproblem mehr.

Welt.de: Trotzdem setzen die Musikkonzerne immer weniger um.

Renner: Der Musikmarkt ist in drei Segmenten zusammengebrochen. Der Single-Markt funktioniert nicht mehr, weil er schon immer nur die Jüngeren angesprochen hat. Die Compilation-CD ist verschwunden, was auch nicht wundert, weil ich mir im Internet eine Best-of-Liste selbst zusammenstellen kann. Zudem ist die Nachfrage nach mittelstarken Künstlern weggebrochen.

Welt.de: Was können die Konzerne jetzt machen?
Renner: Sie haben ein handfestes Problem, aber kein unlösbares. Sie haben die Verwertungsrechte für alte Songs, von denen viele immer noch nicht digitalisiert wurden. Diese Schätze müssen sie heben. Zudem ist ein Konzern als einziger in der Lage für Madonna oder Robbie Williams weltweit Werbedruck aufzubauen. Diese zentral vermarkteten Acts sind auch irre profitabel.

Welt.de: Konzerne werden demnach trotz atomisierten Geschmacks bestehen bleiben?

Renner: Es wird immer Konzerne geben. Es wird immer Superstars geben. Es wird auch immer Mainstream geben. Der Mainstream mag an Größe verlieren, aber auch im Internetzeitalter entstehen neue Stars.

Welt.de: Ist Erfolg noch planbar, wie einst mit Boygroups wie N¹Sync oder Take That?

Renner: Natürlich, nehmen Sie Tokio Hotel. Erfolg zu planen ist eine Kunst, die nur wenige können, aber es gibt sie. Das zahlt sich dann auch für die Konzerne aus. Tokio Hotel ist das perfekte Beispiel für ein Teenie-Produkt, das über hormonelle Ansprache funktioniert. Pubertierende und das meine ich nicht abwertend wollen jemanden zum bewundern, der sexy ist und mit dem sie sich gegen die Erwachsenen abgrenzen können. Das sind andere Grundbedürfnisse, als wenn unsereins Musik hört.

Welt.de: Weiß ich nicht. Ich verehre weiterhin Musikerinnen aus hormonellen Gründen.

Renner: Aber nicht so offensichtlich.

Welt.de: Okay, das stimmt. Haben Sie das Plakat gesehen, von den Mädels in Leipzig, die auf Tokio Hotel gewartet haben,..

Renner: ...auf dem stand, "Wir wollen eure Schwänze sehen? Oh ja, das war eine deutliche Aussage. Diese Radikalität traut sich nur die Jugend.

Das Gespräch führte Matthias Wulff

Artikel erschienen am Sa, 5. August 2006


aus : Interview: "Musikkonzerne haben ein handfestes Problem"


==========================================


Was meint ihr dazu und zu welcher Gruppe von "Musikbeschaffern" gehört Ihr ?



Topo :cool:
 
Eigenschaft
 
... Tokio Hotel ist das perfekte Beispiel für ein Teenie-Produkt, das über hormonelle Ansprache funktioniert...
Huch!
Toller Spruch!:D
Erinnert mich aber irgendwie an die Beatles-Konzerte...
(Ohne dabei Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen!)

...zu welcher Gruppe von "Musikbeschaffern" gehört Ihr?
Ich beschaffe mir selten Musik, die Musik kommt zu mir, in letzter Zeit meist über das Board...:great:

Tja, für Mozart z.B. kamen die Konzerne 250 Jahre zu spät, trotzdem ist er einer der Größten in der Musikgeschichte geworden - oder gerade deshalb? :rolleyes:
 
Welt.de: Weiß ich nicht. Ich verehre weiterhin Musikerinnen aus hormonellen Gründen.

:D

Ich gehöre zu den wenigen Jugendlichen, die den Wert eines Albums nicht dadurch honorieren, dass sie es sich komplett aus dem Internet saugen, sondern die sich legal über Streaming neue Bands erschließen und sich dann von denen eine CD zulegen ... oder mehrere.

Den Internetdownloadmöglichkeiten, legal wie illegal, kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Musik muss für mich in Albumform sein, Sampler kann ich auch nicht haben, genausowenig wie aus dem Zusammenhang gezogene einzelne Lieder.
 
Den Internetdownloadmöglichkeiten, legal wie illegal, kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Musik muss für mich in Albumform sein, Sampler kann ich auch nicht haben, genausowenig wie aus dem Zusammenhang gezogene einzelne Lieder.

Das könnte genauso von mir stammen.
Und das ist auch ein Grund für viele Künstler ihre Musik nicht auf ITunes zu verkaufen. Sie wollen das Album als Gesamtkunstwerk honoriert wissen und nicht einzelne Lieder. Habe gelesen, dass 'Il Divo'(wie bekannt sind die in Deutschland? residiere im Moment in Canada) die erste Band seit Led Zeppelin seien, die ohne Singleauskopplung ein Nummer1 Album hatten. Und das ist schon war, natürlich sind Singles wichtig, um im Radio und Fernsehen verbreitet zu werden, und trotzdem verwenden viele Künstler viel Zeit auf das 'sequencing'(ist das das Wort?) des Albums.
Zudem ist es schon komisch wie man von seinen Mitmenschen schräg angesehen wird, wenn man mit 10 CDs aus dem Musikladen kommt, da ja auf den Alben doch nur 2 oder 3 Lieder wirklich gut seien.
Das stimmt so eben nur für manche, für mich nicht.
 
vor allem stimmt das auch nur für manche Alben ;)
 
Und das ist auch ein Grund für viele Künstler ihre Musik nicht auf ITunes zu verkaufen. Sie wollen das Album als Gesamtkunstwerk honoriert wissen und nicht einzelne Lieder.

Das ist interessant. Ich würde gerne meine Musik über iTunes als Einzeldownload verkaufen.

Wie funktioniert das denn ?

Gruß
Emmex
 
Die werden dich fragen un ddu wirst ja sagen ;)

Radiohead sind da ein Beispiel.
 
topo schrieb:
Welt.de: Herr Renner, der Autor Chris Anderson hat die "Long-Tail-Theorie" aufgestellt ...
topo schrieb:
Renner: ...auf dem stand, "Wir wollen eure Schwänze sehen?

Aha, das also ist fundamentale Betriebswirtschaftslehre. Schau an.
topo schrieb:
... zu welcher Gruppe von "Musikbeschaffern" gehört Ihr ?
Fast alles, was nach 1980 auf dem Pop/Rock/Blues/Jazz etc.-Sektor Markt erschienen ist - von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen - kann mich hormonell nicht tangieren (oder, um im Jargon des Interviews zu bleiben, "zieht mir nix aus der Hose"). :D
 
jap, oder sich mal einen ordentlichen Höreindruck von etwas/einer Band zu verschaffen, bevor man sich die CD kauft und nachher enttäuscht ist :)
die 30 sekunden extreme-low-quali-Samples von Amazon sind da nämlich nicht so gaaanz ausreichend, imo
 
Vor allem was bringen mir 30s Ausschnitte wenn das Album 4 Songs hat und jeder geht 12 min:screwy:
 
N Freund hat mir letzt die Seite www.singingfish.com empfohlen. Da kann man sich legal lieder runterladen, aber nur die Lieder die dann auch zum Download freigegeben. Es wird dabei einfach nur auf Seiten verwiesen wo man die dann runterladen kann
 

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben