Als Musiker Musik hören...

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Tag zusammen,

da dies ein sehr großes Forum ist, kann es sein, dass dies hier schon Thema war. Keine Ahnung, wie ich dazu die Sufu füttern müsste. Es soll darum gehen, wie Musiker Musik hören. Dazu werde ich anhand von fünf Beispielen, meine Erfahrungen schildern.

- Eigentlich begann alles in der Schule, im Musikunterricht. Hier wurden Symphonien bis ins kleinste analysiert, Solostimmen isoliert oder Kontrapunkte aus Bach'schen Fugen extrahiert, usw...

- Es gibt Live-Musik beim jährlichen Stadtfest, die Stimmung kocht, alle tanzen. Hingegen stehe ich mit verschränkten Armen und ernster Miene am Bierstand und warte darauf, dass der Schlagzeuger vielleicht mal den Takt hält oder der Bassist die 1 trifft.

- Ein Jazzkonzert mit hochkarätiger Besetzung. Um mich herum grooven die Leute mit geschlossenen Augen und lassen die Musik auf sich wirken. Und während die Menge dem guten Bassisten Applaus für sein Weltklasse-Solo spendet, überlege ich mir abwesend, was ich noch so üben muss, um nur annähernd so gut zu werden.

- Zu Hause gemütlich auf dem Sofa. Meine Freundin und ich hören ein Sting-Album. Sie: "Ach Schatz, weißt Du noch, das haben wir doch im Sommer 19xx immer gehört!" Ich denke da eher: "Wie zum Teufel schafft der es, dass diese krummen Metriken immer tanzbar klingen?"

- das Radio spielt. Meine Freundin freut sich, den neusten Hit zu hören. Ich freue mich hingegen einen übermäßigen Dreiklang als Dominantakkord mal wieder zu hören. Das gab es seit Toto nicht mehr so oft.

Diese Beispiele sollen zeigen: Durch meine musikalische Ausbildung habe ich die Fähigkeit eingebüßt, Musik völlig unbefangen und unvoreingnenommen - quasi als ganzes - zu genießen. Daher beneide ich die unmusikalischen Zeitgenossen, die einfach sagen können: "Mann, ist das ein toller Song." Ohne dies an irgendwelchen ausgefeilten Basslines, Metriken oder Soli festzumachen.

Vielleicht findet sich hier der ein oder andere "Leidensgenosse". ;)

So long...
Huhn
 
Eigenschaft
 
Amen, Bruder :D

Fällt mir auch immer wieder auf. Um wirklich diese Gedanken/Wahrnehmungsweise loszuwerden muss ich doch recht betrunken sein... Vielleicht ein Grund für die vielen Alkoholiker unter Musikern? ;)
 
Mir fällt seitdem ich mich ein wenig mit Homerecording beschäftige immer öfter auf, dass einige CDs einfach besser klingen als andere. Ich glaube es müssten schon verdammt gute Lieder auf einer CD sein die nicht gut gemischt ist, damit ich sie mag. Meine Freundin hingegen versteht das überhaupt nicht. Gibt dann auch manchmal lustige Momente :)
Gut, dass ich sonst nicht so der Theoretiker bin. Ich gucke einmal kurz über was die Jungs live so spielen (wer macht das nicht *g*) und dann kann ich mich aber fallen lassen.

Gruß,
Florian
 
Hi Suppenhuhn,

ich kann alle Deine Punkte bestens nachvollziehen. Wenn das Gehör und die Fähigkeit, Musik in ihren Bestandteilen zu hören, erstmal entwickelt ist, gibt's keinen Weg mehr zurück.

Für mich hat sich das außer dem praktischen Nutzen insofern noch positiv ausgewirkt, dass ich dadurch sozusagen gezwungen war, immer wieder nach neuen, ungewohnten Höererfahrungen zu suchen. Also Musiken, die sich nicht beim ersten Hören schon erschließen und wie in offenes Buch vor einem liegen. Beispiele wären da Berg, Henze und so weiter, die ja völlig andere Systeme benutzen. Da stellt sich dann schon Genuss ein, sofern man es schafft sich innerlich wirklich voll und ganz drauf einzulassen und möglichst nichts zu denken.

Am besten kann ich das analytische Hören zeitweise ganz oder überwiegend etwas abschalten, wenn ein Solist besonders ausdrucksstark ist. Ein guter Opernsänger z.B. dessen Körperschall auch in Reihe 30 noch direkt am eigenen Leib zu spüren ist. Oder eine Violinistin, deren Ton die Luft in einem Konzertsaal in Schwingung versetzt. Da schaltet sich der Kopf dann schon mal ab.

Insgesamt ist es aber schon so, dass ich aus Selbstschutz nur noch relativ wenig Musik höre und mir immer sehr bewusst was rausssuche. RAdio etc. geht schon mal gar nicht. Und ich weiß auch, welche Kneipen, Restaurants oder sogar Drogerien ich meide, weil mir dort die Musik zu schlecht oder zu laut ist. Es reicht, dass mir zum Mittagessen im Lokal ein unsägliches Rundfunkgeplärre inklusive Windelwerbung zu Ohren kommt, um dort nie wieder hinzugehen. Ja, es gibt auch akustische Umweltverschmutzung! Augen kann man zuklappen, Ohren nicht.

So richtig genießen kann ich das bewusste Hinhören, wenn Klasseleute am Werk sind. Wenn im Club 2 Meter vor mir ein Victor Bailey den Bass spielt, bin ich dankbar für meine Möglichkeit, alle anderen Instrumente sozusagen auszublenden und einmal ein ganzes Stück nur die Zusammenarbeit des Bassers und seines Drummers wahrzunehmen. Da merke ich dann natürlich dann auch: "So gut werde ich 100 Jahren nicht mehr" und lasse mir dann lieber auf angenehme Art auch mal den Kopf vernebeln. :D
 
Amen, Brother.
Mich stört an der Sache eigentlich nur eins: Dass Du von Toto in der Vergangenheit redest ;) (...2006 Falling In Between)
 
Hi,

du sprichst mir aus der Seele. Ich kann z.B. mir einfach kein Elektro anhören, weil ich Musik ohne Instrumente irgendwo nicht als Musik akzeptiere:p. Ja wer kennt das nicht den Zwang bei jedem Lied zu versuchen die Harmonien herrauszufinden und das technische Vermögen der Solisten abzuschätzen. Ich bin jemand der fast das ganze Konzert dem Gitarristen auf die Finger guckt (besonderes wenn es sich lohnt).

Es grüßt
Django
 
Danke für Euer Mitgefühl! Machen wir ne Selbsthilfegruppe auf? :D

Amen, Brother.
Mich stört an der Sache eigentlich nur eins: Dass Du von Toto in der Vergangenheit redest ;) (...2006 Falling In Between)
Asche auf mein Haupt! Nach "kingdom of desire" in den frühen 90ern habe ich mich vollends dem Jazz verschrieben ;) Aber schön zu wissen, dass die noch am Werk sind, ist ne fette Band!

So richtig genießen kann ich das bewusste Hinhören, wenn Klasseleute am Werk sind. Wenn im Club 2 Meter vor mir ein Victor Bailey den Bass spielt, bin ich dankbar für meine Möglichkeit, alle anderen Instrumente sozusagen auszublenden und einmal ein ganzes Stück nur die Zusammenarbeit des Bassers und seines Drummers wahrzunehmen. Da merke ich dann natürlich dann auch: "So gut werde ich 100 Jahren nicht mehr" und lasse mir dann lieber auf angenehme Art auch mal den Kopf vernebeln. :D
Ja klar, das ist natürlich der positive Aspekt des trainierten Musikergehörs. Die technische Brillianz eines Victor Bailey zu erkennen und zu würdigen.Bei mir sieht das dann allerdings so aus, dass ich mit offenem Mund in Ehrfurcht erstarre. :D
 
Ich bin da etwas gespalten.

Einerseits kann man (gute/anspruchsvolle) Musik ganz anders genießen wenn man etwas musikalisch ist, andererseits kann einem das auch die Stimmung verderben, wenn Musik einfach nicht dazu gemacht ist sie analytisch zu hören.
Ich habe kein Problem damit bei einer Party-Kerwezelt-Band auf dem Tisch zu tanzen, meinen Bierkrug zu schwenken und zu singen (außer bei "komm hol das Lasso raus", mit diesem Lied verbinde ich ein traumatisches Erlebnis :screwy:)
Andererseits sitze ich auch sehr gerne da in höre zum Beispiel Ennio Morricone oder Pink Floyd (wo ich dann teilweise einfach mitten im dunklen Zimmer auf dem Rücken liege).

Alles in allem macht es mir Spaß Musik zu hören und auf Details zu achten, aber ich kann auch locker abschalten und einfache Partymucke genießen. Diese ist eben einfach nicht dafür gemacht über musikalische Raffinessen nachzudenken sondern um die Stimmung im Zelt zu heben, wer da nicht abschalten kann ist mit Verlaub eine arme Sau, denn dann ist die Party gelaufen. Ich kann das auch erst seit einiger Zeit.
 
Ich weiß was du meinst und mir gings ne Zeit lang genauso.


Mittlerweile stört mich das aber nicht mehr so wiiiirklich, wenn partymucke läuft (ein stern . . .der DEEEEINEN Namen trägt . . .*sing* :D ) läuft wird halt gefeiert und gegröhlt.

Problematisch wirds nur bei livebands. Dann gehts mir mächtig gegen den Strich wenn die Gitarristen es irgendwie nicht drauf ham.
 
geht mir auch in vielen hinsichten so, und die einzige musikalische ausbildung, die ich bis jetzt genießen durfte, sind ein jahr bassunterricht und autoditaktische internetrecherchen.....
naja, aber der preis den man zahlt ist, für das, was man bekommt doch eigentlich gut....ich würde nicht tauschen wollen....
lg,
dominik
 
suppenhühnchen, das ist ein unter "Musikern" altbekanntes Problem, bei mir ist das unterschiedlich, ich muss aber dazu sagen, dass ich generell nicht allzu "begeisterungsfähig" bin.
Bei Musik bin ich aber froh, mir eine Herangehensweise bewahrt zu haben, bei der ich alles musiktheoretische einfach ausblende und die Musik emotional an mich heranlassen kann, so kommt es, dass ich auch Musik genießen kann, von der ich weiß, dass sie objektiv wenig weltbewegend ist. Es ist irgendwie eine Mischung, manchmal dieses pseudo-akademische Musik hören, gerade auch bei Musik, die sehr bewusst "künstlerisch" ambitioniert gemacht ist, und andererseits sich einfach von Musik "mitreißen" zu lassen, die auch nur genau diesen Zweck erfüllen will.
 
Bei mir ist das so gemischt.
Ich kann auch so kritisch sein und genau auf sowas hören und auf Melodien, einzelne Instrumente anhören und sowas alles... aber ich kann auch einfach Musik hören. Mich berieseln lassen oder einfach alles wieder im Zusammenhang hören, oder zu irgendeiner Musik abgehen wenn ich Lust drauf habe. Das ist auch immer ein wenig Musik und/oder stimmungsabhängig.
Analytisches Hören stört mich sonst persönlich auch auf dauer manchmal. Hab ich gemerkt, als ich angefangen habe Bass zu spielen. Ich habe überall analytisch nur noch auf den Bass gehört. Aber das hat mir dann auch manches Lied ein wenig zerstört (selbst wenn der Basslauf schön war), da ein schönes "zusammen hören" aller Instrumente noch viel schöner gewesen wäre. Und dann hab ich drauf hin "trainiert" wieder beides zu können und das hat auch geklappt.


mfg Booster
 
Zum Glück hab gelernt, das analytische Denken komplett ausschalten zu können. Wenn ich will kann ich für mich z.B. die Bassspur aus dem Song extrahieren und genau anhören. Abe will ich das, wenn ich mir nicht gerade einen Song raushöre? Eigentlich nicht, denn ich will auch Musik genießen.


Noch vor kurzen, ich nenne es selber meine "Musik-Nazi-Zeit";) musste auch alles perfekt gespielt sein und ich hab mit verstränkten Armen und bösem Blick auf die Bühne geschaut. Das hab ich aber hinter mir.

Wenn eine Band gute Songs hat, ist es mir sowas von wumpe, wie gut die Gitarren gespielt sind. Wenn eine Aufnahme richtig scheiße ist, aber es zur Musik passt (man stelle sich die Melvins mit Hochglanzaufnahmen vor... brhhh), dann ist es doch super.
Ein Gitarrist, der Freude am spielen hat, aber in und wieder danebengreift, den kann ich wunderbar genießen. Einen verkrampften Hightspeedhampelman, der alles perfekt runterösselt allerdings nicht.
Ich hab ganz allgemein keinen Perfektionsanspruch mehr. Musik muss leben, und das Leben ist nun mal dreckig und unvollkommen.
 
Ein Gitarrist, der Freude am spielen hat, aber in und wieder danebengreift, den kann ich wunderbar genießen. Einen verkrampften Hightspeedhampelman, der alles perfekt runterösselt allerdings nicht.
Ich hab ganz allgemein keinen Perfektionsanspruch mehr. Musik muss leben, und das Leben ist nun mal dreckig und unvollkommen.

Ja, sehe ich genauso! Ich finde es wesentlich besser wenn z.B. ein Gitarrist mal irgendwie Kontakt mit Publikum aufnimmt, vor der Menge herläuft aber sich dafür mal verspielt, als jemand der die ganze Zeit mit gesenktem Kopf spielt und nanometergenau alles runterdudelt.
Ich finde, es ist das wichtigste dass man fühlt und liebt was man spielt und das auch rüberbringen kann.
 
ich mag wenig musik richtig gerne...
aber wenn mir was sehr gefällt (melodisch) überlege ich schon auch was mich daran jetzt so begeistert... die akkord-reihenfolge usw...
aber kommt immer drauf ob ich "aktiv" musik höre oder musik nur nebenher dudeln lasse...
gruß:
kilian
 
wodän schrieb:
(außer bei "komm hol das Lasso raus", mit diesem Lied verbinde ich ein traumatisches Erlebnis )
Ach, du auch :)?

Zum eigentlichen Problem.
Ich habe nicht so die mega theoretische Ausbildubg, aber ich höre schon recht analytisch, was den Sound selber angeht.
Ich kann mich aber auch problemlos mit Konserve berieseln lassen, wenn der Pegel nicht zu hoch ist. Andererseits setze ich mich auch mal hin und höre eine CD komplett durch, ohne etwas anderes zu machen.

Problematisch wird es bei mir immer bei Livemusik, oder generell wenn es laut wird. Ich bin da irgendwie extrem kritisch, was den Sound angeht. Wenn die PA aus dem letzten Loch pfeift, oder wenn es einfach viel zu laut ist, dann mindert das meinen Spaß an der Musik deutlich, auch wenn sie mir eigentlich gefällt. Oder wenn mir der Basssound zu dröhnig, die Gitarre zu kreischend, die Drums nicht fett genug und der Gesang zu leise und undeutlich vorkommen. Ich höre irgendwie unbewusst immer recht genau auf solche Sachen, also auf ein Instrument speziell und blende so das Gesamte etwas aus. Das nervt mich schon selber, aebr da kann ich wenig machen.
Wenn es mir aber gelingt, die Musik als Ganzes wahrzunehmen, dann heißt das auch, dass sowohl die Band, als auch der Sound mir sehr gut gefallen.

Dass ich aber vor der Bühne stehe und was in der Art denke, wie, "der spielt aber nur einfachste Harmonien" oder "das war aber eine abgefahrene Akkordkombination".
Mir geht es viel mehr um den Sound und da bin ich ziemlich kritisch.

Wenn mir da etwas nicht gefällt, denke ich auch oft, "was würdest du jetzt anders machen". Das macht es oft etwas schwer, sich auf die Musik einzulassen.

Ich glaube, das ist einfach ein generelles Problem aller, die sich mit dem Hören mehr beschäftigen, als "normal", also eigentlich auf jeden Musiker.
Aber ich arbeite an mir!
 
Oh ja. Es war auf einer Wochenendfahrt mit einem Skiclub. Auf der Rückfahrt (so 7 Stunden schätz ich) lief der Song, dauernd, permanent, die ganze Zeit! Das zermürbt einen. Ich kannte das lieb vorher nicht und obwohl das jetzt schon ein paar Jahre her ist will ich immer nur weglaufen wenn der Song kommt.
 
Wodän;2521885 schrieb:
Oh ja. Es war auf einer Wochenendfahrt mit einem Skiclub. Auf der Rückfahrt (so 7 Stunden schätz ich) lief der Song, dauernd, permanent, die ganze Zeit! Das zermürbt einen. Ich kannte das lieb vorher nicht und obwohl das jetzt schon ein paar Jahre her ist will ich immer nur weglaufen wenn der Song kommt.

Haha, wobei dieser Song ja noch einer der angenehmeren ist. Wenn ich da an eine deutsche Coverversion des berühmtesten Jonny-Cash-Hits denke, bin ich doch froh, wenn ich nur die Bassline höre :)
 
Wenn ich Musik hören will, dann höre ich, wenn ich sie analysieren will, dann analysiere ich. Kann das durchaus trennen, kein Problem. Wenn das New York City Ska Jazz Ensemble aufspielt(e), interessiert(e) mich nicht, wie sie es machen, sondern das sie es machen.
 
ich kann das bei mir abstellen ^^

manchmal kann ich auch ganz stumpfe musik hören.. aber nicht so oft.. ^^
 

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