Weibliches Gegenstück zum Falsett (Physiologie)

occhio
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Die weibliche Kopfstimme, die dir fehlt ist beim Mann das Falsett.
Hierzu muss ich mal posten, dass das physiologisches nicht stimmt:
das männliche Falsett ist am ehesten zu vergleichen mit der weiblichen Pfeiffstimme, weil bei diesen beiden Funktionen die Stimmlippen nie schliessen, und es sind dennoch stimmphysiologisch nicht identische Funktionen.

Die sogenannte Kopfstimme ist eine Vollschwingung, bei der die Stimmlippen schliessen.

Wir haben das in der Hochschule gründlichst gelernt und zwar mit Unterstützung der Phoniater der Uniklinik HH.


Diese Diskussion wurde aus dem Thread "Gibt es Männer ohne Kopfstimme" ausgelagert.
 
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Da sieht man wieder, dass es verschiedene Schulen es mal wieder anders sehen. Ich bin übrigens nicht die einzige, die Falsett als Randstimme, weibliches Pendant Kopfstimme sieht. Siehe diesen FAQ Artikel: https://www.musiker-board.de/faq-workshop-voc/344783-gesangsregister.html#post4058648
Falsett ist für mich physiologsch gesehen jedenfalls Randstimme (Randkanten schwingen) und nicht Pfeifregister (Überblasen der Stimmlippen). Aber selbst wenn Falsett bei der Frau Pfeifregister wäre, was ist dann das Pfeifregister beim Mann?
 
Wir haben gelernt, dass Falsett und Randstimme verschiedene Funktionen sind:
1) echtes Falsett kann nicht nahtlos in die Vollschwingung übergehen, die Randstimme schon, sie muss es sogar, weil jeder gesunde Ton mit Randschwingung beginnen sollte. Das haben die Belcantisten auch schon gelehrt: ogni suono nasce nel piano oder so ähnlich.

2) bei Videoaufnahmen von Phoniatern sieht man, dass beim Falsett ein Teil der Stimmlippen geöffnet bleibt, so wie beim Pfeiffregister, welches wie Du sicherlich weißt nur mit einem "Piano-Stimmansatz" wirklich gut funktioniert

Das hat nix mit verschiedenen Schulen zu tun. Selbst Rohmert und Rabine haben in ihren revolutionären Anfängen mit der Uni Darmstadt zusammengearbeitet und so die funktionale Schule in Deutschland erst einmal begründet. Die bekannten Tatsachen in der Medizin kann man nicht wegdiskutieren, müsstest Du als Ärztin doch wissen, oder?

Eine Schülerin von mir ist auch Ärztin, und wir machen in jeder Stunde die Erfahrung, dass mit diesem Wissen nicht Singen gelehrt und gelernt werden kann. Wir brauchen Bilder und Körpertechniken im Unterricht, und keine Röntgenbilder; natürlich müssen Gesangslehrer das Hintergrundwissen haben und sie müssen es in Bilder und Körpertechniken übersetzen.
 
Zu 1) Ich habe von verschiedenen studierten Gesangslehrern und nach zahlreichen Fachdiskussionen hier im Forum erfahren, dass das Falsett der Randstimme entspricht. Es ist randstimmig, weil nun mal eben die Randkanten schwingen und nicht die gesamte Stimmlippe. Das Register, das bei Frauen randstimmig ist, ist die sogenannte (weibliche) Kopfstimme. Trainierte Sänger können ohne wesentlich hörbaren Bruch von Modalstimme ins Falsett gleiten (z.B. mithilfe von Twang). Da du aber von "echtes Falsett" sprichst, wäre noch interessant, was dann "falsches Falsett" wäre. Etwa das was du als Randstimme bezeichnest? Könnte es sein, dass "echtes" Falsett die sogenannte Fistelstimme ist, die so hauchig ist, sozusagen ungestütze Randstimme und dementsprechend "falsches" Falsett die gestütze Randstimme ist, die durchaus tragfähig und energiereich klingt und gar nicht hauchig?
Zu 2) Ja, ich habe gelesen und mir sagen lassen, dass bei untrainierten Sängern beim Falsett eine kleine Öffnung der Stimmritze beim Falsett permanent verbleibt. Bei trainierten Sängern jedoch kommt es zum vollständigen Stimmlippenschluss. Beim Falsett schwingen aber unabhängig davon, ob die Stimmritze gut geschlossen ist oder nicht, die Randkanten. Beim Pfeifregister (Männer können auch eins haben) werden die Stimmlippen überblasen, also die Stimmlippen schwingen nicht bzw. geringfügig, durch eine kleine, permanente Öffnung der Stimmritze wird jedoch die Luft geblasen und verwirbelt und so das charakteristische Pfeifen erzeugt. Pfeifregister ist keine Randstimmfunktion, Falsett jedoch schon. Natürlich ist aufgrund der unterschiedlichen anatomischen Dimensionen bei Mann und Frau nicht alles 100%ig gleich, aber in etwa kann man sagen, dass das physiologische Pendant des weiblichen Pfeifregisters das männliche Pfeifregister ist, und bei der Randstimmfunktion Mann - Falsett und Frau - Kopfstimme.
Aber wäre Falsett das Pendant zum weiblichen Pfeifregister, was wäre dann das Pendant des männlichen Pfeifregisters? Ist Falsett und männliches Pfeifregister dann überhaupt etwas unterschiedliches? Ich sehe aber gerade, dass du schreibst "stimmphysiologisch nicht identische Funktionen". Also doch nicht so gut miteinander vergleichbar?

Etwas kritisch zu hinterfragen heißt noch lange nicht etwas wegzudiskutieren. In der Wissenschaft kann man nicht einfach übernehmen, was andere behaupten bewiesen zu haben. Schon gar nicht ohne zu wissen wieviel Power die Studien haben. Das solltest du ja als belesener Fachmann doch wissen, oder? ;)

Dass man im Unterricht besser mit Bildern und Körpertechniken lernt als mit theoretischem Wissen über die Physiologie, da bin ich mit dir d'accord. Dazu muss man nicht Medizin oder Gesang studiert haben, um das zu merken. Physiologisches Hintergrundwissen kann Schülern, die damit umgehen können und entsprechendes Körpergefühl haben aber auch helfen, das zu verstehen was sie da tun. Wenn man etwas versteht, ist der Lerneffekt größer.

Vielleicht melden sich noch unsere Gesangsregisterspezialisten hier an Board.

PS.: In dem Ursprungsthread ging es mir nur darum Brigitte mitzuteilen, dass der TE ein anderes Gesangsproblem hat als sie.
 
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Es ist einfach so, dass selbst unter Phoniatern und Logopäden sehr lange die traditionelle, phänomenologische Registerdefinition gang und gebe war - schlicht aus Mangel an medizinisch-physiologischen Erkentnnissen. Das ist insbesondere ein deutsches Problem, hierzulande hat man lange am Bekannten festgehalten und versucht, neue Erkenntnisse ins alte Schema zu pressen. In anderen Ländern war und ist man uns da voraus. Glücklicherweise wird auch hierzulande aufgeholt, sowohl im Contemporary als auch in der Klassik. :)


Stand der Forschung ist heute schlicht und ergreifend, dass es auf Larynxebene zwei Register gibt und das sind Voll- und Randstimme. Und das gilt für Männer und Frauen gleich - wenngleich es Unterschiede gibt, inwiefern die jeweiligen Register benutzt werden. Nicht verwechseln darf man das mit dem jeweils dominanten Resonanzzentrum.

Bei den zwei anderen häufig genannten Registern - Strohbass (bzw. Vocal Fry) und Pfeifstimme - handelt es sich nicht um Schwingungen der Stimmlippen oder deren Ränder. Beim Strohbass "flattern" die entspannten Stimmlippen ungleichmäßig, in der Pfeifstimme sind die kompletten Stimmlippen fixiert und durch eine kleine Öffnung kann Luft strömen, wobei sich ein Pfeifen ausbildet.



Aus irgendeinem Grund besteht noch immer ein enormes Bedürfnis, dem männlichen Falsett den Status eines eigenen Registers einzuräumen. Das geschieht selbst beim physiologisch orientierten Estill-Konzept. Das, was in diesem Sinne als Falsett bezeichnet wird (bei Estill heißt es "stiff"), ist nichts weiteres, als die überblasene Randstimme. Dabei bildet sich ein Phonationsdreieck.

(Gleichzeitig würde nie jemand darauf kommen, die überhauchte Vollstimme zum eigenen Register zu erklären.)

Der Unterschied zwischen Falsett und Pfeifregister ist, dass beim Falsett nach wie vor eine Schwingung des Epithels stattfindet, beim Pfeifregister nicht. Es gibt Männer mit Pfeifregister, bei denen man den Unterschied zwischen Falsett bzw. Randstimme und Pfeifregister eindeutig hört.

Noch eine Bemerkung:

Das Epithel (die "Randkanten") schwingt bei sauberer Stimmgebung immer - egal ob wir von Voll- oder Randstimme reden. In der Randstimme schwingt halt nur das Epithel, während die eigentlichen Stimmlippen versteift sind. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass Rand- und Vollstimme grundsätzlich bruchlos ineinander übergehen, ergibt keinen Sinn. Man kann den Übergang kaschieren, aber letztendlich bringt man gute drei Viertel der Masse plötzlich zum Stillstand oder zum Schwingen.

- - - Aktualisiert - - -

In diesem Video kann man ab 2:00 min den Unterschied zwischen männlicher Rand- und Pfeifstimme sehr gut hören:

http://www.youtube.com/watch?v=Ie1aImc963I&feature=plcp
 
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Ich denke des Rätsels Lösung in diesem Fall ist schlicht und ergreifend folgendes: In der Randstimme sind die Stimmlippen auch bei der Frau genau wie beim Mann nicht komplett geschlossen. Im englischen (wissenschaftlichen) Sprachraum wird auch die Randstimme der Frau schlicht "Falsetto" genannt. Was du auf den Aufnahmen des Phoniaters siehst, also, dass im Falsett die Stimmlippen nicht richtig schließen, gilt genau so für die Frauen.

Der Unterschied, der dazu geführt hat, dass die männliche Randstimme und die weibliche Randstimme in der Klassik unterschiedliche Register sind, ist die Art und Weise wie Twang verwendet werden kann. Twang entspricht in weiten Teilen dem "gedeckt" singen in der Klassik. Der Effekt von Twang in der Randstimme ist, dass der unvollständige Stimmlippenschluss klanglich gesehen weitestgehend kaschiert wird, dadurch dass die Stimmlippen näher zueinander gezogen werden und, dass das letzte Stück des Ansatzrohres verengt wird. Das gilt zunächst mal für Männer und für Frauen.

Gleichzeitig geht beim Twang aber auch der Kehlkopf in eine höhere Position. Der gewichtige Unterschied ist nun, dass Frauen in der Lage sind, diesen Effekt durch das klassische "tiefhalten" des Kehlkopfes auszugleichen, Männer (abgesehen von einigen Countertenören) in der Regel nicht. Deshalb sind Frauen in der Lage eine "klassisch klingende Randstimme" zu erzeugen, bei der die Stimmlippen klanglich gesehen geschlossen scheinen. Männer können eine "klassisch klingende Randstimme" nur erzeugen, wenn sie auf Twang verzichten, dann hört man allerdings auch den unvollständigen Stimmbandschluss. Das hat in der Klassik zu der Annahme geführt, dass bei Frauen die Stimmlippen in der Randstimme schließen, bei Männern aber nicht, was aber physiologisch nicht korrekt ist.

Ein ganz ähnlicher Effekt besteht bei Männern in der oberen Region der Vollstimme: Physiologisch gesehen können Baritone in der Vollstimme bis a#' singen. In der Klassik sind die Tongrenzen aber je nach Bariton-Unterfach geringer - zwischen Bassbariton (bis f') und lyrischem Bariton (bis a'). Der Grund dafür ist, dass ein tiefer Bassbariton bspw. für die Produktion eines vollstimmigen a' ein hohes Maß an Twang braucht, dass so groß ist, dass er auch hier nicht mehr mit dem in der Klassik geforderten tiefen Kehlkopf singen kann. Deshalb "dürfen" Bassbaritone in der Klassik nur bis f' in der Vollstimme singen, obwohl es auch bis a' noch theoretisch funktionieren würde. Daraus entstand historisch gesehen der Bereich den man "männliche Kopfstimme" nennt. Denn ein Bassbariton kann den Bereich von g' bis a#' in der Randstimme in klassischer Einstellung singen, in der Vollstimme aber nicht. Den Bereich darüber kann er auch in der Randstimme nicht mehr in klassischer Einstellung singen (außer mit hörbarem unvollständigen Stimmbandschluss), was die 3-Register-Theorie für Männer (Bruststimme, Kopfstimme, Falsett) historisch gesehen bestärkt hat.

Die Pfeifstimme hingegen unterscheidet sich wie Foxx schon schreibt deutlich im Schwingungsmodus (hier besser Nicht-Schwingungsmodus) von der Randstimme, denn die Stimmlippen stehen still.

Das was occhio als "echtes" Falsett bezeichnet ist mMn die "überblasene Randstimme" (mit hörbarem unvollständigen Stimmbandschluss), die Foxx ebenfalls schon beschrieben hat. Diese wird insbesondere hervorgerufen, wenn ein Mann versucht, die Randstimme (im Bereich über a#' als Bariton oder über d'' als Tenor) in klassischer Einstellung (also mit tiefem Kehlkopf) zu singen, genauso aber auch wenn ein untrainierter Sänger in der Kopfstimme schlicht und einfach brustdominant mit zu wenig Twang singt. Hier ist es in der Tat nicht möglich sauber in die Vollstimme zu übergehen.

Um die Verwirrung komplett zu machen, wird bei einigen amerikanischen Gesangslern-Ansätzen (z.B. Singing Success) die "überblasene Randstimme" als "Falsett" bezeichnet, die twang-gestützte (kopfdominante) Randstimme hingegen als "Kopfstimme".

Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass es wie Foxx schon schreibt physiologisch gesehen vier Klangproduktionsmodi der Stimmlippen gibt (Strohbass, Vollstimme, Randstimme, Pfeifstimme). Zudem gibt es zwei "Resonanzregister" (Brust, Kopf), die sich nach empfindungsgemäß entstehenden Resonanzen richten. Diese Produktionsmodi gelten gleichermaßen für Männer und Frauen. Die in der Klassik oft als verschieden behandelten Register entstehen letztendlich einzig und allein aus den Klanganforderungen der Klassik, nämlich, dass mit "gesenktem" Kehlkopf gesungen werden soll.

In moderneren Gesangstheorien gibt es nur zwei (oder eben 4) wichtige Register und das Falsett wird bestenfalls als eine bestimmte Technik behandelt, nämlich eben das Singen der Randstimme in einer brustdominanten Einstellung, bei der es zum "Überblasen" kommt.
 
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Da sieht man wieder, dass es verschiedene Schulen es mal wieder anders sehen. Ich bin übrigens nicht die einzige, die Falsett als Randstimme, weibliches Pendant Kopfstimme sieht. Siehe diesen FAQ Artikel: https://www.musiker-board.de/faq-workshop-voc/344783-gesangsregister.html#post4058648
Falsett ist für mich physiologsch gesehen jedenfalls Randstimme (Randkanten schwingen) und nicht Pfeifregister (Überblasen der Stimmlippen). Aber selbst wenn Falsett bei der Frau Pfeifregister wäre, was ist dann das Pfeifregister beim Mann?
Die Huuu-Übung die ich beschrieb ist Falsett bei dir (und bei mir auch).
 
Jo, ich denk das war jetzt eigentlich ziemlich klar. ;)
 

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