Algorithmen, Hörgewohnheiten = Aufmerksamkeit -> am Beispiel von Soundcloud

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vorweg: das hier soll kein phishing for compliments sein, sondern eher versuch und irrtums beschreibung.

ausgangslage:
ich hatte vor ein paar wochen einen song komponiert und wie üblich auf soundcloud gestellt.
der song hatte ein kleines intro und erzielte innerhalb von zwei tagen ca. 100 zuhörer....wie üblich und vergleichbar zu meinen anderen songs.
weil mir das solo nach 2 tagen auf den keks ging, habe ich es gelöscht und den song ohne intro neu hochgeladen.
plötzlich zog der song an und erzielte innerhalb von ein paar tagen ca. 1.700 zuhörer....sozusagen faktor 10 zu der üblichen anzahl zuhörer...und 17 herzchen hat er bekommen.
das hat mich dann doch verblüfft, weil ich fand den song eher durchschnittlich und nix außergewöhnliches.

meine analyse war, mittleres tempo, gesang setzt ohne intro nach ca. 10 sekunden ein.

zweiter versuch:
song mit intro, langsames tempo, gesang beginnt nach 33 sekunden: nur 220 zuhörer

dritter versuch:
song ohne intro, mittleres tempo, gesang beginnt nach ca. 15 sekunden: 1.800 zuhörer und 15 herzchen

vierter versuch:
song ohne intro, mittleres tempo, gesang beginnt nach 17 sekunden: 2.300 zuhörer und 15 herzchen

fünfter versuch:
song mit intro, langsames tempo, gesang beginnt nach 34 sekunden: nur 170 zuhörer


daraus folgere ich, daß aufgrund der aufmerksamkeitsspanne der zuhörer nur songs die gunst erringen, die mittelschnell sind und der gesang frühzeitig einsetzt.

das würde auch heißen, daß hits aus der vergangenheit, von queen, genesis, pink floyd heutzutage nie bekannt hätten werden können, weil sie nie gehört würden.

früher wurde im radio das programm präsentiert, dort war man gezwungen die auswahl des senders zu hören und fand vielleicht gefallen auch an ungewöhnlichen songs. heute scheint das wohl kaum möglich.

sehe ich das richtig?
 
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Siehst du richtig,. Andere Zeit, andere Hörgewohnheiten.

Aber lineares Hören mit Vorauswahl von jemandem der hoffentlich deinen Geschmack trifft kannst du immer noch haben.
Ich höre auf dem Rad immer Musikpodcastas.

Die Frage ist halt, wie du als Produzierender so irgendwo reinkommst.
 
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@DarkStar679

Nachtrag, es kann aber sein, daß das ein reines Internetphänomen ist auf diversen Plattformen. Vermutlich gibt es immer noch "Musikliebhaber/innen",
die gerne, ich sag mal etwas kunstvollere Musik hören und auch hören wollen. Möglicherweise sind das auch Leute, die ganz gerne Konzerte besuchen.
Ich denke mal, das die Leute früher in der Mehrzahl auch nicht anders waren als heute, d.h., wenn die Musik etwas anspruchsvoller ist oder war,
schalten die meisten eben ab. Man könnte da noch mehr Gedanken zu entwickeln, aber das wird dann auch etwas spekulativ, lG Micky
 
Als junger Hörer habe ich, in der Zeit von Pink Floyd und den anderen genannten Bands, die Erfahrung gemacht, dass man sich in gute Musik erst "hineinhören" muss, und dass die wertvollsten Hörerlebnisse oft die waren, die einem beim ersten Anhören erst gar nicht so sehr zusagten.

Natürlich bestand auch von Seiten der Peergroup eine gewisse Erwartung, dieses und jenes einmal anzuhören, aber im Grunde hat man sich seinen guten Musikgeschmack erarbeiten müssen.

Hilfestellung bekam man teils von guten Radiosendern und -moderatoren, die das Gesamtrepertoire der Zeit kuratiert haben, und auch Älteres spielten, das einem sonst entgangen wäre.

Heutige Hörgewohnheiten sind mit Sicherheit anders. Der Mensch erträgt oft keine leisen Passagen, keine Intros, keine Soli mehr - von Seiten der Sender gilt es, den Zuhörer am Wegzappen zu hindern.

Was nicht sofort gefällt, wird weitergeschaltet bzw. gelöscht.

Im visuellen Bereich ist es vergleichbar mit heutigem Fernsehprogramm - kein Abspann, kein leises Ausklingen mehr. Sofort wird die nachfolgende Sendung mit voller Lautstärke reingeknallt - bloß keine Stille, bloß kein leiser Ton.

In diesem Zusammenhang muss man als Produzent wohl entscheiden, ob man für das Albumformat arbeitet, das als musikalisches Gesamtkunstwerk alle Freiheiten bietet, Intros, Soli, Stille und leise Passagen eingeschlossen, oder ob man Airplay anstrebt.

Anspruchsvolle Rockmusik hatte sich einst aus den Zwängen des Hitradios emanzipiert; Einzelstücke müssen sich heute den Hörerwartungen von Playlist- Jüngern und Radiohörern fügen.
 
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Weisst du denn wie lange jeder zugehört hat? Was ist der Grund der Auswahl des Songs? Der Name? Hast du da Daten, analysiert?
Am Anfang weisst man doch gar nicht, wie sich ein Lied entwickelt. Oder wird erst gezählt, wenn man zu ende gehört hat? Find ich sehr interessant auf jeden Fall.
 
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Wie in der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Ich gehöre zu den Menschen die sagen:
"Komm auf den Punkt"
Es gibt unzählige Informationen die ständig auf mich einprasseln und da bedarf es einen Trigger um meine Aufmerksamkeit zu erwecken. Ein langes Intro und lamentieren geht an mir vorbei.
BDX.
 
Wie werden denn die Zuhörer gezählt?
Denkst du, die Leute fangen an zu hören und zappen weg, wenn x Sekunden kein Versand kommt - oder wird es ihnen vom Algorithmus dann gar nicht erst empfohlen?

Bisschen Statistik ist erstmal relativ einfach, aber eine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist in 99% der Fälle Spekulation.
 
Wie werden denn die Zuhörer gezählt?
Denkst du, die Leute fangen an zu hören und zappen weg, wenn x Sekunden kein Versand kommt - oder wird es ihnen vom Algorithmus dann gar nicht erst empfohlen?

Bisschen Statistik ist erstmal relativ einfach, aber eine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist in 99% der Fälle Spekulation.
die zuhörer werden gezählt, sobald sie auf "abspielen" klicken.
wenn daher nur wenig zuhörer erscheinen, wird der song vom algorithmus nicht ausreichend verbreitet.
 
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"Don't bore us - get to the chorus" fällt mir dazu ein. Wenn nicht spätestens 40 Sekunden nach dem ersten Takt die Hook kommt, sind die Hörer alle schon weggehüpft.
 
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Ich fand es sehr informativ, dieses Phänomen auch mal von einem "kleinen" Musiker beschrieben zu bekommen. Ich hätte nicht gedacht, dass das auf einer so kleinen Skala auch schon so gravierend durchschlägt. Sagt einer, der auf Soundcloud sein Zeug hoch läd und froh ist, wenn es ein Dutzend Leute hören.
 
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sehe ich das richtig?
Ja. "Freundliche" Songlängen haben sich auch verändert. Waren es früher eher die klassischen 3:30 Minuten, werden heute eher 2:30 Minuten als perfekt angesehen. Dies ja auch, weil die Plattformen unterschiedlich zählen. Bei manchen reicht "Start", bei anderen sind es z.B. 30 Sekunden, die gelaufen sein müssen. Damit verschiebt sich auch die Spannungskurve nach vorn. Man muss den Hörer direkt zum Start anfixen, damit er die entscheidenden Sekunden bleibt.
 
Ich denke, dass hier die Anzahl der Kompositionen und der Zeitraum, über den die Kompositionen eingestellt und das ganze beobachte wurde, zu klein ist, um sicher eine Aussage zur Akzeptanz/Attraktivität abzuleiten.
So kann da noch viel "Zufall" drinstecken. ...z.B. ein besonders aktiver Hörer, der bestimmte Songs aktiv teilt oder weiterverlinkt. ...

Bei einer meiner Ex-Bands, kam unser Bandleader auch mal ganz aufgeregt in den Probenraum, weil die Aufrufe bei Youtube für einen unserer Songs "durch die Decke" gehen und wir sollten unbedingt mehr Material in dem Stil ins Programm nehmen!
Ich musste ihm dann den Zahn ziehen, weil die hohe Zahl der Aufrufe in direktem Zusammenhang damit standen, dass ich kurz zuvor genau dieses Video hier im Forum im "Postet mal Bilder von Euch als Gitarrist"-Fred gepostet hatte. D.H. es war nicht primär die musikalische Atraktivität, sondern wohl eher die Neugier, wie der olle Intune auf einer Bühne aussieht und tönt.....
 
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wenn daher nur wenig zuhörer erscheinen, wird der song vom algorithmus nicht ausreichend verbreitet.

Der Geschmack der Zuschauer hätte damit also gar nichts zu tun, weil sie den Song ja noch gar nicht gehört haben.
Es könnte höchstens sein, dass der Algorithmus das ...
daß aufgrund der aufmerksamkeitsspanne der zuhörer nur songs die gunst erringen, die mittelschnell sind und der gesang frühzeitig einsetzt.
... nur annimmt und die Songs entsprechend empfiehlt.
Das ist aber schon wieder von hinten durch die Brust ins Auge - sehr spekulativ.

Da müsste man schon in verschiedenen Genres und nicht nur auf Deinem Account und mit entsprechender Stichprobengröße was machen.

Wir Menschen sind halt so gemacht, dass wir immer nach Regeln suchen, unser Gehirn möchte gern vereinfachen (s. z.B. Kahneman Schnelles Denken, Langsames Denken).
Es wäre in dem Zustand eine Hypothese, mehr nicht.

die zuhörer werden gezählt, sobald sie auf "abspielen" klicken.
wenn daher nur wenig zuhörer erscheinen, wird der song vom algorithmus nicht ausreichend verbreitet.
Hier dreht man sich im Kreis - jedenfalls wenn man annimmt, dass die Zuhörer wegen der Empfehlung des Algo kommen.
Keiner von beiden weiß, wie lang die Intro ist (vermute ich mal, dass der Algo nicht die Musik analysiert ...?)
 
...... (vermute ich mal, dass der Algo nicht die Musik analysiert ...?)
doch, tut er. er behauptet das er 20min - 2h lang den song analysiert und dann den entsprechenden hörern präsentiert.
 
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Faszinierend.

Da haben vor über 80 Jahren die Menschen gegen die Beschränkung der Musiklänge auf die Laufzeit einer Schallplattenseite gekämpft. Jetzt haben wir diese technischen Beschränlungen längst nicht mehr, aber offensichtlich kann eine Mehrheit nicht mehr mit längerer Musik umgehen.

Besser noch ist die Kombination von Menschen, die von Freiheit, Selbstverwiklrichung onder sowas faseln, aber gebau nach Hit-Formel konstruierte Muik brauchen, um sie konsumieren zu können. Bohemian Rhapysody!? Heute unmöglich!

Die Menschen sind bekloppt. :)

Grüße
Omega Minus
 
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aber offensichtlich kann eine Mehrheit nicht mehr mit längerer Musik umgehen.
... die Mehrheit interessieren Details zur Musik halt einfach nicht, das ist einfache Hintergrundmusik, die die gewünschte Stimmung unterstützen soll.

Die Produzenten gehen halt immer mehr in Richtung "Aufreger", egal ob bei Songs oder im Film. Filme werden ja auch immer kürzer geschnitten, was ich teilweise OK finde, aber oft nervt es einfach. Oder der Hintergrund bei Nachrichtensendungen, sieh Dir mal eine Tagesschau von 1980 an und vergleiche mit den albernen Flimmerhintergründen und Nierentischen von heute. Nur um Aufmerksamkeit zu ziehen auf Sachen, die offensichtlich eigentlich nicht wichtig sind.

Deshalb denke ich aber auch, richtig gute Songs können auch heute noch 8:45 dauern.
Aber bei dem Brei, der da in die Playlists gespült wird, haben die Leute (mit Recht) kaum Affinität, und dann muss das eben mit schneller Abwechslung und kurzen Songs gemacht werden.

Ist natürlich auch nur ne Theorie ohne statistische Begründung ;)
 
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Aber da verpaßt Du halt dann unter Umständen etwas Schönes uns Wertvolles
Das ist möglich, aber Zeit ist auch begrenzt. Wenn man alles bis zum Ende hört, kann man weniger Stücke anhören.
Wenn mich ein Song gleich am Anfang "fängt", höre ich ihn auch durch.
BDX.
 

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