Das Erlernen eines Instruments wissenschaftlich betrachtet: Fragen und Antworten

  • Ersteller DieWiedergeburt
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Ich kann natürlich auch nicht erwarten, daß du alle Teilaufgaben löst und alle Informationen recherchierst, ich habe nur die begründete Erwartung, daß du aus deiner Kenntnis der relevanten wissenschaftlichen Theorien und Forschungsbefunde eine Problemlösung ableitest, zumindest ansatzweise.

Der erste Lösungsschritt besteht darin, dass ich dargelegt habe, über welche zentralen Teilbereiche sich der Instruktionsdesigner bei der Konzeptentwicklung Rechenschaft ablegen sollte. Der Problemumfang wurde also einigermaßen umfassend spezifiziert und liefert eine Antwort auf die nichtgestellte Frage: "Ich will ein didaktisches Konzept für diesen Zweck entwickeln, was muss ich dabei alles beachten?".

Welche relevanten Theorien für das Gebiet siehst und kennst du denn?

Zu jeder der von mir aufgedröselten Teilaufgaben, die sich hinter der Konzeptentwicklung verstecken, gibt es zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse, auf die man Bezug nehmen kann. Durch diese Bezugstheorien lassen sich aber zunächst nur begründbare Handlungsoptionen aufzeigen. Die kriterienorientierte Entscheidung, welche Handlungsoptionen man letztlich wählt, kann man nur treffen, wenn explizite und priorisierte Ziele vorliegen und auch genauere Rahmenbedingungen bekannt sind. Ich will es dennoch an einigen Beispielen andeuten, in welche Richtung die Überlegungen weisen könnten:

Sozialformen: Sozial-integrative Instruktionsziele ließen sich beispielsweise über Verfahren der Gruppen- oder Partnerinstruktion fördern. Bezugstheorien könnten sein: Cognitive apprenticeship, peer tutoring, Modelllernen, ...
Leistungsziele am Instrument wären vermutlich besser durch Einzelunterweisung erzielbar. Bezugstheorie: Fachdidaktik Bläser (nicht mein Metier)

Methodik: Hier ist die Frage nach Unterrichtsmethoden, -materialien und -medien. Dies beinhaltet u. a. Entscheidungen über eine mehr Lehrer- oder mehr Lernerzentrierte Herangehensweise getroffen werden. Bezugstheorien könnten sein: Selbstgesteuertes/selbstreguliertes Lernen, Entdeckendes Lernen (Bruner), ... Auch die Frage nach Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung bei heterogenen Gruppen gehört hier rein.

Motivationsdesign: Wichtig wäre z. B. eine Aufrechterhaltung von Prozess- und Ergebnismotivation bezüglich der Beschäftigung mit dem Instrument. Auch die Entwicklung einer positiven Einstellung zum Musizieren könnte Lernziel sein. Bezugstheorien sind beispielsweise Erwartungs-Mal-Wert-Modelle sein, Anreiztheorien, instrumentelle Konditionierung, Theorien der Einstellungsänderung, ...

kognitive Voraussetzungen: Berücksichtigung von Aufmerksamkeitsspannen, Gedächtniskapazitäten, Abstraktionsfähigkeiten, Verarbeitungsniveaus, allgemeines Niveau der kognitiven Leistungsfähigkeit. Bezugstheorien finden sich hier in der allgemeinen Psychologie und der Entwicklungspsychologie.

Diese Überlegungen müssten freilich für jede Teilaufgabe systematischer und vollständiger angestellt werden und dann letztlich mit Hilfe des fachdidaktischens Wissen bis auf die Ebene konkreter Handlungsanweisungen runtergebrochen werden. Auch wenn ich dies hier nicht leisten kann, hoffe ich zumindest den einen oder anderen weiterführenden Lösungsansätze aufgezeigt zu haben...
 
müsste ich eigene Unterrichts- oder zumindest allgemeine Interaktionserfahrungen mit dieser jungen Zielgruppe [7-9] haben. Die habe ich leider nicht, [...]Fachdidaktik Bläser (nicht mein Metier)

Okay, verstehe. Das geht aus deinem Ursprungsposting nicht hervor, vielleicht hättest du besser Das Erlernen eines Nicht-Blasinstruments bei Jugendlichen wissenschaftlich betrachtet o.ä. als Threadttitel geschrieben oder diese Einschränkung im Text nachgeliefert. Die fehlende Beschränkung lässt erwarten, daß du dich zur Bläserdidaktik bei Kindern kompetent äußern könntest.

Die von dir genannten Theorien gehören alle in den Bereich der Erziehungswissenschaften bzw. der allgemeinen Pädagogik. Die sind hilfreich und ich danke dafür. Allerdings ist dein Thema hier natürlich Instrumentalpädagogik (Optimierung des Erlernen eines Instruments) und nicht die allgemeine Pädagogik. Dementsprechend vermisse ich da die ganz konkreten Handlungsanweisungen, die du in Aussicht gestellt hast, aber wenn du keine Unterrichtserfahrung mit Kindern hast, ist das verständlich.

Du könntest mal schreiben, zu welchen Themen innerhalb der Instrumentalpädagogik du dich kompetent äußern kannst, vielleicht belebt das die Diskussion.

Harald
 
Es gibt gute Gründe zu der Annahme, dass die einzelnen Fachdidaktiken über weite Strecken nichts anderes sind, als die Anwendung allgemeinerer Theorieansätze auf den speziellen, eingeschränkteren Gegenstand (unter Berücksichtigung der einen oder anderen Besonderheit). Aus dieser Basisannahme leitet sich die Existenzberechtigung dieses Threads und sein uneingeschränkter Themenbereich ab.

Ich bin von Hause aus kein spezialisierter Musikpädagoge, o. ä., sondern eher sozialwissenschaftlicher Generalist. Daher werde ich mich aus dem fachdidaktischen Theorieuniversum, wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt bedienen. Mein Ansatz ist demgegenüber der, dass ich allgemeinere Theorieansätze aus v. a. aus Psychologie und Erziehungswissenschaft auf ihre Nützlichkeit für die hier thematisierten Probleme befrage. Dies kann und wird trotz deiner Skepsis in praktische Handlungsanweisungen einmünden. Ein Beispiel, wie soetwas aussehen kann, findet sich hier Ursachen von Nervosität/Fehlern beim Spielen vor Publikum und hier Lampenfieber

Die genannte Basisannahme kann man (ebenfalls mit guten Gründen) kritisieren und mich wundert es nicht, wenn sie dir als Fachvertreter nicht zusagt. Ohne sie gäbe es diesen Thread jedoch gar nicht und ich müsste strenggenommen auch sämtliche meiner anderen Wissenschaftsthreads dichtmachen, denn ich bin ja jeweils kein reinrassiger Experte. Will ich dennoch hier diese Threads betreiben komme ich nicht daran vorbei, mir den einen oder anderen Vorwurf der Überheblichkeit einzuhandeln. Das gehört dazu.

Eine Einschränkung der Diskussion auf die Bereiche in denen ich mich relativ gut auskenne halte ich nicht für zielführend, da ich mich - wenn ich mal aus deiner Perspektive argumentieren darf - überall gleichschlecht auskenne. Was mich rettet ist allein die Tatsache, dass der Anwendungsbereich der allgemeineren Theorieansätze, derer ich mich bediene, doch ziemlich groß ist und ich mich bei Bedarf auch in neue Themen einarbeite.

Der Threadtitel, auf den du nun schon mehrmals abgehoben hast, ist eine reine Sammelkategorie, in die eine endliche Menge an Fragen fällt, die ich beantworten kann und eine unendliche Menge an Fragen, die ich nicht beantworten kann. In dem letztgenannten Fall, bin ich aber auch redlich genug, das zuzugeben. Wenn ich richtig deute, was zwischen den Zeilen deiner Beiträge steht, sollte ich vielleicht nochmal betonen, dass ich hier hier weder meine Allkompetenz behaupte, noch dass ich alle Fachmenschen überflüssig machen könnte. Subtile Diskreditierungsversuche sind also nicht nötig ;) (Falls erforderlich: Stellungnahmen dazu bitte dann per PM oder Profilnachricht, damit es hier nicht OT geht.).
 
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Es gibt gute Gründe zu der Annahme, dass die einzelnen Fachdidaktiken über weite Strecken nichts anderes sind, als die Anwendung allgemeinerer Theorieansätze auf den speziellen, eingeschränkteren Gegenstand (unter Berücksichtigung der einen oder anderen Besonderheit). Aus dieser Basisannahme leitet sich die Existenzberechtigung dieses Threads und sein uneingeschränkter Themenbereich ab.
Okay, allgemeine pädagogische Grundlagen können am Gegenstand Musik in Musikpädagogik konkretisiert werden. Diese wiederum anhand eines konkreten Instruments in Instrumentalpädagogik, in der sich Didaktiken erstellen lassen. Natürlich hast du dann Recht, daß die allgemeinen pädagogischen Grundlagen sich auch in der Fachdidaktik wiederfinden lassen. Ich verstehe halt noch nicht ganz, wie du der Gefahr...
Mir ist dabei wichtig, dass am Ende nicht nur theoretisches Geschwafel dabei herauskommt,
...entgehen willst, wenn du die Konkretisierung bis hin zur Didaktik nicht machst. Erziehungswissenschaft, Psychologie und Pädagogik bleiben solange Theorie, bis aus ihnen eine Didaktik abgeleitet wird. Das mindert ja nicht ihren hohen Wert als Grundlagenwissenschaften, aber mit den Grundlagenwissenschaften alleine kannst du keinen Unterricht erteilen und auch keine Konzepte dafür diskutieren, denn Unterrichtskonzepte sind kein Gegenstand dieser Wissenschaften.
Mein Ansatz ist demgegenüber der, dass ich allgemeinere Theorieansätze aus v. a. aus Psychologie und Erziehungswissenschaft auf ihre Nützlichkeit für die hier thematisierten Probleme befrage. Dies kann und wird trotz deiner Skepsis in praktische Handlungsanweisungen einmünden. Ein Beispiel, wie soetwas aussehen kann, findet sich hier Ursachen von Nervosität/Fehlern beim Spielen vor Publikum
Ich lese in diesem Thread ganz viele Theorien, aber keine Umsetzung der Theorien in Didaktik oder praktische Handlungsanweisungen. Hab ich was übersehen?
Als URL im Link ist URL="Lampenfieber" angegeben, das kann nicht funktionieren. Welchen Link meinst du?
Will ich dennoch hier diese Threads betreiben komme ich nicht daran vorbei, mir den einen oder anderen Vorwurf der Überheblichkeit einzuhandeln. Das gehört dazu.
Du mußt diese Threads ja nicht immer mit diesem umfassenden Anspruch formulieren, insbesondere in den Titeln. Ich werfe dir nicht vor, überheblich zu sein (da hab ich keinen Grund dazu), sondern lege nur nahe, über das zu reden, was man versteht und das möglichst genau so zu formulieren. Wenn dein Thema Pädagogik und Erziehungswissenschaften sind: super, ist doch eine prima Ausgangslage für Diskussionen darüber. Lediglich "brauchbare, praxistaugliche Problemlösungen" für das Erlernen eines Instruments sind dann nicht zu erwarten (und wären sogar OT), weil Pädagogik und Erziehungswissenschaften sich nicht direkt damit befassen.
Der Threadtitel, auf den du nun schon mehrmals abgehoben hast, ist eine reine Sammelkategorie,
Aber was ist er dann wert? Soll er die Diskussion thematisch in eine Richtung lenken oder nicht? Aussagekräftige Threadtitel sind eine Grundlage hier im Forum - wenn er eine Sammelkategorie sein soll, kannst du das doch schreiben, z.B. "Sammelthread zu Erziehungswissenschaft+Musik".
Subtile Diskreditierungsversuche sind also nicht nötig ;)
Hatte ich auch nicht vor...ich habe keinen Diskreditierungsanlass, sondern eher Verständnisfragen, wie es mit dem Wissenschaftsanspruch aussieht, wenn du so wenig Einschränkungen für das riesige zu behandelnde Gebiet machst.

Harald
 
Sorry Harald, ich habe das Gefühl wir kommen nicht auf einen Nenner. Der Thread wird immer mehr zerredet über Dinge, über die wir offenbar verschiedener Meinung sind. Ehrlich gesagt habe ich kein Interesse die unergiebige Haarspalterei in dieser (!) Sache weiter mit dir fortzusetzen. Ich kann nur gebetsmühlenartig wiederholen, was ich schon die ganze Zeit gesagt habe:

Ich versuche Theorien aller Art und ohne vorherige Einschränkung produktiv in Hinblick auf das Threadthema zu verwerten. Punkt.

Ob man das nun als angewande Erziehungswissenschaft/Psychologie oder Pseudodidaktik bezeichnen kann/will/muss/sollte, ist mir ziemlich egal.

Ich halte den Threadtitel so wie er formuliert ist für passend: 1. Es werden Antworten auf einzelne Fragen gegeben. 2. Die Wissensbasis für die Bearbeitung ist eine wissenschaftliche. Damit habe ich die Hauptversprechen aus dem Titel eingelöst.

Darüber hinaus habe ich einige beispielhafte Themenkomplexe genannt, die man hier realistisch bearbeiten könnte (weil sie unabhängig vom zu erlerndenden Instrument sind) und die eine grobe Marschroute für weitere Fragen darstellen können. Wenn du in den Thread andere Implikationen hineininterpretierst kannst du das gerne machen, darfst aber nicht erwarten, dass das jeder auch so sieht.

Zur Konkretisierungsfrage: Die beiden von mir verlinkten Beispiele, die im Prinzip auch in diesem Thread hätten behandelt werden können, enthalten konkrete Verhaltensempfehlung, die ich aus relativ allgemeinen Theorieansätzen abgeleitet habe (es ist also möglich):

https://www.musiker-board.de/vb/mus...heorien-befunde-konsequenzen.html#post3590793 (siehe den Absatz namens "Praktische Konsequenzen", die Bezeichnung ist wohl eindeutig)

https://www.musiker-board.de/vb/plauderecke/259534-gesammelte-tipps-lampenfieber.html#post3979822 (siehe die mit Spiegelstrichen gekennzeichneten "Problemlinderungen")

In meinem Verständnis sind das "brauchbare, praxistaugliche Problemlösungen". Nichts anderes beabsichtige ich auch in diesem Thread zu tun. Wenn dir das nicht konkret genug ist oder du meinst ohne Spezialdidaktiken kann hier prinzipiell gar nichts gehen, dann respektiere ich das. Dieser Thread mit meiner Herangehensweise wird zeigen, inwieweit sich deine Einwände tatsächlich bewahrheiten. Im Moment diskutieren wir ohnehin im luftleerem Raum, weil noch keine bearbeitungsfähigen Fragen gestellt wurden. Bis das geschieht können wir hoffentlich diese Debatte vorerst abschließen.
 
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