Das Wohltemperierte Klavier - Fingersatz

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Ich habe mir vorgenommen, mich einmal durch "Das Wohltemperierte Klavier" zu spielen. Nicht jetzt gleich, aber als Fernziel. Vor vielen Jahren als Jugendlicher habe ich mich nicht ganz umsonst am 1. Präludium versucht. Nach Gehör und auf einer kleinen Orgel. Damals hat mich das schon angefixt und ich will einiges aus der Sammlung vor meinem Ableben noch schaffen.

Da das Werk schon einige Jahre auf dem Buckel hat und mittlerweile die meisten(?) Editionen davon nicht mehr unter das Urheberrecht fallen, gibt es eine Fülle verschiedener Varianten davon, die sich mehr oder weniger in den vorhandenen oder fehlenden Erklärungen und in verschiedenen Fingersätzen (oder ohne diese) unterscheiden.

Gibt es unter den Pianisten einen Konsens, ob Czerny "besser" ist als Busoni, ob man leichter (oder schöner) nach dem Fingersatz von Mugellini, Kreutz oder Kroll lernt?
Spielen die Puristen nur nach der Originalpartitur ohne irgend welche vorgegebenen Fingersätze und Spielanweisungen?
Oder ist es wie so oft "Ansichtssache" und "kommt darauf an"?

Ich klimpere mich derzeit durch die Russische Klavierschule und bin noch ziemlich am Anfang. Aber diese Präludien und Fugen richten sich doch eigentlich an "Anfänger".
 
Eigenschaft
 
Gleich mal vorneweg:
Aber diese Präludien und Fugen richten sich doch eigentlich an "Anfänger".
Nein, ganz und gar nicht. Das einzige leichte Stück im Wohltemperierten Klavier I ist das C-Dur Präludium.

Mal ein paar Einordnungen der Verlage:
Edition Peters stuft das gesamte Werk (48 Stücke) auf Stufe 4-5 in einer 6-Stufigen Skala:
Anfangsstufe: 1, 2
Mittelstufe: 3, 4
Oberstufe: 5, 6

Der Henle-Verlag hat eine Einstufung der einzelnen Stücke des WTK in eine 9-stufige Skala vorgenommen.
1–3 (leicht), 4–6 (mittel), 7–9 (schwer)
Das C-Dur Präludium ist dort Stufe 2, dann gibt es 2 Stücke in Stufe 3/4, alles andere ist Stufe 4, 5 und 6, zwei Stücke reichen bis Stufe 7 hinauf.

Von den Editionen empfehle ich Kroll. Das ist mMn der Klassiker. Die Unterschiede zu Czerny sind aber nicht allzu groß. Kroll ist in der Lesbarkeit ein bisschen besser, wie ich finde, da er z.B. deutlicher oberes und unteres System der linken und rechten Hand zuordnet.

Busoni und Mugellini haben durch das Hinzufügen von Artikulationszeichen, Phrasierungsbögen, Pedal- und sonstigen Spielanweisungen deutliche - und ohne Zweifel hochinteressante - Eingriffe in den Originaltext getätigt, sodaß man hier im Grunde Interpretationen dieser beiden Herausgeber vorliegen hat. Kroll ist da wesentlich neutraler.

Peter August ist eine Handschrift, das obere System im C-Schlüssel geschrieben. Anschauen lohnt sich, aber dieser Scan entspricht nicht unseren heutigen Lese-Gewohnheiten.

Als Vorstufe zum Wohltemperierten Klavier empfehle ich übrigens Bachs kleine Präludien und Fughetten sowie die 2- und 3-stimmigen Inventionen.

Viele Grüße,
McCoy
 
Das einzige leichte Stück im Wohltemperierten Klavier I ist das C-Dur Präludium.

Danke sehr für die wie immer sehr informative Antwort. Da habe ich mir ja ziemlich was vorgenommen. Ich habe die Präludien und Fugen so oft gehört und leicht haben sie sich wirklich nicht angehört. Ich bezog mich bei "Anfänger" auf den Passus im Vorwort:
Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia, und Fugen durch alle Tone und Semitonia, so wohl tertiam majorem oder Ut Re Mi anlangend, als auch tertiam minorem oder Re Mi Fa betreffend. Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget von Johann Sebastian Bach. p. t: Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischen Capel-Meistern und Directore derer Camer Musiquen. Anno 1722.
Vermutlich meinte er damit "talentierte Jugendliche, die schon 10 Jahre intensiv üben", schließlich fängt man Klavier ja schon als Kind an... Womöglich hat der große Meister die Latte am eigenen Können fest gemacht.
 
Vermutlich meinte er damit "talentierte Jugendliche, die schon 10 Jahre intensiv üben", schließlich fängt man Klavier ja schon als Kind an... Womöglich hat der große Meister die Latte am eigenen Können fest gemacht.

Ja hab ich auch gedacht, nachdem ich das Präludium C-Dur durchgespielt hatte, dachte ich auch
dann kann man die Fuge C-Dur gleich mit lernen. Aber so wie Ich gesehen habe ist das Stück
vier stimmig, und ich muss erst einmal den Überblick gewinnen welche Hand welche Noten Spielt...

Aber das kleine Präludium C-Dur kann ich nur empfehlen ist in band 2 der Russischen Klavierschule,
Nett ist auch Henri Bertini Op28 Nr. 7.

VG Michael
 
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Obwohl das Thema jetzt schon so lange inaktiv ist, schließe ich mich hier noch mal an, weil ich jetzt gerade wieder mit dem C-Präludium angefangen habe. Ich konnte das vor 25 Jahren mal ganz gut spielen, aber ich finde die Noten mit dem Fingersatz von damals nicht mehr, habe mir jetzt neue aus dem Internet heruntergeladen und frage mich, ob die den richtigen Fingersatz haben. Könnte mir dazu jemand etwas sagen? Einige Finger setzen sich auch nach so langer Zeit immer noch automatisch, aber an anderen Stellen habe ich Schwierigkeiten und frage mich, wie ich das am besten spielen soll.
 

Anhänge

  • Praeludium C-Dur BWV 846 Fingersatz.pdf
    86,3 KB · Aufrufe: 465
Ich habe die Noten gerade nicht vor mir, aber so aus dem "Fingergedächtnis" entspricht der Fingersatz aus deinem Anhang dem in Heumann Bd. 1.
Gibt es bestimmte Takte, bei denen etwas unklar ist?

Gruß Claus

So, jetzt wo ich nachschauen kann - Heumann schlägt abweichend vor:
Takt 5 1-3-5
Takt 7 1-3-5
Takt 12 1-2-4
Danach folgen einige Fingersätze, die nicht im PDF stehen wie Takt 13 1-3-5, Takt 14 1-2-4, die weiteren Spreizungen werden ganz entsprechend ausgeführt.
 
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Es geht zwar ein bisschen am Thema vorbei, aber Wiener Urtext finde ich vom Fingersatz her furchtbar...greife eigentlich immer auf Henle Ausgaben zurück.
 
Das einzige leichte Stück im Wohltemperierten Klavier I ist das C-Dur Präludium.
In der Tat, wobei eine Angabe wie "leicht" oder "Stufe 2" immer noch sehr relativ und subjektiv ist. Da das Stück häufig von bekannten Pianisten gespielt wird - auf Klassikradio wird manchmal eine sehr schöne Version von Daniel Barenboim gespielt - ist es wohl alles andere als ein Stück für Anfänger, das ein fortgeschrittener Pianist nicht mehr anrühren würde. Ganz im Gegenteil. Und eine gute Interpretation erfordert es, noch viele andere Schwierigkeiten zu meistern, als nur die richtigen Noten zu spielen, z.B. Dynamikunterschiede, angemessenes Tempo, auch finde ich es sehr schwer, alle Figuren regelmäßig hinzukriegen. Mal als Hörprobe diese kleine Aufnahme von mir, die ich gar nicht gut finde, weil fast alle Figuren unregelmäßig sind, und die Dynamik könnte auch besser sein. Und ich spiele schon sehr lange Klavier, bin alles andere als ein Anfänger und habe trotzdem Schwierigkeiten damit. "Stufe 2" hin oder her.

https://www.clavio.de/attachments/bach-praeludiumc-dur-mp3.13361/

...aber ich finde die Noten mit dem Fingersatz von damals nicht mehr, habe mir jetzt neue aus dem Internet heruntergeladen und frage mich, ob die den richtigen Fingersatz haben. Könnte mir dazu jemand etwas sagen? Einige Finger setzen sich auch nach so langer Zeit immer noch automatisch, aber an anderen Stellen habe ich Schwierigkeiten und frage mich, wie ich das am besten spielen soll.
Ja, genau mit diesem Fingersatz in der rechten Hand spiele ich das, wobei sich aus der Entfernung des höchsten Tones automatisch ergibt, ob ich dort 4 oder 5 nehme. Dabei denke ich gar nicht nach, es ergibt sich automatisch.
 
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Ich habe die Noten gerade nicht vor mir, aber so aus dem "Fingergedächtnis" entspricht der Fingersatz aus deinem Anhang dem in Heumann Bd. 1.
Gibt es bestimmte Takte, bei denen etwas unklar ist?
Nachdem ich es ein paar Mal öfter gespielt hatte, haben sich einige Unklarheiten gelichtet. Aber an manchen Stellen schwanke ich immer wieder zwischen 2 und 3. Einmal spiele ich es mit dem dritten Finger, einmal mit dem zweiten. Keiner kommt mir natürlicher vor. Leider war ich heute etwas krank, so dass ich das nicht genauer untersuchen konnte. Ich werde mich morgen noch mal dahinterklemmen.

Vielen Dank für die Alternativ-Vorschläge. Das sind genau die Takte, in denen ich auch immer gewechselt habe. Ich muss mich da wohl einfach mal entscheiden.

@Pianist685
So schnell habe ich das noch nicht mal zu meinen besten Zeiten gespielt. ;) Jetzt natürlich sowieso viel langsamer. Ich finde es langsamer auch schöner, da kann man mehr Ausdruck hineinlegen. Außerdem höre ich da sofort das "Ave Maria", wenn ich anfange, und das singt man ja auch viel langsamer. Ungefähr in dem Tempo will ich das auch spielen. Schön und mit Ausdruck, emotional. Zu schnell gespielt gehen die Emotionen verloren, da ist es nur noch eine Fingerübung.

Auf jeden Fall ist das ein Stück, das mir nie langweilig wird, wie ich jetzt merke. Ich könnte es wahrscheinlich tausendmal spielen, und es gefiele mir immer noch und ich würde es immer noch gern spielen. Die neuen Stücke, die ich jetzt lerne, gefallen mir auch, aber bisher kann noch keins das Präludium schlagen.
 
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Ich muss mich da wohl einfach mal entscheiden.
Zitat von meinem Lehrer (vor ca. 30 Jahren): "Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, übe beide!" :tongue:

Das hat den unbestreitbaren Vorteil: Egal welche man nimmt, man verspielt sich nicht ...

Viele Grüße,
McCoy
 
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So schnell habe ich das noch nicht mal zu meinen besten Zeiten gespielt. ;)
Bei Barockmusik weiß man in der Tat nicht immer so genau, wie schnell es gespielt werden soll. Ich liege bei den Vierteln auf ca. 94. Czerny gibt in seiner Ausgabe dagegen ein noch schnelleres Tempo, nämlich 112 an. Dann relativiert sich die Aussage, das Stück sei "leicht", doch ganz deutlich... Czerny gibt für beide Hände auch Fingersätze vor, siehe hier:

http://imslp.org/wiki/File:Pre_fug1.pdf
 
Zitat von meinem Lehrer (vor ca. 30 Jahren): "Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, übe beide!" :tongue:

Das hat den unbestreitbaren Vorteil: Egal welche man nimmt, man verspielt sich nicht ...

Viele Grüße,
McCoy
Das ist wahr. ;) Im Moment komme ich jedenfalls immer noch durcheinander, übe also automatisch beide, weil ich mal so, mal so greife.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Bei Barockmusik weiß man in der Tat nicht immer so genau, wie schnell es gespielt werden soll. Ich liege bei den Vierteln auf ca. 94. Czerny gibt in seiner Ausgabe dagegen ein noch schnelleres Tempo, nämlich 112 an. Dann relativiert sich die Aussage, das Stück sei "leicht", doch ganz deutlich... Czerny gibt für beide Hände auch Fingersätze vor, siehe hier:

http://imslp.org/wiki/File:Pre_fug1.pdf
Das ist ja mal gut. Da sind wesentlich mehr Infos angegeben als bei den meisten anderen.

Was die Schnelligkeit angeht: Es muss eben schön klingen, das ist für mich das oberste Kriterium. Wenn es zu schnell gespielt wird, klingt es nicht mehr schön. Czerny hat das wahrscheinlich eher unter dem Aspekt der Virtuosität gesehen und weniger der Schönheit oder der Emotionalität.
 
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übe also automatisch beide, weil ich mal so, mal so greife.
vermutlich wäre es hilfreich, wenn Du nicht "aus Versehen" beide Fingersätze übst, sondern bewusst. Nimm mal eine der problematischen Stellen (bloß wenige Takte) und spiele sie mehrfach hintereinander - abwechselnd mit dem einen und dem anderen Fingersatz. Dann kristallisiert sich entweder eine für Dich doch angenehmere Variante heraus oder Du kannst hinterher wirklich beide gleich gut.
 
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Czerny gibt für beide Hände auch Fingersätze vor, siehe hier:

http://imslp.org/wiki/File:Pre_fug1.pdf
Ich habe mir das wegen der recht umfangreichen Dynamik-Angaben mal angesehen und bin beim Spielen immer wieder gestolpert, bis ich gemerkt habe, dass das Stück bei Czerny einen Takt mehr umfasst als in meinem Henle Urtext vom "Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach". Wenn ich es richtig erkannt habe, ist es der Takt 23 bei Czerny, der bei Henle "fehlt". Weitere Unterschiede konnte ich nicht finden.

Darf ich davon ausgehen, dass der Henle-Urtext dem Original entspricht?
 
Grund: McCoys Quelle / Autograph durchgesehen
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Der "Schwencke-Takt". Auch eine Möglichkeit, seinen Namen in der Musikgeschichte zu verewigen. :D

Zum Glück sind wir im digitalen Zeitalter heute in der Lage, viele Autographen direkt einzusehen, u.a. auch das WTK: klick
Obwohl, man könnte mit Photoshop ... :whistle:
 
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Danke. Dann spiele ich das Stück doch ruhigen Gewissens weiter ohne den Schwencke-Takt.
 
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Nein, Du übst dann gar nicht ... ;)
Heute bin ich mal alles durchgegangen und habe bei jedem einzelnen Takt ausprobiert, was besser zu greifen ist. Dadurch habe ich jetzt einige Takte umgestellt, und es geht einfacher. Ob das so bleibt, weiß ich allerdings nicht, weil ich jetzt merke, dass meine Hände gelenkiger werden und dadurch ändert sich auch einiges. Am Anfang konnte ich meine Finger nicht so weit spreizen, jetzt geht das schon wesentlich besser, und so kann ich auch mal 1 und 4 greifen statt vorher 1 und 5 (was dann gerade mal so knapp ging, weil sich das dann schon sehr gespannt anfühlte).

Ich hätte nicht gedacht, dass sich das so schnell ändert, dass die Finger sich anpassen. Da hatte ich mit viel mehr Schwierigkeiten gerechnet. In den ersten Tagen, als ich wieder angefangen hatte, konnte ich die Finger kaum spreizen und alles tat weh. Da dachte ich, das wird nichts mehr. Aber es wird. Auch wenn man 25 Jahre nicht gespielt hat und noch nie viel spielen konnte.

Auf jeden Fall merke ich jetzt, dass ich mit demselben Griff wie vorher dann auf anderen Tasten lande, weil ich eben einen Ton weiter greife als vorher, obwohl es sich so anfühlt, als wäre es der nähere Ton. Ewig weit können sich die Finger zwar nicht spreizen, aber anscheinend doch viel weiter, als ich dachte. Deshalb werde ich meine Fingersätze wohl noch öfter mal ändern müssen, aber das werte ich als positives Zeichen. :)
 
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