Der "Begleiter" am Klavier

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Ich lese gerade zum zweiten Mal das höchst interessante Buch von Gerald Moore "Bin ich zu laut?", in dem er seine vielfältigen Erfahrungen als "Begleiter" von Sängern, Sängerinnen und allerlei Instrumentalisten auf sehr kurzweilige Weise schildert.

An einer Stelle schreibt er darüber, wie unterschiedlich Solisten mit dem Begleiter umgehen in ihrer Wertschätzung.
Für die einen sind Begleiter ein notwendiges Übel, die sich voll und ganz dem Solisten unterzuordnen haben, andere hingegen sehen die Tätigkeit des "begleitenden" Klavierspielers als gleichwertig und höchst wichtig an.

In der öffentlichen Wahrnehmung scheint es ja auch so zu sein, dass der Solist, sei es eine Sängerin, ein Geigenvirtuose oder auch ein Dirigent, im Rampenlicht steht und die Lorbeeren einer gelungenen Aufführung mehr oder weniger allein einheimst.

Habt Ihr auch solche Erfahrungen als aktive Musiker oder ist es eher völlig anders?

Nachtrag: Das ist natürlich genauso für die Gitarre oder auch Orgel als "Begleit"-Instrument gemeint.
 
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"Und er (der mensch) begehre nimmer zu schauen,
was sie (die götter) bedecken mit nacht und grauen!"

Da geht es um einen tiefen blick in musiker- und sängerpsyche, und der wissende scheut sich, menschliches- und noch mehr allzu-menschliches zu enthüllen.
 
Gilt in der "Klassik" wie in Rockands... Musik sollte man miteinander machen und nicht gegeneinander. Ich habe so meine Erfahrungen mit männlichen Diven gemacht die in jedem Song um jede Solopassage konkurrieren wollten... das Ergebnis war dürftig, bei allem Talent. An der richtigen stelle in den Vordergrund und an der richtigen Stelle Zurückhaltung würde das beste Gesamtbild geben.

Wenn der Begleiter und die Rampensau zusammen und nicht gegeneinander musizieren, sind beide gleichwertig für mich.
 
Sehr interessantes Thema!

Ich (Aushilfs-Begleiter-Dilettant) habe da auch so meine Erfahrungen mit Sängern und Instrumentalisten machen dürfen, im Pop- wie im Klassik-Bereich. Ich denke, gerade Sänger sind in diesem Zusammenhang eine Sache für sich, das reicht von grenzenloser Selbstüberschätzung bis hin zu ängstlichem Nachfragen, ob das Rubato in Takt 79 denn auch wirklich so in Ordnung war.

Bei Instrumentalisten sind die Extreme m.E. nicht derart ausgeprägt. Was meiner persönlichen Meinung nach nicht zuletzt daran liegt, dass Sänger-Klavierbegleitung musikalisch oftmals nur basso continuo-Format hat (siehe die diversen italienischen Opern-Gassenhauer), während in einer Violin- oder Cello-Sonate das musikalische und musikantische Gleichgewicht der Partner doch nachvollziehbarer gegeben ist (spätestens seit Beethoven).

Das ist natürlich etwas überspitzt formuliert, hat aber einen wahren Kern.

Habe letztens Daniel Hope mit Sebastian Knauer in Ludwigsburg gehört. Nach Griegs op. 45 lagen sich die beiden kurz, aber innig in den Armen. Ich hatte den Eindruck, hier machen zwei gute Kumpel gleichberechtigt Musik. Dieses Gefühl hatte ich bei Sängern nie....
 
In der öffentlichen Wahrnehmung scheint es ja auch so zu sein, dass der Solist, sei es eine Sängerin, ein Geigenvirtuose oder auch ein Dirigent, im Rampenlicht steht und die Lorbeeren einer gelungenen Aufführung mehr oder weniger allein einheimst.

Ja, das kann ich bestätigen. Ich habe mich über dieses Thema schon mit einige Musikern unterhalten (auch Sängern ;)) Eine Pianistin sagte mir mal, dass sie so spielen muss, dass die Stimme des Sängers/der Sängerin in ihrem Spiel eingebettet ist. Das hört sich einfacher an, als es ist. Ich habe diese Pianistin schon mit unterschiedlichen Sängern/innen gehört. Jedes Mal trug sie einen großen Teil dazu bei die Stimme zum "Glänzen" zu bringen. Und jedes Mal bekam der Sänger den großen Beifall, während kaum jemand erahnen kann, welchen Anteil die Pianistin an seinem Erfolg hat, und wieviel Arbeit dahinter steckt.
Die Arbeit des Dirigenten wird im Allgemeinen unterschätzt. "Das ist der, der da vorne steht und mit den Armen fuchtelt:" Nun, so ist es sicherlich nicht. Und wer einmal Zeuge einer Orchesterprobe war, der weiß das ;) Aber auch hier, ist er derjenige, der den Beifall einheimst, von der Sopranistin auf die Bühne gezogen wird, und dann mit der Geste `und jetzt alle aufstehen´, dem Orchester auch den verdienten Beifall zukommen lässt.

Kleine Anekdote:
Ein sagen wir mal "bekannter" Diirigent wartet nach der Premiere hinterm Vorhang, um endlich seine Beifall abzuholen. Die Applausordnung dauert ihm aber zu lang, und der Gute wird langsam ungeduldig. Und bevor der 1. Tenor auf die Bühne laufen möchte, schiebt er ihn zur Seite mit den Worten: "Jetzt bin ich aber erst mal dran!"
Ist wirklich passiert. Divenverhalten gibt´s auch bei den anderen Musikern (auch bei den Männern :D)

Gilt in der "Klassik" wie in Rockands... Musik sollte man miteinander machen und nicht gegeneinander.
Wenn der Begleiter und die Rampensau zusammen und nicht gegeneinander musizieren, sind beide gleichwertig für mich.

Das ist einer der grundlegenden Regeln miteinander zu musizieren. Leider wird die nicht immer von allen befolgt. Auch ich kenne diese "Diven", und ihr Verhalten. Darüber könnte man Bücher schreiben. Aber wie bereits erwähnt, kenne ich dieses Verhalten auch von anderen Musikern.

Bei Instrumentalisten sind die Extreme m.E. nicht derart ausgeprägt....

Das ist nicht nur eine Frage des Instrumentes, welches betreffender Musiker spielt, sondern auch eine Frage des Typs. Ich kenne total nette Sopranistinnen, die überhaupt nicht dem Klischee einer Diva entsprechen. Auf der anderen Seite kenne ich auch Instrumentalisten, die fortwährend "ihr Solo" spielen.

Man muss aber auch fairerweise festhalten, dass die Sänger und Sängerinnen vorne, was die Präsentation angeht, einen anderen Job machen (müssen), als die die im Graben sitzen, um es mal etwas salopp zu formulieren. Dafür muss man auch die Traute haben sich an den Bühnenrand zu stellen, und nicht nur zu singen, sondern auch noch die ganzen Dinge tun, die einem der Regisseur (warum schreibt man das nicht mit "ie"?) vorher eingetrichtert hat. Das ist nicht jedermanns Sache ;)

Gruß,

Paul
 
Ich kenne total nette Sopranistinnen, die überhaupt nicht dem Klischee einer Diva entsprechen.

Dann sind es wahrscheinlich Mezzos.... :D

--

Spaß beiseite. Ich selber halte mich beim Begleiten immer an das Motto "Fels in der Brandung".

Das heißt: Egal, was passiert, ich trage den Sänger/die Sängerin auf Händen. Komme, was da wolle. Ich gehe jede Tempoänderung mit, bügle jede Temposchwankung aus, lasse mich durch Fehler/"interpretatorische Freiheiten" aber mal so überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und tue auch sonst alles, damit sich mein Sänger/Sängerin wohlfühlt.

Das wiederum heißt: ich muss das Stück besser können als der Sänger. Also nicht nur meinen eigenen Part perfekt, sondern auch noch den Gesangspart nahezu perfekt. Ich muss immer wissen, was wann wie passiert und was vielleicht passieren kann und muss im Zweifelsfall eine musikalische Lösung haben. Der Sänger darf in keiner Sekunde das Gefühl haben, ich hätte das Stück nicht im Griff oder sei unsicher.

Mit dieser Einstellung bin ich eigentlich fast immer gut gefahren, wobei mir dabei sehr wahrscheinlich meine langjährige Erfahrung als Bassist geholfen hat (Tempofestigkeit und "Standing").

Und was die Wahrnehmung des Begleiters angeht: Der Sänger ist nunmal der Chef. Ganz klar und einfach. Wenn man als Begleiter das mal akzeptiert hat, kann man sich ganz auf die Rolle des "Geschäftsführers" konzentrieren, ohne den der ganze Laden auseinanderfallen würde.

Oder anders formuliert: "Bitte kein Applaus. Begleiter weiß, was er kann." ;)
 
Dann sind es wahrscheinlich Mezzos.... :D

Öhm........:gruebel:.....ja :D

Hab übrigens vorhin besagten Dirigenten wieder erleben dürfen. Und ich sage das trotz seiner "Anwandlungen" voller Bewunderung. Mann, hat der sprichwörtlich ein Händchen! Er versteht es, dass das Orchester die Stimmen "umspielt", und zwar immer im richtigen Verhältnis. Das ist ganz große Kunst. Musik kann so herrlich sen ;)

Was die "Begleiter" angeht, habe ich einmal ein ziemlich unschönes Negativbeispiel erlebt. Ein Duo, Gitarrist und Sängerin, spielen Standards und eigene Sachen. Beide wirklich sehr gut. Nur der Gitarrist "zerspielt" jedes Stück. Jede Verzierung der Sängerin geht in Arpeggien, Harmoniensalat, etc vom Gitarristen unter. Der Mann hätte auch solo spielen können. Was es letztendlich auch war.
Für mich als Gitarrist war das sehr interessant, was der Mann da gemacht hat, und zeugte von einem sehr hohen technischen Standard, aber schön war es beileibe nicht.

Auf der anderen Seite weiß ich aus eigener Erfahrung wie schwer es ist eine Stimme mit der Gitarre zu begleiten. Der Grat, Wald- und Wiesenakkorde auf der einen, und anspruchsvolle Begleitung auf der anderen Seite, auf dem man sich da bewegt ist superschmal. Eine richtige Herausforderung :rolleyes:

Gruß,

Paul
 
Für die einen sind Begleiter ein notwendiges Übel, die sich voll und ganz dem Solisten unterzuordnen haben, andere hingegen sehen die Tätigkeit des "begleitenden" Klavierspielers als gleichwertig und höchst wichtig an.

Bevor ich es völlig vergesse: Ich weiß nicht mehr, von welchem sehr berühmten Begleiter das Zitat ist, aber es geht ungefähr so:

"Begleiten ist Unterordnung in Gleichwertigkeit. Wer dieses Paradoxon nicht aushält, sollte nicht begleiten."

Es ist, ja es muss immer beides sein. Im Extremfall (Sänger krank/fitgespritzt/etc.) ist der Begleiter sogar mehr als gleichwertig. Hab ich selber schon erlebt, dass ein Begleiter einer völlig unpässlichen Sängerin die Einsätze und vieles andere per unübersehbarem Kopfnicken gegeben hat. Fehlte nur noch, dass gleich den ganzen Gesangspart übernommen hätte....

Jede Verzierung der Sängerin geht in Arpeggien, Harmoniensalat, etc vom Gitarristen unter (...) schön war es beileibe nicht.

Ja, sowas kenne ich gut. Ich glaube, solche Leute haben ein kleines musikalisches Minderwertigkeitsproblem, das sie mittels nicht enden wollender Klangkaskaden zu kaschieren suchen. Das mag bei einem Instrumental-Duo noch angehen, spätestens wenn gesungen wird, ist das völlig abwegig.

Manche scheinen auch neidisch auf die Sängerin zu sein, das ist auch ein verbreitetes Phänomen. Keine Frage, als Begleiter muss ich sehr fit sein, aber es reicht, wenn ich das weiß und es ist unschön, wenn ich es zeigen zu müssen meine.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Begleiten ist Unterordnung in Gleichwertigkeit. Wer dieses Paradoxon nicht aushält, sollte nicht begleiten."

Das trifft den Kern des Problems sehr gut.

Allerdings muss man da in der Literatur ja auch unterscheiden, was die vorliegende Komposition an Substanz dem/der Sänger/Sängerin und dem instrumentalen Begleiter zuweist.

Bei einem Rezitativ aus Oper oder Oratorium, das nur mit gelegentlichen akkordischen Einwürfen auf dem Cembalo oder der Orgel den Gesangspart stützt, ist sicherlich Zurückhaltung für den Begleiter geboten.
Bei einem Werk wie "Die Winterreise" aber halte ich das Klavier für absolut gleichberechtigt.
Wenn man sich vorstellt, dass beispielsweise das Ende(die ca. letzten 28 Takte mit dem Text "Einen Weiser seh ich stehen...") aus "Der Wegweiser" ohne die färbenden und modulierenden Bewegungen im Klavierpart, also quasi nur mit Gesang, der hier auch noch einen relativ kleinen Ambitus zu bewältigen hat und aus ständigen Tonwiederholungen besteht, erklingen würde, dann würde dem Lied die Substanz fehlen.
 
Allerdings muss man da in der Literatur ja auch unterscheiden, was die vorliegende Komposition an Substanz dem/der Sänger/Sängerin und dem instrumentalen Begleiter zuweist.

Da bin ich mit Dir völlig d'accord. Und es liegt nicht nur an der Literatur, sondern auch daran, ob es eine Original-Komposition oder eine Bearbeitung ist.

Z.B. Italienischer Arien-Abend (die üblichen Verdächtigen....). Da ist es m.E. völlig witzlos, in die kompositorisch ohnehin nicht allzu "dicht" gepackte Klavierausgabe allzu viel Engagement hineinzulegen. Zweifach schwierig für den Begleiter: Schon das Original gibt musikalisch nicht allzu viel her (quasi reine "Begleitung"), das ganze dann noch für Klavier reduziert, da bleibt nicht mehr viel....

Dagegen: Französischer Lieberabend (Faure, Ravel). In den Originalkompositionen liegt schon so viel "Material", das gedeutet, interpretiert und dem gesanglichen und textlichen Ausdruck angepasst sein will, dass der "Begleiter" schon deshalb kein reiner Begleiter mehr sein kann, weil tumbes Runterspielen das Stück völlig ad absurdum führen würde. Ähnliches gilt natürlich für Schubert und viele andere "materialreiche" Liedkomponisten.

Und dann ist auch die Wahrnehmung des Publikums eine ganz andere. Ich denke, für reine Opern-Begleiter gilt, dass sie kaum wirklich ernstgenommen werden ("Edel-Repetitoren"). Für die Lied-Begleiter sollte das nicht gelten (tut es auch meist nicht), weil hier eine Qualität gefragt ist, ohne die die Gattung Kunstlied nicht funktioniert.

Und es kommt dabei m.E. auch gar nicht darauf an, ob die Parts schwer zu spielen sind (viele Opern-Klavierausgaben sind hammerschwer), sondern vielmehr, ob der "Begleit"-Part Aussagekraft hat ("ich habe etwas zu sagen") oder eher nicht ("ich bin ein schöner Teppich").
 

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