
fiddle
Streichinstrumentenbau
Hallo Leute,
gerade zum Thema Bühne und Mikrofonierung kommen immer wieder Irrtümer auf den Tisch.
Deshalb dachte ich, etwas über den Raum zu erzählen.
Akustische Streichinstrumente und der Weg des Klangs bis an das Ohr des Zuhörers:
Eine Saite schwingt und überträgt diese Schwingungen über den Steg auf den Resonanzkorpus.
Decke und Boden sind Klangplatten und koppeln mit ihrer großen Fläche an das Klang-Medium,
die Luft, an. (die Schallöcher haben hier außerdem auch eine Klang-Funktion, lassen wir weg,
ist kompliziert und ich hab es auch noch nicht ganz begriffen.)
Bei einer herkömmlichen Schallquelle kann man jetzt sagen: der Schall breitet sich konzentrisch
vom Entstehungsort aus.
Jetzt kommts: Das kann man bei Streichinstrumenten so nicht ganz sagen.
Wir hatten in Mittenwald Unterricht bei einem (damals schon) alten Professor für Akustik aus München,
der die Akustik des Gasteig mitentwickelt und verbessert hatte. Seine große Passion waren die
Streicher und der Klang. Nur aus diesem Grund hat er sein Wissen mit den Schülern der GB-Schule
ehrenamtlich geteilt.
Er hat Streichinstrumente in seinem Tonlabor untersucht und kam zu der verblüffenden Erkenntnis,
daß Streichinstrumente eine Richtcharakteristik bei unterscheidlichen Frequenzen aufweisen.
Das ist schwierige Materie, wie hier Wellenformen wie weit in welchem Zustand reichen und dann in
andere Wellenformen übergehen. Sei´s drum..
Ich hatte mal eine Geige restauriert und anschließend in unserer Werkstatt angespielt. Mir kam sie
extrem leise am Ohr vor. Meine beiden Kollegen meinten aber: nö, die ist wirklich sehr laut.
Da haben wir alle drei aber mal richtig gestaunt. Das ist auch ein Indiz für diese Richtcharakteristik.
Diese Geige war in der Hinsicht extrem. Sie hat den kompletten Klang von mir weg geblasen.
Zurück zum Klang.
Der Schall startet also (zum Teil in unterschiedlichen Richtungen) unterschiedlich laut und trifft auf
direktem Weg auf den Zuhörer. Der Löwenanteil des Schalls trifft aber erst auf Wände, Boden, Decke,
wird dort reflektiert und kommt dann mit einer Zeitverzögerung beim Zuhörer an. Wir haben einen Hall.
Je größer der Raum, umso länger wird die Laufzeit des Schalls. Extrem: Kathedrale.
Das andere Extrem wäre: kein Raum.
Ich habe früher oft Quartett gespielt und wir haben uns auch mal, das ein oder andere mal, mitten
auf ner Wiese auf irgend nem Berg im Freien getroffen.
Alle Instrumente klingen hier sehr leise und irgendwie "Saft-los". (macht aber trotzdem Spaß
)
Kein Wunder. Der größte Teil des Schalls macht sich auf den Weg zur Erd-Umrundung.
Wo klingt´s denn am besten:
Das wird ein mittelgroßer Raum sein (Konzertsaal-Größe), der nicht nur aus blanken/geraden
Betonwänden besteht, sondern eine verwinkelte Oberfläche von Decke und Wänden besitzt, die
günstig reflektieren (z.B. Holzpanele) und einen kleinen Anteil an Schallschluck-Masse (z.B. Publikum).
Sonst saust der Schall ungestört im Viereck herum.
Also: Eine Geige klingt auf freiem Feld sehr dürftig und das betrifft auch die Klangwunder der alten
Italiener und vergleichbare. (gibt ja auch neue Instrumente, die da mithalten können!)
-> Der Raum ist ein wichtiger Bestandteil des Klangs. Er gehört zum Instrument, wie Bogen und Kolofonium.
Bühne: bei Rocklautstärke kann man (fast egal, was für ein Raum das ist) davon ausgehen, daß kein Raum
vorhanden ist. Das, was an Hall fehlt, muß also über ein Hallgerät simuliert werden.
Wenn man eine akustische Geige auf einer Rockbühne spielt, hat der reflektierte Raumhall keine Chance gegen
die Gesamtlautstärke - aber auch nicht den Hauch einer Chance!
Wir stellen ein Mikrofon über einem Geiger mit einem guten Instrument auf:
Der Klang ist bei verschiedenen Tönen unterschiedlich stark, da er, je nach Ton, in alle möglichen Richtungen
abgestrahlt wird. Das kann zu einem sehr unausgewogenen Ergebnis führen.
Bei Rocklautstärke muß ich mit dem Mikrofon so nahe an das Instrument, daß die Schallquelle noch lauter ist,
als das, was von den anderen kommt, sonst verstärke ich nicht die Geige, sondern alles andere.
Das verschärft noch mehr die Situation.
Bei guten Orchesteraufnahmen, werden die Mikrofone in großem Abstand platziert. Bsp. Villa Berg in Stuttgart.
(SWR Aufnahmesaal)
Dort hängen ein haufen Mikrofone in etwa 3m Höhe über dem gesamten Orchester.
Das funktioniert natürlich so in keinem Fall, wenn es sehr laut zugeht.
Fazit: wenn ich keinen Raum habe, dann nutzt mir die teuerste akustische Geige nix, denn sie klingt kastriert.
Ist sie ja auch, wenn man den Raum als Teil des Instrumentes ansieht.
Bühne und Open-air: Hier funktioniert eine E-Geige wahrscheinlich besser, als jedes akustische Instrument.
Den Hall muß man in beiden Fällen künstlich erzeugen.
Natürlich bekommt eine E-Geige nicht diesen speziellen Klang einer akustischen zustande, aber man kann ihn
sehr annähern. Auch eine akustische klingt nicht authentisch, denn wir haben Mikrofon und PA zwischen
Geige und Zuhörer. Tja, wenn hier nur ein Teil Schwäche zeigt, dann ist es auch mit dem akustischen Klang
vorbei.
cheers, fiddle
gerade zum Thema Bühne und Mikrofonierung kommen immer wieder Irrtümer auf den Tisch.
Deshalb dachte ich, etwas über den Raum zu erzählen.
Akustische Streichinstrumente und der Weg des Klangs bis an das Ohr des Zuhörers:
Eine Saite schwingt und überträgt diese Schwingungen über den Steg auf den Resonanzkorpus.
Decke und Boden sind Klangplatten und koppeln mit ihrer großen Fläche an das Klang-Medium,
die Luft, an. (die Schallöcher haben hier außerdem auch eine Klang-Funktion, lassen wir weg,
ist kompliziert und ich hab es auch noch nicht ganz begriffen.)
Bei einer herkömmlichen Schallquelle kann man jetzt sagen: der Schall breitet sich konzentrisch
vom Entstehungsort aus.
Jetzt kommts: Das kann man bei Streichinstrumenten so nicht ganz sagen.
Wir hatten in Mittenwald Unterricht bei einem (damals schon) alten Professor für Akustik aus München,
der die Akustik des Gasteig mitentwickelt und verbessert hatte. Seine große Passion waren die
Streicher und der Klang. Nur aus diesem Grund hat er sein Wissen mit den Schülern der GB-Schule
ehrenamtlich geteilt.
Er hat Streichinstrumente in seinem Tonlabor untersucht und kam zu der verblüffenden Erkenntnis,
daß Streichinstrumente eine Richtcharakteristik bei unterscheidlichen Frequenzen aufweisen.
Das ist schwierige Materie, wie hier Wellenformen wie weit in welchem Zustand reichen und dann in
andere Wellenformen übergehen. Sei´s drum..
Ich hatte mal eine Geige restauriert und anschließend in unserer Werkstatt angespielt. Mir kam sie
extrem leise am Ohr vor. Meine beiden Kollegen meinten aber: nö, die ist wirklich sehr laut.
Da haben wir alle drei aber mal richtig gestaunt. Das ist auch ein Indiz für diese Richtcharakteristik.
Diese Geige war in der Hinsicht extrem. Sie hat den kompletten Klang von mir weg geblasen.
Zurück zum Klang.
Der Schall startet also (zum Teil in unterschiedlichen Richtungen) unterschiedlich laut und trifft auf
direktem Weg auf den Zuhörer. Der Löwenanteil des Schalls trifft aber erst auf Wände, Boden, Decke,
wird dort reflektiert und kommt dann mit einer Zeitverzögerung beim Zuhörer an. Wir haben einen Hall.
Je größer der Raum, umso länger wird die Laufzeit des Schalls. Extrem: Kathedrale.
Das andere Extrem wäre: kein Raum.
Ich habe früher oft Quartett gespielt und wir haben uns auch mal, das ein oder andere mal, mitten
auf ner Wiese auf irgend nem Berg im Freien getroffen.
Alle Instrumente klingen hier sehr leise und irgendwie "Saft-los". (macht aber trotzdem Spaß

Kein Wunder. Der größte Teil des Schalls macht sich auf den Weg zur Erd-Umrundung.
Wo klingt´s denn am besten:
Das wird ein mittelgroßer Raum sein (Konzertsaal-Größe), der nicht nur aus blanken/geraden
Betonwänden besteht, sondern eine verwinkelte Oberfläche von Decke und Wänden besitzt, die
günstig reflektieren (z.B. Holzpanele) und einen kleinen Anteil an Schallschluck-Masse (z.B. Publikum).
Sonst saust der Schall ungestört im Viereck herum.
Also: Eine Geige klingt auf freiem Feld sehr dürftig und das betrifft auch die Klangwunder der alten
Italiener und vergleichbare. (gibt ja auch neue Instrumente, die da mithalten können!)
-> Der Raum ist ein wichtiger Bestandteil des Klangs. Er gehört zum Instrument, wie Bogen und Kolofonium.
Bühne: bei Rocklautstärke kann man (fast egal, was für ein Raum das ist) davon ausgehen, daß kein Raum
vorhanden ist. Das, was an Hall fehlt, muß also über ein Hallgerät simuliert werden.
Wenn man eine akustische Geige auf einer Rockbühne spielt, hat der reflektierte Raumhall keine Chance gegen
die Gesamtlautstärke - aber auch nicht den Hauch einer Chance!
Wir stellen ein Mikrofon über einem Geiger mit einem guten Instrument auf:
Der Klang ist bei verschiedenen Tönen unterschiedlich stark, da er, je nach Ton, in alle möglichen Richtungen
abgestrahlt wird. Das kann zu einem sehr unausgewogenen Ergebnis führen.
Bei Rocklautstärke muß ich mit dem Mikrofon so nahe an das Instrument, daß die Schallquelle noch lauter ist,
als das, was von den anderen kommt, sonst verstärke ich nicht die Geige, sondern alles andere.
Das verschärft noch mehr die Situation.
Bei guten Orchesteraufnahmen, werden die Mikrofone in großem Abstand platziert. Bsp. Villa Berg in Stuttgart.
(SWR Aufnahmesaal)
Dort hängen ein haufen Mikrofone in etwa 3m Höhe über dem gesamten Orchester.
Das funktioniert natürlich so in keinem Fall, wenn es sehr laut zugeht.
Fazit: wenn ich keinen Raum habe, dann nutzt mir die teuerste akustische Geige nix, denn sie klingt kastriert.
Ist sie ja auch, wenn man den Raum als Teil des Instrumentes ansieht.
Bühne und Open-air: Hier funktioniert eine E-Geige wahrscheinlich besser, als jedes akustische Instrument.
Den Hall muß man in beiden Fällen künstlich erzeugen.
Natürlich bekommt eine E-Geige nicht diesen speziellen Klang einer akustischen zustande, aber man kann ihn
sehr annähern. Auch eine akustische klingt nicht authentisch, denn wir haben Mikrofon und PA zwischen
Geige und Zuhörer. Tja, wenn hier nur ein Teil Schwäche zeigt, dann ist es auch mit dem akustischen Klang
vorbei.
cheers, fiddle
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