Die Geschichte der Ventilposaune und ihrer Anwendungsbereiche

Blechverliebt
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Hallo Freunde,

mein Name ist Tino und ich betreibe eine kleine Reparaturwerkstatt für Blechblasinstrumente in Schleswig-Holstein. Hin und wieder habe ich Ventilposaunen (oft per Reparaturversand) zu Gast, die sich nach etwas Pflege und Service, bzw. Reparatur sehnen. Oft habe ich mich an der Werkbank schon gefragt, wer sich das Konzept der Ventilposaune erdacht hat, für welchen Zweck Ventilposaunen erfunden wurden, welche Bauarten es gegeben hat und wo Ventilposaunen Verwendung gefunden haben, beziehungsweise immer noch Verwendung finden. Vielleicht hat ja jemand Spezialwissen und kann sich an den Fragen etwas ausleben. Ich freue mich auf spannende Antworten!


Viele Grüße

Tino Stock

PS: Sollten Beiträge mit passenden Antworten bereits existieren, weißt mich bitte darauf hin.
 
Servus,

alles was ich über Ventilposaunen weiß, steht auch in dem entsprechenden Wikipediaartikel. Einsatz als Reiterinstrument, Orchesterverbreitung eher in Italien und Frankreich, immer noch in der volkstümlichen Musik zu finden. Ein paar Jazzer, beispielhaft Bob Brookmeyer, haben sie verwendet.

Ich hatte in meiner aktiven Zeit über einen längeren Zeitraum eine Holton Superbone in Gebrauch. Gebraucht aus der Bucht. Die hat sich bei einem Posaunen Symposium ein professioneller Jazzer geschnappt. Mit den ganzen Möglichkeiten aus Zugpositionen und Ventilkombinationen (rechts ziehen und links drücken) war ich als Amateur eh überfordert. Aber es war eine interessante Erfahrung. Schagerl hat für James Morrison vor einigen Jahren auch eine Superbone entwickelt.


Gruß hermanson
 
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...für welchen Zweck Ventilposaunen erfunden wurden,...
Das Schöne an Ventilposaunen ist, dass man keinen Platz für den empfindlichen Zug braucht. Der Vorteil zeigt sich z.B. beim Marschieren oder den beengten Verhältnissen mancher Bühnen für eine Big Band.
Eine sinfonische Verwendung von Ventilposaunen habe ich allerdings nur vereinzelt in YT-Videos italienischer Orchester gesehen.
Auch bei den amerikanischen "Drum and Bugle Corps" sieht man alle Bauformen, also konventionelle Zugposaunen neben Ventilposaunen und letztere auch in einer gewickelten Kompaktbauweise.
kuehnl & hpyer Ventilposaunel-560.png kanstul marching trombone.jpeg
Quelle: Kühnl & Hoyer Ventilposaune (links), Kanstul Marching Trombone (rechts)


View: https://youtu.be/2EDIDCdy5Es?t=48
"Jugendblasorchester" :hail: Blue Devils Drum & Bugle Corps beim Warmup und Einstimmen

Gruß Claus
 
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Hallo Freunde,

vielen Dank für euere Antworten!
Für ein Jugenblasorchester sind die Blue Devils Drum & Bugle Corps ganz schön auf Trab! Hut ab!


Viele Grüße

Tino Stock von Blechverliebt
 
Servus, bei der sinfonischen Verwendung habe ich mich etwas zu kurz gefasst. Ich meine mich zu erinnern, dass es sich um Aufführungen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, z.B. von Verdi Opern, handelte.
 
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Ich hab mal wo gelesen, dass die Ventilposaune als Not- oder Übergangslösung entstanden ist. Nach dem Ende der Barockzeit ist die Posaune (wie einige andere Barockinstrumente) in Vergessenheit geraten. In der Klassik waren Posaunen i. A. nicht vorgesehen, ihre Stimme wurde vermutlich vom Fagott übernommen. In den über 100 Haydn-Sinfonien kommt keine Posaune vor. Als dann von den Komponisten wieder zunehmend Posaunen gewünscht wurden (etwa bei Beethoven, später Mahler, Bruckner usw.), gab es keine (Zug-)posaunisten mehr, und auch keine Lehrer für Zugposaune. Inzwischen hatten sich bei den anderen Blechblasinstrumenten die Ventile durchgesetzt. Es lag nahe, die Posaune damit auszustatten, weil ein Umstieg von einem anderen Ventilinstrument auf die Ventilposaune relativ einfach zu erreichen war, jedenfalls leichter, als jemanden an der Zugposaune auszubilden. Aber das konnte nur eine Übergangslösung und ein Kompromiss sein. Ventile erleichtern zwar das Spielen schneller Passagen, bringen aber gewissen Nachteile mit sich. Und man man verliert natürlich das Glissando, das sich nur mittels Zug erreichen lässt.
 
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Servus, bei der sinfonischen Verwendung habe ich mich etwas zu kurz gefasst. Ich meine mich zu erinnern, dass es sich um Aufführungen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, z.B. von Verdi Opern, handelte.
Besonders hervorzuheben ist dabei wohl das Cimbasso, eine Ventil-Bassposaune in F, die im sinfonischen Bereich eigtl. nur bei Verdi und Puccini zum Einsatz kommt. Aber z.B. der gute Mattis Cederberg, seines Zeichnes Bassposaunist der der WDR Bigband, setzt auch gelegentlich eines ein:

View: https://www.youtube.com/watch?v=p1DNl8BF49U

Viele Grüße
Marco
 
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In den über 100 Haydn-Sinfonien kommt keine Posaune vor
Naja, aber dafür in seinen Oratorien "die Schöpfung" und "Vier Jahreszeiten". Auch in Mozarts Requiem spielt im "tuba mirum" eine Posaune, Beethoven 5., Berlioz "Symphonie fantastique" ...
Die Posaune erhielt ihre jetzigen Proportionen auch erst im 19. Jahrhundert, sie war also durchgängig präsent, nur einfach etwas "aus der Mode" und weniger häufig.

Weit häufiger als in der sinfonischen Musik war die Posaune in Militärkapellen unterwegs. Viel Repertoire für Posaune entstand in diesem Militär-Kontext. Und da finde ich schlichtweg den Platzbedarf einer Zugposaune entscheidend, was @Claus oben schon ansprach.
Um 1930 wurde das "Trombonium" entwickelt, eine aufrechte Form der Ventilposaune. Das braucht nochmal weniger Platz nach vorne. Hat sich aber nicht durchgesetzt gegen Tenor- und Althörner.
Ventile sind für mich da nichts "neues" sondern einfach eine andere Realisierungsmöglichkeit.

weil ein Umstieg von einem anderen Ventilinstrument auf die Ventilposaune relativ einfach zu erreichen war, jedenfalls leichter, als jemanden an der Zugposaune auszubilden.
das finde ich auch argumentatorisch heikel. Gerade im 19. Jahrhundert wurden so viele Instrumente entwickelt und weiter vorangetrieben oder variiert (Ophicleide, Tuba, Saxophon, Kontrabassklarinette ...). Da hat man nicht erst auf eine Lehrergeneration gewartet, sondern drauf gespielt ;)
Ich selbst spiele sowohl Züge als auch Ventile und halte die Transferleistung hin und her für durchaus zumutbar. Üben muß man ja eh selbst.

Insgesamt sehe ich da eine friedliche Koexistenz.
 
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Ich hab mal wo gelesen, dass die Ventilposaune als Not- oder Übergangslösung entstanden ist...
Diese Erklärung habe ich tatsächlich auch schon gehört!
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Weit häufiger als in der sinfonischen Musik war die Posaune in Militärkapellen unterwegs. Viel Repertoire für Posaune entstand in diesem Militär-Kontext. Und da finde ich schlichtweg den Platzbedarf einer Zugposaune entscheidend, was @Claus oben schon ansprach.
Um 1930 wurde das "Trombonium" entwickelt, eine aufrechte Form der Ventilposaune. Das braucht nochmal weniger Platz nach vorne. Hat sich aber nicht durchgesetzt gegen Tenor- und Althörner.
Ventile sind für mich da nichts "neues" sondern einfach eine andere Realisierungsmöglichkeit.
Die Militärmusik hat zur Entwicklung vieler Instrumente beigetragen. Ventilposaunen zu nutzen ist in diesem Kontext aus vielerlei Richtungen sinnvoll. In den Musikkorbs unserer Bundeswehr z.B. haben sich ja trotzdem die Zugposaunen durchgesetzt. Das ist doch eigentlich etwas komisch oder? Ich könnte mir auch vorstellen, dass Ventile vor allem beim marschieren angenehmer sind und schnelle Passagen besser bewältigt werden können. Wie ist das eigentlich in der süddeutschen, österreichischen, oder böhmischen traditionellen Blasmusik? Dort sieht man Ventilposaunen ja sehr häufig. Kann da jemand berichten?
 
Grund: Vollzitat gekürzt, liest sich besser
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Servus, kennst du das Buch "Metallblasinstrumentenbau" von Günter Dullat? Lt. einem Freund und zeitgleich mein früherer Haus- und Hof Instrumenteninstandhalter ein Standardwerk der Zunft, übertreibt aber auch mal etwas. Der erste Teil befasst sich mit der Geschichte und Entwicklung der Blechblasinstrumente, auch der Ventilposaune. Wenn Nein und Interesse, lass mir eine PN zukommen, da das Buch nicht ganz günstig ist. Den zweiten Band "Entwicklungsstufen und Technologie" kenne ich nicht.

Gruß hermanson
 
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„Von der Ventilposaune zur Zugposaune.
1883 ging die Zahl der Posaunisten im Orchester drastisch zurück, da Wilhelm Jahn in diesem Jahr beschloss, von der seit 1835 im Opernorchester üblichen Ventilposaune auf die Zugposaune umzusteigen. Aber keiner der fünf Posaunisten konnte sie spielen! Man gewährte ihnen ein Jahr, um sich an das neue Instrument zu gewöhnen. Die drei ältesten Mitglieder lehnten ab und wurden als dienstunfähig mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt. … Die beiden anderen … erklärten sich bereit, die neue Posaune zu erlernen, doch Malischek (Anmerkung: einer der beiden) war dazu nicht in der Lage und wurde seinerseits 1884 in der Ruhestand versetzt: Er starb vier Jahre später im Alter von 37 Jahren in einer „Irrenanstalt“ in Oberösterreich, an „Erschöpfung“, wie die damalige Diagnose lautete. Allein Ferdinand Schubert (Anmerkung: der andere von den beiden) gelang es, sich an das neue Instrument zu gewöhnen. Um die drei gleichzeitig entstandenen Lücken aufzufüllen, ließ die Generalintendanz drei Posaunisten aus Deutschland kommen …. Ein Jahr nach dem Engagement der drei Leipziger Musiker scheiterte auch Karl Malischek an der neuen Posaune …Die neue Posaune hatte sich bereits in vielen Orchestern durchgesetzt, nicht jedoch in Wien. Brahms komponierte die Posaunenpartien seiner 2. Symphonie für die Ventilposaunen der Philharmoniker. Er war so an deren Spiel gewöhnt, dass er sich mit den Zugposaunen … nicht anfreunden wollte …“.


Leider weiß ich nicht, wer der Autor dieses oben zitierten Textes ist, und hab auch keine Quellenangaben. Der Text scheint aus einem Buch über die Geschichte der Wiener Philharmoniker zu stammen.
 
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Ich hab's nun doch noch gefunden: Der zitierte Textabschnitt stammt aus dem Buch "Die Wiener Philharmoniker. Das Orchester und seine Geschichte von 1842 bis heute" von Christian Merlin. Man kann es bei Google Books finden (Leseprobe).
 
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