Ich denke, es ist hilfreich, wenn man den Dschungel an Möglichkeiten im speziellen Zusammenhang mit YouTube für einen Hobby-Musiker, der Covermusik betreibt, noch einmal etwas ausführlicher darstellt. Der besagte Dschungel ist jedoch gar nicht so undurchsichtig. Alleine absolute Randthematiken, die in diesem Zusammenhang hochstilisiert und dadurch in ihrer Bedeutung überhöht werden, verunsichern in der Thematik. Sie mögen dann zwar in einem besonderen Einzelfall von Bedeutung sein. Für die deutlich überwiegende Mehrzahl sind sie jedoch nicht relevant bzw. vernachlässigbar.
In Bezug auf eine YouTube-Veröffentlichung eines Covers stellt sich die gesamte Urheberrechtslandschaft mit der potenziellen Gefahr von Rechtsverstößen aus meiner Sicht wie folgt dar:
Fall-1: Der Rechteinhaber am Musikstück beauftragt eine der herkömmlichen Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung seiner Urheberrechte
Die bekannteste in Deutschland ist die GEMA. Es gibt aber auch noch weitere, die ein Rechteinhaber beauftragen kann. Die besagte Verwertungsgesellschaft meldet u.a. bei diversen Streamingplattformen einen "Copyright-Anspruch" auf das jeweilige Musikstück an. Des Weiteren regelt die Verwertungsgesellschaft mit der jeweiligen Streamingplattform auch die anteilige Vergütung durch Werbeeinnahmen und Streams. Bei YouTube erhält sie dazu eine sogenannte "Contend-ID" (eindeutiger Fingerabdruck). YouTube überprüft bei jedem neuen Upload, ob der jeweilige Upload einem der gelisteten "Fingerabdrücke" (= Rechtsansprüche der Copyright-Holder) entspricht. Falls ja, erfolgt die weitere Behandlung (inklusive etwaiger Verteilung von Werbeeinnahmen) gemäß der jeweiligen Vereinbarung mit der beauftragten Verwertungsgesellschaft.
Fall-2: Der Rechteinhaber am Musikstück beauftragt eine digitale Online-Vertriebsplattform zur Wahrnehmung seiner Urheberrechte
Viele kleinere Musik Acts, die bewusst keine der herkömmlichen Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung ihrer Urheberrechte beauftragen, vertreiben ihre Musikstücke über digitale Online-Vertriebsplattformen. Bekannte Vertriebsplattformen sind z.B. DistroKid, AWAL und iMuscian. Derartige Online-Vertriebsplattformen sind vielfach die notwendige Voraussetzung, damit kleinere Musik Acts (ohne Major Label-Vertrag) ihre Musikstücke überhaupt auf Streamingplattformen wie Spotify, Apple Music, Amazon Music und Deezer bekommen, da die genannten Streamingplattformen aus Aufwandsgründen dies so vorschreiben. Auch diese Online-Vertriebsplattformen kann ein Rechteinhaber dazu beauftragen, sein Musikstück u.a. über YouTube zu vermarkten. Auch hier meldet die jeweilige Online-Vertriebsplattform einen Copyright-Anspruch bei YouTube an und erhält dafür ebenfalls die besagte "Contend-ID". Die genaue Aufteilung etwaiger Einnahmen sind je nach beauftragter Online-Vertriebsplattform unterschiedlich. Ich betrachte diese Gruppe an Musikstücken in ihrer Gesamtanzahl als zunehmend relevant.
Fall-3: Der Rechteinhaber am Musikstück hat weder eine herkömmliche Verwertungsgesellschaft noch eine digitale Online-Vertriebsplattform zur Wahrnehmung seiner Urheberrechte auf YouTube beauftragt
Sofern ein derartiges Musikstück auf YouTube gecovert werden würde, würde YouTube dieses Cover quasi als ein Originalmusikstück des jeweiligen YouTube-Kanalinhabers betrachten. Und sofern der YT-Kanal monetarisiert werden kann (u.a. abhängig von der Abonnentenanzahl) würden darüber dann auch Einnahmen über Werbeeinspielungen generiert werden können. In einem solchen Falle könnte der jeweilige Rechteinhaber (der Komponist) dann sein Urheberrecht z.B. durch Beauftragung eines Rechtsanwaltes gegenüber dem YT-Uploader geltend machen.
Über die Frage, welchen genauen Umfang an Musikstücken der "Fall-3" im Vergleich zu den Musikstücken, die unter Fall-1 und Fall-2 einzuordnen sind, darstellen, kann ich natürlich nichts 100% Verbindliches aussagen. Meine Schätzung wäre allerdings, dass sich dies deutlich unter 1% bewegt. Darüber hinaus muss man sich natürlich auch die Frage stellen, wie ein potentieller Autor eines Covers überhaupt auf ein Musikstück aufmerksam wird. Das erfolgt doch nahezu immer über einen vorhandenen Tonträger (Platte, CD) oder eine Streamingplattform. Und in diesem Falle kann man fast immer davon ausgehen, dass das jeweilige Musikstück in irgendeiner Form rechtlich geschützt ist (und entsprechende Copyright-Ansprüche u.a. auch bei YouTube angemeldet wurden).
Und zu guter Letzt müsste in diesem, aus meiner Sicht sehr theoretischen Fall-3, dann der Rechteinhaber erst einmal von der Cover-Veröffentlichung Kenntnis erhalten und sich zu einer aufwändigen Rechtsklage entschließen.
Alles in allem wäre daher mein Rat: Wer unter den AKTUELL geltenden YouTube-Rahmenbedingungen einen tollen Originalsong für sich covern und auf YouTube KOSTENLOS veröffentlichen möchte, der sollte dies tun, ohne dadurch schlaflose Nächte haben zu müssen. Millionen von YouTube-Coverer tun dies ebenfalls (mich eingeschlossen).