"Knie-Aufstampf-Akzent" bei Bandoneon und Akkordeon

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Vorausgeschickt sei, dass ich von Bandoneon null Ahnung habe.

In diesem Video habe ich das erste Mal gesehen, dass man die typischen starken Tango-Akzente mit dem Bandoneon macht, indem man mit der Hacke auf dem Boden "stampft". Klingt irgendwie super, finde ich.

Ich spiele ja auch gern mal Tango mit dem Akkordeon. Natürlich klingt das nie wirklich wie Bandoneon, aber ich würde dem Bando-Klang gern so nah wie möglich kommen. Ich hab diesen "Knie-Akzent" mal bisschen mit dem Akkordeon probiert, aber hätte einige Fragen

- Besteht durch den starken mechanischen "Kick" eine Gefahr, am Balg oder den Zungen etwas kaputtzumachen?
- Das Luftvolumen im Akkordeon ist ja deutlich größer, daher vermutlich die "Trägheit" auch - denkt Ihr, dass diese Technik beim Akkordeon überhaupt sinnvoll ist?
- Braucht es das überhaupt, oder kann man den gleichen Effekt mit entsprechendem Armeinsatz und Tastenbedienung auch hinbekommen?
- Habt Ihr das schon mal ausprobiert, was sind Eure Erfahrungen?

Diesen Thread habe ich gelesen, die obigen Fragen sind aber bei mir noch offen. Dort findet sich nur die unklare Meinung
Auf dem Akkordeon ist diese Technik zu heftig, finde ich.
.. wobei ich nicht weiß, ob mit "zu heftig" musikalisch, technisch, ... gemeint ist.

Vielleicht ist es ja für jemand anders auch interessant, das Thema nochmal anzustupsen.

Danke schonmal!
 
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Man erkennt in dem Video eine untergelegte weiche schwarze Matte.
Auch bleibt der Balg unten geschlossen.
Je nach Zustand könnte sich da auch beim Bandoneon schon was losrappeln wenn zu dolle gestampft wird.
Beim Akkordeon könnte man das Knie auch unter dem Bassgehäuse positionieren.
Ich setze das Knie schon ein aber eher fürs Vibrato.
 
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- Das Luftvolumen im Akkordeon ist ja deutlich größer, daher vermutlich die "Trägheit" auch - denkt Ihr, dass diese Technik beim Akkordeon überhaupt sinnvoll ist?
Genau - gute Überlegung. Deshalb würde ich sagen, zumindest ist es nicht so effektiv und klingt auch härter und unkontrollierter.
Eigentlich geht es beim Auftreffen auf dem Boden nur um den Abschlag des zuvor bereits crescendierten Tons. Beim Aufschlag muss man also die Knöpfe loslassen. Oder danach wieder leiser werden. (Aber typischer Weise ist das Tonende kurz)

Ein wesentlicher Unterschied ist auch das Gewicht und die Auflagefläche.
Beim Bandoneon liegt genau die Mitte des Balges auf dem Knie, beim Akkordeon irgend etwas anderes. Beim Bandoneon hast Du beide Hände für die Kontrolle beim Akkodern nur den linken Arm.

Ganz krass ist, dass die Position des Balges ja nach jedem Akzent mit einem riesengroßen Luftknopf wieder resettet wird.
Geht beim Akkordeon auch nicht.

- Braucht es das überhaupt, oder kann man den gleichen Effekt mit entsprechendem Armeinsatz und Tastenbedienung auch hinbekommen?

Es wäre schon schön, aber mit etwas Übung bekommt man den Effekt auch ohne Bein und ohne beide Hände ähnlich hin. Es ist nur viel anstrengender und weniger effektvoll.


- Habt Ihr das schon mal ausprobiert, was sind Eure Erfahrungen?
Klar, aber ich mache es lieber mit der klassischen Armtechnik und nehme die Füsse nur unbewusst dazu.
Knie ist eigentlich falsch oder?
Das hieße ja, man hebt das Bandoneon an und knallt es aufs Knie. Aber eigentlich bleibt es mit dem Knie verbunden und nur der Fuss gibt einen Impuls.

.. wobei ich nicht weiß, ob mit "zu heftig" musikalisch, technisch, ... gemeint ist.

Ich denke er meinte, dass das Aufschlagen des Fußes beim Akkordeon eher eine unästhetische störende Erschütterung hörbar macht, statt einen wohldosierten Akzent. Also technisch zu heftig wegen des großen Gewichts und der harten Position und musikalisch wegen des daraus resultierenden harten Klanges..
 
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und knallt es aufs Knie
Fuß oder Ferse wäre besser.
Die Technik heißt "taco" (Absatz), das ist dann verm. selbsterklärend. "Knallen" tut's verm., wenn man beweisen will, dass man's drauf hat ;), es ist ein Akzent.
aber ich würde dem Bando-Klang gern so nah wie möglich kommen
Der von mir sehr verehrte Gabriel Merlino hat das bisher verm. erste und einzige Album eingespielt, wo Titel wie "Night and day" oder "Autumn leaves" bandoneongerecht arrangiert sind - (CD "Bandoneon Dreams") -


View: https://www.youtube.com/watch?v=3i-6H_Xp6KA&list=OLAK5uy_nk7qO7fanLPxggkje38hInKR_UAJeyBiA
als Anregung :hat:
 
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Habt Ihr das schon mal ausprobiert, was sind Eure Erfahrungen?
Ich spiele mit dieser Technik Tango auf dem Akkordeon, weil ich meine, dass sich die Töne anders anhören als wenn ich den Klang konventionell erzeuge. Keine Ahnung, warum man das anders nicht hinkriegt.

Die Technik ist nicht ganz einfach. Wenn man den Dreh nicht raus hat, passiert nichts oder nicht das, was man will. Es muss die Geschwindigkeit stimmen, mit der man das Instrument nach unten sausen lässt. Außerdem muss das Drücken und Loslassen der Taste und des Balges dazu passen. Also drei Faktoren, die technisch für den Klang eine Rolle spielen. Weil das so ist, ist klar, dass man nicht unbeschwert zwischen verschiedenen Akkordeons wechseln kann. Bei mir fühlt sich die Technik auf einem leichteren Instrument anders an als auf meinem schweren Konverter.

Das Resultat auf dem Akkordeon mit dem Bandoneon zu vergleichen, ist schwer. Es klingt auf dem Akkordeon anders. Wahrscheinlich weil die Konstruktion des Instruments eine Rolle spielt. Was ich noch dazu anmerken möchte: Ein Bandoneon hat kein Cassotto. Darum kommt man dem Bandoneonklang mit einfacheren und leichteren Nicht-Cassotto-Akkordeons näher, finde ich.
 
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Der von mir sehr verehrte Gabriel Merlino hat das bisher verm. erste und einzige Album eingespielt, wo Titel wie "Night and day" oder "Autumn leaves" bandoneongerecht arrangiert sind
Ich habe eben in Adio Nonino herein gehört. Hm, es klingt von den spieltechnischen Figuren her eher wie ein Knopfakkordeon, die Chromatik hört sich jedenfalls verdächtig an. Spielt er ein C-Griff Bandoneon? Ich mag es nicht so, zu glattgebügelt.
 
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Man erkennt in dem Video eine untergelegte weiche schwarze Matte.
Auch bleibt der Balg unten geschlossen.
Je nach Zustand könnte sich da auch beim Bandoneon schon was losrappeln wenn zu dolle gestampft wird.
Beim Akkordeon könnte man das Knie auch unter dem Bassgehäuse positionieren.
Ich setze das Knie schon ein aber eher fürs Vibrato.
Die Matte gehört zum Mobiliar, es ist vollkommen egal, auf welchem Untergrund diese Technik ausgeführt wird, da man üblicherweise - auch wenn es den Anschein haben mag - mit der Ferse NICHT auf den Boden stampft, sondern ihn höchstens kurz antippt.

Das demonstriert Eva Wolff z. B. in diesem Video:


View: https://youtu.be/vsDPnxJQynE?feature=shared

Es gibt auch mehrere unterschiedliche unterstützende Faktoren hinzu: Z. B. die Finger berühren im richtigen Moment nur äußerst kurz die Knöpfe und lösen sich sofort wieder. Die Berührung sollte so kurz und scharf sein, dass ein eher perkussiver Sound denn ein Akkord erklingt. Es hilft die Vorstellung, man berühre eine Herdplatte, um zu prüfen, ob sie noch heiß ist ;)

Anders beim „Stopp-Balg“, bei dem die Finger die Knöpfe gedrückt halten und der Ton allein dadurch gestoppt wird, in dem der Balg abrupt angehalten wird, wodurch auch bei perfektem „balghandling“ etwas im Corpus nachklingt, eher brummt und dem ganzen eine fast mythische Note verleiht. Un Neo-Tangos (Otros Aires, Gotan Project…) glaube ich diese Technik öfter wahrzunehmen.

Oder die Finger gehen leicht in die Knöpfe und der Balg wird kurz aber crescendo-artig geöffnet, wodurch dieser typische „Tango-wwWWUMS“ entsteht.

Hinzu kommt dann noch das Öffnen des Lufthebels im richtigen Moment und das Schließen des Balgs für den nächsten Anlauf…

Alle diese Techniken und das Zusammenspiel erfordern einiges an Übung! Und ich vermute, dass diese Techniken auf einem Akkordeon so kaum ausführbar sein dürften oder zumindest nicht zu dem gleichen Ergebnis führen dürfte.

Dass das Bandoneon gerade bei diesen Techniken oben geöffnet wird, liegt natürlich an einer höheren Stabilität in geschlossenem Zustand aber auch darin, mit der Kraft zu haushalten (die Hauptarbeit beim Öffnen übernehmen so die ca. 2,5 kg schweren Deckel auf jeder Seite) und kurze Wege zum Schließen des Balgs zu haben, da diese Technik vornehmlich im Aufzug zur Anwendung kommt.

Das ist zumindest mein bisheriger Wissensstand. Ich übe noch daran, aber es nähert langsam dem Sound an, den ich mir vorstelle bzw. den ich von den Könnern kenne.

Hier mal ein ganzes (und berühmtes) Stück in dieser Technik, gespielt von einem Meister:


View: https://youtu.be/8J1iDlcYdY8

In dem Video kann man schön sehen, wie Bein und Balgtechnik zusammenspielen - mal ganz abgesehen davon, dass er das Stück überhaupt genial vorgetragen hat und man kann während der Variation an Ende sehen, dass er diese Technik auch mit unten geöffnetem Balg einsetzt.

Aber wer schon mal ein richtiges argentinisches Tango-Orchester erleben durfte weiß, dass Bandoneons einiges aushalten können.


View: https://youtu.be/qdRXB1_5rVE

oder hier


View: https://youtu.be/PlBW_NSlFV8

Und das waren eher die zahmerem Beispiele ;):biggrinB:
 
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Großartig erläutert !
 
Großartig erläutert !
Danke für die Blumen. Vieles davon stammt aus einer längeren Workshopreihe zu dem Thema von Rocco Heins, Oldenburg.

Hier mal ein kleines Videoschnipsel von ihm zu einer möglichen Tango-Begleitung:


View: https://youtu.be/l4xNmsUwh4U

Der argentinische Tango hat eine eigene Sprache, mit speziellen Akzenten, Phrasierungen und Rhythmen, die ihn als solchen erkennbar machen und die man lernen muss, um Tango spielen zu können, aber das ist ein anderes Thema.
 
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Großartig
 
Was ich zu erwähnen vergessen hatte: Soweit ich das bisher überblicken kann, gibt es für diese Technik, die Akzente zu verstärken, keine eigenen Symbole (Noten).

Der Bandoneonist entscheidet selbst, wo er diese Technik anwendet und wo nicht. Das „marcato“ wird in Notenblättern üblicherweise mit dem normalen Akzentzeichen gekennzeichnet und lässt sich auch auf zwei Beinen und nur über die oben beschriebenen Finger- und Balgtechniken produzieren.

Allerdings verstärkt das Spielen auf einem Bein den Sound des Bandoneons ungemein, weil die beiden 2,5 kg schweren Deckel quasi von selbst „herunterfallen“ und deren Fallgeschwindigkeit vom Spieler je nachdem, wie laut er spielen möchte, sogar gebremst werden muss, denn sobald Knöpfe gedrückt werden, fallen die Deckel sehr schnell nach unten, wodurch abhängig von der Anzahl der geöffneten Töne sehr schnell sehr viel Luft verbraucht wird und entsprechend schneller wieder „nachgeatmet“ werden muss. Es ist natürlich klar, dass je mehr Luft durch die Stimmritzen gezogen wird, der Ton entsprechend lauter, sogar voller wird.

Melodische Linien werden im Allgemeinen auf zwei Beinen gespielt. Geübte Bandoneonisten, die das Spielen auf einem Bein perfektioniert haben, können auch diese auf einem Bein und sogar im Stehen spielen:


View: https://youtu.be/C2V7RDTBZhk

Persönlich fällt mir besonders letzteres noch schwer, da ich dann nicht mehr alle Töne erreiche - vielleicht/hoffentlich auch „nur“ eine Frage der Technik und der Übung.

Das Spielen auf einem Bein oder sogar im Stehen wird gern im Zusammenspiel mit größeren Ensembles und Orchestern, da das Bandoneon so lauter und voller klingt und sich ein einzelnes Bandoneon besser gegenüber den anderen Instrumenten durchsetzen kann.


View: https://youtu.be/Un9sXWWuChU

(Richard Galliano ist, glaube ich, hauptsächlich Akkordeonist, oder?)


View: https://youtu.be/ndKi5z-FHsQ

Welche Power ein Bandoneon (auch im Sitzen) haben kann, und welche Ausdrucksmöglichkeiten auf einem Bandoneon möglich sind, wenn jemand das Instrument beherrscht, kann man beeindruckend z. B. an dem folgenden Live-Mitschnitt eines berühmten Bandoneonistas hören:


View: https://youtu.be/vD5lGb1YzS8

In dieser Darbietung eines der berühmtesten Tangos überhaupt kann man auch viele verschiedene tango-spezifische Begleittechniken und Phrasierungen hören und erleben. Für mich eine wahre Freude, ich kann mich gar nicht daran sattsehen oder -hören.

So, das war mein kleiner Ausflug in Bandoneon- und Tangotechnik im Akkordeon-Unterforum. Es tut mir leid, wenn es zu lang geworden ist oder vielleicht zu weit weg geführt hat (ich habe schon einige Themen bezüglich der Tango-Interpretation ausgelassen). Falls es nicht passen oder zu OT sein sollte, einfach löschen, ich habe kein Problem damit.

Aber ich dachte mir, ein Einblick in die auf den Tango bezogene Bandoneontechnik - soweit ich sie bisher erfahren und geübt habe, könnte dabei helfen zu entscheiden, ob und wenn ja wie sie auf einem Akkordeon eventuell reproduzierbar wären. An diesem Punkt wiederum bin ich raus und reiche den Stab an die Akkordeonisten weiter :biggrinB:
 
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